TE OGH 1979/2/22 12Os22/79

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Veröffentlicht am 22.02.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Februar 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Keller, Dr. Kral und Dr. Kießwetter als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Hansjörg A wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 21. November 1977, GZ. 1 U 74/

76-19 und den Vorgang, daß das Protokoll über die Hauptverhandlung und die Ausfertigung des Urteils durch einen Vermerk gemäß § 458 Abs. 2 StPO ersetzt wurde, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Hansjörg A wegen § 136 Abs. 1 StGB, AZ. 1 U 74/76 des Bezirksgerichtes Wels, ist das Gesetz 1.) durch den Vorgang, das Protokoll über die Hauptverhandlung und die Ausfertigung des Urteils durch einen Vermerk gemäß § 458 Abs. 2 StPO zu ersetzen, in der Bestimmung des § 36 JGG, 2.) durch das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 21. November 1977, GZ. 1 U 74/76-19, in den Bestimmungen der § 260 Abs. 1 Z 1, 270 Abs. 2 Z 4, 458 Abs. 2 Z 1 StPO, verletzt.

Dieses Urteil und alle darauf beruhenden Verfügungen werden aufgehoben, und es wird dem Bezirksgericht Wels die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über den Strafantrag des öffentlichen Anklägers gegen Hansjörg A wegen § 136 Abs. 1 StGB aufgetragen.

Text

Gründe:

Am 19. Mai 1976 erstattete das Bezirkspolizeikommissariat Wels beim Bezirksgericht Wels gegen den am 20. Oktober 1960 geborenen Schüler Manfred Wilhelm B, gegen den bei diesem Gericht zur AZ 1 U 74/76 bereits ein Strafantrag wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB (betreffend die Wegnahme von S 200,-- zum Nachteil des Karl C) gestellt worden war, und gegen den am 17. März 1960 geborenen Malerlehrling Hansjörg A Strafanzeige. Die beiden Genannten hatten am 7. Mai 1976 in Wels das unversperrt abgestellte Moped des Franz Dieter D an sich genommen, waren damit ca. eine Stunde herumgefahren und hatten das Fahrzeug schließlich in Tatortnähe wieder abgestellt (wobei das Nummernschloß fehlte). Auf Grund dieser Anzeige stellte der öffentliche Ankläger beim Bezirksgericht Wels den Antrag auf Bestrafung des Manfred Wilhelm B und des Hansjörg A wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 (Abs. 1) StGB In der Folge wurde jedoch das Verfahren gegen Manfred Wilhelm B wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 10 JGG am 10. Oktober 1977 infolge Zurückziehung des Strafantrages gemäß dem § 227 (Abs. 1) StPO beendet.

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 21. November 1977, GZ 1 U 74/76-19, wurde Hansjörg A schuldig erkannt, er hat 'am 8. Mai 1976 zusammen mit Manfred B aus Unbesonnenheit das Moped des Karl C genommen und ist auf dem Rücksitz mit Manfred B mitgefahren', er hat hiedurch das 'Vergehen nach dem § 127 Abs. 1 StGB' begangen, und zu einer Geldstrafe verurteilt. Sowohl der Beschuldigte, als auch der öffentliche Ankläger verzichteten auf Rechtsmittel gegen dieses Urteil. Gemäß dem § 458 Abs. 2 StPO wurden das Protokoll über die Hauptverhandlung und die Urteilsausfertigung durch einen Protokoll- und Urteilsvermerk ersetzt.

Der gesetzliche Vertreter des auch zur Zeit der Urteilsfällung noch jugendlichen Beschuldigten, nämlich sein (ehelicher) Vater Alfred A, wurde weder von der Anordnung der Hauptverhandlung benachrichtigt noch wurde ihm eine Urteilsausfertigung zugestellt. Bereits mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wels als Jugendschöffengericht vom 12. Jänner 1977, GZ 15 Vr 1292/ 76-9, war Hansjörg A des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls (durch Einbruch) nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 und 15 StGB und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB (Tatzeiten: 2.-4. September 1976) schuldig erkannt und zu drei Monaten Freiheitsstrafe, bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Vorgang des Bezirksgerichtes Wels und dessen Urteil vom 21. November 1977 stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß dem § 36 Abs. 1 JGG sind die Bestimmungen der § 427, 455 Abs. 3, 458 Abs. 2 und 3, 459 Satz 2 und 3, 460 bis 462 und 478 StPO in Jugendstrafsachen (§ 1 Z 4 JGG) nicht anzuwenden. Da der Beschuldigte Hansjörg A im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, war es vorliegend daher unzulässig, das Protokoll über die Hauptverhandlung und die Ausfertigung des Urteils durch einen Vermerk gemäß § 458 Abs. 2 StPO zu ersetzen.

Darüber hinaus verstößt aber auch das Urteil selbst gegen das Gesetz. Gemäß § 458 Abs. 2 Z 1 StPO hat nämlich der über ein im Verfahren vor den Bezirksgerichten ergangenes Urteil aufgenommene Protokoll- und Urteilsvermerk die im § 270 Abs. 2 StPO erwähnten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe, demnach auch das Erkenntnis des Gerichtes über die Schuldfrage mit allen im § 260 StPO angeführten Punkten zu enthalten (§ 270 Abs. 2 Z 4 StPO). Aus diesem muß sich daher (u. a.) deutlich ergeben, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, und welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, begründet wird (§ 260 Abs. 1 Z 1 und 2 StPO). Diesen Erfordernissen wurde jedoch durch das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 21. November 1977, GZ 1 U 74/76-19, nicht entsprochen. Denn es geht daraus nicht klar hervor, ob das Gericht als erwiesen annahm, Hansjörg A habe das Moped (richtig: des Franz Dieter G) mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (wobei Tatbegehung 'aus Unbesonnenheit' nur unter der weiteren Voraussetzung der Geringwertigkeit der entzogenen Sache von rechtlicher Bedeutung wäre), oder ob es von der Annahme ausging, er habe das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtete Fahrzeug bloß (ohne Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz) ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen; in letzterem Fall wäre aber die Tat - im Sinne des gestellten Strafantrages des öffentlichen Anklägers - als das Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1

StGB zu beurteilen gewesen und unter eine mildere Strafdrohung gefallen. Das Gericht hat sohin nicht alle wesentlichen Merkmale des strafbaren Tatbildes angeführt, die es durch die Tat hergestellt erachtete (vgl. SSt.

45/17, 20/62; Lohsing-Serini, 411).

Das in Rede stehende Urteil verletzt demnach zum Nachteil des Beschuldigten das Gesetz in den Bestimmungen der § 260 Abs. 1 Z 1, 270 Abs. 2 Z 4, 458 Abs. 2 Z 1 StPO Dieser Verstoß begründet zwar mangels Zitierung des § 260 StPO im § 468 Abs. 1 Z 3 StPO - anders als im Gerichtshofverfahren (§ 281 Abs. 1 Z 3 StPO) -

keine Urteilsnichtigkeit, stellt jedoch eine unrichtige Anwendung des Gesetzes dar, welche gemäß dem § 292 StPO wahrzunehmen war. Schon aus diesen Gründen war auf Aufhebung des Urteils des Bezirksgerichtes Wels zu erkennen.

Im übrigen übersah das Gericht, daß gemäß § 39 Abs. 2 JGG von der Anordnung einer mündlichen Verhandlung der gesetzliche Vertreter des zu diesem Zeitpunkt noch jugendlichen Beschuldigten zu benachrichtigen und ihm - als dem selbständig (auch gegen den Willen des Jugendlichen) zur Erhebung von Rechtsmittel Berechtigten (§ 39 Abs. 3 JGG) - die Entscheidung, mit der der Jugendliche verurteilt wurde, bekanntzumachen gewesen wäre.

Bei der neuerlichen Entscheidung über den Antrag des öffentlichen Anklägers auf Bestrafung des Hansjörg A wegen § 136 Abs. 1 StGB wird im Falle eines abermaligen Schuldspruchs im Strafausspruch gemäß den § 31, 40 StGB auf das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Jugendschöffengericht vom 12. Jänner 1977, GZ 15 Vr 1292/76-9, Bedacht zu nehmen sein.

Es war daher über die von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E01776

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00022.79.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19790222_OGH0002_0120OS00022_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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