TE OGH 1979/5/2 1Ob586/79

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Veröffentlicht am 02.05.1979
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Norm

ABGB §879
ABGB §923
ABGB §932
ABGB §1053
ABGB §1090
ABGB §1117

Kopf

SZ 52/71

Spruch

Die Verschiebung des Gefahrenrisikos auf den Leasingnehmer und die grundsätzliche Unkundbarkeit des Vertrages durch den Leasingnehmer sind Wesensmerkmale eines Finanzierungsleasingvertrages und daher an sich nicht sittenwidrig

Bei Berechtigung eines Wandlungsbegehrens des Kaufvertrages zwischen dem Verkäufer und dem Leasinggeber als Käufer entfällt die Geschäftsgrundlage für den Finanzierungsleasingvertrag; der Leasingnehmer wird trotz vereinbarter Unkundbarkeit des Leasingvertrages von der Zinszahlungsverpflichtung an den Leasinggeber frei

OGH 2. Mai 1979, 1 Ob 586/79 (LGZ Wien 45 R 684/78; BG Liesing 3 C 6/78)

Text

Im Jahre 1976 traten die beklagte Partei eine Gesellschaft m.b.H., und die Firma M Handelsgesellschaft für elektronische Informationssysteme m.b.H. (im folgenden Firma M) in geschäftlichen Kontakt und verhandelten über die Anschaffung von zwei automatischen Telefonbeantwortern und einem Telexgerät durch die beklagte Partei. Am 25. November 1976 unterzeichnete der von ihr beauftragte Disponent der beklagten Partei Adalbert K ein Auftragsformular zum Abschluß eines Leasingvertrages mit der klagenden Partei. Am 26. November 1976 wurden die von der beklagten Partei ausgesuchten Geräte an diese geliefert. Am 29. November 1976 kaufte die klagende Partei die Geräte von der Firma M und teilte der beklagten Partei mit, daß sie den Mietvertrag vom 25. November 1976 angenommen habe. Die wesentlichen Bestimmungen des Mietvertrages zwischen den Streitteilen lauten:

"Punkt 4: Der Mieter wird, falls der Hersteller oder Lieferant über Auftrag des Vermieters direkt an diesen liefert, vom Vermieter hiemit bevollmächtigt und beauftragt, den Mietgegenstand in dessen Vertretung zum Zwecke des Eigentumserwerbs durch letzteren zu übernehmen. Die Übernahme ist dem Vermieter schriftlich bekanntzugeben. Der Mieter hat den Mietgegenstand selbst ausgewählt. Die Vermieterin haftet daher weder für die Eignung desselben für den vom Mieter vorgesehenen Verwendungszweck noch für die Verwendbarkeit im Hinblick auf die behördlichen Vorschriften.

Punkt 5: Der Mietgegenstand gilt mit Übernahme desselben durch den Mieter oder dessen Beauftragten als vom Mieter in jeder Hinsicht genehmigt.

Punkt 9: Zeiten, die für Wartung, Pflege und Reparatur am Mietgegenstand aufgewendet werden müssen, Zeiten von Betriebsstörungen jeder Art oder sonstige Störungen - aus welchem Grund immer - am Mietgegenstand gehören zur Mietzeit und entbinden den Mieter daher nicht von der Verpflichtung zur Zahlung der Miete. Der Mieter kann Forderungen gegen den Vermieter gegen seine Geldverpflichtungen aus diesem Vertrag keinesfalls aufrechnen. Die Art der Verrechnung eingehender Zahlungen auf bereits fällige Forderungen des Vermieters obliegt ausschließlich diesem.

Punkt 11 Abs. 1: Der Mietgegenstand ist Eigentum des Vermieters. Der Mieter ist verpflichtet, ihn in sorgfältiger Art und Weise zu gebrauchen, alle Vorschriften, die mit dem Besitz, dem Gebrauch oder der Erhaltung des Mietgegenstandes verbunden sind, zu beachten, sowie Wartung, Pflege und Gebrauchsempfehlungen des Vermieters und des Herstellers bzw. Lieferanten zu befolgen. Der Mieter hat auf seine Kosten den Bestandgegenstand in vertragsmäßigem Zustand zu erhalten und alle Ersatzteile, die dazu erforderlich sind, auf seine Kosten zu beschaffen und auszuwechseln.

Punkt 11 Abs. 5: Der Mieter ist verpflichtet, alle dem Vermieter zustehenden Rechte aus Gewährleistung, Garantie, Service, Vertragsverletzung, Verzug, Beschädigungen usw. dritten Personen gegenüber fristgerecht auf eigene Kosten geltend zu machen. Der Vermieter kann diese Ansprüche auch im Interesse und auf Kosten des Mieters selbst geltend machen. Behinderung des Mieters im Gebrauch des Mietobjektes durch derartige Vorgänge entbinden den Mieter weder von der Zahlung des Mietzinses (Punkt 9) noch von irgendeiner anderen Vertragsverpflichtung.

Punkt 17: Die Gefahren der Beschädigung, der mangelnden Betriebsfähigkeit - aus welchem Gründe immer -, des vorzeitigen Verschleißes, des zufälligen Unterganges, des Verlustes, des Diebstahls und der Vernichtung des Mietobjektes - aus welchem Gründe auch immer, auch bei höherer Gewalt - trägt der Mieter. Solche Ereignisse entbinden den Mieter nicht von der Verpflichtung, den vereinbarten Mietzins zu zahlen, noch von irgendeiner anderen Verpflichtung aus diesem Mietvertrag. Der Mieter ist insbesondere nicht berechtigt, in einem solchen Fall vom Vermieter den Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm durch die mangelnde Betriebsfähigkeit des Mietgegenstandes entstanden ist.

Punkt 18: Liegen Totalschaden, Verlust oder Untergang des Mietgegenstandes vor - hievon ist der Vermieter vom Mieter sofort zu verständigen - so wird der Mieter von seinen Vertragspflichten nicht frei, d. h. er hat jedenfalls die Mietzinsbeträge für die noch offene Dauer der vereinbarten Mietzeit zu bezahlen. Der Vermieter ist berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, auf Kosten des Mieters einen Ersatzgegenstand gleicher Art und Güte zu beschaffen. Der Mieter verzichtet, jedenfalls ausdrücklich auf eine vorzeitige Auflösung dieses Vertrages vor der vereinbarten Vertragsdauer aus diesem Gründe."

Nach Punkt 19 des Vertrages war der Vermieter u. a. berechtigt, das Mietverhältnis fristlos aufzulösen, wenn der Mieter mit zwei aufeinanderfolgenden Monatsmieten ganz oder teilweise in Verzug geriet, alle fälligen sowie alle noch nicht fälligen Zahlungsverpflichtungen für die vereinbarte Vertragsdauer sofort zahlbar zu stellen und die sofortige Rückgabe des Mietgegenstandes zu verlangen. Nach Punkt 20 des Vertrages war der Mieter verpflichtet, das Mietobjekt nach Ablauf der Mietzeit in gereinigtem, der normalen Abnützung entsprechendem und tadellosem betriebsbereitem Zustand an dem vom Vermieter bekanntgegebenen Ort innerhalb Österreichs zurückzustellen.

Bereits einen Tag nach Übernahme der Geräte stellte die beklagte Partei Mängel fest. Die Firma M versuchte erfolglos, die Geräte zu reparieren; die beiden Telefonbeantworter wurden je einmal, das Telexgerät zweimal ausgetauscht, ohne daß die Mängel damit behoben erschienen.

Am 17. Feber 1977 schrieb die beklagte Partei an die Firma M, daß sie den mit ihr bestehenden Vertrag ab sofort aufkundigte, weil die von ihr zur Verfügung gestellten Geräte nicht einwandfrei funktionierten und auch die von der Firma M bereits durchgeführten Reparaturen keine einwandfreie Funktion der Geräte garantierten. Hievon verständigte die beklagte Partei auch die klagende Partei und teilte ihr mit, daß somit ab 1. März 1977 die monatlichen Mietzahlungen entfielen. Am 28. Feber 1977 schrieb auch der Vertreter der beklagten Partei an die klagende Partei, daß das Vertragsverhältnis per sofort aufgelöst wurde, da die vertragsgegenständlichen Geräte dauernd funktionsunfähig seien, so daß der ordentliche und zugesagte Gebrauch gehindert werde; diesem Übelstand sei trotz mehrfach vorgenommener Verbesserungsversuche nicht abgeholfen worden; Dauerschuldverhältnisse seien unter den vorliegenden Voraussetzungen unverzüglich auflösbar. Der Vertreter der beklagten Partei verlangte auch die unverzügliche Demontage der gebrauchsunfähigen Geräte. Im Verfahren wurde die Übereinstimmung der Schreiben mit den Originalen zugegeben, deren inhaltliche Richtigkeit jedoch bestritten. Den letzten Mietzins an die klagende Partei bezahlte die beklagte Partei für den Monat Feber 1977.

Die klagende Partei, die sich auf die vereinbarte Unkundbarkeit des Mietvertrages beruft, begehrt von der beklagten Partei - auch unter dem Titel der Konventionalstrafe - den Betrag von 218 680 S samt Anhang an fällig gestellter Miete bis zum Ende der vereinbarten Vertragsdauer. Die beklagte Partei wendete ein, ihr Anspruch auf vorzeitige Auflösung des Mietvertrages sei unverzichtbar, der Ausschluß dieses Rechtes sei als sittenwidrige Freizeichnungsklausel anzusehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der vorliegende Vertrag sei ein Leasingvertrag in der besonderen Form des mittelbaren first hand Equipmentleasing mit Finanzierungsfunktion ohne Hinzutreten von Wartungs- oder Serviceleistungen des Leasinggebers, also net leasing, verbunden mit einer Rückgabeverpflichtung des Leasingobjektes. Aus dem wirtschaftlichen Sinn des Finanzierungsleasings, nämlich zu investieren, ohne die Liquidität zu beeinträchtigen, also durch Fremdfinanzierung, ergebe sich die rechtliche Ausgestaltung solcher Verträge. Diese Verträge seien daher immer für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Investitionsgutes unkundbar abgeschlossen, da dem Leasingnehmer nicht das Investitionsrisiko, sondern nur das Liquiditätsproblem abgenommen werden solle. Bewähre sich das Investitionsgut, das der Leasingnehmer selbst ausgesucht habe, in der Folge nicht, so werde der Leasingnehmer von der Entgeltzahlung nicht befreit. Der Ansicht der beklagten Partei, daß diese Vertragsbestimmung sittenwidrig sei, weil § 1117 ABGB dadurch ausgeschlossen werde, könne nicht beigepflichtet werden. Die einzige Verpflichtung des Leasinggebers sei die Pflicht zur Verschaffung der Sache; die Risikoverteilung bei dem normalen Mietvertrag und dem gegenständlichen Leasingvertrag sei eine andere. Aus der Unanwendbarkeit des § 1117 ABGB könne aber nicht gefolgert werden, daß ein Leasingvertrag wie der gegenständliche schlechtweg unkundbar sei. Der Vertrag sei als Dauerschuldverhältnis anzusehen, das stets dann mit Wirkung ex nunc zur Auflösung gebracht werden könne, wenn die Vertragsfortsetzung aus wichtigen Gründen unzumutbar sei. Eine solche Auflösungsmöglichkeit sei weder durch eine gesetzliche Sonderbestimmung noch durch vertragliche Regelung ausschließbar. Der wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung bestehe darin, daß die Leasingobjekte gänzlich gebrauchsunfähig seien und den Postvorschriften nicht entsprächen. Unter diesen Umständen sei eine Vertragsfortsetzung absolut untragbar und unzumutbar; die beklagte Partei treffe kein Verschulden und könne daher nicht mit einer Erfolgshaftung belastet werden.

Das Berufungsgericht, das die vom Erstgericht als außer Streit stehend erwähnte Annahme, daß die Geräte nicht den Postvorschriften entsprochen hätten, mangels tatsächlicher Außerstreitstellung nicht als erwiesen annahm, änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren, von einem Zinsenteilbegehren abgesehen, stattgab. Das Erstgericht habe richtig erkannt, daß es sich im vorliegenden Fall um ein Finanzierungsleasing handle, also eine Vertragsform, bei der der Leasinggeber dem Leasingnehmer lediglich Liquidität zur Beschaffung eines Investitionsgutes verschaffe, ohne das Investitionsrisiko für das Gut, das vom Leasinggeber selbst ausgesucht und vom Händler oder Hersteller unmittelbar an den Leasingnehmer geliefert werde, zu übernehmen. Den Leasinggeber treffe weder eine Übergabsverpflichtung noch eine Haftung für die Gebrauchsfähigkeit des vermieteten Gutes, er habe lediglich die Verpflichtung, dem Leasingnehmer das Gut auf bestimmte Zeit zu belassen. Die Laufzeit des Vertrages, der dann für den Leasingnehmer unkundbar sei, entspreche der sicheren Nutzungsdauer des Objektes. Die Rügelast gegenüber dem Hersteller liege beim Leasingnehmer. Die dem Leasinggeber gegen den Leasingnehmer zustehenden Vergütungsansprüche seien von der Nutzungsfähigkeit des Gutes für die gesamte Vertragszeit unabhängig; auch wenn sich das im Leasingverfahren erworbene Gut nicht bewährt habe, wenn es beschädigt oder zerstört werde oder wenn aus einem anderen Grund die Investition nicht zielführend gewesen sei, könne der Leasingnehmer den Vertrag trotzdem nicht vorzeitig lösen. Auf ein derartiges Schuldverhältnis, bei dem der Leasinggeber eher die Stellung eines Kreditnehmers als eines Bestandnehmers habe, könnten die Regeln über ein Dauerschuldverhältnis, insbesondere über die vorzeitige Kündigung aus wichtigen Gründen, nicht ohne weiteres angewendet werden. Ein Ausschluß vorzeitiger Kündigung erscheine auch nicht sittenwidrig, weil der Leasingnehmer sich das Investitionsgut selbst ausgesucht habe, ihn auch die kaufmännische Rügepflicht treffe und es ihm freistehe, im Falle der Unverwendbarkeit des Gutes unmittelbar Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten geltend zu machen. Das Begehren der beklagten Partei auf vorzeitige Auflösung des Leasingvertrages erweise sich als nicht berechtigt. Infolge Verzuges mit zwei aufeinanderfolgenden Monatsmieten sei der Mietzins für die gesamte restliche Vertragsdauer mit 1. April 1977 fällig geworden.

Über die Revision der beklagten Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Richtig beurteilten die Vorinstanzen den zwischen den Parteien am

25. bzw. 29. November 1976 abgeschlossenen Vertrag als sogenanntes Finanzierungsleasing, bei dem die klagende Partei, eine Leasinggesellschaft, wirtschaftlich die Rolle eines Kreditgebers ähnlich dem Finanzierungsinstitut beim finanzierten Kauf spielte. Beim Finanzierungsleasing veranlaßt der Leasingnehmer, der für seinen Betrieb Maschinen oder ähnliche Gegenstände benötigt, die Leasinggesellschaft, den gewünschten Gegenstand, vielfach nach seinen individuellen Wünschen und Bedürfnissen, von einem Hersteller zu erwerben und ihm sodann "mietweise" zu überlassen. Die Dauer der Überlassung wird so bemessen, daß sie hinter der erwarteten Gebrauchsdauer des Gegenstandes um einiges zurückbleibt (Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts[11] II, 409). Zum Wesen des Leasingvertrages gehört es dabei, daß dem Leasingnehmer ein Kündigungsrecht nicht zusteht (Larenz a. a. O., 410; Lüssi, Das Leasing-Geschäft, 13; nur Putzo in Palandt, BGD[38], 480, will ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 542 BGB, der etwa dem § 1117 ABGB entspricht, anerkennen). Durch das Finanzierungsleasing wird dem Unternehmer ermöglicht, zu investieren ohne sich der Gefahr der Illiquidität auszusetzen; das Investitionsgut kann sich durch rentablen Einsatz, auf Sicht gesehen "selbst bezahlen." Für diesen Vorteil muß jedoch der Leasingnehmer beträchtliche Verpflichtungen eingehen. Er hat innerhalb der Laufzeit des Vertrages, die im allgemeinen 90% der geschätzten Nutzungsdauer der Sache nicht überschreitet, das gesamte vom Leasinggeber eingesetzte Kapital zuzüglich der dem Leasinggeber entstandenen Kosten und eines angemessenen Gewinns in Form von monatlichen Raten zu entrichten. Das Investitionsrisiko wird letztlich vom Leasingnehmer getragen, der auch dann den Vertrag nicht vorzeitig lösen kann, wenn sich das im Leasingverfahren erworbene Gerät nicht bewährt, wenn es beschädigt oder zerstört wird oder wenn aus einem anderen Grund die Investition nicht zielführend war (Nitsche in ÖJZ 1974, 30). Der Leasingnehmer trägt als Besitzer also das Risiko des Besitzers einschließlich der zufälligen Zerstörung, so daß er auch bei Einwirkung von dritter Seite zinszahlungspflichtig bleibt. Er muß die Sache nach Ablauf des Vertrages dem Leasinggeber in dem Zustand zurückgeben, der sich durch einen ordentlichen Gebrauch ergibt; er ist daher verpflichtet, die Sache in brauchbarem Zustand zu erhalten, wogegen der Leasinggeber grundsätzlich keine Gewähr für die Gebrauchsfähigkeit zu leisten und keine Reparaturpflichten hat (Schinnerer in Leasing, Beiträge über ein neues Verfahren der Investitionsfinanzierung, 29). Der Leasinggeber leistet nur dafür Gewähr, daß sich die Sache bei Beginn in brauchbarem Zustand befindet, nicht aber dafür, daß dies auch während der gesamten Vertragsdauer der Fall ist (Schinnerer a. a. O., 31). Nach dem Vertragstext handelt es sich in der Regel und auch im vorliegenden Fall um Mietverträge (Frotz in FS Hämmerle, 110). Als typisch für den Leasingvertrag wird aber gerade die vom Mietvertrag gänzlich abweichende Regelung der Gefahrtragung angesehen (Emmerich in Staudinger, BGB[12] II, 653 Anm. 46). Insbesondere diese von den gesetzlichen Grundsätzen des Mietvertrages abweichenden Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Leasingverträge führte auch zur noch nicht beendeten Diskussion, welchem Vertragstypus Leasingverträge zu unterstellen sind. Wenn auch überwiegend der Charakter als Mietvertrag bejaht wird (so insbesondere von Klatil in ÖJZ 1968, 378; Frotz a. a. O., 118; Krasensky in Leasing, Beiträge über ein neues Verfahren der Investitionsfinanzierung, 12 f.; Bydlinski in Klang[2] IV/2, 451 FN 237; Putzo a. a. O., 480; Flume, Leasing in zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht, 18), wird doch auch die Auffassung vertreten, es handle sich um Kaufverträge (Emmerich a. a. O., 655 Anm. 50; "Kauf einer Gebrauchsberechtigung":

Plathe in BB 1970, 605), um Geschäftsbesorgungsverträge (Koch - Haag in ÖJZ 1967, 508), ja um Fruchtgenuß (Nitsche a. a. O., 68); es wird auch gesagt, daß wirtschaftlich gesehen kaum ein Unterschied zwischen gemieteten und gekauften Anlagen bestehe (Krasensky a. a. O., 9), so daß es sich um einen atypischen Vertrag handle, der in sich Elemente der Miete und des Kaufs vereinige (Larenz a. a. O., 412; vgl. zu den verschiedenen Auffassungen auch noch Larenz a. a. O., 411; Emmerich a. a. O., 653 f., Anm. 48; Plathe a. a. O., 602 f.; Nitsche a. a. O., 63 ff.). Der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland sieht in dem Leasingvertrag dann einen Mietvertrag, wenn - wie auch im vorliegenden Fall - die Sache als Mietgegenstand für eine begrenzte Laufzeit ohne Eigentumserwerbsanwartschaft und ohne Anspruch auf Verlängerung der Mietzeit zur Verfügung gestellt war, so daß allein die entgeltliche Gebrauchsgewährung auf Zeit Vertragsinhalt ist (BGHZ 68/21, 118, 123; NJW 1977, 195). Jedenfalls gehört es zum Wesen des Leasingvertrages, daß der Leasingnehmer das Verlustrisiko und das Risiko einer über die normale Abnützung hinausgehenden Verschlechterung oder Beschädigung der Sache nicht anders als ein Käufer, der die Sache in sein Eigentum erworben hat, tragen muß; das normalerweise den Eigentümer treffende Risiko ist durch die Vertragsbedingungen auf ihn verlagert; der Leasinggeber trägt lediglich das Kreditrisiko, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Leasingnehmers, und ist durch sein Eigentum an der Sache gesichert (Larenz a. a. O., 411; in diesem Sinne auch Schinnerer a. a. O., 32; Koch - Haag a. a. O. 508). Es ist für den österreichischen Rechtsbereich, der die Vertragsfreiheit kennt, jedenfalls aber für die Entscheidung des vorliegenden Falles letztlich ohne wesentliche Bedeutung, welcher dem Gesetz bekannten Rechtsfigur der Leasingvertrag im allgemeinen und der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag am ähnlichsten ist. Die Risikoverschiebung auf den Leasingnehmer und die sich daraus ergebende Unkundbarkeit des Vertrages durch den Leasingnehmer sind jedenfalls Wesensmerkmale des Leasingvertrages; die Ablehnung ihrer Zulässigkeit hieße das nach den Bedürfnissen der Wirtschaft aus der amerikanischen Praxis übernommene Rechtsinstitut des Leasing für unseren Rechtsbereich in Frage stellen. Dazu besteht kein Anlaß. Insbesondere ein Kaufmann, der einen Leasingvertrag schließt, muß sich mit dessen Grundsätzen und damit insbesondere der Risikoverschiebung und der Unkundbarkeit des Vertrages durch den Leasingnehmer abfinden. Daß manche der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen § 879 ABGB verstoßen könnten und eine Nichtigkeit insbesondere in den randikalen Gefahrtragungsklauseln liegen könnte (Frotz a. a. O., 123) ändert an dieser grundsätzlichen Rechtslage nichts.

Eine Sittenwidrigkeit könnte insbesondere darin liegen, wenn nach den Vertragsbedingungen den Leasingnehmer Verpflichtungen träfen, die sogar Möglichkeiten ausschlössen, die jedem Käufer einer Sache zustehen. Das wäre insbesondere der Fall, wenn der Leasingnehmer nicht einmal die Möglichkeit hätte die einem Käufer gegenüber einem Verkäufer zustehenden Gewährleistungsansprüche geltend zu machen (vgl. BGH NJW 1977, 195). Dies kann jedoch für den vorliegenden Vertrag nicht gesagt werden. Die klagende Partei hatte vielmehr sogar die beklagte Partei gemäß Punkt 11 Abs. 5 des Leasingvertrages verpflichtet, alle der klagenden Partei zustehenden Rechte aus Gewährleistung, Garantie, Service, Vertragsverletzung, Verzug, Beschädigung usw. dritten Personen und damit auch der Firma M gegenüber fristgerecht geltend zu machen. Sie war damit auch berechtigt (und verpflichtet), solche Ansprüche der Firma M gegenüber zu stellen. Zu den Gewährleistungsansprüchen gehören aber nicht nur solche auf Verbesserung, sondern, wenn der Mangel der Sache derartig ist, daß er nicht mehr behoben werden kann und der ordentliche Gebrauch der Sache verhindert wird, auch auf Wandlung, also auf gänzliche Aufhebung des Vertrages (§ 932 Abs. 1 ABGB). Dem Käufer steht auch das Recht zu, behebbare Mängel als unbehebbar zu behandeln, wenn der Veräußerer sich weigert, die geforderte Verbesserung durchzuführen, oder den Mangel trotz Aufforderung nicht behebt (SZ 48/56; SZ 41/94; SZ 39/34 u. a.; Koziol - Welser[4] I, 206; Bydlinski in Klang[2] IV/2, 154; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 532). Ein Beharren auf Vertragserfüllung unter diesen Voraussetzungen wäre sittenwidrig, so daß, wenn eine vertragsmäßig vorgesehene Verbesserungsmaßnahme zu keinem Erfolg führte, selbst auf eine vertraglich ausgeschlossene Wandlung zurückgegriffen werden könnte (SZ 46/69). Wenn nun zwar auch der Leasingnehmer mehr oder weniger alle Risiken zu tragen hat, die sonst nur den Käufer treffen, so ist es doch abzulehnen, daß er auch Lasten zu tragen hätte, die auch den Käufer nicht treffen. Bei gänzlicher Aufhebung des Vertrages zwischen dem Verkäufer der Sache und dem Leasinggeber durch in dessen Namen ausgesprochene Wandlung fällt aber auch die Rechtsgrundlage für den Leasingvertrag weg, so daß notwendigerweise auch dieser Vertrag zur Gänze aufgehoben wird. In diesem Sinne sprach auch der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland (BGHZ 68/21, 118, 126) bereits aus, daß bei Berechtigung des Wandlungsbegehrens und der deswegen erforderlichen Rückabwicklung des Kaufvertrages zwischen dem Verkäufer und dem Leasinggeber als Käufer dem Leasingvertrag von vornherein die Geschäftsgrundlage fehlte; der Leasingnehmer wird daher jedenfalls von dem Zeitpunkt an, in dem er die - wenn auch möglicherweise sich erst später als sachlich begrundet erweisende - Wandlung des Kaufvertrages erklärt hat, von seiner Mietzinsverpflichtung gegenüber dem Leasinggeber frei (in diesem Sinne auch Emmerich a. a. O., 654 Anm. 48 b; ebenso Flume a. a. O., 28).

Im vorliegenden Fall begrundete die beklagte Partei die Beendigung ihrer Zahlungen aus dem Leasingvertrag damit, daß die ihr übergebenen Geräte nicht funktionierten und auch bereits durchgeführte Reparaturen keinen einwandfreien Gebrauch der Geräte ermöglicht hätten. Sie verlangte auch die Rücknahme der Geräte durch die Firma M. Sie machte damit inhaltlich einen Wandlungsanspruch geltend bzw. behauptete das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wandlung. Wenn die beklagte Partei unter diesen Umständen nicht die Rückzahlung der schon bezahlten Beträge verlangte, sondern nur die Zahlungen einstellte und eine Auflösung des Vertrages ex nunc beanspruchte, wäre dies nur ein Minus gegenüber den Rechten, die der beklagten Partei an sich zustanden. Allein deswegen, weil die beklagte Partei nur die sofortige Auflösung des Vertrages verlangte, könnte sie nicht verpflichtet bleiben, die Verpflichtungen aus dem ex tunc auflösbaren Vertrag weiter zu erfüllen. Dies verlangte auch der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung nicht, in der es ebenfalls nur um die Einstellung künftiger Zahlungen ging, so daß der Bundesgerichtshof sogar die Frage, ob auch schon bezahlte Mietzinse rückverlangt werden können, offenlassen konnte. Es wird auch der Standpunkt vertreten, es sei sachlich gerecht, dann, wenn der Leasinggeber wegen Nichtausführung oder Stornierung des Liefervertrages keine Leasingzahlungen als Entgelt der Gebrauchsgewährung erhält, dem Leasinggeber doch die Kosten für die Bereitstellung von Mitteln zu ersetzen, weil das Kostenrisiko des Fehlgehens des Geschäftes grundsätzlich und mit Recht zu Lasten des Leasingnehmers gehe (Flume a. a. O., 28).

Da das Erstgericht von der Möglichkeit der Auflösung des Vertrages ex nunc ausging und die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Wandlungsanspruches nicht prüfte, die klagende Partei aber die Richtigkeit der Behauptungen der beklagten Partei in ihren Schreiben vom 17. und 28. Feber 1977 bestritt, steht noch nicht fest, ob der Wandlungsanspruch der beklagten Partei, aus dem das Recht zur Auflösung des Vertrages ex nunc abgeleitet wurde, gegeben war. Es bedarf daher einer Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz. Wären die Gewährleistungsansprüche nicht berechtigt oder nicht rechtzeitig erhoben worden und hätte die Firma M der Auflösung des Vertrages nicht zugestimmt, ohne daß die beklagte Partei ihren Anspruch weiter verfolgt hätte, müßte die beklagte Partei den Mietvertrag mit der klagenden Partei weiter erfüllen und die Fälligkeit aller offenen Leasingraten hinnehmen (Emmerich a. a. O., 654 Anm. 48 d).

Anmerkung

Z52071

Schlagworte

Finanzierungsleasing und Kaufvertrag, Leasing, Gefahrentragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0010OB00586.79.0502.000

Dokumentnummer

JJT_19790502_OGH0002_0010OB00586_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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