TE OGH 1978/6/7 1Ob617/78

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Veröffentlicht am 07.06.1978
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Norm

ABGB §878 Abs1
ABGB §1002 Abs1
ABGB §1017 Abs1
ABGB §1295

Kopf

SZ 51/79

Spruch

Der Vertreter, aber auch derjenige, der nur bei der Vorbereitung eines Vertrages tätig ist und es schuldhaft unterläßt, auf eigene Rechte hinzuweisen, die der Verwirklichung der dem Vertragspartner einzuräumenden Rechte entgegenstehen, ist diesem schadenersatzpflichtig

OGH 7. Juni 1978, 1 Ob 617/78 (OLG Linz 1 R 13/78; KG Steyr 2 Cg 130/77)

Text

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, im Hinblick auf das zu seinen Gunsten ob der (seiner Gattin Edith H gehörigen) Liegenschaft EZ 94 KG W unter COZ 48 einverleibte Belastungs- und Veräußerungsverbot die Einverleibung eines Pfandrechtes bis zum Höchstbetrag von 250 000 S zur Sicherstellung aller Forderungen, die der Klägerin aus dem der Rolanda S gewährten Kredit erwachsen können, zu dulden, wobei die zeitliche Dauer des Pfandrechtes drei Jahre ab dem Range der Einverleibung betrage. Die Klägerin führte zur Begründung ihres Begehrens aus. Edith H sei mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 26. April 1976, 1 a Cg 242/75, schuldig erkannt worden. In die Einverleibung des in Rede stehenden Pfandrechtes einzuwilligen. Zur TZ 1384/75 des Bezirksgerichtes Neuhofen sei im Lastenblatt der EZ 94 KG W ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Beklagten einverleibt worden. Der Beklagte weigere sich, der Einverleibung des Höchstbetragspfandrechtes von 250 000 S auf der Liegenschaft seiner Ehegattin die Zustimmung zu erteilen. Die Eintragung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes sei jedoch nur erfolgt, um die Liegenschaft dem exekutiven Zugriff der Klägerin zu entziehen. Der Beklagte habe die Verhandlungen mit der Klägerin geführt, die zur Einräumung des Pfandrechts geführt hätten; er selbst habe das Verpfändungsanbot an die Klägerin vom 29. April 1974 verfaßt. Es liege daher eine schikanöse und dolose Rechtsausübung vor. Darüber hinaus sei die Rechtshandlung auch nach den Bestimmungen der Anfechtungsordnung anfechtbar.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, das Belastungs- und Veräußerungsverbot sei auf Grund eines am 23. Feber 1972 mit seiner Gattin in Notarialsaktsform abgeschlossenen Vertrages einverleibt worden; damals sei von einer Verpflichtung der Klägerin, ein Pfandrecht auf der Liegenschaft seiner Gattin einzuräumen, noch keine Rede gewesen. Die nachfolgende Eintragung habe daher keineswegs den Zweck verfolgt, die Liegenschaft der Exekution durch die Klägerin zu entziehen, vielmehr sollte dadurch gewährleistet sein, daß die Liegenschaft den Kindern erhalten bleibe.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Die Klage könne nicht als Anfechtungsklage qualifiziert werden, weil zur Anfechtung von Rechtshandlungen nur der Gläubiger einer vollstreckbaren Geldforderung berechtigt sei. Es liege aber auch eine dolose oder schikanöse Rechtsausübung nicht vor, weil sich die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbots auf den Notariatsakt vom 23. Feber 1972 grunde, der zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden sei, als die Klage zu 1 a Cg 242/75 des Erstgerichts noch nicht erhoben war.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin Folge, hob es unter Beisetzung des Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht billigte die Rechtsmeinung des Erstrichters, daß im vorliegenden Fall eine Anfechtung der Rechtshandlung nach den Bestimmungen der Anfechtungsordnung nicht begrundet wäre und verwies im übrigen darauf, daß die Klägerin in der Berufung den Standpunkt eingenommen habe, von vorneherein keine Anfechtungsklage erhoben zu haben. Dem Klagebegehren könne jedoch unter dem Gesichtspunkt des § 1295 Abs. 2 ABGB und des § 879 Abs. 1 ABGB Berechtigung zukommen. Gegebenenfalls käme auch eine Anfechtung nach den §§ 870 ff. ABGB in Betracht; letzlich sei dann, wenn der Beklagte an der Pfandrechtsvereinbarung beteiligt gewesen wäre, anzunehmen, daß er damit schlüssig auf die Ausübung von Rechten aus dem Belastungs- und Veräußerungsverbot verzichtet habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse des Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei Prüfung des behaupteten Sachverhaltes ist davon auszugehen, daß nach Lehre (vgl. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 62;

Welser, Vertretung ohne Vollmacht 56, derselbe, ÖJZ 1973, 281;

Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 174 und in Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 160) und Rechtsprechung (SZ 48/102; EvBl. 1976/193; JBl. 1977, 315) mögliche Geschäftspartner mit der Aufnahme eines Kontaktes in schuldrechtliche Beziehungen treten, die sie zu gegenseitiger Rücksichtnahme bei der Vorbereitung und beim Abschluß des Rechtsgeschäftes verpflichten. Die Beteiligten haben dabei insbesondere die Verpflichtung, einander über die Beschaffenheit der in Aussicht genommenen Leistungsgegenstände aufzuklären. Das in der Verletzung dieser Verpflichtung zu erblickende sogenannte Verschulden beim Vertragsschluß (culpa in contrahendo) macht den pflichtwidrig handelnden Teil schadenersatzpflichtig. Nun trifft es zu, daß die Haftung für das Verschulden beim Vertragsschluß in erster Linie die Parteien des Rechtsgeschäftes trifft, die im eigenen Interesse tätig werden; damit ist noch nicht die Frage beantwortet, ob diese Haftungsgrundsätze auch auf denjenigen angewendet werden können, der bei Vertragsverhandlungen für einen anderen tätig wird. Schon bei Schuster - Bonnot, Grundriß 112, und Mitteis, Die Lehre von der Stellvertretung, 156 ff., sowie Schey,

Die Obligationsverhältnisse des Österreichischen Allgemeinen Privatrechts I, 540 Anm. 42, findet sich der Gedanke, daß der vollmachtlos handelnde Vertreter den Dritten für den Mangel der Vollmacht nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo hafte, wogegen die Kommentarliteratur (vgl. Swoboda in Klang[1] II/2, 827; Stanzl in Klang[2] IV/1, 850, 854, und die überwiegende ältere Rechtsprechung die Haftung auf die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Bestimmungen der §§ 1293 ff. ABGB, insbesondere § 1295 ABGB stützt. Welser, Vertretung ohne Vollmacht, 94 ff., hat aufgezeigt, daß ein - zu Recht oder zu Unrecht - als Bevollmächtigter Auftretender im Verhältnis zum Dritten nicht irgend jemand, sondern eine Person ist, die am Vertragsgeschehen entscheidend beteiligt ist. Das Rechtsgeschäft sei zwar eine Regelung des Vertretenen, der Vertreter sei aber der eigentliche rechtsgeschäftlich Handelnde. Der Vertreter schaffe durch seine Beteiligung eine zusätzliche Gefahr insofern, als dadurch die Möglichkeit geschaffen werde, daß die von ihm abgegebenen Erklärungen den Vertretenen nicht binden (vgl. hiezu auch Mitteis a. a. O., 158). Dies rechtfertige es, den vollmachtlosen Vertreter für ein ihm unterlaufenes Verschulden beim Vertragsschluß haften zu lassen (Welser, Vertretung, 97). Diese Haftungsgrundlage wird auch von der neueren Rechtsprechung bejaht (JBl. 1978, 32; 6 Ob 79/75 u. a.).

Im vorliegenden Fall steht freilich die Frage im Vordergrund, ob denjenigen, der für einen anderen Vertragsverhandlungen führt, nicht nur Aufklärungspflichten hinsichtlich des Bestandes der Vollmacht, sondern auch sonstige Verhaltenspflichten, insbesondere Aufklärungspflichten treffen, deren schuldhafte Verletzung zu Schadenersatz verpflichtet. In Deutschland gelangten das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof auch in solchen Fällen zu einer Bejahung der Haftung des Vertreters für Verschulden beim Vertragsschuld, insbesondere dann, wenn der Vertreter im eigenen Interesse tätig war, oder wenn der Vertreter etwa als Rechtsanwalt, Wirtschaftstreuhänder oder dergleichen in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nahm und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußte; unter diesem Gesichtspunkt treffe den Vertreter persönlich die Pflicht, in den Vertragsverhandlungen Tatsachen zu offenbaren, die für den Willensentschluß des anderen Teils von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung von ihm nach Treu und Glauben erwartet werden muß (vgl. Soergel - Reimer - Schmidt, Vorbemerkung 15-17 vor § 275 BGB; Nirk in FS Möhring 1965, 408; RGZ 120, 249; BGHZ 14, 313; NJW 1963, 2166).

Bei Prüfung dieser Frage für den österreichischen Rechtsbereich ist an jene Gedanken anzuknüpfen, die schon für die Begründung der Haftung des vollmachlosen Vertreters als entscheidend erkannt wurden: die Beiziehung eines Vertreters steigert die Gefahr des rechtlichen oder wirtschaftlichen Mißlingens des Rechtsgeschäftes, weil nämlich unter Umständen dann, wenn der Vertreter keine Vollmacht besaß und auch nicht als Gehilfe des Geschäftsherrn tätig war, überhaupt niemand vorhanden ist, der die beim Vertragsabschluß bestehenden Sorgfaltspflichten wahrzunehmen hat. Die Gefahrensteigerung beruht auf dem möglichen Mangel eines Schutzpflichtigen. Im Interesse der reibungslosen Abwicklung von Vertretergeschäften ist ein Vertrauensschutz für den Geschäftspartner unabweislich. Er soll darauf vertrauen dürfen, daß die beim Vertragsschluß allgemein verlangte und geübte Sorgfalt auch beim Vertretergeschäft wahrgenommen wird (Welser, Vertretung 99, 100). Ausgehend von diesen rechtlichen Erwägungen wird eine Haftung des Vertreters für eine Verletzung sonstiger vorvertraglicher Verpflichtungen - abgesehen vom Fall des eigenen Interesses am Vertragsschluß - freilich nur dann für gerechtfertigt erachtet, wenn sein Verhalten nicht ohnehin einem Geschäftsherrn, dessen Abschlußgehilfe er war, nach Vollmachtsgrundsätzen oder gemäß § 1313a ABGB, zugerechnet werden kann (Welser, Vertretung 101; Koziol a. a. O., 64). Im vorliegenden Fall würde allerdings die Zurechnung des Verhaltens des Beklagten an den Vertretenen (Edith H) der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen können, weil es darauf ankommt, ob der Beklagte selbst sich einer Pflichtverletzung schuldig gemacht hat, deren Folgen nur er selbst beseitigen kann. Wenn der Vertreter schon den Dritten vor jenen Gefahren zu schützen hat, welche die Einschaltung eines Vertreters mit sich bringen kann, ist umso mehr seine Haftung zu bejahen, wenn er es bei den Vertragsverhandlungen unterließ, auf eigene Rechte hinzuweisen, die der Verwirklichung der dem Vertragspartner einzuräumenden Rechte entgegenstehen konnten. Der Umstand, daß der Beklagte nach den Klagsbehauptungen nicht als Abschlußvertreter tätig war, sondern ihm lediglich die Vorbereitung des Geschäftsabschlusses oblag, steht dem nicht entgegen; auch derjenige, der nur Kontakte zu Geschäftszwecken aufnimmt und die Bedingungen des Vertrages aushandelt, somit nur bei der Vorbereitung des Vertrages tätig ist, muß für das ihm dabei unterlaufene Verschulden einstehen (vgl. Welser a. a. O., 104). Die Unterlassung der Aufklärung, die im vorliegenden Fall ohne Zweifel auch als schuldhaft anzusehen wäre, würde - die Erweislichkeit der Klagsbehauptungen vorausgesetzt - die Haftung des Beklagten begrunden. Die Klägerin kann dann aber unter dem Gesichtspunkt der Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) die Zurückversetzung in den (hypothetischen ) Zustand, wie er im Schädigungszeitpunkt bestanden hätte, somit die Duldung der Einverleibung des ihr zuerkannten Höchstbetragspfandrechts begehren. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob der Beklagte, wie dies die Klägerin behauptet, bei der Vorbereitung des Vertragsschlusses für seine Gattin Edith H tätig war; bejahendenfalls wäre das Klagebegehren spruchreif im Sinne der Klagsstattgebung.

Anmerkung

Z51079

Schlagworte

Vertreter, Schadenersatzpflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0010OB00617.78.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19780607_OGH0002_0010OB00617_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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