TE OGH 1976/4/8 7Ob565/76

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.04.1976
beobachten
merken

Norm

Landpachtgesetz §11

Kopf

SZ 49/54

Spruch

In einem Verfahren nach dem Landespachtgesetz hat das Gericht den Pachtzins immer in einer absoluten Größe festzusetzen; errechnet sich der vereinbarte Pachtzins aus einem Grundbetrag und einem Wertsicherungsbetrag, dann ist der gesamte sich hieraus ergebende Zins der Entscheidung zu unterwerfen

Das Begehren auf Rückersatz von Pachtzinsbeträgen, die ab der Wirksamkeit eines Herabsetzungsbeschlusses nach § 11 LPG über den dort genannten Betrag hinaus gezahlt wurden, gehört auf den Rechtsweg

OGH 8. April 1976, 7 Ob 565/76 (OLG Wien 4 R 149, 185/75; LGZ Wien 37 b Cg 273/73)

Text

Die Klägerin pachtete mit Vertrag vom 29. November 1960 von den Rechtsvorgängern der Beklagten den Hälfteanteil des auf mehreren Liegenschaften der KG E geführten Gärtnereiunternehmens. Der Pachtzins war mit monatlich 8 000 S vereinbart und nach dem Verbraucherpreisindex für eine vierköpfige österreichische Arbeiterfamilie wertgesichert. Die Beklagten sind in den Pachtvertrag derart eingetreten, daß die Erstbeklagte 68.75% sowie die Zweit- und Drittbeklagte je 15.625% des Pachtzinses zu erhalten haben.

Am 29. Oktober 191 stellte die Klägerin zu Psch. 1/71 des Bezirksgerichtes Liesing den Antrag, den Pachtzins mit Wirksamkeit vom 1. November 1971 nach den Bestimmungen des LandpachtG auf monatlich 2 100 S herabzusetzen. Mit Beschluß vom 23. Dezember 1972 sprach das Bezirksgericht Liesing zu Psch. 1/71-26 aus, daß der mit Landpachtvertrag vom 29. November 1960 vereinbarte monatliche Pachtschilling für den Hälfteanteil der Gärtnerei Anton B mit Wirksamkeit vom 1. November 1971 auf einen Betrag von monatlich 4 000 S herabgesetzt wird. Mit Beschluß vom 27. März 1973, 41 R 171/73 und 41 R 172/73-31, gab das Landesgericht für ZRS Wien einem Rekurs der Beklagter gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing nicht Folge. Dieser Beschluß wurde dem Vertreter der Klägerin am 26. April 1973 zugestellt. Die Beklagter beantragten hierauf am 11. Juli 1974 eine "Berichtigung" des Beschlusses des Bezirksgerichtes Liesing dahin, daß zu dem Pachtschilling von 4 000 S auch die sich aus der Wertsicherungsklausel ergebenden Beträge zu kommen hätten. Diesen Antrag wies das Bezirksgericht Liesing mit Beschluß vom 27. August 1974 Psch. 1/71-40, mit der Begründung ab, bei der Festsetzung des Pachtschillings sei auch auf die Wertsicherungsklausel Bedacht genommen worden.

Die Klägerin bezahlte bis zur Zustellung des Beschlusses des Landesgerichte für ZRS Wien (April 1973) den Pachtschilling in der vereinbarten Höhe. Mit der vorliegenden Klage begehrte sie ursprünglich den Rückersatz der für der Zeitraum zwischen dem 1. November 1971 und April 1973 über den vom Bezirksgericht Liesing festgesetzten Pachtzins hinaus gezahlten Beträge von zusammen 119 434 S samt Anhang. Im Zuge des Verfahrens schränkte sie jeweils um den fällig werdenden monatlichen Pachtschilling ein, so daß sie bei Schluß der Verhandlung erster Instanz von der Erstbeklagten 41 850 S und von den beiden anderen Beklagten je 9 512 S alle samt Anhang begehrte.

Die Beklagten bestritten zwar nicht die Richtigkeit der von der Klägerin errechneten Beträge unter Zugrundelegung der von ihr vertretenen Rechtsansicht, beantragten jedoch die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendeten ein, der vom Bezirksgericht Liesing festgesetzte Pachtschilling sei um die sich aus der Wertsicherungsklausel ergebenden Beträge zu erhöhen, weil die Wertsicherungsklausel nicht Gegenstand der Entscheidung des Bezirksgerichtes gewesen sei. Im übrigen habe die Klägerin versäumt, beim Bezirksgericht Liesing die Verpflichtung zur Rückzahlung zu beantragen. Da es sich nicht um eine irrtümliche Zahlung handle, könne die Klägerin nunmehr deren Rückersatz nicht verlangen. Im übrigen wendeten die Beklagten aufrechnungsweise eine Gegenforderung in der Höhe des Klagebetrages aus dem Titel des Schadenersatzes mit der Begründung ein, die Klägerin habe durch Vernachlässigung des Pachtobjektes die Grundlage für eine Herabsetzung des Pachtschillings geschaffen.

Das Erstgericht sprach aus, daß die eingeklagte Forderung von 41 850 S gegen die Erstbeklagte und von je 9 512 S gegen die Zweit- und Drittbeklagte zu Recht, jedoch die einredeweise geltend gemachte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Es verurteilte daher die Erstbeklagte zur Zahlung von 41 850 S sowie die Zweit- und Drittbeklagte zur Zahlung von je 9 911 S (offenbarer Schreibfehler, der jedoch von niemandem gerügt wurde) je samt Nebengebühren an die Klägerin.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat den Standpunkt, daß das Bezirksgericht Liesing einen festen Betrag als neuen Pachtschilling festgesetzt habe und daß durch diese Entscheidung sohin auch die Wertsicherungsklausel hinfällig geworden sei. Das Begehren der Klägerin könne zwar nicht auf § 1431 ABGB, jedoch auf § 1434 ABGB und allenfalls auf § 1435 ABGB gestützt werden. Erst durch die Rechtskraft der Entscheidung des Bezirksgerichtes Liesing sei die Herabsetzung wirksam geworden. Die Klägerin habe daher bis zum Eintritt dieser Rechtskraft nicht eine Schuld bezahlt, die nicht bestanden habe. Die behauptete Vernachlässigung des Pachtbetriebes stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Herabsetzung des Pachtzinses, weil sich eine Entscheidung nach § 11 LPG nach den Erträgnissen bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung zu richten habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auszugehen ist davon, daß das Bezirksgericht Liesing durch rechtskräftige Entscheidung gemäß § 11 LPG eine Herabsetzung des Pachtschillings vorgenommen hat. Der Auffassung der Beklagten, diese Entscheidung habe die sich aus der Wertsicherungsklausel ergebenden Beträge nicht berührt, kann nicht gefolgt werden. Gegenstand der Bestandzinsforderung sind nicht nur die ausdrücklich als Zins gezeichneten Beträge, sondern auch alle jene dem Bestandnehmer obliegenden Zahlungen, die sich als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung darstellen (Klang[2] V, 67). Sohin ist der Bestandzins das Entgelt für die Überlassung der Bestandsache. Der Bestandzins kann entweder ein fester Betrag oder eine variable Größe sein. Insbesondere ein wertgesicherter Bestandzins verändert sich nach Maßgabe der Wertsicherungsklausel. Bei einer Bestandzinsvereinbarung mit Wertsicherungsklausel stellt demnach der aufgewertete Betrag den zu zahlenden Zins dar (MietSlg. 23 089). Nach § 4 LPG ist ein angemessener Pachtzins festzusetzen. Ist der vom Pächter zu entrichtende Pachtzins so noch, daß er den bei einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Pachtgegenstandes erzielbaren Ertrag übersteigt, oder weicht er vom angemessenen Pachtzins (§ 4) um mehr als die Hälfte ab, so hat das Gericht gemäß § 11 Abs. 1 LPG auf Antrag den vom Pächter zu entrichtenden Pachtzins ab dem auf die Antragstellung folgenden Zinstermin auf den angemessenen Betrag zu mindern oder zu erhöhen. Ausgangspunkt ist der bei einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Pachtgegenstandes erzielbare Ertrag. Dieser Ertrag ist zu ermitteln und sodann so zu verteilen, daß jedem Vertragsteil der Anteil zukommt, der dem Wert der beiderseitigen Leistungen entspricht (1216 BlgNR, XI. GP, 8 zu § 4 LPG). Da das Gesetz auf den vom Pächter "zu entrichtenden Pachtzins" abstellt, ist es für die Anwendung dieser Vorschrift unbeachtlich, ob es sich um einen vereinbarten oder durch eine frühere gerichtliche Anordnung festgesetzten Pachtzins handelt und ob der Pachtzins von Anfang an unangemessen war oder erst durch eine Änderung der Verhältnisse unangemessen wurde (1216 BlgNR, XI. GP, 11 zu § 11 LPG). Hieraus ergibt sich, daß das Gericht in einem Verfahren nach LPG den Pachtzins immer in einer absoluten Größe festzusetzen hat. Errechnet sich der vereinbarte Pachtzins aus einem Grundbetrag und einem Wertsicherungsbetrag, so ist der gesamte sich hieraus ergebende Zins der Entscheidung zu unterwerfen. Gemäß § 3 LPG tritt die Entscheidung des Gerichtes über den Pachtzins an die Stelle der entsprechenden Vertragsbestimmung.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß die Entscheidung des Bezirksgerichtes Liesing den gesamten vertraglich vereinbarten Pachtzins, sohin auch die Wertsicherungsklausel, durch den von ihr festgesetzter Pachtzins ersetzt hat. Dies ergibt sich im übrigen eindeutig aus der Begründung seines Beschlusses. Die Gründe einer gerichtlichen Entscheidung sind für die Auslegung der Tragweite des Spruches heranzuziehen (EvBl. 1967/66; SZ 25/121; SZ 24/63 u. a.). Im übrigen läßt schon der Wortlaut des Spruches des Bezirksgerichtes Liesing erkennen, daß es den gesamten Pachtzins neu festgesetzt hat.

Die auch noch in der Revision vertretene Ansicht, zu dem vom Bezirksgericht Liesing festgesetzten Pachtzins können die Beklagten überdies die sich auf Grund der Wertsicherungsklausel ergebenden Beträge verlangen, ist demnach unzutreffend.

Allerdings kann die Klägerin die gezahlten Beträge nicht nach § 1431 ABGB zurückfordern, weil es sich nicht um eine irrtümliche Zahlung gehandelt hat. Wie bereits erwähnt, treten die nach dem LPG erlassenen gerichtlichen Anordnungen gemäß § 3 dieses Gesetzes an die Stelle der entsprechenden Vertragsbestimmungen. Derartige Entscheidungen des Gerichtes sind daher rechtsgestaltende Verfügungen. Rechtsgestaltende Entscheidungen ändern unmittelbar mit Eintritt ihrer Rechtskraft die Rechtslage (Fasching III 552). Demnach tritt ihre Gestaltungswirkung erst mit der Rechtskraft ein (Fasching III 16). Zwar ist in den zitierten Stellen der Literatur nur von Rechtsgestaltungsurteilen die Rede, doch , gilt diese Überlegung für jede rechtsgestaltende Entscheicheidung, gleichgültig in welcher Form sie ergeht, weil eine frühere Gestaltungswirkung undenkbar wäre. Geht man aber davon aus, daß die vertragliche Bestimmung über den Pachtzins erst mit der Rechtskraft des Beschlusses des Bezirksgerichtes Liesing geändert wurde, dann war die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt auf Grund des Vertrages verpflichtet, den Pachtzins in der vereinbarten Höhe zu zahlen. Die Bezahlung erfolgte daher als wahre Schuldigkeit. Im Hinblick auf die Festsetzung eines in der Vergangenheit liegenden Zeitpunktes für die Gültigkeit des neuen Pachtzinses war mit der Rechtskraft dieser Entscheidung der Grund für die Beklagten, die erhaltenen Zahlungen zu behalten, weggefallen. Aus diesem Gründe ist die Klägerin gemäß § 1435 ABGB berechtigt, den Rückersatz jener Beträge zu verlangen, die ab der Wirksamkeit des Herabsetzungsbeschlusses über den dort genannten Betrag hinaus bezahlt wurden. Ein solches Begehren konnte nur im streitigen Verfahren gestellt werden. Das LPG bietet keine Handhabe für ein Rückersatzbegehren im außerstreitigen Verfahren. Da die von der Klägerin errechneten Beträge unbestritten sind, erweisen sich demnach die Urteile der Untergerichte als richtig. Auf den Schreibfehler im Urteil erster Instanz war mangels Rüge nicht einzugehen.

Zu dem Ausspruch der Untergerichte über das Nichtzurechtbestehen der Gegenforderung nimmt die Revision nicht mehr Stellung, weshalb sich diesbezüglich weitere Ausführungen in dieser Entscheidung erübrigen.

Anmerkung

Z49054

Schlagworte

Landpachtgesetz, Festsetzung des Pachtzinses, Pachtzins, Festsetzung des - nach § 11 LPG, Rechtsweg, Begehren auf Rückersatz von Pachtzinsbeträgen, Rückersatz von Pachtzinsbeträgen, Rechtsweg

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00565.76.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19760408_OGH0002_0070OB00565_7600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten