TE OGH 1980/6/23 11Os173/79

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Veröffentlicht am 23.06.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juni 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schnieder und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Rietdijk als Schriftführers in der Strafsache gegen Ludwig A und andere wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB und andere strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Ludwig A, Helmut B und Egon C gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichtes vom 16. August 1979, GZ. 28 Vr 3.895/78-50, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach der am 30. April 1980 durchgeführten öffentlichen Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Janovsky, Dr. Schneider und Dr. Donath sowie der Ausführungen des Vertreters des Finanzamtes Innsbruck Dr. Hudetz und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Ludwig A wird nicht Folge gegeben. Den weiteren Berufungen wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten Helmut B verhängte Freiheitsstrafe auf 20 (zwanzig) Monate und die über den Angeklagten Egon C verhängte Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt. Im übrigen wird diesen Berufungen nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 295 Abs. 1 StPO wird die über den Mitangeklagten Robert D verhängte Freiheitsstrafe auf 8 (acht) Monate herabgesetzt. Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Ludwig A, Helmut B und Egon C auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden schuldig erkannt und zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt: 1.) der am 13. Jänner 1941 geborene Bankkassier Ludwig A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt (als Beteiligter) nach den § 12, 302 Abs. 1 StGB (Punkt II des Urteilssates), des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach den § 33 Abs. 1 und 13 FinStrG. (Punkt III 1. des Urteilssatzes) und des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG. (Punkt IV des Urteilssatzes), sowie 2.) der am 23. April 1926 geborene Finanzbeamte Helmut B, 3.) der am 9. November 1927 geborene Finanzbeamte Egon C und 4.) der am 8. Juli 1956 geborene ehemalige Vertragesbedienstete (und nunmehrige kaufmännische Angestellte) Robert D des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1

StGB (Punkt I des Urteilssatzes) und des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG. (Punkt III 2. bis

4.

des Urteilssatzes.

Nach dem Inhalt dieser Schuldspräche mißbrauchten Helmut B (in der Zeit vom 1. Jänner 1973 bis zum 17. Juli 1978), Egon C (in der Zeit vom 1. September 1976 bis zum 17. Juli 1978) und Robert D (in der Zeit vom 1. Jänner 1976 bis zum 31. Jänner 1978) als Beamte des Finanzamtes Schwaz mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihrem Vermögen zu schädigen, wissentlich ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtshandlungen vorzunehmen, indem 1.) Helmut B a) bei von Ludwig A eingebrachten Anträgen auf Berücksichtigung erhöhter Sonderausgaben, außergewähnlicher Belastungen und von Aufwendungen aus Anlaß der Neugründung eines Hausstandes von Ledigen unrichtige Freibeträge in Lohnsteuerkarten eintrug, wobei die Anträge nicht vom Antragsteller, sondern von Ludwig A unterschrieben, teils verspätet eingebracht und rückdatiert waren und auch keine oder gefälschte Belege beilagen;

b) mit Datumeinlaufstampiglie des Finanzamtes Schwaz versehene Antragsformulare auf Berücksichtigung des Kraftfahrzeugpauschales für Arbeitnehmer samt seiner Unterschrift, Anträge auf Berichtigung der Lohnsteuerkarte hinsichtlich des Alleinverdienerbeitrages, Anträge auf Berücksichtigung des Freibetrages von Opferausweisinhabern, Umsatzsteuervoranmeldungen, Einkommensteuererklärungen und Lohnsteuerbescheinigungen an Ludwig A zwecks Rückdatierung ausfolgte; 2.) Egon C a) mit dem Rundsiegel des Finanzamtes Schwaz versehene Blankosteuerkarten an Ludwig A ausfolgte, die von Helmut B auf den Lohnsteuerkarten unrichtig eingetragenen Freibeträge und die von Robert D unrichtig durchgeführten Jahresausgleiche als richtig bestätigte; b) mit Datumseinlaufstampiglie des Finanzamtes Schwaz versehene Antragsformulare zwecks Rückdatierung und mit dem Rundsiegel des Finanzamtes Schwaz versehene Lohnsteuerkarten an Ludwig A ausfolgte;

3.) Robert D als der für Jahresausgleich zuständige Vertragsbedienstete der Lohnsteuerstelle des Finanzamtes Schwaz bei von Ludwig A eingebrachten Jahresausgleichsanträgen Steuerrückzahlungsbeträge unrichtig eintrug, wobei die Anträge teils nicht vom Antragsteller, sondern von Ludwig A unterschrieben und teils rückdatiert waren, die Anträge unrichtige Angaben enthielten und den Anträgen auch keine oder gefälschte Belege angeschlossen und teils keine Lohnsteuerkarten oder Lohnsteuerkarten ohne entsprechende Freibeträge beigelegt waren (Punkt I des Urteilssatzes).

Ludwig A bestimmte in der Zeit vom 1. Jänner 1973

bis zum 17. Juli 1978 Helmut B, Egon C und Robert D durch Ersuchen und finanzielle Zuwendungen zur Ausführung dieser strafbaren Handlungen (Punkt II des Urteilssatzes).

Durch diese Tathandlungen bzw. dadurch, daß Ludwig A die betreffenden Anträge ohne oder mit gefälschten Belegen beim Finanzamt Schwaz einbrachte, bewirkten die Angeklagten nach den weiteren Urteilsannahmen vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Abgabenverkürzungen an Lohnsteuer, und zwar Ludwig A im Betrag von 2,430.605 S, Helmut B im Betrag von 2,316.531 S, Egon C im Betrag von 1,120.796 S und Robert D im Betrag von 76.133 S (Punkte III 1. a und 2.

bis 4. des Urteilssatzes).

Dem Angeklagten Ludwig A wird ferner im Urteil angelastet, erhabe dadurch, daß er für die Jahre 1971 bis 1977 keine steuerlichen Aufzeichnungen führte und in der Folge seine Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb (Provisionen aus Versicherungsvermittlungen) und aus Kapitalvermögen (Zinsen aus Spar- und Bankguthaben) durch Nichtabgabe der Abgabeerklärungen der Besteuerung entzog, Verkürzungen an Einkommensteuer im Betrag von 338.799 S und an Gewerbesteuer im Betrag von 109.946 S bewirkt und Verkürzungen an Einkommensteuer im Betrag von 174.232 S und an Gewerbesteuer im Betrag von 55.346 S zu bewirken versucht (Punkt III. 1. b des Urteilssatzes), sowie in der Zeit von November 1977 bis zum 28. September 1978 eine Faustfeuerwaffe, nämlich einen Revolver Marke Arminius, Kal. 4 mm, unbefugt besessen (Punkt IV des Urteilssatzes). Von der Anklage, durch weitere gleichartige Tathandlungen gleichfalls des Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt und das Vergehen der Abgabenhinterziehung hinsichtlich einer weiteren Lohnsteuerverkürzung von 190.048 S begangen zu haben, wurde Robert D gemäß dem § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Dieses - lediglich in Ansehung des Angeklagten Robert D in Rechtskraft erwachsene - Urteil bekämpfen die Angeklagten Ludwig A, Helmut B und Egon C in den betreffenden Schuldsprüchen wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt und des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung mit Nichtigkeitsbeschwerden, in denen von sämtlichen Nichtigkeitswerbern der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO, von Helmut B überdies die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit. a und von Egon C die der Z. 5, 9 lit. b und 10 der genannten Gesetzesstelle geltend gemacht werden; die Strafaussprüche fechten sie mit Berufung an.

Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügen die Beschwerdeführer die Abweisung ihrer in der Hauptverhandlung gestellten - ersichtlich insgesamt den Vorwurf einer Lohnsteuerverkürzung betreffenden - Beweisanträge, denen zufolge von Ludwig A die Beiziehung eines Sachverständigen im Besein der Angeklagten zwecks gemeinsamer Feststellung der Höhe der Schadensbeträge, von Egon C die Beischaffung der 458 Lohnsteuerakten zum Beweis dafür, daß die in der Anklageschrift genannten Beträge an Lohnsteuerverkürzung zu hoch errechnet worden seien, und von Helmut B, der sich dem letztgenannten Antrag des Angeklagten C anschloß, die (ergänzende) Vernehmung der Angeklagten darüber, ob bei Bearbeitung der Akten Belege beigeschlossen waren, die ihnen unbedenklich erschienen seien, sowie aller übrigen Referenten der Lohnsteuerstelle des Finanzamtes Schwaz darüber begehrt wurde, ob sie in Bearbeitung dieser Akten bei Vorliegen unbedenklich erscheinender Bankbelege Bedenken über die Echtheit der Belege bekommen und die Echtheit dieser Belege überprüft hätten (vgl. Band II, S. 11 ff. d.A.).

Rechtliche Beurteilung

Im Ergebnis versagen die Verfahrensrügen:

Das Erstgericht begründete sein Zwischenerkenntnis auf Abweisung der vorstehend wiedergegebenen Beweisanträge insbesondere damit, daß der Sachverhalt durch die bereits erhobenen Beweise hinreichend geklärt sei (Hauptverhandlungsprotokoll II. Band, S. 13) und (im übrigen) eine Bindung des Gerichtes an die rechtskräftigen Bescheide der Finanzbehörde über die Höhe der hinterzogenen Beträge bestehe (in den Urteilsgründen nachgetragene ergänzende Begründung, Band II, S. 37); zur beantragten ergänzenden Vernehmung der Angeklagten und zur Vernehmung der übrigen Referenten der Lohnsteuerstelle des Finanzamtes Schwaz führte das Erstgericht (gleichfalls in den Urteilsgründen II. Band, S. 37/38) aus, diese Beweiserhebungen seien deshalb unerheblich, weil feststehe, daß der Angeklagte B und C durch Unterlassung der überprüfung der vom Angeklagten A eingebrachten Anträge von vornherein wissentlich die Möglichkeit einer Aufdeckung der Manipulationen ausschlossen.

Was zunächst die Begründung für die Abweisung der Anträge auf ergänzende Vernehmung der Angeklagten und Vernehmung aller übrigen Referenten der Lohnsteuerstelle anbelangt, ist dem Erstgericht, das - wie ausgeführt - auf die Urteilsfeststellung hinwies, (u.a.) die beiden zuletzt genannten Angeklagten hätten wissentlich und mit dem Vorsatz, Abgabenverkürzungen zu bewirken, die vorgeschriebene Prüfung der Akten unterlassen, im wesentlichen beizupflichten. Denn bei Beurteilung der Frage, ob durch das Verhalten der Täter eine Abgabenverkürzung bewirkt wurde, ist nicht von (bloß) hypothetischen Annahmen (hier: einer Prüfung der Akten), sondern von der tatsächlichen Handlungsweise, also von der im Ersturteil angeführten wissentlichen Unterlassung der vorgeschriebenen Prüfung, auszugehen.

Zu Unrecht stützte jedoch das Schöffengericht die Ablehnung der von den Verteidigern der drei Rechtsmittelwerber zum Beweis für das Ausmaß der Abgabenverkürzung gestellten Anträge auf Beiziehung eines Sachverständigen bzw. Beischaffung der 458 Lohnsteuerakten (u.a.) ganz allgemein auf eine 'Bindung an die rechtskräftigen Bescheide' (der Finanzbehörde). Zunächst gilt die hier bezogene Vorschrift des § 55 FinStrG., überschrieben mit 'Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung und der Hauptverhandlung', nur für die darin taxativ aufgezählten Abgaben und Steuern. Hiebei handelt es sich im einzelnen um veranlagte Abgaben vom Einkommen oder vom Vermögen, um die Gewerbesteuer (mit Ausnahme der Lohnsummensteuer), Umsatzsteuer und die Abgabe von alkoholischen Getränken. Die Lohnsteuer zählt demnach nicht dazu, sodaß im Verfahren wegen Hinterziehung dieser Steuer die im § 55 FinStrG. statuierte Sperrwirkung für die Durchführung der Hauptverhandlung keinesfalls eintritt. Darüber hinaus ist aber folgendes zu beachten:

Eine Abgabenschuld ist für Beteiligte an einem Finanzvergehen der hier in Betracht kommenden Art (§ 11 FinStrG.), die nicht selbst Abgabepflichtige (§ 77 BAO.) sind, im Zeitraum der Durchführung des gerichtlichen Strafverfahrens regelmäßig noch nicht rechtswirksam festgestellt, weil der ihre Abgabenschuldigkeit begründende Haftungsbescheid (§ 224 Abs. 1 BAO.) erst nach Feststellung der Tatbeteiligung (§ 11 FinStrG.) erlassen werden kann (§ 11 BAO.) und den solcherart mithaftenden Beteiligten die Möglichkeit der Anfechtung des Abgabenbescheides innerhalb der Rechtsmittelfrist zum Haftungsbescheid noch offensteht (§ 248 BAO.). Infolgedessen muß der Vorwurf der Tatbeteiligung im gerichtlichen Finanzstrafverfahren für nicht abgabepflichtige Mitschuldige nach jeder Richtung hin - somit auch der Umfang der bewirkten Abgabenverkürzung - selbständig geprüft werden.

Eine solche selbständige Prüfung des Ausmaßes der die Lohnsteuer betreffenden Abgabenschuld nahm aber das Erstgericht hier ohnehin vor, indem insbesondere unter Berufung auf die Erhebungen und eine - für unbedenklich erkannte - Aufstellung der Finanzstrafbehörde (Band I S. 381 ff.) sowie die Aussagen der glaubwürdig erachteten Zeugen Hermine E (II. Band, S 9/10) und Friedrich F (II. Band, S. 10/11) festgestellt wurde, daß in der erwähnten Aufstellung, welche auch die Namen der jeweiligen Sachbearbeiter und das Approbanten enthält, nur jene Fälle erfaßt sind, für die gefälschte Belege vorhanden waren oder es überhaupt an Belegen mangelte, sohin nicht auch jene, in denen der Steuerpflichtige - vorhanden gewesene - Belege nur nicht mehr beibringen konnte (vgl. Band II, S. 35 f.). Ferner wurde - mit mängelfreier Begründung - als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte C im Sommer 1976

von den Mitangeklagten A und B in die Manipulationen eingeweiht wurde und sich auf Ersuchen des A zum Mittun und zur Genehmigung der von B manipulierten Eintragungen von Lohnsteuerfreibeträgen und der von D unrichtig durchgeführten Jahresausgleichsverfahren entschloß (vgl. Band II, S. 31 f.), mithin vorsätzlich Abgabenverkürzungen (und damit eine Vermögensschädigung des Bundes) bewirkte. Daß er in einzelnen der ihm angelasteten Fälle gar nicht mit der Approbation des Aktes befaßt gewesen sei, wurde vom Angeklagten C - seinen bezüglichen Beschwerdeausführungen zuwider - nicht konkret behauptet. Soweit er aber in seiner Verantwortung ein doloses Verhalten in Abrede stellte, war von einer gesonderten überprüfung sämtlicher Lohnsteuerakten ein weiterer Beitrag zur Wahrheitsfindung und damit zur Sachaufklärung i.S. des § 254 StPO den Umständen nach nicht mehr zu erwarten. Da fehlerhafte Ermittlungen der Zeugen E und F nicht behauptet werden konnten, bedurfte es auch aus diesem Grund keiner weiteren Nachprüfung im dargelegten Umfang. Im übrigen wurden die Beweismittel ON. 25, 26 und 27 d.A. in der Hauptverhandlung erörtert (siehe II. Band, S.13), sodaß die in der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten C vermißte Einsichtnahme ohnedies stattfand.

Da somit auf der Basis ausreichender Beweismittel das Ausmaß der Tatbeteiligung (auch) der Nichtigkeitswerber ungeachtet der hier unrichtigen Annahme einer Bindungswirkung in erster Instanz selbständig geprüft und festgestellt wurde, erwuchs den Angeklagten A, B und C (auch) infolge Ablehnung der auf Beischaffung der 458 Lohnsteuerakten und Beiziehung eines Sachverständigen gerichteten Beweisanträge keine Beeinträchtigung ihrer Verteidigungsrechte. Dem angefochtenen Urteil haftet mithin ein den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO begründender Verfahrensmangel nicht an. Damit erübrigt sich nach Lage des Falles aber auch ein weiteres Eingehen auf die Mängelrüge des Angeklagten Egon C (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO), die sich gegen die Urteilsannahmen über eingetretene Abgabenverkürzungen und über die Höhe der Verkürzungsbeträge richtet, und auf jenen Teil der Rechtsrüge des Angeklagten Helmut B (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO), in welchem ein 500.000 S übersteigender strafbestimmender Wertbetrag (und damit die gerichtliche Zuständigkeit für das ihm u.a. angelastete Finanzvergehen der Abgabenverkürzung) in Zweifel gezogen wird. Dem Beschwerdeeinwand des Angeklagten C, daß der von ihm zu vertretende Schaden laut einem Schreiben der Finanzlandesdirektion Tirol vom 10. August 1979 (Beilage zu Band II, ON. 49 d.A.) insgesamt (nur) 302.528 S betrage und der sich daraus ergebende Widerspruch zu der im Urteil festgestellten Höhe der von ihm zu verantwortenden Abgabenverkürzung (1,120.796 S) eine Erörterung in den Urteilsgründen erfordert hätte, ist noch entgegenzuhalten, daß in diesem - vom genannten Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vorgelegten und verlesenen (vgl. Band II, S. 13 d.A.) - Schreiben lediglich die Ansprüche des Bundes nach dem Organhaftpflichtgesetz unter Berücksichtigung der auf Grund nachträglicher Vorschreibung von Lohnsteuerpflichtigen bereits hereingebrachten Verkürzungsbeträge präzisiert werden.

Zu Unrecht erblickt der Angeklagte B darin einen Nichtigkeit begründenden Widerspruch der Urteilsbegründung, daß das Erstgericht einerseits konstatierte, die Angeklagten hätten bei ihrem gemeinsamen Mittagessen die jeweiligen Manipulationen besprochen, und andererseits annahm, er (und der Angeklagte C) hätte(n) nicht in jedem Einzelfall gewußt, ob die von A vorgelegten Belege gefälscht oder in Ordnung gewesen seien (vgl. Band II, S. 30, 33 d.A.). Einen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen betreffenden Begründungsmangel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO vermag er damit schon deshalb nicht aufzuzeigen, weil es für eine strafrechtliche Zurechnung vorsätzlicher Abgabenverkürzungen schon genügt, daß der Angeklagte B die vorgeschriebene Prüfung der vom Mitangeklagten A unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gestellten Anträge vorsätzlich unterließ, worauf später noch näher einzugehen sein wird, und es nach dem bereits Gesagten - entgegen der Auffassung des genannten Beschwerdeführers - gar nicht darauf ankommt, ob die Abgabenverkürzungen bei ordnungsgemäßer Prüfung hätten aufgedeckt und hintangehalten werden können.

Die Angeklagten B und C vermögen demnach auch mit ihren Mängelrügen

nicht durchzudringen.

Unter Anrufung der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO bestreitet der Angeklagte C ferner die gerichtliche Zuständigkeit unter Hinweis auf § 54 FinStrG. a.F. (richtig: § 55 FinStrG. n.F.), wonach die Hauptverhandlung in einem gerichtlichen Finanzstrafverfahren erst durchgeführt werden darf, wenn das Ergebnis der rechtskräftigen Abgabenfestsetzung für den Zeitraum vorliegt, den die strafbare Tat betrifft.

Dieser Voraussetzung sei, so meint der Beschwerdeführer, nicht entsprochen, weil die Abgabenbescheide ihm nicht zugestellt worden seien.

Auch dieser Beschwerdeeinwand versagt.

Wie bereits in Erledigung der Verfahrensrüge ausgeführt wurde, trifft - abgesehen davon, daß der Vorwurf der Tatbeteiligung im gerichtlichen Finanzstrafverfahren für den nicht abgabepflichtigen Mitschuldigen nach jeder Richtung hin, somit auch der Umfang der bewirkten Abgabenverkürzung, selbständig geprüft werden muß - die im § 55 FinStrG. statuierte Sperrwirkung für die Durchführung der Hauptverhandlung auf die dem Urteilsvorwurf gegen den Angeklagten C ausschließlich zugrundliegende Lohnsteuerverkürzung nicht zu, sodaß die Rechtsrüge insoweit ins Leere geht.

Schließlich wird vom Angeklagten Helmut B aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO und vom Angeklagten Egon C unter Anrufung der Z. 10 der genannten Gesetzesstelle geltend gemacht, daß sie von keiner abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht betroffen gewesen seien und daher den Tatbestand der Abgabenverkürzung nicht bzw. nicht als Täter zu verantworten hätte.

Auch diesen Rügen kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Richtig ist, daß der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FinStrG. die Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungsoder Wahrheitspflicht erfordert und der unmittelbare Täter daher von einer solchen betroffen sein muß (vgl. SSt. 43/41). Diese Voraussetzungen trafen im vorliegenden Fall auf den Angeklagten Ludwig A in vollem Umfang zu. Eine Wahrnehmung der Angelegenheiten des Abgabenpflichtigen und die daraus resultierende Aufgabe, für ihn der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht, wie sie § 33 Abs. 1 FinStrG.

umschreibt, zu entsprechen, verlangt nämlich keineswegs eine formelle Vertretungsbefugnis im Abgabenverfahren. Unmittelbarer Täter kann folglich - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - jedermann sein, der für den Abgabenfplichtigen steuerliche Angelegenheiten besorgt, die sich spezifisch auf die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht des Steuerpflichtigen erstreckt. Belanglos bleibt hiebei, ob der Täter den Abgabepflichtigen befugt oder unbefugt vor den Abgabenbehörden vertritt oder nur sonstwie diese Angelegenheiten wahrnimmt, zumal der durch die Finanzstrafgesetznovelle 1975 (offenbar unter Bedachtnahme auf § 11 FinStrG. neu) in der erstgenannten Gesetzesstelle eingetretene Entfall der Täterbezeichnung an der geschilderten materiellen Rechtslage nichts änderte (vgl. SSt. 40/56 und Fellner, FinStr.G.2, RN. 12 zu § 33). Die unmittelbare Täterschaft des Angeklagten A ist sohin auch in jenen Fällen gegeben, in denen er ohne Vollmacht oder ausdrücklichen Auftrag der Abgabepflichtigen vor dem Finanzamt Schwaz auftrat und zu ihrem Vorteil Abgabenverkürzungen bewirkte.

Demgegenüber bestand die Aufgabe der Angeklagten B, C, und D darin, die der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht unterliegenden Anträge des Angeklagten A zu prüfen und darüber als Beamte des Finanzamtes Schwaz zu entscheiden. Bei ihnen kam daher unmittelbare Täterschaft nicht in Betracht. Wenn sie in ihrer Eigenschaft als Organe des Bundes unter Mißachtung der ihnen obliegenden Amtspflichten es anderen vorsätzlich ermöglichten, Abgaben unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht zu hinterziehung, so verantworten sie jedoch - neben dem Tatbestand des § 302 Abs. 1 StGB - das Finanzvergehen der Abgabenverkürzung in der Erscheinungsform eines sonstigen Tatbeitrages im Sinn des dritten Falls des § 11

FinStrG. (vgl. abermals SSt. 43/41).

Die sohin rechtsirrige Annahme einer Tatbegehung der zuletzt genannten Angeklagten in Form der Mittäterschaft begründet indes keine Urteilsnichtigkeit gemäß dem § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO, weil es sich nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei den im § 11 FinStrG.

(ebenso wie im § 12 StGB) angeführten Erscheinungsformen der

Tatbeteiligung um rechtlich gleichwertige Modifikationen eines

einheitlichen Täterbegriffes handelt (vgl. u.a. 11 Os 15/79 = Jbl.

1979, 662 ff.; 9 Os 125/78 = ÖJZ-LSK. 1979/116;

vgl. auch Leukauf-Steininger, komm.2, RN 56 bis 58 zu § 12 StGB).

Aus den dargelegten Gründen waren die Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.

Den mit Bezugnahme auf die Vorschrift des § 290 Abs. 1 StPO im Gerichtstag vom Verteidiger des Beschwerdeführers B vorgetragenen Rechtsausführungen, zwischen den Tatbeständen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1

StGB und der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG. (im Sinn einer Beitragstäterschaft nach dem dritten Fall des § 11 FinStrG.) bestehe Gesetzeskonkurrenz, sodaß dieses Finanzvergehen im Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt aufgehe, welchem Vorbringen sich der Verteidiger des Beschwerdeführers C anschloß, ist noch zu erwidern:

Schon die ausdrücklichen Vorschriften des § 22 FinStrG., denen zufolge die Strafbetimmungen des FinStrG. jene des StGB (grundsätzlich) nicht verdrängen (Abs. 1), ausgenommen die hier nicht gegebenen Fälle der Begehung eines Finanzvergehens auf betrügerische Weise oder durch Täuschung (Abs. 2

- vgl. dazu auch Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Komm.z. FinStrG., Anm. 5 zu § 22 -), zeigen, daß die von Betrug und Täuschung systematisch getrennten strafbaren Handlungen, so auch Verletzungen der Amtspflicht im Sinn des 22.Abschnitts des StGB, mit Finanzvergehen eintätig zusammentreffen können (siehe dazu EvBl. 1978/187, SSt. 38/12; auch EvBl. 1979/74 und SSt.22/56). Demgemäß wurden - entgegen dem vorstehend wiedergegebenen (neuen) Vorbringen im Gerichtstag - die vom erstgerichtlichen Schuldspruch erfaßten Taten in erster Instanz rechtsrichtig als Finanzvergehen nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG. (in der Erscheinungsform einer Beitragstäterschaft) und als Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB zugerechnet.

Dem den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO relevierenden Vorbringen der Beschwerdeführer B und C (erst) im Gerichtstag kann darum nicht gefolgt werden, weshalb kein Anlaß für die angeregte Maßnahme nach dem § 290 Abs. 1 StPO besteht.

Das Erstgericht verhängte über die Rechtsmittelwerber nach den § 302 Abs. 1 StGB und 22 Abs. 1, 33 Abs. 5

FinStrG. folgende Strafen: Ludwig A auch unter Anwendung des § 28 StGB und gemäß den § 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck von 19. Jänner 1979, GZ. 35 Vr 2.889/78-37, welches wegen der Verbrechen der Veruntreuung (mit einem Schaden von 11,252.633,63 S) und des schweren Betruges (Schaden: 1,699.182,93 S) eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängte, eine zusätzliche Freiheitsstrafe von einem Jahr und eine Geldstrafe von einer Million Schilling, im Uneinbringlichkeitsfall vier Monate Freiheitsstrafe; Helmut B eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren und eine Geldstrafe von 700.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit drei Monate Freiheitsstrafe; Egon C eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und eine Geldstrafe von 350.000 S, im Uneinbringlichkeitsfall zwei Monate Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung berücksichtigte das Schöffengericht bei sämtlichen Berufungswerbern als mildernd das Geständnis, das tadelsfreie Vorleben und die teilweise Schadensgutmachung durch Hereinbringung der verkürzten Lohnsteuer bei den Steuerpflichtigen; hingegen wertete es als erschwerend bei A das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die Anstiftung der drei übrigen Angeklagten, die überaus große Zahl der vom Schuldspruch erfaßten Fälle, den langen Deliktszeitraum und den sehr hohen Schaden; bei B das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die Vielzahl der Fälle, den sehr hohen Schaden und den langen Deliktszeitraum;

bei C das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die hohe wenn auch im Vergleich zu A und B geringere Zahl der vom Schuldspruch erfaßten Fälle, den hohen Schaden und schließlich den Umstand, daß dieser Angeklagte sein Amt in kontrollierender Funktion mißbrauchte.

Mit ihren Berufungen streben die Berufungswerber die Herabsetzung der wegen des Verbrechens nach dem § 302 Abs. 1

StGB verhängten Freiheitsstrafen, B und C insoweit auch die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.

Der Berufung des Angeklagten A kommt Berechtigung nicht zu; die Berufungen der Angeklagten B und C sind insweit begründet, als sie auf eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe abzielen. Gemäß dem § 295 Abs. 1 StPO sah sich der Oberste Gerichtshof veranlaßt, die über den Angeklagten Robert D wegen des Verbrechens nach dem § 302 StGB verhängten Freiheitsstrafe von Amts wegen herabzusetzen:

Im Fall des Angeklagten A wurden die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig festgestellt und zutreffend gewürdigt. Der Berufungswerber selbst konnte in dieser Richtung keinen Fehler des Erstgerichtes aufzeigen. Die verhängte Zusatzfreiheitsstrafe von einem Jahr (zu vier Jahren Freiheitsstrafe wegen der Verbrechen der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und 2 StGB und des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 3 StGB) entspricht dem Unrechtsgehalt der Straftaten und dem Verschuldensgrad dieses Angeklagten.

Den Angeklagten B und C hingegen kommt der zusätzliche Milderungsgrund des § 34 Z. 4 StGB zugute, weil sie - wie das Erstgericht feststellte und demgemäß im Fall A als erschwerend annahm - von diesem Mitangeklagten zur Tat angestiftet wurden. Der Erschwerungsumstand des Zusammentreffens eines Verbrechens (nach dem § 302 Abs. 1

StGB) mit einem (Finanz-)Vergehen (nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG.) hat aufgrund der - vom Erstgericht zitierten und angewendeten - Vorschrift des § 22 FinStrG., die eine gesonderte Bestrafung von allgemeinen und nach dem FinStrG. zu ahndenden Delikten vorsieht, zu entfallen.

Auf der Grundlage der sohin korrigierten Strafzumessungsgründe und der allgemeinen für die Strafbemessung normierten Grundsätze (§ 32 StGB) erachtete der Oberste Gerichthof für das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt im Fall B eine Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten und im Fall C eine solche von fünfzehn Monaten für tatund schuldangemessen. In diesem Sinn war den Berufungen ein Erfolg zuzuerkennen.

Die für die dargelegte Korrektur der Strafzumessungsgründe maßgebenden Gründe treffen auch auf den Angeklagten Robert D zu, dessen Verurteilung mangels Anfechtung in Rechtskraft erwuchs und den im Vergleich zu den übrigen Angeklagten mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung, das Ausmaß des zugefügten Schadens und den Deliktszeitraum die geringste Schuld trifft. Demzufolge reduzierte der Oberste Gerichtshof gemäß dem § 295 Abs. 1 StPO die vom Erstgericht wegen des Verbrechens nach dem § 302 Abs. 1 StGB mit einem Jahr ausgemessene Freiheitsstrafe auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß.

Dem Begehren der Angeklagten B und C auf Gewährung der bedingten Strafnachsicht stehen im Hinblick auf den langen Tatzeitraum und die beträchtliche Höhe des zugefügten Schadens spezialpräventive Erwägungen entgegen. Der Oberste Gerichtshof ist nämlich der Ansicht, daß die qualifizierten Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 StGB für eine günstige Verhaltensprognose aufgrund der eben angeführten Tatumstände (ungeachtet des einwandfreien Vorlebens dieser beiden Berufungswerber) nicht gegeben sind.

Aus den aufgezeigten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02720

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00173.79.0623.000

Dokumentnummer

JJT_19800623_OGH0002_0110OS00173_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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