TE OGH 1982/6/30 1Ob637/82

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Veröffentlicht am 30.06.1982
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Norm

KSchG §3 Abs3 Z1

Kopf

SZ 55/96

Spruch

Unter "Anbahnen" einer geschäftlichen Verbindung durch den Verbraucher (§ 3 Abs. 3 Z 1 KSchG) ist ein Verhalten zu verstehen, das dem Unternehmer gegenüber zum Ausdruck bringt, in Verhandlungen zwecks Abschlusses eines bestimmten Geschäftes eintreten zu wollen. Durch das Einsenden eines in einer Zeitungsannonce enthaltenen "Partnertestes", nach deren Text nur eine weitere kostenlose Information angefordert wird, bahnt der Verbraucher noch keinen Vertrag auf entgeltliche Zurverfügungstellung von Adressen zur Herstellung gesellschaftlicher Kontakte an

OGH 30. Juni 1982, 1 Ob 637/82 (KG Leoben R 147/82; BG Kindberg C 318/80)

Text

Die klagende Partei vermittelt unter der Bezeichnung EPR gesellschaftliche Kontakte. Die Beklagte füllte einen von der klagenden Partei in einer Tageszeitung annoncierten Partnertest aus; in diesem waren neben der Beantwortung von Fragen nach dem Familienstand, dem Glaubensbekenntnis, der Schulbildung, dem Geburtsdatum, der Körpergröße, dem Gewicht, der genauen Anschrift, dem Beruf und dem monatlichen Bruttoeinkommen, auch Farben, Jahreszeiten, Freizeitausübung sowie Musik- und Urlaubsgewohnheiten nach der persönlichen Neigung zu reihen. Außerdem waren aus 14 angeführten Eigenschaften jene vier auszuwählen, die man vom künftigen Partner erwarte. Auf der Annonce befand sich weiters die Aufforderung: "Schneiden Sie diesen Partnertest aus, wenn sie weitere für Sie kostenlose Informationen bei Ihnen oder in einem unserer EPR-Büros wünschen. Alle Unterlagen werden streng vertraulich behandelt." Die Adressen von fünf solchen Büros waren angegeben. Die Beklagte schickte den ausgefüllten Partnertest im Feber 1980 an eines dieser Büros. Am 13. 3. 1980 schloß sie in ihrer Wohnung mit der klagenden Partei, für die deren bevollmächtigte Vertreterin Renate P handelte, einen "Dienstleistungsvertrag" ab. Die Dienstleistung der klagenden Partei bestand in der Herstellung gesellschaftlicher Kontakte. Die Anbahnung der Erstkontakte sollte durch Partnervorschläge, die die klagende Partei dem Auftraggeber nach Aufforderung zusendet, erfolgen. Der Auftraggeber durfte pro Woche nicht mehr als zwei Adressen abfordern. Das Vertragsverhältnis sollte auf jeden Fall nach Einsendung und Beantwortung der 52. Anforderungskarte, spätestens jedoch nach zwei Jahren enden. Mittels eingeschriebenen Briefes vor Ablauf der zwei Jahre konnte aber auf Wunsch des Auftraggebers das Vertragsverhältnis kostenlos auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Der Auftraggeber war verpflichtet, auf jeden Erstkontakt brieflich zu antworten. Als Unkostenpauschale verpflichtete sich die Beklagte, den Betrag von 15 576 S in 24 Monatsraten a 649 S ab 15. 4. 1980 bei Terminverlust zu bezahlen. Von Renate P wurden der Beklagten 52 Gutscheine für Partnervorschläge ausgefolgt. Bei Abschluß des Vertrages erhielt die Beklagte eine Durchschrift, die eine Belehrung über ein Rücktrittsrecht nach § 3 Abs. 1 KSchG nicht enthielt. Am selben Tag unterfertigte die Beklagte einen Antrag an die Z-Bank auf Gewährung eines Kredites in der Höhe von 15 576 S, den sie sich in monatlichen Raten zu je 649 S rückzuzahlen verpflichtete. Die klagende Partei machte der Beklagten nach dem 14. 3. 1980 einen Partnervorschlag mit einem Rückkuvert und leitete das Kreditansuchen an die Z-Bank weiter. Mit einem am 11. 4. 1980 bei der klagenden Partei eingelangten Schreiben erklärte die Beklagte, die "Mitgliedschaft" zu stornieren. Gleichzeitig wurde der ungeöffnete Partnervorschlag rückgemittelt. Am selben Tag langte bei der Z-Bank ein Schreiben der Beklagten ein, mit dem sie den "Kredit für Epr" stornierte. Die Z-Bank belastete daraufhin die klagende Partei mit dem Darlehensbetrag.

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch des Betrages von 15 576 S samt Anhang.

Die Beklagte wendete ein, sie sei rechtzeitig vom Vertrag zurückgetreten, das Geschäft sei nicht durch sie angebahnt worden; die klagende Partei habe sich zu einer kostenlosen Information angeboten. Der Vertrag vom 13. 3. 1980 sei in der Wohnung der Beklagten nach intensivem Bereden durch Renate P abgeschlossen worden. Die Beklagte habe sich nur kostenlos beraten lassen wollen. Terminverlust sei nicht eingetreten; die klagende Partei habe keine Leistungen erbracht, der Vertrag widerspräche auch den guten Sitten, weil eine Eheanbahnung angeboten worden sei. Es liege auch Verkürzung über die Hälfte vor.

Das Erstgericht gab dem Begehren mit einem Betrag von 649 S samt Anhang Folge, das Mehrbegehren wies es ab. Es stellte fest, nach dem Einlangen des Partnerschaftstestes habe sich Renate P mit der Beklagten telefonisch in Verbindung gesetzt. Das Rechtsgeschäft unterliege den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes. Obwohl in der Annonce von kostenloser Information die Rede gewesen sei, sei die Anbahnung des Geschäftes durch die Beklagte erfolgt; ihr stehe daher ein Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG nicht zu. Trotz Nichteinhaltung des Vertrages durch die Beklagte, die nicht einmal die erste Rate bezahlt habe, sei von der klagenden Partei keine Mahnung und auch keine Nachfristsetzung unter Androhung des Terminverlustes erfolgt. Terminverlust trete nur dann ein, wenn die rückständige Leistung des Verbrauchers seit mindestens sechs Wochen fällig sei und der Unternehmer den Verbraucher unter Androhung des Terminsverlustes und Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen erfolglos gemahnt habe. Von der klagenden Partei sei aber in dieser Hinsicht nichts unternommen worden. Terminsverlust sei daher nicht eingetreten. Die klagende Partei habe daher den Anspruch auf Bezahlung nur einer Rate in der Höhe von 649 S.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge, der der klagenden Partei aber Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren zur Gänze stattgab. Eine Annonce in einer Zeitung stelle noch keine Anbahnung einer Geschäftsverbindung dar. Die Anbahnung sei im vorliegenden Fall demnach von der Beklagten ausgegangen, da sie durch Ausfüllung und Einsendung des Partnertestes zu erkennen gegeben habe, daß sie sich für die Partnervermittlung interessiere. Damit stehe der Beklagten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 KSchG kein Rücktrittsrecht zu. Der vorliegende Dienstleistungsvertrag sei einem Glücksvertrag rechtsähnlich, eine Anfechtung des Vertrages wegen Verkürzung über die Hälfte sei daher nicht möglich. Eine Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs. 1 Z 2 ABGB sei nicht gegeben. Die klagende Partei habe iS des § 13 KSchG ihre Leistung erbracht; da die Beklagte die Erfüllung des Vertrages verweigere, bedürfe es keiner Mahnung und Nachfristsetzung, um den Terminsverlust nach § 13 KSchG herbeizuführen. Durch diese Vorschrift sollte lediglich verhindert werden, daß ein Verbraucher durch den Eintritt des Terminsverlustes überrascht werde. Terminsverlust sei daher mit dem Ablauf von sechs Wochen nach Fälligkeit der ersten Rate eingetreten.

Über die Revision der Beklagten änderte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß er die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherstellte.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das vorliegende Geschäft fällt unter die Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1 KSchG). Hat der Verbraucher seine zum Vertragsabschluß führende rechtsgeschäftliche Erklärung nach einer Besprechung mit einem Vertreter des Unternehmens in seiner eigenen Wohnung abgegeben, so steht ihm gemäß § 3 Abs. 1 KSchG grundsätzlich ein Rücktrittsrecht zu. Enthält die ihm übergebene Urkunde keine Belehrung über das Rücktrittsrecht, wohl aber den Namen und die Anschrift des Unternehmers, erlischt das Rücktrittsrecht spätestens einen Monat nach dem Zustandekommen des Vertrages. Ein Rücktrittsrecht steht dem Verbraucher aber dann nicht zu, wenn er selbst zwecks Schließung dieses Vertrages die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer oder dessen Beauftragten angebahnt hatte (§ 3 Abs. 3 Z 1 KSchG). Die rechtspolitische Begründung für die Gewährung eines Rücktrittsrechtes bei "Haustürgeschäften" liegt darin, einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß der Käufer dem Verhandlungsgeschick des Verkäufers und seinen allenfalls unseriösen Verkaufsmethoden nicht gewachsen ist (v. Hippel, Widerrufsrecht des Abzahlungskäufers bei Haustürgeschäften? RabelsZ 1970, 506; Schilcher, Das Rücktrittsrecht des Verbrauchers nach § 3 KSchG in Krejci, Handbuch zum KSchG 274). Unter Anbahnen ist keine rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern ein Verhalten zu verstehen, durch das dem Unternehmer gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, daß man in Vorverhandlungen zwecks Abschluß eines bestimmten Geschäftes treten wolle (Edlbacher, Kommentar zum Ratengesetz 56). Das Verhalten des Verbrauchers muß einen eindeutigen Schluß auf seine Initiative und die Bereitwilligkeit zum Abschluß eines bestimmten Verbrauchergeschäftes zulassen. Die Anbahnung muß sich daher auf den Abschluß eines konkret bestimmten Verbrauchergeschäftes beziehen (Martinek - Schwarz, Ratengesetz 53). Der Vertreter muß jene Zwecke verwirklichen, derentwegen der Geschäftskontakt gesucht wurde (Welser, Anmerkungen zum KSchG, JBl. 1979, 454). Eine Anbahnung des Geschäftes durch den Verbraucher wurde angenommen, wenn dieser vom Unternehmer eine Postwurfsendung mit Antwortkarte erhielt und sodann dem Unternehmer mit dieser Antwortkarte mitteilte, daß er sich für eine Vorführung des dort annoncierten Gerätes interessiert; wenn jemand einen Geschäftsmann zum Besuch in seine Wohnung auffordert, habe er sich eine etwaige Beeinflussung selbst zuzuschreiben (SZ 44/163). Gleiches soll gelten, wenn der Verbraucher auf Grund einer Zeitungsannonce des Unternehmers, in der ein PKW zum Verkauf angeboten war, den Unternehmer anruft (RZ 1967, 74). Der Zweck der Bestimmung des § 3 KSchG, daß der Verbraucher von Überrumpelung durch fragwürdig agierende Unternehmer und ihre Vertreter geschützt werden soll (Schilcher aaO 277, 291, 294), gebietet es aber, daß aus der Zeitungsannonce für einen Durchschnittsverbraucher mit der gebotenen Deutlichkeit auch erkennbar sein muß, daß er den Unternehmer zu Vertragsverhandlungen einlädt. Die Beklagte mußte auf Grund der Einsendung des Inserates aber nur damit rechnen, daß Angestellte der klagenden Partei mit ihr in Verbindung treten werden, um sie kostenlos zu informieren; die klagende Partei wurde durch die Einsendung des ausgefüllten Partnertestes daher nicht aufgefordert, mit ihr Verhandlungen zum Abschluß eines "Dienstleistungsvertrages" über die Herstellung von gesellschaftlichen Kontakten ("dieses Vertrages") zu führen. Benützte die Vertreterin der klagenden Partei die von der Beklagten allein gewünschte und ausdrücklich als kostenlos bezeichnete Information dann erst dazu, sie zum Abschluß eines Vertrages, der von der Beklagten nur durch Inanspruchnahme eines Kredites erfüllt werden konnte, zu bringen, ging die Anbahnung dieses konkret geschlossenen Geschäftes von der klagenden Partei aus. Da auf der der Beklagten übergebenen schriftlichen Urkunde eine Belehrung über ihr Rücktrittsrecht nicht enthalten war, war der binnen Monatsfrist erfolgte Rücktritt nach § 3 Abs. 1 KSchG rechtzeitig. Die klagende Partei kann daher nicht die Erfüllung dieses Vertrages durch die Beklagte begehren.

Anmerkung

Z55096

Schlagworte

"Anbahnen" (§ 3 Abs. 3 Z 1 KSchG), kein -, wenn nur weitere kostenlose, Information angefordert wird, Konsumentenschutz, Begriff des "Anbahnens", Unternehmer, Begriff des "Anbahnens" (§ 3 Abs. 3 Z 1 KSchG), Verbraucher, Begriff des "Anbahnens"

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0010OB00637.82.0630.000

Dokumentnummer

JJT_19820630_OGH0002_0010OB00637_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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