TE OGH 1975/3/4 3Ob233/74

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Veröffentlicht am 04.03.1975
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Norm

EO §78
Österreich-deutscher Vollstreckungsvertrag Art13
Deutsche Zivilprozeßordnung §798
ZPO §477 Z3

Kopf

SZ 48/25

Spruch

Auf Grund eines in der BRD errichteten Notariatsaktes kann in Österreich die Exekution vor Ablauf der Wartefrist des § 798 dZPO bewilligt werden; diese Vorschrift betrifft kein Vollstreckbarkeitserfordernis, sondern die Durchführung des Vollzuges

Die vom Exekutionsbewilligungsgericht statt vom Exekutionsgericht bewilligte Überweisung ist als nichtig aufzuheben und durch den Ausspruch zu ersetzen, daß die Überweisung dem Exekutionsgericht vorbehalten bleibt

OGH 4. März 1975, 3 Ob 233/74 (OLG Innsbruck 2 R 277/74; LG Innsbruck 5 Nc 485/74)

Text

Die betreibende Partei beantragte am 22. August 1974, ihr auf Grund der vollstreckbaren Notariatsurkunde des Notars Dr. Georg S in D (BRD) vom 9. August 1974, Urkundenrolle Nr. 180/1974, zur Hereinbringung der darin angeführten vollstreckbaren Forderung von

583.178.44 DM samt Anhang die Exekution durch Pfändung und Überweisung der dem Verpflichteten gegen die Sparkasse der Stadt K zustehenden Forderung aus dem Girokonto Nr. 0008001752 zu bewilligen.

Das nur als Exekutionsbewilligungsgericht zuständige Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution einschließlich Überweisung.

Das Rekursgericht gab dem dagegen gerichteten Rekurs des Verpflichteten nicht Folge. Es hielt den Rekursausführungen, in welchen insbesondere hervorgehoben wurde, daß der Exekutionstitel dem Verpflichteten erst am 16. August 1974 zugestellt worden sei und deshalb zufolge § 798 dZPO der Exekutionsantrag frühestens am 23. August 1974 hätte gestellt werden können, im wesentlichen entgegen, dem Erstgericht sei eine mit einem amtlichen Siegel bzw. Stempel versehene Ausfertigung des Exekutionstitels vorgelegen, ein darüber hinausgehendes Zeugnis im Sinne des § 80 Z. 3 EO sei hier nicht erforderlich; die Vollmacht des am 9. August 1974 für die betreibende Partei einschreitenden Heinz Alfred S bilde keinen Bestandteil der vollstreckbaren Verpflichtungserklärung des Schuldners, schließlich sei die Bestimmung des § 798 dZPO als ausländische Verfahrensvorschrift zufolge Art. 6 des österreichischdeutschen Vollstreckungsvertrages, BGBl. 105/1960, nicht zu berücksichtigen bzw. eine allenfalls aus diesem Grund verfrühte Exekutionsbewilligung "durch den inzwischen erfolgten Ablauf der Wartefrist des § 798 dZPO saniert".

Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß des Revisionsrekurses des Verpflichteten die Beschlüsse der Vorinstanzen in Ansehung der Bewilligung der Überweisung als nichtig auf und ersetzte sie insoweit durch den Ausspruch, daß die Überweisung dem Exekutionsgericht vorbehalten bleibe. Im übrigen gab er dem Revisionsrekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Aus Anlaß des gemäß § 83 Abs. 3 EO zulässigen Revisionsrekurses war von Amts wegen wahrzunehmen, daß hier das Exekutionsbewilligungsgericht auch die beantragte Überweisung bewilligte, obwohl zur Entscheidung über den Überweisungsantrag zufolge § 303 Abs. 2 EO "in jedem Falle" das Exekutionsgericht (funktionell) berufen ist.

Da die in einem Exekutionsverfahren von einem unzuständigen Gericht gefaßten Beschlüsse zufolge § 51 EO in Verbindung mit §§ 78 EO, 477 Abs. 1 Z. 3 und 514 Abs. 2 ZPO nichtig sind (ebenso Fasching IV, 122; Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblau's Kommentar[4] zur EO, 608; SZ 41/180; EvBl. 1973/147, 1974/112 u. a.), war die von den Vorinstanzen bewilligte Überweisung als nichtig aufzuheben und insoweit auszusprechen, daß die Überweisung dem Exekutionsgericht vorbehalten bleibt.

Nach § 794 Abs. 1 Z. 5 dZPO ist für die Vollstreckbarkeit der dort angeführten öffentlichen Urkunden lediglich die Erklärung des Schuldners maßgebend (ebenso Stein - Jonas - Pohle, Komm. zur dZPO[19] bei § 794 unter VII[2] 2 vor Anm. 208; Baumbach - Lauterbach - Albers - Hartmann, dZPO[32], 1422 unter C u. a.). Schon deshalb bedarf es - abweichend von § 69 Abs. 2 NO bei österreichischen Notariatsakten - hier keines Anschlusses der Vollmacht des Machthabers des Gläubigers. Die vorgelegte öffentliche Urkunde ist ferner mit dem amtlichen Siegel des Notars versehen (sie enthält überdies die sogenannte Vollstreckungsklausel im Sinne des § 725 dZPO, welche für eine Exekutionsführung in Österreich zufolge Art. 13 des österreichischdeutschen Vollstreckungsvertrages, BGBl. 105/1960, gar nicht erforderlich wäre, vgl. hiezu Sedlacek, ZfRV 1960, 71, Anm. 62 und Geimer - Schütze, Internationale Urteilsanerkennung II, 166). Sie stellt daher einen tauglichen Exekutionstitel im Sinn des Art. 13 Abs. 1 des zitierten Vertrages dar und ist nach dieser Bestimmung in Österreich wie eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu vollstrecken.

Da sich die Bewilligung der Exekution und die Durchführung der Zwangsvollstreckung zufolge Art. 6 dieses Vertrages nach österreichischem Recht richtet, würde die in der österr. Exekutionsordnung nicht enthaltene Vorschrift einer "Wartefrist" im Sinn des § 798 dZPO der Bewilligung der gegenständlichen Exekution nur entgegenstehen, falls sie als Vollstreckbarkeitserfordernis - etwa ähnlich einer gesetzlichen Leistungsfrist - zu qualifizieren wäre. Dies ist jedoch aus nachstehenden Gründen zu verneinen:

Nach § 798 dZPO darf die Zwangsvollstreckung aus einer im § 794 Abs. 1 Nr. 5 dZPO genannten Urkunde erst eine Woche nach Zustellung des Schuldtitels "beginnen". Unter "Beginn der Zwangsvollstreckung" nach der in der BRD maßgebenden Terminologie versteht man jedoch nicht etwa die "Bewilligung der Exekution" (nach österreichischer Terminologie), sondern den Beginn der ersten tatsächlichen Vollzugshandlung, also etwa bei einer Fahrnisexekution die Durchsuchung der Wohnung des Verpflichteten durch den Vollstrecker (ebenso Stein Jonas - Pohle[19] vor § 704 unter VII 2, Baumbach, dZPO[32], 1267 und 7 A u. a.). Die Vorschrift des § 798 dZPO bezieht sich daher nicht auf die Exekutionsbewilligung, sondern auf die Durchführung des Vollzuges (beides im Sinn der österreichischen Terminologie). Ein etwaiger Verstoß gegen die darin normierte Wartefrist rechtfertigt folgerichtig lediglich "Einwendungen" im Sinn des § 766 dZPO (ebenso Stein - Jonas - Pohle[19] bei § 798 unter III, Baumbach, dZPO[32], 1433 oben, BGH 30, 175 u. a.) beim Vollstreckungsgericht. Die genannte Bestimmung des § 766 dZPO eröffnet aber keine Rechtsmittel, sondern einen Rechtsbehelf "gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung". Demzufolge regelt auch die Bestimmung des § 798 dZPO ihrem Inhalte nach die "Art und Weise der Zwangsvollstreckung", sie ist daher eindeutig als verfahrensrechtliche Bestimmung anzusehen.

Da in verfahrensrechtlicher Hinsicht jedoch zufolge Art. 6 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, abgesehen von den in diesem Vertrag selbst vorgesehenen Abweichungen, ausschließlich die Bestimmungen des österreichischen Exekutionsverfahrens zur Anwendung kommen, war die Bestimmung des § 798 dZPO bei Bewilligung des gegenständlichen Exekutionsantrages nicht zu berücksichtigen (ähnlich bereits EvBl. 1966/13 bei einem Kostenfestsetzungsbeschluß).

Anmerkung

Z48025

Schlagworte

Deutscher Notariatsakt, Exekutionsbewilligung in Österreich, Exekutionsbewilligung, Deutscher Notariatsakt, - in Österreich, Nichtigkeit, einer vom Exekutionsbewilligungsgericht bewilligten, Überweisung, Überweisung, Nichtigkeit einer vom Exekutionsbewilligungsgericht, bewilligten -, Wartefrist des § 798 dZPO, Deutscher Notariatsakt, Exekutionsbewilligung, in Österreich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00233.74.0304.000

Dokumentnummer

JJT_19750304_OGH0002_0030OB00233_7400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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