TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/26 2004/03/0145

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Veröffentlicht am 26.04.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/03 GesmbH-Recht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
AVG §68 Abs1;
GBefG 1952 §5 Abs4 Z3 idF 1992/453;
GBefG 1952 §5 Abs4 Z3 idF 1993/126;
GBefG 1952 §5 Abs6 idF 1992/453;
GBefG 1952 §5 Abs6 idF 1993/126;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3 idF 2002/I/111;
GewO 1994 §87 idF 2002/I/111;
GewO 1994 §91 Abs2 idF 2002/I/111;
GmbHG §16 Abs1;
GmbHG §49 Abs1;
GütbefG 1995 §1 Abs3;
GütbefG 1995 §5 Abs1 Z1;
GütbefG 1995 §5 Abs2;
GütbefG 1995 §5 Abs7 Z3;
GütbefG 1995 §5 Abs9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der K GmbH in S, vertreten durch Dr. Burghard Seyr und Dr. Roman Schobesberger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Heiliggeiststraße 1/III, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 8. Juli 2004, Zl Senat-AB-04-0020, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung für den Güterfernverkehr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung für den grenzüberschreitenden Güterverkehr mit 24 Kraftfahrzeugen im Standort S gemäß § 91 Abs 2 iVm § 87 Abs 1 Z 3 Gewerbeordnung 1994 und § 5 Abs 1 und Abs 7 Z 3 und Abs 9 Güterbeförderungsgesetz entzogen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 2. April 1993 die Konzession für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Fernverkehr (Güterfernverkehr) mit 24 Kraftfahrzeugen erteilt worden sei. Am 21. Dezember 1994 (gültig vom 1. Jänner 1995 bis 31. Dezember 1999) sei der Beschwerdeführerin eine EU-Gemeinschaftslizenz mit 8 Abschriften, am 27. Jänner 2002 (gültig vom 27. Jänner 2000 bis 26. Jänner 2005) eine EU-Gemeinschaftslizenz mit 20 Abschriften erteilt worden. Vom Bundesamt für Güterverkehr in Erfurt sowie dessen Außenstelle in München seien seit Mai 2003 insgesamt 20 Beanstandungen gemeldet worden, wonach teilweise gefälschte, teilweise kopierte Gemeinschaftslizenzen verwendet worden seien, andererseits keine Gemeinschaftslizenzen mitgeführt worden seien.

Vom 24. August 2000 bis 7. Februar 2004 sei T.S. als einzige handelsrechtliche Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin im Firmenbuch eingetragen gewesen. T.S. sei ukrainische Staatsbürgerin. Bei der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld bestünden betreffend T.S. Vormerkungen betreffend § 17 Abs 1 und Abs 3 Z 10 sowie § 23 Abs 1 Z 4 Güterbeförderungsgesetz.

Mit Schreiben des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. November 2003, zugestellt am 11. November 2003, sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, binnen einer Frist von vier Wochen ab Erhalt dieses Schreibens T.S. aus den Positionen als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin (und einer weiteren Gesellschaft) sowie als Mehrheits- oder Alleingesellschafterin zu entfernen. Im Firmenbuch des Landesgerichtes St. Pölten sei die Funktion der T.S. als handelsrechtliche Geschäftsführerin am 7. Februar 2004 gelöscht worden; der Antrag auf Änderung sei am 2. Februar 2004 eingelangt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 5 Abs 1 Güterbeförderungsgesetz 1995 die Konzession nur erteilt werden dürfe, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbes

1.

die Zuverlässigkeit,

2.

die finanzielle Leistungsfähigkeit und

3.

die fachliche Eignung (Befähigungsnachweis) vorlägen.

Würden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so sei die Konzession unbeschadet der §§ 87 bis 91 Gewerbeordnung 1994 von der zur Erteilung der Konzession zuständigen Behörde zu entziehen. Gemäß § 5 Abs 7 Z 3 Güterbeförderungsgesetz 1995 erfordere die Erteilung der Konzession neben der Erfüllung der im Abs 1 angeführten Voraussetzungen bei einer juristischen Person, dass (ua) die Mehrheit der Mitglieder jedes ihrer leitenden Organe einschließlich des Vorsitzenden EWR-Angehörige seien und die stimmrechtsgewährenden Anteilsrechte zu mehr als 75 % EWR-Angehörigen, dem Bund, einem Land oder einer Gemeinde zustünden. Gemäß § 5 Abs 9 Güterbeförderungsgesetz 1995 müssten die in Abs 7 Z 1, 2 und 3 angeführten Voraussetzungen während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Würden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so sei die Konzession unbeschadet der §§ 87 bis 91 Gewerbeordnung 1994 von der zur Erteilung der Konzession zuständigen Behörde zu entziehen.

Gemäß § 91 Abs 2 Gewerbeordnung 1994 habe die Behörde dem Gewerbetreibenden eine Frist bekannt zu geben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen habe, wenn der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes sei und sich die in § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person bezögen, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zustehe. Habe der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person nicht innerhalb der gesetzlichen Frist entfernt, so habe die Behörde im Falle, dass der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber sei, die Gewerbeberechtigung zu entziehen.

Die alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei zweifelsfrei eine Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zustehe. Die Ukraine sei nicht Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes. Die Voraussetzung des § 5 Abs 7 Z 3 und Abs 9 Güterbeförderungsgesetz sei daher nicht erfüllt und daher habe bereits aus diesem Grunde die erstinstanzliche Behörde zu Recht die Konzessionsinhaberin zur Entfernung von T.S. aufgefordert. Die Frist zur Entfernung habe am 11. Dezember 2003 geendet, der Abbestellungsbeschluss sowie der Notariatsakt seien jedoch erst am 29. Jänner 2004 erfolgt; der Antrag auf Eintragung ins Firmenbuch sei beim Firmenbuchgericht erst am 2. Februar 2004 eingelangt, die Eintragung sei am 7. Februar 2004 erfolgt. Diese Verspätung sei von der Beschwerdeführerin auch zugestanden worden. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe die Entziehung der Gewerbeberechtigung auch dann zu erfolgen, wenn die natürliche Person mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte vom Gewerbetreibenden zwar entfernt wurde, dies aber nicht innerhalb der von der Behörde bekannt gegebenen Frist geschehen sei. Aus der Formulierung des § 91 Abs 2 Gewerbeordnung 1994 sei zu schließen, dass Änderungen im maßgebenden Sachverhalt nach Ablauf der dem Gewerbetreibenden gesetzten behördlichen Frist unbeachtlich seien. Der Gesetzgeber sehe insofern mit der genannten Regelung nur eine Sanktion für die Nichtentfernung der natürlichen Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb ihrer Geschäfte zustehe, durch den Gewerbetreibenden vor. "Im Übrigen" (gemeint wohl betreffend den weiteren schon von der erstinstanzlichen Behörde herangezogenen Konzessionsentziehungsgrund der mangelnden Zuverlässigkeit) werde auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

              1.              Die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Entziehung der Gewerbeberechtigung durch die belangte Behörde stützt sich auf zwei unterschiedliche Tatbestände des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütbefG): einerseits mangelnde Zuverlässigkeit (§ 5 Abs 1 Z 1 GütbefG) und andererseits fehlende EWR-Angehörigkeit der Geschäftsführerin (§ 5 Abs 7 Z 3 iVm Abs 9 GütbefG), wobei sich die ausdrücklichen rechtlichen Erwägungen im angefochtenen Bescheid ausschließlich mit dem letztgenannten Entziehungsgrund befassen.

              2.              Zunächst ist vor dem Hintergrund des hg Erkenntnisses vom 30. Juni 1999, Zl 96/03/0172, auf die Anwendbarkeit des § 5 Abs 7 Z 3 iVm Abs 9 GütbefG auf die der Beschwerdeführerin erteilte Konzession einzugehen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. März 1993, zugestellt am 2. April 1993, wurde der Beschwerdeführerin auf Grund des § 5 Abs 1 des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl Nr 63/1952 "in der Fassung BGBl Nr 126/1992" (gemeint wohl BGBl Nr 126/1993, richtig: 453/1992), die Konzession gemäß § 3 Abs 2 Z 2 dieses Gesetzes für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Fernverkehr (Güterfernverkehr (nunmehr gemäß § 26 Abs 3 GütbefG "grenzüberschreitender Güterverkehr")) mit 24 Kraftfahrzeugen erteilt.

Zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung an die Beschwerdeführerin hatte § 5 Abs 4 Z 3 Güterbeförderungsgesetz folgenden Wortlaut:

"Die Erteilung der Konzession erfordert neben der Erfüllung der im Abs. 1 angeführten Voraussetzungen

... 3. bei einer juristischen Person, dass sie ihren Sitz im Inland hat, die Mehrheit der Mitglieder jedes ihrer leitenden Organe (wie Geschäftsführer, Vorstand, Aufsichtsrat) einschließlich des Vorsitzenden österreichische Staatsbürger sind und die Stimmrecht gewährenden Anteilsrechte zu mehr als 75% österreichischen Staatsbürgern, dem Bund, einem Land oder einer Gemeinde zustehen; stehen Anteilsrechte einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft des Handelsrechtes zu, so haben diese die ihrer Rechtsform entsprechenden Voraussetzungen gemäß der vorstehenden Regelung oder der Z 2 zu erfüllen. Sofern eine Aktiengesellschaft Eigentümerin ist, müssen die Aktien der Gesellschaft auf Namen lauten und die Übertragung nach der Satzung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden sein."

§ 5 Abs 6 Güterbeförderungsgesetz lautete zu diesem Zeitpunkt:

"Die in Abs. 4 Z 2 und 3 angeführten Voraussetzungen müssen während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Werden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so ist die Konzession unbeschadet der Bestimmungen der §§ 87 bis 91 der Gewerbeordnung 1973 von der zur Erteilung der Konzession zuständigen Behörde zu entziehen."

In der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung lauteten diese Bestimmungen, nach mehreren Novellierungen, folgendermaßen (die veränderte Absatzbezeichnung geht auf die Wiederverlautbarung des Güterbeförderungsgesetzes durch BGBl Nr 593/1995 zurück):

§ 5 Abs 7 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG):

"Die Erteilung der Konzession erfordert neben der Erfüllung der im Abs. 1 angeführten Voraussetzungen

... 3. bei einer juristischen Person, dass sie ihren Sitz oder eine nicht nur vorübergehende geschäftliche Niederlassung in Österreich hat, die Mehrheit der Mitglieder jedes ihrer leitenden Organe (wie Geschäftsführer, Vorstand, Aufsichtsrat) einschließlich des Vorsitzenden EWR-Angehörige sind und die Stimmrecht gewährenden Anteilsrechte zu mehr als 75% EWR-Angehörigen, dem Bund, einem Land oder einer Gemeinde zustehen."

§ 5 Abs 9 GütbefG:

"Die in Abs. 7 Z 1, 2 und 3 angeführten Voraussetzungen müssen während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Werden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so ist die Konzession unbeschadet der §§ 87 bis 91 GewO 1994 von der zur Erteilung der Konzession zuständigen Behörde zu entziehen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 30. Juni 1999, Zl 96/03/0172, die Anwendbarkeit des § 5 Abs 7 Z 3 iVm § 5 Abs 9 GütbefG für so genannte "Altkonzessionen", die vor der (am 1.1.1994 in Kraft getretenen) Novelle BGBl Nr 126/1993 erteilt wurden, in jenen Fällen verneint, in denen der vom Gesetz geforderte "Dauerzustand" - im konkreten Fall die Abwesenheit bestimmter ausländischer Beteiligungen an der Gesellschaft des Konzessionsinhabers - erst geschaffen werden müsste und insofern also in die Rechtskraft bestehender - vom Gesetz ausdrücklich als Bewilligungen nach dem Gesetz BGBl Nr 126/1993 normierter (vgl § 26 Abs 1 GütbefG) - Konzessionen eingegriffen würde. In dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Beschwerdefall war die dort zu beurteilende Konzession im Jahre 1977 erteilt worden, somit zu einem Zeitpunkt, als die mit der Novelle BGBl Nr 630/1982 eingeführten Beschränkungen für die Beteiligung von Ausländern an juristischen Personen, die über eine Konzession nach dem Güterbeförderungsgesetz verfügen, noch nicht bestanden hatten.

Im vorliegenden Beschwerdefall bestand jedoch bereits zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung eine - hier verfahrensgegenständliche - Bestimmung, die für die Konzessionserteilung an eine juristische Person unter anderem Anforderungen an die Staatsangehörigkeit der Mehrheit der Mitglieder der leitenden Organe der juristischen Person aufstellte und festlegte, dass diese Voraussetzungen während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen müssen (§ 5 Abs 4 und 6 des Güterbeförderungsgesetzes idF BGBl Nr 453/1992). Diese Bestimmungen wurden zwar unter anderem mit der Novelle BGBl Nr 126/1993 geändert, dabei wurden jedoch keine strengeren Anforderungen an den Konzessionsinhaber aufgestellt, sondern vielmehr (im Wesentlichen) das Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft durch das Erfordernis der Staatsangehörigkeit eines EWR-Mitgliedstaates ersetzt. Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall demnach nicht davon gesprochen werden, dass - bei Anwendung des § 5 Abs 7 Z 3 iVm Abs 9 GütbefG in der geltenden Fassung - der vom Gesetz geforderte "Dauerzustand" erst hätte geschaffen werden müssen, sodass in der Anwendung dieser Bestimmungen durch die belangte Behörde kein Eingriff in die Rechtskraft bestehender Konzessionen im Sinne des zitierten Erkenntnisses gesehen werden kann.

              3.              Unstrittig ist, dass T.S., die vom 24. August 2000 bis zum 7. Februar 2004 als einzige handelsrechtliche Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin im Firmenbuch eingetragen war, in diesem Zeitraum nicht EWR-Angehörige war. Soweit die belangte Behörde jedoch die Entziehung der Konzession auf diesen Umstand - in Verbindung mit der erst nach Ablauf der gemäß § 91 Abs 2 GewO gesetzten Frist erfolgten Abberufung der Geschäftsführerin - stützt, verkennt sie jedoch, dass die Bestimmung des § 91 Abs 2 GewO 1994 in Entziehungsverfahren nach § 5 Abs 9 GütbefG nicht anzuwenden ist.

§ 1 Abs 3 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) lautet:

"Soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen trifft, gilt für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen die Gewerbeordnung 1994 mit der Maßgabe, dass das Güterbeförderungsgewerbe als bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe gilt und dass jeweils die konzessionserteilende Behörde zuständig ist für Konzessionsentziehungsverfahren sowie die Genehmigung und den Widerruf

1.

der Bestellung eines Geschäftsführers,

2.

der Übertragung der Ausübung eines Gewerbes an einen Pächter und

              3.              der Bestellung eines Filialgeschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte."

Die subsidiäre Anwendbarkeit der Gewerbeordnung 1994 auf die dem GütbefG unterliegenden Beförderungsgewerbe findet demnach dort ihre Grenze, wo das GütbefG besondere - abschließende - Regelungen für einen bestimmten Sachverhalt trifft.

§ 91 Abs 2 GewO idF BGBl I Nr 111/2002 lautet:

"Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekannt zu geben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen."

§ 87 Abs 1 GewO idF BGBl I Nr 111/2002 lautet:

"Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

              1.              auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist oder

              2.              einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegt oder

              3.              der Gewerbeinhaber infolge schwer wiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt oder

              4.              der Gewerbeinhaber wegen Beihilfe zur Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 bestraft worden ist und diesbezüglich ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten ist.

Schutzinteressen gemäß Z 3 sind insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornografie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. IX Abs. 1 Z 3 EGVG)."

Das GütbefG enthält keine Bestimmungen über die Vorgangsweise, wenn der Gewerbetreibende eine juristische Person ist und sich der Konzessionsentziehungsgrund der mangelnden Zuverlässigkeit sinngemäß auf eine natürliche Person bezieht, der maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des Konzessionsinhabers zusteht. Nach § 1 Abs 3 GütbefG ist daher in diesem Fall die Bestimmung des § 91 Abs 2 GewO 1994 anzuwenden; die Bezugnahme auf die in § 87 (GewO 1994) angeführten Entziehungsgründe betrifft ua den Entziehungsgrund der mangelnden Zuverlässigkeit (§ 87 Abs 1 Z 3 GewO 1994) und schließt damit die für Güterbeförderungsgewerbe in § 5 Abs 1 Z 1 und Abs 2 GütbefG speziell geregelten Zuverlässigkeitsbestimmungen ein.

Anders verhält es sich jedoch mit den Entziehungsgründen des § 5 Abs 7 iVm Abs 9 GütbefG. Diese Entziehungsgründe bzw Konzessionsvoraussetzungen - im konkreten Fall das Erfordernis einer Mehrheit von EWR-Angehörigen in den Leitungsorganen einer juristischen Person als Gewerbetreibender - beziehen sich stets auf den Gewerbetreibenden selbst und können sich nicht sinngemäß auf eine natürliche Person beziehen, auch wenn - wie im vorliegenden Beschwerdefall - die Staatsangehörigkeit einer bestimmten Person, der maßgebender Einfluss auf die Geschäfte zusteht, entscheidungswesentlich ist. Zudem ist ein vergleichbarer Grund für die Entziehung der Gewerbeberechtigung in § 87 GewO 1994 - auf den § 91 Abs 2 GewO 1994 verweist - nicht vorgesehen, sodass das Aufforderungsverfahren nach dieser Bestimmung bei einer Konzessionsentziehung nach § 5 Abs 7 iVm Abs 9 GütbefG nicht durchzuführen ist.

Das Vorliegen des Konzessionsentziehungsgrundes nach § 5 Abs 7 Z 3 iVm Abs 9 GütbefG ist demnach mangels gegenteiliger gesetzlicher Anordnung nach der Sachlage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides über die Konzessionsentziehung zu beurteilen. Der angefochtene Bescheid wurde gegenüber der Beschwerdeführerin am 22. Juli 2004 - und damit zu einem Zeitpunkt, in dem T.S. nicht mehr Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin war - erlassen. Soweit sich der angefochtene Bescheid darauf stützt, dass die Geschäftsführerin T.S. als Nicht-EWR-Angehörige nicht innerhalb der von der erstinstanzlichen Behörde gemäß § 91 Abs 2 GewO gesetzten Frist abberufen worden sei, erweist er sich daher als inhaltlich rechtswidrig.

              4.              Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde gegen die von der erstinstanzlichen Behörde mit Schreiben vom 5. November 2003 (zugestellt am 11. November 2003) bestimmte Frist, innerhalb der T.S. (ua) von ihrer Position als handelsrechtliche Geschäftsführerin zu entfernen gewesen sei. Die Behörde hätte die Frist so festsetzen müssen, dass die Entfernung innerhalb dieser Frist auch tatsächlich erfolgen könne. Die Festsetzung einer Frist, die so kurz bemessen sei, dass die Entfernung unter keinen Umständen bewerkstelligt werden könne, widerspreche Sinn und Zweck des Gesetzes und belaste jeden Bescheid, der auf Grundlage einer zu kurz bemessenen Frist den Entzug der Gewerbeberechtigung vorschreibe, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Die vom Landeshauptmann festgesetzte Frist sei "angesichts der zahlreichen Rechtshandlungen, die unternommen werden mussten, um die Abberufung ins Werk zu setzen, objektiv gesehen zu kurz, als dies innerhalb der genannten Frist hätte geschehen können". Es sei der Behörde bereits von vornherein vollkommen klar gewesen, dass innerhalb der gesetzten Frist eine Abberufung unmöglich erfolgen könne. Die belangte Behörde hätte diesen Fehler in der Fristbemessung durch die erstinstanzliche Behörde aufzugreifen gehabt.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Einwendungen gegen die Fristsetzung vorgebracht und auch in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt hat, aus welchen besonderen, in den spezifischen Umständen des konkreten Falles gelegenen Gründen die Frist zu knapp bemessen gewesen wäre. In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde wurde seitens der Beschwerdeführerin lediglich vorgebracht, dass die Abberufung der T.S. erfolgt sei, dies jedoch "leider zu spät."

Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass eine Frist von vier Wochen in jedem Fall als zu knapp bemessen anzusehen ist, um die Abberufung einer GmbH-Geschäftsführerin durchzuführen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Abberufung mit dem entsprechenden Gesellschafterbeschluss bewirkt ist und die Dauer des Eintragungsverfahrens im Firmenbuch daher nicht mehr in die Frist einzubeziehen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 3. März 1999, Zl 98/04/0192). Auch in der Beschwerde legt die Beschwerdeführerin nicht dar, welche konkreten Rechtshandlungen sie zu welchen Zeitpunkten vorgenommen hat, um die Abberufung der T.S. als Geschäftsführerin (und die Übertragung ihrer Anteile) rechtzeitig in die Wege zu leiten. Der Verwaltungsgerichtshof kann somit nicht erkennen, dass die von der erstinstanzlichen Behörde festgelegte Frist im konkreten Fall tatsächlich zu kurz bemessen gewesen wäre.

              5.              Die Beschwerdeführerin wendet sich auch gegen die Auffassung der belangten Behörde, wonach eine allenfalls nach der Frist erfolgte Entsprechung des behördlichen Auftrags an der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 91 Abs 2 Gewerbeordnung 1994 nichts zu ändern vermöge. Dies widerspreche der grundsätzlichen Konzeption des Gesetzgebers, wonach die Fristbestimmung selbst erst im Entzugsverfahren angefochten werden könne. Die Angemessenheit der Fristsetzung müsse auch im Gewerbeentzugsverfahren releviert werden können. Dabei habe die Behörde zufolge der im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsätze, insbesondere dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit und der Amtswegigkeit des Verfahrens, die erforderlichen Erhebungen selbst zu pflegen. Die Unangemessenheit der Fristsetzung wäre in diesem Zusammenhang von Amts wegen aufzugreifen gewesen.

Auch hiezu ist die Beschwerdeführerin darauf zu verweisen, dass grundsätzlich eine Frist von vier Wochen nicht in jedem Falle als zu knapp bemessen angesehen werden kann. Änderungen im maßgebenden Sachverhalt nach Ablauf der dem Konzessionsinhaber gesetzten behördlichen Frist sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unbeachtlich (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl 94/04/0221, Slg Nr 14.203/A).

              6.              Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, dass die belangte Behörde weitere Erhebungen dahingehend zu pflegen gehabt hätte, innerhalb welcher Fristen für gewöhnlich eine Abberufung des handelsrechtlichen Geschäftsführers erfolgen könne und dieser Umstand eingehend im Rahmen der Berufungsverhandlung hätte erörtert werden müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass weder die Berufung noch das Vorbringen in der Berufungsverhandlung diesbezüglich erkennen haben lassen, dass nach Ansicht der Beschwerdeführerin die Frist zu kurz bemessen gewesen wäre. Es wäre der Beschwerdeführerin oblegen, im Falle von Bedenken gegen die festgelegte Frist umgehend darzutun, aus welchen Gründen sie eine längere Fristsetzung als erforderlich erachtet und sie hätte in der Berufung sowie in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich ein geeignetes Vorbringen erstatten können. Der Beschwerdeführerin kann insbesondere, wie bereits dargelegt, auch nicht darin gefolgt werden, dass eine Frist von einem Monat "grundsätzlich nie ausreicht, um die Abberufung bewerkstelligen zu können." Wie im vorliegenden Fall dokumentiert, wurde die Abberufung mit Notariatsakt vom 29. Jänner 2004 vorgenommen und war am 7. Februar 2004 im Firmenbuch durchgeführt; aus welchen Gründen bis zur Abberufung mit Notariatsakt vom 29. Jänner 2004 mehr als zweieinhalb Monate vergangen sind, hat die Beschwerdeführerin weder in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde noch nunmehr in ihrer Beschwerde dargelegt.

              7.              Die Beschwerdeführerin wendet sich schließlich gegen die - aus 20 im erstinstanzlichen Bescheid detailliert angeführten Vorkommnissen abgeleitete - Beurteilung, wonach die gemäß § 5 Abs 1 GütbefG erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben sei. Sie erstattet dazu - wie bereits in ihrer Berufung sowie in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde - konkretes Vorbringen zu mehreren der ihr vorgeworfenen Vorfälle und führt zusammenfassend aus, dass ihr "wenn überhaupt lediglich vier Übertretungen angelastet" werden könnten, in denen keine Gemeinschaftslizenz habe vorgelegt werden können.

Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, hat die belangte Behörde im Zuge des Berufungsverfahrens weitere Beweise aufgenommen und eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Zuge auch eine vom Vertreter der Beschwerdeführerin erstellte Zusammenstellung mit Argumenten zur Entkräftung oder Relativierung der einzelnen - nach dem angefochtenen Bescheid die mangelnde Zuverlässigkeit begründenden - Vorfälle zum Akt genommen wurde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt die Berufungsbehörde ihrer Begründungspflicht dann nicht im Sinne des Gesetzes, wenn sie bloß auf die Begründung des Bescheides erster Instanz verweist, jedoch die Berufung, über die sie entscheidet, dagegen Argumente enthält, von denen nicht von vornherein erkennbar ist, dass sie unzutreffend sind oder an der Sache vorbeigehen (vgl das hg Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl 97/19/1280).

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid - durch die Übernahme des Spruchs der erstinstanzlichen Behörde - auch auf § 5 Abs 1 GütbefG gestützt. Sie hat sich jedoch mit dem auf diesen Konzessionsentziehungsgrund bezogenen konkreten Berufungsvorbringen und den diesbezüglichen Ergebnissen des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens - insbesondere auch dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung - im angefochtenen Bescheid nicht auseinander gesetzt und lediglich pauschal auf die "zutreffenden Ausführungen" im Bescheid der erstinstanzlichen Behörde verwiesen. Sie ist damit im Hinblick auf den Konzessionsentziehungsgrund der mangelnden Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs 1 GütbefG ihrer Begründungspflicht nach § 67 AVG nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, sodass sich der angefochtene Bescheid auch aus diesem Grunde als rechtswidrig erweist.

              8.              Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen vorrangig aufzugreifender inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da in dem zugesprochenen Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand von EUR 991,20 die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am 26. April 2005

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Verweisung auf die Entscheidungsgründe der ersten Instanz Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004030145.X00

Im RIS seit

30.05.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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