TE OGH 1979/10/23 9Os135/79

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Veröffentlicht am 23.10.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Oktober 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich A wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB. über die von dem Betroffenen Erich A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5.Juli 1979, GZ. 6 Vr 2958/78-28, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Fleischanderl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.Oktober 1950 geborene beschäftigungslose Erich A gemäß § 21 Abs. 1 StGB. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Anlaß der Einweisung war, daß A am 20.September 1978 in Graz unter dem Einfluß einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Geisteskrankheit (paranoide Schizophrenie) dem Rudolf B - von dem er sich infolge seines abnormen Geisteszustandes ohne äußeren Anlaß belästigt und bedroht wähnte - durch Versetzen mehrerer Faustschläge in das Gesicht eine schwere Körperverletzung, nämlich die Prellung beider Augäpfel, eine Blutung in das linke Auge, eine Rißquetschwunde an der Augenbindehaut links und am Oberlid links sowie an der Nase und multiple Mittelgesichtsknochenbrüche links absichtlich zufügte, welche Tat als absichtliche schwere Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB. mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bedroht ist; nach dem Zustand des Rechtsbrechers und nach der Art seiner Tat gelangte das Erstgericht auch zu der nach § 21 Abs. 1 StGB. erforderlichen negativen Gefährlichkeitsprognose.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 10, der Sache nach auch der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützt wird; sie erweist sich jedoch als unbegründet. Dem auf den erstangeführten Nichtigkeitsgrund gestützten Einwand des Betroffenen, die Konstatierung des Erstgerichtes, er habe absichtlich gehandelt, entbehre einer zureichenden Begründung, genügt es - abgesehen davon, daß auch eine bloß vorsätzlich schwere Körperverletzung angesichts der ein Jahr übersteigenden Strafandrohung des § 84 Abs. 1 StGB. als Grundlage der Anordnung einer vorbeugenden Maßnahme nach § 21 Abs. 1 StGB. zu dienen vermöchte - entgegenzuhalten, daß allein schon die tatsächliche Vorgangsweise des Betroffenen - Führen von derart wuchtigen Faustschlägen gegen das Gesicht des Rudolf B, daß daraus multiple Mittelgesichtsknochenbrüche entstanden - als folgerichtige Betätigung eines auf Herbeiführung an sich schwerer Verletzungen gerichteten Willens erscheint (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/3) und daß das Erstgericht im übrigen auch aus den von ihm als Feststellungsgrundlage herangezogenen Angaben des Betroffenen anläßlich seiner ersten polizeilichen Einvernahme, er habe B 'unschädlich machen wollen' (S. 9), bzw. seiner Angaben in der Hauptverhandlung, dieser 'gehörte als alter Kriegsverbrecher ausgelöscht, umgebracht, abtransportiert' (vgl. S. 169), den bekämpften Tatsachenschluß ziehen konnte, ohne mit der forensischen Erfahrung oder den Denkgesetzen in Widerspruch zu geraten.

Ebenso unbegründet wie die Mängelrüge des Betroffenen ist aber auch seine Rechtsrüge, in der er im wesentlichen vorbringt, infolge seiner (vom Erstgericht als erwiesen angenommenen) Unzurechnungsfähigkeit, die es ihm unmöglich machte, den spezifischen Unwert der Rechtsgutverletzung auch nur laienhaft zu erfassen bzw. die Merkmale, auf die sich sein Vorsatz beziehen mußte, zu erkennen, in einem Tatbildirrtum befangen gewesen zu sein, der seinen Vorsatz (insbesondere in der Sonderform des § 5 Abs. 2) ausgeschlossen habe. Denn da es für die Anwendung des § 21 Abs. 1 StGB. genügt, daß die Tat unter dem Einfluß des die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands begangen wurde, ist ein Irrtum, der - wie im vorliegenden Fall, in dem das Erstgericht ausdrücklich feststellte, der Betroffene habe auf B ohne äußeren Anlaß eingeschlagen (S. 179) - auf die Wahnideen des Täters und somit auf den Einfluß des die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden abnormen Geisteszustandes zurückzuführen ist, bei Beurteilung der Anlaßtat nach § 21 Abs. 1 StGB. unbeachtlich (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/292; Leukauf-Steininger2 248).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen war mithin zu verwerfen.

Aber auch der Berufung des Betroffenen, mit der er seine Anstaltseinweisung bekämpft, kommt Berechtigung nicht zu. Denn sein der Sache nach unternommener Versuch, die vom Erstgericht bejahte Gefährlichkeitsprognose dadurch in Zweifel zu setzen, daß er behauptet, vom Verletzten provoziert worden zu sein, schlägt insofern doppelt fehl, als das Erstgericht einerseits aktengetreu feststellte, die Tat des Betroffenen sei ohne äußeren Anlaß erfolgt (S. 179) und anderseits auch eine Provokation des vom Betroffenen behaupteten Inhalts (B habe ihn in aufdringlicher Weise mit seinen Kriegserlebnissen 'bedrängt') an der durch die übereinstimmenden Gutachten der Sachverständigen Doz. Dr. C und OSR. Dr. D gestützten erstgerichtlichen Annahme, die beim Betroffenen bestehende Geisteskrankheit lasse die Begehung weiterer Straftaten mit schweren Folgen befürchten, nichts zu ändern vermöchte.

Es mußte daher auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Da im Verfahren nach § 21 Abs. 1 StGB. mangels eines die Begehung einer schuldhaften, gerichtlich strafbaren Handlung feststellenden Erkenntnisses keine Kostenersatzpflicht besteht, hatte eine Kostenentscheidung zu entfallen (ÖJZ-LSK. 1977/304).

Anmerkung

E02317

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00135.79.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19791023_OGH0002_0090OS00135_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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