TE OGH 1985/3/19 11Os28/85

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Veröffentlicht am 19.03.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.März 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kohlegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Felix A wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach den § 127 Abs 1, 131, erster Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 26. November 1984, GZ 21 b Vr 2.454/84-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Schischka, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14.März 1956 geborene beschäftigungslose Felix A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 3 StGB (Pkt 1 des Schuldspruches), des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den § 15. 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Pkt 2 des Schuldspruches), des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB (Pkt 3 des Schuldspruches), des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach den § 127 Abs 1, 131, erster Deliktsfall StGB (Pkt 4 des Schuldspruches) und des Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB (Pkt 5 des Schuldspruches) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO - der Sache nach jedoch nur auf den letztbezeichneten Nichtigkeitsgrund - gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte das Urteil im Schuldspruch wegen Freiheitsentziehung (Punkt 3 des Urteilssatzes) sowie im Ausspruch, er habe bei dem ihm laut Punkt 4 des Schuldspruches angelasteten Diebstahl eines Bargeldbetrages von ca 25 S zum Nachteil des Amrit Pal B Gewalt gegen eine Person angewendet, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, und sohin in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat als räuberischer Diebstahl.

Als Freiheitsentziehung gemäß dem § 99 Abs 1 StGB liegt ihm zur Last, am 1.August 1984 in Salzburg seiner Mutter Magdalena A die persönliche Freiheit über eine Zeitspanne von mehr als einer halben Stunde entzogen zu haben, indem er - bevor er sie durch zahlreiche Faustschläge gegen Kopf und Körper, durch Schläge mit einem Schrubberstiel und einem Holzstock sowie durch Zufügen von Brandwunden mit einer glühenden Zigarette am Körper schwer verletzte (Urteilsfaktum 1) - die Eingangstüre ihrer Wohnung (von innen) absperrte sowie den Schlüssel abzog und versteckte. Gegen diesen Schuldspruch wendet der Beschwerdeführer ein, es handle sich um keine Freiheitsentziehung, sondern lediglich um eine straflose Begleittat zu der an Magdalena A begangenen schweren Körperverletzung.

Soweit der Angeklagte in diesem Zusammenhang behauptet, sein Vorsatz sei nur darauf gerichtet gewesen, seine Mutter zu schlagen und zu verhindern, daß dritte Personen in die Wohnung gelangen, entbehrt die Rechtsrüge schon der gesetzmäßigen Ausführung. übergeht doch der Beschwerdeführer die gegenteilige Urteilsfeststellung, wonach es in seinem Vorhaben gelegen war, Magdalena A die Möglichkeit zu nehmen, ihre Wohnung aufzusperren und die Flucht zu ergreifen (vgl S 181 d. A).

Im übrigen erweist sich seine Ansicht, der Tatbestand nach dem § 99 Abs 1 StGB könne ihm nicht neben jenem der schweren Körperverletzung gesondert angelastet werden, als verfehlt:

Eine Konsumtion des Freiheitsentzuges, der bloß Mittel zu einem weitergehenden strafrechtswidrigen Zweck ist, kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Beeinträchtigung der Freiheit als typische Begleittat des anderen Deliktes darstellt, das heißt, wenn die Freiheitsentziehung nicht wesentlich über jenes Maß hinausgeht, welches mit der Begehung des Primärdeliktes schon der Natur nach notwendigerweise verbunden ist. Wird dieses Maß deutlich überschritten, so kommt dem § 99 Abs 1 StGB eigenständige strafrechtliche Bedeutung zu (vgl ÖJZ-LSK 1978/211; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB 2 , RN 69 zu § 28 und RN 20 zu § 99; Kienapfel, BT I 2 , RN 37 zu § 99 StGB). So gesehen wurde im vorliegenden Fall zu Recht echte Realkonkurrenz zwischen den Tatbeständen der schweren Körperverletzung und der Freiheitsentziehung angenommen. Denn anders als ein bloßes Festhalten des Opfers während der Mißhandlung stellen das Absperren der Wohnungstüre durch mehr als eine halbe Stunde und das Verstecken des Schlüssels keinesfalls notwendige Mittel bei der Zufügung einer Körperverletzung dar (vgl Mayerhofer-Rieder, I 2 , E Nr 7 zu § 99 StGB).

Als unbegründet erweist sich die Beschwerde aber auch insoweit, als sie gegen die Qualifikation des § 131 StGB gerichtet ist. Nach den bezüglichen Konstatierungen des Erstgerichtes nahm der Angeklagte aus der Tasche des Sakkos des Zeitungsausträgers Amrit Pal B einen Bargeldbetrag von ca 25 S, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Als ihn Amrit Pal B an der Hand erfaßte, versetzte ihm der Angeklagte einen Schlag in das Gesicht, um sich im Besitz des Geldes zu erhalten, riß sich los und lief davon (vgl S 184 d.A). Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber behauptet, sich gegen den Versuch des Amrit Pal B, ihn festzuhalten und der Polizei zu übergeben, gewehrt und sich (deshalb) losgerissen zu haben, so geht er damit von einer urteilsfremden Annahme aus.

Im übrigen würde es für einen räuberischen Diebstahl auch ausreichen, wenn die Erhaltung der Beute nur eines der Ziele des Diebes bei Anwendung von Gewalt oder Drohung ist (SSt 49/17 = ÖJZ-LSK 1978/167). Da die Tatsituation, auf die § 131 StGB abstellt, erst endet, sobald der Täter die Beute (über den Gewahrsamsbruch und damit über die Deliktsvollendung hinaus) in Sicherheit gebracht hat (EvBl 1985/6), kommt eine Beurteilung des der Sachwegnahme folgenden Tatverhaltens des Angeklagten als 'straflose Nachtat' - wie in der Beschwerde reklamiert - schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 106 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. überdies wies es den Angeklagten nach dem § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend den äußerst raschen Rückfall, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit vier Vergehen, die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, die von ihm zu vertretende Alkoholisierung, sowie die leichte Verletzung des Amrit Pal B und zog als mildernd das teilweise Geständnis und den Umstand in Betracht, daß die Nötigung im Versuchsstadium blieb. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung des Strafmaßes sowie die Ausschaltung des Ausspruches gemäß dem § 21 Abs 2 StGB an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Wohl muß dem Berufungswerber auch noch der Umstand, daß er die Taten unter dem Einfluß seines abnormen Geisteszustandes beging, als mildernd zugutegehalten werden. Dazu kommt, daß der Erschwerungsgrund der Alkoholisierung zu entfallen hat, weil das Wissen des Angeklagten um die bei ihm gegebene erhöhte Neigung zur Delinquenz nach Alkoholkonsum nur die Heranziehung des Milderungsumstandes nach dem § 35 StGB ausschließt. Andererseits sind dem Angeklagten aber richtig das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit drei Vergehen und - zusätzlich - die zweifache Qualifikation der Körperverletzung als erschwerend in Rechnung zu stellen.

Auch unter diesen erweiterten Gesichtspunkten erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß als nicht überhöht. Zur begehrten Strafreduzierung besteht daher kein Anlaß. Es liegen aber auch sämtliche (materiellen) Voraussetzungen für den bekämpften Einweisungsausspruch vor.

Soweit der Berufungswerber unter Hinweis auf seine Alkoholisierung zur Tatzeit die Auffassung vertritt, daß seine - an sich auch von ihm nicht bestrittene - hochgradige Geistesabartigkeit für sich allein noch nicht die Befürchtung rechtfertige, er werde ohne Einweisung unter ihrem Einfluß (abermals) eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen, ist ihm zu erwidern, daß er sich damit in Widerspruch zum unbedenklichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C setzt. Dieser Sachverständige legte unmißverständlich dar, daß schon die hochgradige geistige Abartigkeit allein 'die Gefahr schwerer Rechtsbrüche in sich birgt' und 'Alkohol lediglich diese Gefahr noch zusätzlich anheizt' (S 60, 169 ff d.A). Im übrigen müßte aber berücksichtigt werden, daß es sich hier nicht nur um einen einmaligen Alkoholexszess, sondern beim Angeklagten um eine Perönlichkeit handelt, 'die in hohem Maß zum Alkohol- und Tablettenmißbrauch neigt' (S 169 d.A). Dem Erstgericht ist also auch bei der Erstellung der Gefährlichkeitsprognose kein Fehler unterlaufen.

Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E05375

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00028.85.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19850319_OGH0002_0110OS00028_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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