TE OGH 1980/6/26 13Os41/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.1980
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Juni 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführers in der Strafsache gegen Heinz A und andere wegen des Verbrechens des Mords nach § 75 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Heinz A, Bernd B und Rainer C gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Feldkirch vom 4.Februar 1980, GZ. 11 Vr 1328/79-55, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Adler, Dr. Aigner und Dr. Hanslik und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Heinz A und Bernd B werden verworfen, die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Rainer C wird zurückgewiesen.

Gemäß den §§ 290 Abs. 1, 344 StPO. wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der getrennten rechtlichen Beurteilung laut den Punkten 3 a und 3 b betreffend den Angeklagten Heinz A und demzufolge auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß den §§ 288 Abs. 2 Z. 3, 344 StPO. im Umfang dieser Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Heinz A hat durch das ihm laut den Punkten 3 a und 3 b zur Last liegende Verhalten das Vergehen des teils versuchten, teils vollendeten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach den §§ 136 Abs. 1 und Abs. 2 sowie 15 StGB.

begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach den aufrecht gebliebenen Punkten 1, 2 und 4 zur Last fallenden Straftaten, nämlich das Verbrechen des Mords nach dem § 75 StGB., das Verbrechen des schweren Raubs nach den §§ 142 Abs. 1, 143 StGB. und das Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB. gemäß §§ 75, 28, 36 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 20 (zwanzig) Jahren verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Heinz A auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Berufungen der Angeklagten Bernd B und Rainer C wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 28.Mai 1960 geborene beschäftigungslose Heinz A, der am 23.März 1961 geborene Hilfsarbeiter Bernd B und der am 31.Oktober 1961 geborene Hilfsarbeiter Rainer C des Verbrechens des Mords nach dem § 75 StGB., des Verbrechens des schweren Raubs nach den §§ 142 Abs. 1, 143 StGB., des Vergehens des versuchten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach den §§ 15, 136

Abs. 1 und Abs. 2 StGB. (Heinz A auch des Vergehens des vollendeten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB.) sowie (alle drei Genannten) des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB. schuldig erkannt.

Auf Grund einer unrichtigen Gestaltung des Schriftbilds in der Urteilsausfertigung, Band II S. 241 - die Zeilen 6 und 7: 'Heinz A auch' und 'zu 3 a das Vergehen ....' gehören ebenso auf die Höhe des Beginns der Zeile 5: 'und 2 StGB.' eingerückt, wie dies dann wieder bei den Zeilen 8 und 9 geschehen ist - könnte der Eindruck entstehen, die nachfolgenden Zeilen 10

und 11: 'zu 4. das Vergehen des Diebstahles nach § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1 StGB.' beträfen bloß Heinz A allein. Aus dem Inhalt des Schuldspruchs wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB., Punkt 4, Band II S. 240, ergibt sich demgegenüber klar, daß er sich auf alle drei Angeklagten bezieht.

Die Genannten hatten am 21.Juli 1979 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zunächst in Thüringen (Vbg.) etwa vier Liter Wein, zehn Flaschen Bier, mehrere Packungen Zigaretten und einen Kinderregenmantel (im Gesamtwert von ca. 400 S) gestohlen, dann versucht, einen Personenkraftwagen durch Einschlagen des rechten Seitenfensters unbefugt in Gebrauch zu nehmen und dadurch an diesem Fahrzeug einen Schaden von ca. 4.000 S verursacht, sodann in Ludesch und Blons dem Franz Josef D, der sie auf ihr Ersuchen in seinem Automobil mitgenommen hatte, durch Versetzen mehrerer wuchtiger Schläge mit einem (43 cm langen, 1,5 kg schweren) Holzscheit gegen den Hinterkopf diesen Personenkraftwagen (Zeitwert ca. 60.000 S), ferner eine Geldbörse mit einer Barschaft von 1.000 S und einigen Schweizer Franken und eine Armbanduhr (nicht festgestellten Werts) geraubt und ihn schließlich in Blons von der Mühlbachtobel-Brücke auf das (ca.) 14,5 m tiefer gelegene Bachbett des Mühlbachs geworfen und dadurch vorsätzlich getötet. Heinz A hatte überdies noch am 20.Juni 1979 in Thüringen (Vbg.) einen weiteren Personenkraftwagen unbefugt in Gebrauch genommen und dabei beschädigt (Schaden: ca. 1.200 S).

Das Urteil gründet sich auf den Wahrspruch der Geschwornen, welche die hinsichtlich aller Angeklagten gemeinsam gestellten Hauptfragen nach dem Verbrechen des Mords nach dem § 75 StGB. (I), dem Verbrechen des schweren Raubs nach den §§ 142 Abs. 1, 143 StGB. (II), dem Vergehen des versuchten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach den §§ 15, 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. (IV) und dem Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB. (V) sowie bezüglich Heinz A auch eine weitere, nach dem Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen gemäß § 136 Abs. 1 StGB. gestellte Hauptfrage (III) jeweils einstimmig bejahten.

Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte Heinz A aus dem Grund der Z. 5 und der Angeklagte Bernd B aus den Gründen der Z. 6 und 8 des § 345 Abs. 1

StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerden. Der Angeklagte Rainer C hat dieses Rechtsmittel angemeldet, aber nicht ausgeführt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A:

Der Angeklagte Heinz A stellte bereits vor der Hauptverhandlung, nämlich am 11.Jänner 1980, den Antrag, das im Vorverfahren über den Grad seiner Zurechnungsfähigkeit und seiner Alkoholisierung zu den Tatzeiten erstattete Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Med.Rat Dr. Herbert E, eines Facharztes für Nervenkrankheiten (ON. 18), durch ein nach Durchführung einer Reihe von speziellen Untersuchungen und Tests einzuholendes Gutachten des von ihm namentlich bezeichneten Univ. Prof. Dr. G.S. F zu ergänzen (ON. 45). In einem zweiten Antrag vom 16.Jänner 1980 begehrte er, diese weitere Begutachtung auch auf die Frage seiner Alkoholisierung zu erstrecken (ON. 46). Schließlich beantragte er am 24.Jänner 1980 die Ausdehnung der ergänzenden Begutachtung darauf, ob bei ihm zu den Tatzeiten eine geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grads vorlag (ON. 51). In der Hauptverhandlung vom 4.Februar 1980 hielt der Verteidiger des Beschwerdeführers die beiden Anträge 'ON. 51 und ON. 46' ausdrücklich aufrecht (Band II S. 216), die sich ihrerseits auf den Antrag ON. 45 beziehen, sodaß alle oben angeführten Beweisanträge als in der Hauptverhandlung gestellt anzusehen sind. Gegen die Ablehnung dieser Beweisanträge in der Hauptverhandlung wendet sich der Angeklagte A zu Unrecht.

Der Sachverständige hat sein Gutachten (ON. 18) zunächst schon auf schriftlichem Weg unter Bedachtnahme auf die Antragstellung ON. 45 ergänzt (ON. 50), dieses ergänzte Gutachten sodann in der Hauptverhandlung mündlich vorgetragen und dort neuerlich ergänzt (Band II S. 212 ff.). Zum Antrag auf Durchführung eines 'Intelligenz-Tests Hamburg-Wechsel' hat er darauf hingewiesen, daß er einen eingehenden Intelligenz-Test am Beschwerdeführer vorgenommem hat, der einem modifizierten 'Ha-We-Test' entspricht und mit welchem die wichtigsten Einzelfaktoren der Verstandestätigkeit geprüft wurden (Band II S. 183); auch ein Elektroenzephalogramm (welches vom Beschwerdeführer auch in den Formen eines Schlafentzug-EEG., eines Alkohol-EEG. und eines Dämmer-EEG. beantragt worden war) habe er - und zwar durch Dr. F - machen lassen, welches ein Ergebnis im Rahmen der Norm erbrachte. Gestützt auf sein Fachwissen als Neurologe führte der Sachverständige hiezu weiter aus, daß es sich bei einem Elektroenzephalogramm um eine Untersuchung der Gehirnaktionsströme handle, welche zwar eine - vorliegend im übrigen durch nichts indizierte - Herdbildung am Gehirn im Sinn rein organischer morphologischer Veränderungen aufdecken könne, aber keine psychischen Veränderungen anzuzeigen und auch keine Aussage über die Alkoholverträglichkeit des Untersuchten zu liefern vermöge (Band II S. 185, 187, 213). Zum Antrag des Beschwerdeführers auf Untersuchung seiner Person, um seine Verhaltensweise in einer Tätergruppe festzustellen, hatte der Sachverständige bereits in seinem Gutachten ON. 18 (Band I S. 291, 293) Stellung genommen. Auch zum Alkoholisierungsgrad des Beschwerdeführers hat sich der Sachverständige in seinem ergänzenden schriftlichen Gutachten (ON. 50, Band II S. 187

bis 189) wie auch in der Hauptverhandlung (Band II S. 213) ausführlich geäußert, wobei er einerseits auf die ungenauen und wechselnden Angaben des Beschwerdeführers über Art und Ausmaß seines Alkoholkonsums verwies, die keinen einheitlichen Schluß auf einen bestimmten Blutalkoholgehalt zur Tatzeit zuließen, andererseits aber darlegte, daß auf Grund des psychischen wie auch physischen Verhaltens des Beschwerdeführers vor, während und nach der Tat eine völlige Berauschung desselben durch nichts indiziert erscheine (Band II S. 187, 189, 213).

Ausgehend von dieser - hier zusammenfassend wiedergegebenen - gutächtlichen Äußerung des Sachverständigen war zum Zwischenerkenntnis folgendes zu erwängen: Der Schwurgerichtshof ist nicht gehalten, alle Beweise zuzulassen, aus denen irgendeine Schlußfolgerung auf Unzurechnungsfähigkeit oder auf volle Berauschung gezogen werden könnte.

Vielmehr ist eine Beweisaufnahme im Verfahren vor dem Geschwornengericht ebenso wie im gesamten Strafprozeß nur insoweit erforderlich, als die Sachlage einen Anlaß bietet, demnach die Beweisaufnahme ein maßgebendes Resultat erwarten läßt (hiezu Gebert-Pallin-Pfeiffer III/3, Nr. 10 b und 10 d zu § 345 Z. 5 StPO.). Das erstattete Gutachten enthält klare - und zwar verneinende - Aussagen zur Frage allfälliger Zurechnungsunfähigkeit und voller Berauschung des Beschwerdeführers zur Tatzeit; es geht auf das Vorbringen in den Beweisanträgen ein; Mängel im Sinn der §§ 125, 126 StPO. sind nicht vorhanden. Damit fehlen die Voraussetzungen für die Beiziehung eines anderen Sachverständigen in irgendeiner Richtung. Endlich sprach der Schwurgerichtshof zutreffend aus, es gebe keinen Hinweis auf eine geistige oder seelische Abartigkeit des Beschwerdeführers (zu ergänzen: von höherem Grad: § 21 StGB.), woran eine stark geminderte intellektuelle Leistungsfähigkeit ('Grenzdebilität', vgl. Band I S. 291, 293) für sich allein nichts zu ändern vermag.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B:

Mit dem Hinweis darauf, daß nach dem gerichtsärztlichen Gutachten sein Blutalkoholgehalt zur Tatzeit 2 Promille betragen habe und die Geschwornen bei Würdigung dieses Beweisergebnisses möglicherweise zur Auffassung gelangt wären, daß bei ihm eine volle Berauschung vorgelegen sei, verlangt dieser Beschwerdeführer (unter dem § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO.) ein Drei-Fragen-Schema (Hauptfrage zur Anklagetat, Zusatzfrage nach § 11 StGB., Eventualfrage nach § 287 StGB.).

Dem ist zu erwidern, daß die aus der Verantwortung aller Angeklagten erhellende Art der Planung und Durchführung sämtlicher ihnen zur Last gelegten, zeitlich zusammenhängenden Straftaten - insbesonders des an Franz Josef D begangenen Mords und schweren Raubs - , in Verbindung mit der minuziösen Rückerinnerung aller Angeklagten keinen Anhaltspunkt für eine volle Berauschung bietet. Eine solche würde eine höhergradige Bewußtseinsstörung voraussetzen, durch welche dem Täter die Diskretions- oder die Dispositionsfähigkeit, also die Fähigkeit, das Unrecht einer in diesem Zustand gesetzten Straftat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln, abhanden gekommen ist; das schließen die oben angeführten Umstände (Tatplanung, minuziöse Erinnerung) geradezu denknotwendig aus. Soweit der Beschwerdeführer eine Eventualfrage ob Erpressung (zur Hauptfrage II) moniert, weil nach den Verfahrensergebnissen Gewaltanwendung und beabsichtigte Sachübernahme auseinanderfielen, Raub aber nur dann vorliege, wenn die Gewalt als unmittelbares Übel auf sofortigen Übergang einer Sache abziele, ist zu sagen:

Nach der übereinstimmenden Schilderung des Tathergangs durch die drei Angeklagten hat A dem überfallenen Franz Josef D mehrere wuchtige Schläge mit dem Holzscheit gegen den Hinterkopf, und zwar im Einverständnis mit den Mitangeklagten, versetzt, dann das blutende und stark benommene Opfer zum Wechsel vom Fahrersitz auf den rechten Rücksitz gezwungen und derart von der Lenkung des Fahrzeugs ausgeschlossen. Daraus ergibt sich, daß der Gewahrsam, d.

i. die tatsächliche, unmittelbare, nicht durch das Medium einer anderen Person vermittelte Herrschaft über eine Sache, am Fahrzeug des D sofort nach der ersten Gewaltanwendung auf die drei Angeklagten übergegangen war. Aber auch bei der Wegnahme der weiteren Gegenstände, nämlich der Geldbörse (mit 1.000 S und einigen Schweizer Franken) sowie der Armbanduhr, kann von der Erzwingung einer erst künftigen Sachübergabe keine Rede sein: Schon nach einer relativ kurzen Fahrstrecke ging der Gewahrsam auch an diesen Sachen an die Täter über, als nämlich das noch immer unter der Einwirkung der mit dem Holzscheit zugefügten schweren Schläge stehende (und außerdem in der Zwischenzeit mit Schlägen und Hieben gegen den Körper von A weiter mißhandelte) Opfer zum Aussteigen gezwungen wurde und sich unmittelbar vor seiner Ermordung mit den Händen auf die Mauer der Mühlbachtobel-Brücke stützte. Eine Eventualfrage nach § 144 StGB. unterblieb demnach zu Recht.

Aus dem Grund der Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO. behauptet der Beschwerdeführer eine unrichtige Rechtsbelehrung in bezug auf den Begriff des Vorsatzes; ferner vermißt er eine Erklärung des Unterschieds zwischen Raub und Erpressung.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers trifft die Ansicht des Schwurgerichtshofs zu, wonach die Schuldform aus der Formulierung des Tatbestands ersehen werden kann (vgl. 'tötet' im § 75 StGB. und 'den Tod herbeiführt' im § 80 StGB.). Von Bedeutung ist aber allein, daß ein Mord nur vorsätzlich begangen werden kann. Eine über die Legaldefinition des § 5 Abs. 1 StGB. hinausgehende 'nähere Erläuterung' des Vorsatzbegriffs war überflüssig. Der rechtsbegriffliche Inhalt des Ausdrucks 'Vorsatz' deckt sich mit der nach allgemeiner Vorstellung ihm zugeordneten Bedeutung und bedarf als sogenannter deskriptiver Begriff (dem allgemeinen Sprachgebrauch angehörend) keiner Klärung in der Rechtsbelehrung (SSt. XLI/61). Wenn dessen ungeachtet ein Zweifel darüber aufkommen könnte, ob von einem Vorsatz noch gesprochen werden kann, wenn der Täter die Verwirklichung des einem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalts (ernstlich) für möglich hält und sich mit ihr abfindet (dolus eventualis), so könnte sich ein solcher Zweifel nur zum Vorteil des Angeklagten auswirken. Im übrigen umfaßt die Rechtsbelehrung den im zweiten Halbsatz des § 5 Abs. 1 StGB. normierten bedingten Vorsatz. Der Beschwerdemeinung zuwider konnte auch eine Erläuterung des im Vorsatz enthaltenen sogenannten Wissensmoments (Leukauf-Steininger2, RN. 1 und 2 zu § 5) als überflüssig unterbleiben, weil der Willen, einen Sachverhalt zu verwirklichen, denknotwendig voraussetzt, daß sich der Täter diesen Sachverhalt vorstellt. Zu ausschließlich rechtstheoretischen Erörterungen über die unterschiedliche Akzentuierung der Wissens- und der Willenskomponente bei den einzelnen Intensitätsstufen des Vorsatzes (bedingter Vorsatz, Absicht, Wissentlichkeit) bestand kein Anlaß.

Einer Gegenüberstellung und Abgrenzung der Tatbestände des Raubs und der Erpressung bedurfte es schon deshalb nicht, weil die Rechtsbelehrung nur die in den gestellten Fragen aufscheinenden Rechtsbegriffe zu erläutern hat, eine Schuldfrage in der Richtung der Erpressung aber nicht gestellt wurde und nach dem oben Gesagten auch gar nicht indiziert war. Daß Raub als ein 'durch Nötigung ermöglichter Diebstahl' bezeichnet werden kann, ist entgegen dem Beschwerdevorbringen richtig (Leukauf-Steininger2, RN. 1 zu § 142). Rücksichtlich des - hier gar nicht in Betracht kommenden - Begehungsmittels der Drohung wurde die (von der Drohung als Mittel der Nötigung und der Erpressung abweichende) besondere Qualität der Drohung beim Raub, dem Gesetzeswortlaut entsprechend, in der Rechtsbelehrung ausdrücklich festgehalten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C:

Rainer C hat zwar die Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet (Band II S. 255), aber weder bei der Anmeldung noch in einer Ausführung derselben einen der im § 345 Abs. 1 Z. 1 bis 13 StPO. angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet, vielmehr anläßlich der Ausführung seiner unter einem angemeldeten Berufung - ohne die Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich zurückzuziehen - die Erklärung abgegeben, daß die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ausgeführt werde (Band II S. 280).

Die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten war daher

zurückzuweisen (§§ 285 Abs. 1, 344 StPO.).

Zur Maßnahme nach § 290 Abs. 1 StPO.:

Das Geschwornengericht hat den Angeklagten A unter anderem des Vergehens des versuchten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach den §§ 15, 136 Abs. 1 und 2 StGB. (Hauptfrage IV; Punkt 3 b des Schuldspruchs) schuldig erkannt, davon getrennt aber auch des Vergehens des vollendeten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB. (Hauptfrage III; Punkt 3 a des Schuldspruchs).

Zufolge § 29 StGB. sind bei mehreren, in einem Verfahren demselben Täter zur Last liegenden Delikten, bei denen der Wert einer Sache oder die Höhe des Schadens für die Strafdrohung den Ausschlag gibt, die Wert- und Schadensbeträge zusammenzurechnen. Das gilt auch beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen (siehe § 136 Abs. 3 StGB.). Daraus folgt, daß alle derartigen Tathandlungen zu einer rechtlichen Einheit zusammengefaßt werden müssen, mögen sie auch teils im Entwicklungsstadium des Versuchs, teils in jenem der Vollendung begangen sein.

Sonach wäre der Angeklagte A auf Grund der Bejahung der Hauptfragen III und IV durch die Geschwornen zu Punkt 3 a und 3 b des Schuldspruchs einheitlich des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten Gebrauchs fremder Fahrzeuge nach den §§ 136 Abs. 1 und Abs. 2 sowie 15 StGB. schuldig zu erkennen gewesen. Die unterlaufene Gesetzesverletzung stellt den Nichtigkeitsgrund der Z. 12 des § 345 Abs. 1 StPO. zum Nachteil des Angeklagten her, weil dieser nicht wegen einer strafbaren Handlung, sondern wegen einer Mehrzahl selbständiger Delikte schuldig erkannt wurde. Diese dem Urteil anhaftende Nichtigkeit war gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. von Amts wegen wahrzunehmen.

Zur Entscheidung über die Unrechtsfolgen:

Das Geschwornengericht verhängte nach den §§ 75, 28 Abs. 1 und 36 StGB. über die Angeklagten Heinz A und Bernd B Freiheitsstrafen von je zwanzig Jahren, über den Angeklagten Rainer C unter Anwendung auch des § 11

JGG. eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren.

In Bemessung dieser Strafen erachtete es als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Straftaten, die besondere Brutalität und Kaltblütigkeit, mit welcher der Mord verübt wurde, und bei den Angeklagten Heinz A und Bernd B überdies die Vorstrafen; als mildernd sah es hingegen bei allen Angeklagten das Geständnis, eine gewisse Einschränkung der Urteils- und Kritikfähigkeit durch den genossenen Alkohol, beim Angeklagten Heinz A überdies die Grenzdebilität und beim Angeklagten Rainer C auch dessen Unbescholtenheit an.

Die Verhängung der Höchststrafen begründete das Erstgericht mit folgenden Worten: 'Die drei Täter haben die Gutmütigkeit eines wehrlosen Opfers ausgenützt und dieses Opfer auf heimtückische, feige und kaltblütige Weise getötet. Das Geschwornengericht erachtet daher in diesem beispiellos dastehenden Fall die Verhängung der Höchststrafe für die drei Angeklagten als angemessen. Die angeführten Milderungsgründe werden in diesem Falle nicht als so schwerwiegend anerkannt, daß eine Herabsetzung der Strafe gerechtfertigt wäre. Gemäß § 32 Abs. 3 StGB. war eine strenge Strafe zu verhängen, da die Angeklagten die Tat reiflich überlegt, sorgfältig vorbereitet und rücksichtslos ausgeführt haben' (Band II, S. 242).

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.

In durch den geänderten Schuldspruch des Angeklagten Heinz A erforderlicher Neubemessung der Strafe, die nach den §§ 75, 28 Abs. 1 und 36 StGB. zu verhängen war, ging der Oberste Gerichtshof von den schon vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründen aus und übernahm auch dessen Überlegungen zur Verhängung der gemäß § 36 StGB. zulässigen Höchststrafe. Die Änderung des Schuldspruchs hat formaljuristische Bedeutung und kann für die Straffrage kein Gewicht beanspruchen. Mit seiner gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte Heinz A auf diese Entscheidung zu verweisen. Der wegen der Jugend der Täter reklamierten milderen Tatbeurteilung wurde bereits vom Gesetzgeber durch reduzierte Strafdrohungen (§ 36 StGB., bei C auch § 11

JGG.) Rechnung getragen; eine Bedachtnahme auf sie in konkreter richterlicher Strafbemessung liefe auf eine ungerechte Doppelbegünstigung hinaus. Wollte man die Höchststrafe einem stets denkbaren Fall gravierenderer Kriminalität vorbehalten, wäre sie faktisch unanwendbar, was gewiß nicht Sinn des Gesetzes sein kann. Der Oberste Gerichtshof findet nichts, was der treffenden Argumentation des Geschwornengerichts zur vollen Ausschöpfung des gesetzlichen Strafsatzes bis zur Obergrenze überzeugend entgegengesetzt werden könnte. Die arglistige Täuschung, der skruppellose Mißbrauch teilsnahmsvoller mitmenschlicher Zuwendung und die erbarmungslose Hinmordung dessen, der ihnen im besten Sinn des Worts als Nächster hilfreich entgegengekommen war und sie nach qualvoller Mißhandlung, beraubt und gedemütigt, den Tod vor Augen, flehentlich um sein Leben gebeten hatte, stehen nahezu ohne Beispiel da: ein erschreckendes Zeugnis fast unvorstellbarer eiskalter Grausamkeit.

Den Berufungen der Angeklagten Bernd B und Rainer C war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Anmerkung

E02706

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00041.8.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19800626_OGH0002_0130OS00041_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten