Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Oktober 1979
unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Plischnack als Schriftführers in der Strafsache gegen Ingrid A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 11.Juli 1979, GZ. 8 b Vr 9519/78-18, erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers der Angeklagten, Rechtsanwaltes Dr. Sauermann, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über die Angeklagte verhängte Freiheitsstrafe gemäß dem § 43 StGB. unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die zuletzt keiner Beschäftigung nachgehende Ingrid A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 29.Oktober 1978 in Wien ihrem Lebensgefährten Peter B dadurch, daß sie ihm ein Messer mit einer 7,8 cm langen und spitzen Wellenschliffklinge in die linke Brustseite stieß, eine schwere Körperverletzung, nämlich eine Eröffnung des Brustraumes und einen Anstich der Lunge, der zu einer Blutung und zu einem Luftaustritt führte, absichtlich zufügte.
Das Erstgericht verhängte über die Angeklagte nach dem § 87 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr;
bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen die Provokation durch den (später) Verletzten.
Den Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde bereits mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 10.September 1979, GZ. 13 Os 140/79-4, in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen. Gegenstand des Gerichtstages ist daher nur mehr die Berufung der Angeklagten, mit der sie eine Herabsetzung des Strafmaßes und die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Soweit die Angeklagte eine Reduzierung der Strafhöhe begehrt, kann ihr Vorbringen nicht als stichhältig angesehen werden. Denn das Erstgericht hat ohnedies festgestellt, daß die an sich schweren Verletzungen des Peter B nach einer vorgenommenen Operation und stationärer Behandlung komplikationslos verheilten und keine Dauerfolgen nach sich zogen und daß ferner weder Gesundheitsstörung noch Berufsunfähigkeit die Frist von vierundzwanzig Tagen überstiegen (S. 107), diesen günstigen Verlauf der Tatfolgen sohin ersichtlich bei der Strafbemessung berücksichtigt.
Das des weiteren reklamierte 'Geständnis' in Richtung einer fahrlässigen Körperverletzung erfüllt keineswegs die Voraussetzungen für den Milderungsgrund nach dem § 34 Z. 17 StGB., weil die Angeklagte das Eingeständnis der subjektiven Merkmale des strafbaren Verhaltens, auf die es gerade beim Tatbestand der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. ganz besonders ankommt, beharrlich verweigert hat (Leukauf-Steininger2, S. 338, 339, RN. 25 zu § 34 StGB.). Der Berufung gegen das Strafmaß mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Anders hingegen, soweit die Berufung eine bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe anstrebt. Das Erstgericht vermeinte der Angeklagten diese Rechtswohltat mit dem lapidaren Hinweis auf eine einschlägige Vorstrafe nach dem § 83 Abs. 1 StGB. verweigern zu müssen. Aber eine solche Vorstrafe schließt im Falle einer neuerlichen einschlägigen Verurteilung noch nicht schlechthin die Gewährung der bedingten Strafnachsicht aus. Es ist vielmehr stets unter Bedacht auf die Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob die bloße Androhung des Vollzuges allenfalls auch trotz einer einschlägigen Vorverurteilung genügen werde, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und es nicht des Vollzuges bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, wobei es naturgemäß auch auf die der Vorverurteilung zugrundeliegende Straftat ankommen wird. Mit Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 12.Oktober 1977, GZ. 4 U 2549/77-2, war die Angeklagte des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB.
schuldig erkannt worden, weil sie am 22.August 1977 in Wien ihren Lebensgefährten Peter B durch Schläge, die eine Platzwunde an der Innenseite der Oberlippe zur Folge hatten, am Körper verletzt hatte. Nach dem Inhalt des betreffenden Vorstrafaktes war es infolge der Trunksucht des Peter B zur tätlichen Auseinandersetzung gekommen. Zieht man in Betracht, daß auch im vorliegenden Fall die Alkoholisierung des Peter B als auslösender Faktor für dessen vom Erstgericht konstatiertes provokantes Benehmen war (siehe Seiten 12 und 23) und bedenkt man, welche psychischen Belastungen das Zusammenleben mit einem Alkoholiker regelmäßig mit sich bringt, so erscheint das Verschulden der Angeklagten in einem wesentlich milderen Licht.
Es kann daher erwartet werden, daß - die übrigens erstmalige - Androhung einer empfindlichen Freiheitsstrafe eine ausreichend spezialpräventive Wirkung ausüben und die Angeklagte vor künftigen Rückfall bewahren wird.
Die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe war daher unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02310European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00140.79.1025.000Dokumentnummer
JJT_19791025_OGH0002_0130OS00140_7900000_000