TE OGH 1979/3/30 13Os41/79

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Veröffentlicht am 30.03.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. März 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johannes A wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach den § 15, 83 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Litschau vom 4. April 1978, GZ. U 38/78- 12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Durch das Urteil des Bezirksgerichtes Litschau vom 4. Aril 1978, GZ. U 38/78-12, wurde, soweit damit Johannes A auch wegen Vergehens nach § 125 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Strafe verurteilt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der § 267, 447 Abs. 1 StPO verletzt.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird in dem vorerwähnten Schuldspruch (Punkt 1 b), demzufolge auch in dem Johannes A betreffenden Strafausspruch mit allen darauf beruhenden Beschlüssen und Verfügungen aufgehoben und es wird gemäß den § 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO in der Sache selbst erkannt:

Der Angeklagte wird mangels Anklage von dem Vorwurf freigesprochen, er habe am 7. Jänner 1978 in Reinberg-Heidenreichstein fremde Sachen in einem 5.000,-- S nicht übersteigenden Wert, nämlich die Autotüre des PKW mit dem Kennzeichen W 676.168 des Stefan B durch Versetzen eines Trittes gegen die Tür beschädigt, wodurch eine Einbeulung mit einem Schaden von S 2.150,-- entstand.

Für das ihm sohin allein zur Last fallende Vergehen der versuchten Körperverletzung nach den § 15, 83 Abs. 1

StGB wird Johannes A gemäß der letztzitierten Gesetzesstelle zu einer Geldstrafe von 28 (achtundzwanzig) Tagessätzen zu je 130 (einhundertdreißig) S und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 14 (vierzehn) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Text

Gründe:

Mit dem rechtskräftigen, fünf Beschuldigte betreffenden Urteil des Bezirksgerichts Litschau vom 4. April 1978, GZ U 38/78-12, wurde u. a. der Elektromonteurgeselle Johannes A der Vergehen der versuchten Körperverletzung nach § 15, 83 Abs. 1 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und hiefür gemäß § 83 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28

StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.

Der Schuldspruch wegen Vergehens nach § 125 StGB erfolgte, weil

Johannes A am 7. Jänner 1978

in Reinberg-Heidenreichstein eine Tür des PKWs des Stefan B durch einen Tritt mit dem Fuß beschädigt hatte (Faktum 1 b).

Rechtliche Beurteilung

In diesem Punkt steht das Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Auf die dem Beschuldigten Johannes A als das vorgenannte Vergehen im Urteil angelastete Beschädigung der Autotür des Stefan B bezog sich nämlich der - gegen alle Beschuldigten (unterschiedslos auch) - wegen Vergehens nach § 125 StGB gestellte Strafantrag des Bezirksanwalts vom 31. Jänner 1978 nicht; vielmehr hatte der Bezirksanwalt zugleich ausdrücklich bemerkt, daß gemäß § 90 StGB kein Grund zur Verfolgung (eines der Angezeigten) wegen der Beschädigung der Autotür gefunden werde, da der Täter nicht feststellbar sei, was das Gericht mit einer Verfügung vom 3. Februar 1978 zur Kenntnis nahm (S. 1 und 2). Das von dem bis dahin insoweit nicht in Verfolgung gezogenen Beschuldigten Johannes A bei der Hauptverhandlung abgelegte Geständnis der betreffenden Tat konnte mithin wohl deren nachträgliche Einbeziehung in das Strafverfahren und das Urteil ohne die Bedingungen und Förmlichkeiten der Wiederaufnahme rechtfertigen (§ 363 Z 1 StPO), dies aber nur unter der Voraussetzung, daß die Anklage darauf ausgedehnt worden wäre (§ 263 StPO). Letzteres ist nach dem Akteninhalt jedoch nicht geschehen, weshalb der dennoch und entgegen der Vorschrift des § 267 (§ 447 Abs. 1) StPO wider den Beschuldigten Johannes A wegen der nicht unter Anklage gestellten Tat ergangene Schuldspruch nach § 125 StGB die Anklage überschritten hat.

(Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 8, 468 Abs. 1 Z 4 StPO).

Diese Gesetzesverletzung gereichte dem Beschuldigten Johannes A zum Nachteil. Sie war daher gemäß § 292 letzter Satz StPO in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu beseitigen.

Aus folgenden Erwägungen wurde hiebei mit einem Freispruch vorgegangen:

Auszugehen ist davon, daß es im Falle einer begründeten Nichtigkeitsbeschwerde gemäß der Bestimmung des § 288 Abs. 2 StPO nicht mit einer bloßen Aufhebung des von der Nichtigkeit berührten Schuldspruchs sein Bewenden haben kann, sondern daß nach dieser Gesetzesstelle das Urteil insoweit aufzuheben und nach den folgenden Vorschriften zu erkennen und (gemeint: oder) weiter zu verfahren ist sowie ferner davon, daß der Oberste Gerichtshof nach der für den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 281 Abs. 1 StPO in Betracht kommenden Vorschrift der Z 3 des § 288 Abs. 2 StPO in der Sache selbst zu erkennen, also reformatorisch zu entscheiden hat, wobei für Fallgestaltungen wie die gegenständliche nur ein Freispruch in Frage kommt (vgl. Bertel, S 178). Dem allfälligen Einwand, ein Freispruch komme dort (begrifflich) nicht in Betracht, wo es an einer Anklage fehle, ist entgegenzuhalten, daß im § 349 Abs. 1 StPO für das geschwornengerichtliche Verfahren bei Verletzung der Vorschrift des § 267 StPO ausdrücklich ein Freispruch vorgesehen ist und daß ein sachlicher Unterschied zwischen dem geschwornengerichtlichen Verfahren und den anderen Verfahrensarten in diesem Punkte nicht besteht (vgl. Lohsing-Serini, S 565).

Da mithin eine bloße Aufhebung des ohne Anklage ergangenen Schuldspruchs ausscheidet, weil § 288 Abs. 2 Z 3 StPO eine reformatorische Entscheidung verlangt, eine Aufhebung und Ausschaltung des Schuldspruchs bzw. Einstellung des Verfahrens nicht in Betracht kommt, weil die 'Ausschaltung' als eigene Kategorie reformatorischer Entscheidung im Gesetz nicht vorgesehen ist und auch sonst eine divergente Lösung gegenüber dem geschwornengerichtlichen Verfahren sachlich nicht indiziert ist, war in sinngemäßer Anwendung der § 259 und 349 Abs. 1 StPO spruchgemäß zu erkennen.

Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe, die - unter Ausschaltung des § 28

StGB - wiederum nach § 83 Abs. 1 StGB zu erfolgen hatte, konnte von den im Urteil des Bezirksgerichtes Litschau im wesentlichen richtig festgehaltenen Strafzumessungsgründen (vgl. S 85 f des U-Aktes) ausgegangen werden, die nur einer Modifizierung insoweit bedurften, als der Erschwerungsgrund des Zusammentreffens zweier Vergehen wegzufallen hatte. Angesichts dessen erachtete der Oberste Gerichtshof - unter gleichzeitiger übernahme des als der wirtschaftlichen Leistungskraft des Johannes A adäquat erkannten einzelnen Tagessatzes -

eine Geldstrafe von 28 Tagessätzen (für den Fall der Uneinbringlichkeit 14 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) als tatschuldangemessen.

Anmerkung

E01852

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00041.79.0330.000

Dokumentnummer

JJT_19790330_OGH0002_0130OS00041_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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