TE OGH 1979/9/12 10Os90/79

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Veröffentlicht am 12.09.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Plischnack als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A und andere wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Johann A gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.Februar 1979, GZ 6 a Vr 9255/78-37, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und die von dem Angeklagten Hermann B erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausührungen der Verteidiger Dr. Oehlzand und Dr. Graff und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen (beider Angeklagter) wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Johann A und Hermann B die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 18.Juli 1954 geborene (vormalige) Vertragsbedienstete der Postund Telegraphenverwaltung für Wien, Niederösterreich und Burgenland Johann A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB als Beteiligter nach § 12 StGB und der am 2.März 1959 geborene Reifenmonteur Hermann Wolfgang B (früher C) - gleich dem weiteren Angeklagten Erich D - des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Den gegen sie ergangenen Schuldsprüchen nach haben 1. Johann A im Oktober und November 1978 in Wien in wiederholten Angriffen als ein bei der Bahnpost mit der Beförderung von Postsendungen betrauter Postbeamter mit dem Vorsatz, Absender und Empfänger in ihrem konkreten Recht auf bestimmungsgemäße Beförderung von Postsendungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er insgesamt 39 Scheckformulare, die von der Österreichischen Postsparkasse an verschiedene Kunden versendet worden waren, an sich nahm und nicht an die Adressaten weiterleitete;

2. Hermann Wolfgang B und Erich D im Oktober und November 1978 in Wien in wiederholten Angriffen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich und Johann A unrechtmäßig zu bereichern, Bedienstete der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung als Hilfsorgane der Österreichischen Postsparkasse durch Einreichung falscher, nämlich teils von B, teils von A, teils von den abgesondert verfolgten Beteiligten Branislav E und Susanne F gefälschter Schecks, sohin unter Verwendung falscher Urkunden, durch die Vorgabe, Scheckberechtigter zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die die Österreichische Postsparkasse am Vermögen in einem 5.000 S übersteigenden Betrag schädigte, und zwar a) Hermann Wolfgang B in etwa 22 Fällen;

Schaden rund 52.000 S;

b) Erich D in etwa 11 Fällen;

Schaden ca. 25.000 S;

3. Johann A im Oktober und November 1978 in Wien Hermann Wolfgang B und Erich D zu den zu 2. genannten Straftaten bestimmt und zu ihrer Ausführung beigetragen, indem er (A) B und D die Begehung der Straftaten vorschlug und nach vorheriger Absprache mit

B und D die von ihm den Berechtigten entzogenen Scheckformulare (Faktum 1) teils ausgefüllt, teils unausgefüllt zur Verfügung stellte, weiters B und D auf den zum Zwecke der Einlösung der Schecks zu verschiedenen Postämtern unternommenen Fahrten begleitete und einen Teil des für die Schecks ausbezahlten Geldes für sich in Empfang nahm.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde (der Sache nach) lediglich im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt (Punkt 1 des Urteilssatzes) angefochten. Darüber hinaus wird von diesem Angeklagten und vom Angeklagten B auch der (sie jeweils betreffende) Strafausspruch bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Das angefochtene Urteil ist weder - wie der Beschwerdeführer mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO meint - unvollständig begründet, weil sich das Erstgericht darin nicht ausdrücklich mit der Aussage des Zeugen Helmut G (S. 470 ff./I) auseinandersetzte (der Angaben über die Art der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Postbeamter machte), noch leidet es an Feststellungsmängeln im Sinn des § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO (über den Gegenstand der Amtstätigkeit des Beschwerdeführers). Denn aus den bezüglichen Urteilskonstatierungen geht immerhin hervor, daß der (der Bahnpost zugeteilte) Beschwerdeführer an der (im Wege der Bahn durchzuführenden) Beförderung von Postsendungen mitzuwirken hatte, und daß er sich Scheckformulare aus jenen Poststücken aneignete, mit denen er im Rahmen seiner Dienstobliegenheiten manipulieren mußte und auf die sich daher seine Dienstverrichtungen bezogen (S. 503, 504, 508/I). Darauf, ob er die Poststücke zu ordnen und zu verteilen oder ob er jeweils nur die Postsäcke zu öffnen und zu verschließen hatte, kommt es entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung nicht an. Der Beschwerdeführer - der nicht etwa (wie eine Putzfrau oder ein Heizer) lediglich Hilfstätigkeiten zur Schaffung der äußeren Voraussetzungen für den eigentlichen Amtsbetrieb leistete - hätte auch durch derartige Verrichtungen zur Bewältigung der spezifischen Vollziehungsaufgaben seines Amts (nämlich zur Beförderung von Postsendungen) beigetragen und deshalb in jedem Fall Amtsgeschäfte in der Bedeutung des § 302 StGB

vorgenommen (vgl. EvBl. 1978/136 - verst. Senat).

Damit ist aber auch dem Einwand des Beschwerdeführers der Boden entzogen, er habe im Sinn des § 313 StGB lediglich eine ihm durch seine Tätigkeit gebotene faktische Gelegenheit benützt, um die Scheckformulare an sich zu nehmen, und es stelle diese Vorgangsweise ihrem Wesen nach nur den 'ersten Akt' des unter Verwendung dieser Formulare geplanten Betrugs dar. Vielmehr hat das Erstgericht das dem Beschwerdeführer zum Punkt 1 des Schuldspruchs angelastete Verhalten rechtsrichtig als (wissentlichen) Mißbrauch der ihm bei der Vornahme von Amtsgeschäften eingeräumten Befugnis beurteilt. Seine Handlungsweise erfüllt alle objektiven und subjektiven Erfordernisse des § 302

StGB, der den Tatbestand eines (echten) Sonderdelikts normiert, welches zwar ein allgemeines Delikt, dessen Merkmale bei Begehung des Sonderdelikts (mit-)verwirklicht werden, verdrängt, nicht aber umgekehrt (noch dazu als strenger strafbares Delikt) von Betrug im Sinn der §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB konsumiert sein konnte (vgl. erneut EvBl. 1978/136).

Da der mit den erwähnten Scheckformularen verübte Betrug im vorliegenden Fall darüber hinaus zur Zeit der Begehung des Amtsmißbrauchs noch nicht einmal das Stadium eines strafbaren Versuchs erreicht hatte, sich sohin (nach und außerhalb der Amtstätigkeit begangen) nicht einmal phasenweise als mißbräuchliche Ausübung der dem Beschwerdeführer bei der Vornahme von Amtsgeschäften zustehenden Befugnis darstellte und daher auch umgekehrt in seinem Unwertgehalt durch die Verurteilung nach § 302 StGB nicht erfaßt und abgegolten sein kann, ist - zusammenfassend - klar erkennbar, daß dem erstgerichtlichen Urteil nach keiner Richtung hin ein Rechtsirrtum anhaftet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten A gemäß §§ 28, 302 Abs 1 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete das Gericht als erschwerend das Zusammentreffen zweier Straftaten und die Wiederholung der Tathandlungen; mildernd waren das Geständnis AS, dessen bisheriger ordentlicher Lebenswandel im Zusammenhalt mit dem Umstand, daß die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen.

Hermann B wurde gemäß § 147 Abs 1 StGB (ebenfalls) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Bei ihm waren die einschlägige Vorstrafe, die Wiederholung der Tathandlungen und der rasche Rückfall nach der letzten strafgerichtlichen Aburteilung erschwerend, das Geständnis und sein Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit hingegen mildernd. Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten übereinstimmend Strafermäßigungen und die bedingte Strafnachsicht an. Wenn der Angeklagte A als zusätzlichen Milderungsgrund anführt, daß ihm sein Amtscharakter nicht bewußt geworden sei, so beinhaltet dies eine bloße Polemik gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 302 StGB

Angesichts seiner Verurteilung wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt geht aber auch die Argumentation der Berufung ins Leere, ein Amtscharakter im eigentlichen Sinn sei dem A nicht zugekommen. Was die Bereitwilligkeit des Angeklagten zur Schadensgutmachung betrifft, so kann eine solche Erklärung eines Beschäftigungslosen nicht als mildernd gewertet werden.

Im übrigen werden die erstrichterlichen Strafzumessungsgründe in der Berufungsschrift des Angeklagten A ausdrücklich als richtig zugestanden. Trotz eines Schadens von über 80.000 S wurde die Strafhöhe ohnedies im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens ausgemessen. Mangels Geltendmachung stichhältiger weiterer Milderungsgründe besteht kein Anlaß für eine Strafherabsetzung bei A.

Ebensowenig besteht eine Veranlassung für die Gewährung der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht. Den vom Erstgericht für deren Verweigerung ausführlich dargelegten Gründen ist beizupflichten. Trotz der bisherigen Unbescholtenheit käme beim Vertrauensmißbrauch eines Beamten und unter den hier gegebenen Umständen die begehrte Rechtswohltat nur beim Vorliegen außergewöhnlich berücksichtigenswerter Tatsachen in Betracht, von denen aber gegenständlichenfalls nicht gesprochen werden kann. Der vom Angeklagten B als zusätzlicher Milderungsgrund angeführte Willen zur Schadensgutmachung kann insolang bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden, als er nicht betätigt wird, was dem Berufungswerber bei dem von ihm zugegebenen Einkommen als Reifenmonteur (samt Trinkgeldern) längst möglich gewesen wäre. Eine Verleitung zur Tat durch den Angeklagten A wurde nicht in einem so gravierenden Ausmaß festgestellt, daß dies die Strafhöhe beeinflussen müßte. Ebenso kann nicht gesagt werden, daß die Strafe gegenüber den bezüglich der Mitangeklagten verhängten Strafen unverhältnismäßig hoch wäre. Die Tatsache, daß der Berufungswerber im Rahmen des Gesamtgeschehens eine weniger prominente Rolle als A gespielt hat, wird durch seine Vorstrafenbelastung (§ 164 StGB) ausgeglichen. Daß die Hehlerei auf der gleichen schädlichen Neigung beruht wie der nunmehr abgeurteilte Betrug, kann angesichts des Wortlauts des § 71 StGB nicht bezweifelt werden. Im übrigen ist auf die kritischen Anmerkungen der Berufungsschrift zu den Vorverurteilungen BS nicht einzugehen. Der vom Berufungswerber in 22 Angriffen verursachte Schaden von ca. 52.000 S muß als beträchtlich bezeichnet werden. Darnach besteht auch bei diesem Berufungswerber kein Grund für eine Strafminderung.

In Übereinstimmung mit den bereits vom Erstgericht hinsichtlich der Frage einer bedingten Strafnachsicht angestellten Erwägungen muß gesagt werden, daß nicht zuletzt angesichts des bisherigen Lebenswandels des Angeklagten B die Gewährung der bedingten Strafnachsicht mit Sinn und Wortlaut des § 43 Abs 1 StGB nicht im Einklang stünde.

Entgegen der Anregung des Verteidigers des Angeklagten B, dessen nunmehrigen Dienstgeber, der im Verhandlungssaal anwesend war, als Zeugen zum Berufungsvorbringen zu vernehmen, hat der Oberste Geichtshof keinen Anlaß gesehen, den Dienstgeber zu der Frage der gegenwärtigen Beschäftigungsart des Angeklagten zu hören.

Anmerkung

E02251

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00090.79.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19790912_OGH0002_0100OS00090_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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