TE OGH 1985/6/25 11Os78/85

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Veröffentlicht am 25.06.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juni 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Walenta, Dr. Horak und Dr. Lachner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mader als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Brunhilde A wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148,

1. Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 6. Februar 1985, GZ 22 Vr 83/84-60, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Stöger als Vertreter des Generalprokurators, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten und ihres Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der Betrugstaten sowohl als Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148, 1. Fall, StGB (Punkt B I des Urteilssatzes) als auch als Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (Punkt B II des Urteilssatzes) und demgemäß auch im gesamten Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Brunhilde A hat durch die zu Punkt B I und II des Urteilssatzes angeführten Taten das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148,

1. Fall, StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihr weiterhin zur Last liegende Verbrechen der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2, 2. Fall, StGB (Punkt A 1 und 2 des Urteilssatzes) und das Vergehen des Verstrickungsbruches nach dem § 271 Abs. 1 StGB (Punkt C des Urteilssatzes) nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 (zwanzig) Monaten verurteilt. Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wird aus dem Ersturteil übernommen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die zuletzt als Vertreterin tätig gewesene Brunhilde A A/ des Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2, 2. Fall, StGB; B/ des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148 1. Fall, StGB (I.) sowie zusätzlich des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (II.) und C/ des Vergehens des Verstrickungsbruches nach dem § 271 (Abs. 1) StGB schuldig erkannt und hiefür gemäß dem § 133 Abs. 2,

2. Strafsatz, StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Ihr liegt zur Last,

zu Punkt A: sich ein ihr anvertrautes Gut in einem insgesamt 100.000 S übersteigenden Wert mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern:

1./ zwischen Herbst 1981 und Weihnachten 1982 an verschiedenen Orten des Tiroler Unterlandes den Verkaufserlös für ihr von der Fa. B zum Weiterverkauf überlassene 315 Hemden und 135 Blusen im Betrage von insgesamt 116.550 S, nach Abzug der ihr zustehenden Verkaufsprovision von 20 %, sohin einen Geldbetrag von 93.240 S, 2./ zwischen 15.November 1983 und 20.Jänner 1984 an mehreren Orten Tirols den Verkaufserlös für ihr von der Firma Horst C zum Weiterverkauf überlassene 11 Garnituren Bettwäsche, 30 Stück Handtücher, 2 Garnituren Flanellwäsche sowie weitere Handtücher und Badetücher im Betrag von insgesamt 11.762,54 S, nach Abzug der ihr zustehenden Verkaufsprovision von 2.026,80 S, sohin einen Geldbetrag von 9.735,74 S;

zu Punkt B: mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet zu haben, welche die betreffenden Personen am Vermögen in einem insgesamt 5.000 S übersteigenden Betrag schädigten, indem sie

I./ in der Zeit zwischen 6. Juni 1983 und 25. November 1983 (richtig: 9. Dezember 1983) unter der Vorspiegelung, eine inkassobefugte Vertreterin der Fa. B zu sein, insgesamt 101 im Urteil namentlich bezeichnete Personen zur Bestellung von Textilien und gleichzeitig zur Hingabe einer Anzahlung, mitunter auch des vollen Rechnungsbetrages (für die bestellte Ware) und in zwei Fällen (unter der Vorspiegelung, eine rückzahlungsfähige und rückzahlungswillige Darlehensnehmerin zu sein) auch zur Gewährung von Darlehen in der Höhe von 3.500 S und 500 S veranlaßte, wobei sie in diesen Fällen gewerbsmäßig handelte und der solcherart von ihr herbeigeführte Gesamtschaden sich auf 39.480 S belief; II./1./: am 5. November 1983 in Schwaz einen Angestellten der Fa. Elektro-OBHOLZER unter der Vorspiegelung, eine zahlungswillige und zahlungsfähige Käuferin zu sein, zur Lieferung eines Farbfernsehgerätes samt Antenne zum Gesamtkaufpreis von 15.490 S;

2./ am 3. November 1983 in Gerlos den Alois D unter der Vorspiegelung, eine zahlungsfähige und zahlungswillige Kundin zu sein, zur Ausfolgung von Benzin zum Preis von 360 S;

3./ in St. Johann in Tirol den Georg E jeweils unter der Vorspiegelung, eine zahlungsfähige und zahlungswillige Kundin zu sein,

a/ am 24. August 1983 zur Ausfolgung einer Autobatterie im Werte von 1.283 S;

b/ am 26. August 1983 zur Ausfolgung von Benzin zum Preis von 360 S veranlaßte;

zu Punkt C: am 4. Oktober 1983 in Buch bzw. Schwaz einen vom Bezirksgericht Rattenberg behördlich gepfändeten PKW der Marke Ford Escort 1100 dem vorgesehenen Freihandverkauf entzogen zu haben, indem sie das Fahrzeug verbrachte und an unbekannter Stelle abstellte.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte Brunhilde A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 8, 9 lit. a, lit. c, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch zur Gänze versagt.

Zu Punkt A 1 des Schuldspruchs (wegen Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2, 2. Fall, StGB, begangen zum Nachteil der Fa. B) behauptet die Beschwerdeführerin unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 9 lit. c des § 281 Abs. 1 StPO eine Anklageüberschreitung, weil laut Anklageschrift diesem Anklagepunkt (nur) eine Tatzeit von Herbst 1982 bis Weihnachten 1982 zugrunde liege (vgl. Bd II, S 34 und 48 d.A), der bezügliche Schuldspruch aber ohne entsprechende Anklageausdehnung durch den öffentlichen Ankläger in der Hauptverhandlung einen Tatzeitraum von Herbst 1981 bis Weihnachten 1982 umfasse.

Die behauptete Urteilsnichtigkeit nach der Z 8 des § 281 Abs. 1 StPO - der in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin weiters geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach der Z 9 lit. c der zitierten Gesetzesstelle kommt hier nicht in Betracht, weil letzterer Nichtigkeitsgrund nur das Verhältnis der öffentlichen Anklage zur Privatanklage betrifft (vgl. Mayerhofer-Rieder, Das österr. Strafrecht, StPO II/2, Nr 5 und 10 zu § 281 Abs. 1 Z 9 lit. c StPO) - würde voraussetzen, daß die Angeklagte im Urteil eines Verhaltens schuldig erkannt worden wäre, das von der Anklage nicht erfaßt wird; davon kann aber keine Rede sein. Anklagegegenstand ist das gesamte Täterverhalten in Verbindung mit einem bestimmten Vorfall (oder mit mehreren bestimmten Vorfällen) im Sinne eines historischen Ereignisses, das in der Anklageerzählung wiedergegeben wird und nach Meinung des Anklägers einen strafbaren Erfolg herbeigeführt hat (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , Nr 2 und 8 zu § 281 Abs. 1 Z 8 StPO und die dort zitierte Judikatur; ferner Nr 5 zu § 262 StPO). Im angefochtenen Urteil wird nun unter Hinweis auf das vom Zeugen Peter B beigebrachte Lieferscheinbuch (erliegend in Bd I) und die dort aufscheinenden Daten (über die Auslieferung der zum Weiterverkauf bestimmten Waren an die Angeklagte) der Beginn der strafbaren Tätigkeit der Angeklagten (Veruntreuung der Verkaufserlöse) bereits mit Herbst 1981 (und nicht erst ab Herbst 1982) als erwiesen angenommen (Bd II, S 85 und 86 d. A). Abgesehen von dieser im Ersturteil auf Grund der Verfahrensergebnisse vorgenommenen Modifikation des Tatzeitraums ist aber der Schuldspruch der Angeklagten zu Punkt A 1 mit dem bezüglichen Anklagevorwurf, lautend auf Veruntreuung von aus dem Weiterverkauf von 315 Hemden im Betrag von 78.750 S und von 135 Blusen im Betrag von 37.800 S erzielten Erlösen zum Nachteil der Fa. B und einem der Angeklagten als Veruntreuungsschaden angelasteten Gesamtbetrag von 93.240 S identisch (vgl. Anklageschrift, II S 34 d.A). An der Identität des von Anklage und Urteil erfaßten (rechtlich als Veruntreuung gewerteten) Verhaltens der Angeklagten änderte sich allein durch die vom Erstgericht auf Grund der Verfahrensergebnisse gegenüber dem Anklagevorwurf vorgenommene Erweiterung des Tatzeitraumes nichts; die Zeit der Begehung einer - wie hier - im übrigen eindeutig und unverwechselbar gekennzeichneten strafbaren Handlung gehört nicht zu den wesentlichen, im Rahmen der Identitätsprüfung entscheidenden Merkmalen (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , Nr 31, 33, 34 und 36 zu § 262 StPO).

Unter dem Gesichtspunkt einer Urteilsnichtigkeit nach den Z 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO (der Sache nach kommt, weil primär die Tatqualifikation nach dem § 133 Abs. 2, 2. Fall, StGB bekämpft wird, nur der erstgenannte Nichtigkeitsgrund in Betracht) wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Beurteilung der unter Punkt A 1 und 2 angeführten Tathandlungen als Verbrechen der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2, 2. Fall, StGB und demgemäß gegen ihre Bestrafung nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Urteilsfeststellung, derzufolge sie bis zum 7. Juli 1982, dem Zeitpunkt ihrer (sodann am 13. Juli 1982 in Rechtskraft erwachsenen) Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck im Verfahren 22 Vr 1076/82 wegen Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2, 1. Fall, StGB (mit einem damaligen Veruntreuungsschaden von rund 16.700 S), bereits etwa die Hälfte der im nunmehrigen Schuldspruch unter Punkt A 1 angeführten Textilien (der Fa. B) verkauft und den daraus erzielten Verkaufserlös (nach Abzug der ihr zustehenden 20 %-igen Verkaufsprovision) in der Größenordnung von etwa 46.600 S (durch rechtswidrige Zueignung) veruntreut gehabt hatte (Bd II, S 81, 82, 85 und 86 d.A). Demnach hätten nach Meinung der Beschwerdeführerin die von ihr bis zum 7. Juli 1982 zum Nachteil der Fa. B verübten Veruntreuungstaten, wären sie schon damals bekannt gewesen, bereits im vorerwähnten Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Juli 1982 abgeurteilt werden können, womit ein wertmäßig erheblicher Teil der Veruntreuungshandlungen zum Nachteil der Fa. B - im Betrag von rund 40.000 S bis 50.000 S - aus dem vorliegenden Schuldspruch wegen Veruntreuung entfallen sein würde. Dies hätte aber die für sie vorteilhafte Auswirkung gehabt, daß (sowohl im vorerwähnten Verfahren 22 Vr 1076/82 des Landesgerichtes Innsbruck als auch) im vorliegenden Verfahren (jeweils) nur ein Schuldspruch wegen Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 2, 1. Fall, StGB und demzufolge auch nur eine Strafbemessung nach der (geringeren) Strafdrohung des ersten Strafsatzes des § 133 Abs. 2 StGB in Betracht gekommen wäre. Zur Abwendung des ihr durch die Nichtberücksichtigung der vorerwähnten Verurteilung vom 7. Juli 1982 durch das Landesgericht Innsbruck erwachsenen Nachteils hätte nach Meinung der Beschwerdeführerin im angefochtenen Urteil unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 31, 40 StGB, die zur Vermeidung eines solchen Nachteiles geschaffen worden seien, auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Juli 1982, GZ 22 Vr 1076/82-58, Bedacht genommen werden müssen und über sie (bloß) eine Zusatzstrafe im Rahmen der Strafdrohung des ersten Strafsatzes des § 133 Abs. 2 StGB verhängt werden dürfen. Bei diesem Vorbringen verkennt jedoch die Beschwerdeführerin Wesen und Zweck der Vorschrift des § 31 StGB. Dadurch soll nämlich nur gewährleistet sein, daß die Grundsätze des im § 28 Abs. 1 StGB statuierten Absorptionsprinzips, dessen Anwendung voraussetzt, daß über die konkurrierenden Straftaten gleichzeitig (in einem Urteil) erkannt wird, auch auf jene Fälle Anwendung finden, in denen mehrere demselben Täter zur Last liegende strafbare Handlungen, die nach der Zeit ihrer Begehung gemäß dem § 56 StPO in einem einzigen Strafverfahren hätten behandelt werden können, tatsächlich in zwei (oder mehreren) Strafverfahren abgeurteilt werden. Mit der Bestimmung des § 31 StGB soll demnach nur eine durch eine getrennte Verfahrensführung und die sich daraus ergebende Unanwendbarkeit der Strafbemessungsvorschrift des § 28 Abs. 1 StGB bedingte ungünstigere Behandlung eines Angeklagten vermieden und auch für diese Fälle eine Anwendung der in der vorerwähnten Gesetzesstelle verankerten Grundsätze des Absorptionsprinzips sichergestellt werden. Keinesfalls war es aber Zielsetzung des Gesetzgebers, daß ein Angeklagter durch § 31 StGB aus der getrennten Verfahrensführung einen sachlich nicht begründeten Vorteil ziehen sollte (vgl. Dokumentation zum StGB, S 84 zu § 31 StGB; ferner Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , Nr 3 zu § 31 StGB, Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 1 und 16 zu § 31 StGB). Im vorliegenden Fall strebt die Beschwerdeführerin der Sache nach die Ausschaltung des im § 29 StGB verankerten und für alle Fälle einer gleichartigen Realkonkurrenz wert- oder schadensqualifizierter Delikte geltenden Zusammenrechnungsprinzips an. Zur Umgehung einer qualifikationsbegründenden Zusammenrechnung (von Wert- oder Schadensbeträgen) darf jedoch die Vorschrift des § 31 StGB nicht herangezogen werden; eine solche - hier qualifikationsbegründende - Zusammenrechnung kann stets nur innerhalb ein und desselben Urteils stattfinden (Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 8 zu § 31 StGB und die dort zitierte Judikatur; Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , Nr 11 zu § 29 StGB). Im übrigen setzt die Anwendung des § 31 StGB stets voraus, daß alle im neuen Urteil zur Aburteilung gelangenden Straftaten bereits vor Fällung des früheren, gemäß dem § 31 StGB zu berücksichtigenden Urteils begangen worden sind (Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 12 und 15 zu § 31 StGB u.a.). Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu, erfassen doch die Schuldsprüche der Angeklagten im angefochtenen Urteil Straftaten, die von ihr zum weitaus überwiegenden Teil erst nach dem hier in Rede stehenden Urteil vom 7. Juli 1982, welches die Beschwerdeführerin nunmehr gemäß dem § 31 StGB berücksichtigt wissen will, begangen wurden.

Dem Erstgericht ist demnach der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung zuwider kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn es auf die zwischenzeitig ergangene Verurteilung der Angeklagten vom 7. Juli 1982 durch das Landesgericht Innsbruck nicht gemäß den §§ 31, 40 StGB Bedacht nahm, die im angefochtenen Urteil unter Punkt A 1 und 2 angeführten Taten unter Anwendung des Zusammenrechnungsprinzips des § 29 StGB insgesamt als Verbrechen der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1, Abs. 2, 2. Fall, StGB beurteilte und die Strafbemessung nach dem 2. Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB (unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB) vornahm. Die Annahme gewerbsmäßiger Begehung (§ 148, 1. Fall, StGB) der im Ersturteil unter Punkt B I bezeichneten Betrugsfakten bekämpft die Beschwerdeführerin aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO mit dem Hinweis, daß der Schadensbetrag in der Mehrzahl dieser Fälle jeweils unter 500 S liege. Voraussetzung für gewerbsmäßiges Handeln sei aber, daß der Erlös aus jeder einzelnen Straftat jeweils die Bagatellgrenze übersteige.

Diese Auffassung der Beschwerdeführerin ist verfehlt und findet auch in der von ihr bezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 3. Juli 1975 (SSt 46/38) keine Stütze. Der Oberste Gerichtshof vertritt keineswegs den Standpunkt, gewerbsmäßige Begehung setze voraus, daß der Gewinn aus jeder einzelnen, im Rahmen des Vorhabens (der Absicht) des Täters auf Verschaffung einer fortlaufenden Einnahme durch wiederkehrende Tatbegehung verübten Straftat die Bagatellgrenze überschreiten müsse. Entscheidend ist nur, daß die fortlaufende Einnahme - ungeachtet des Umstandes, daß sie sich gegebenenfalls, isoliert betrachtet, aus bloß geringen Teilgrößen zusammensetzt - wenigstens eines der Ziele der begangenen und für die Zukunft ins Auge gefaßten (wiederkehrenden) Straftaten ist (siehe RV 1971, 183) und, daß das angestrebte kriminelle (Zusatz-)Einkommen - sofern nichts darauf hindeutet, der Angeklagte habe sich ein Limit gesetzt - insgesamt die Bagatellgrenze überschreitet (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , § 70 StGB Nr 29; 10 Os 22/78, 10 Os 41/83, 10 Os 57/83; 11 Os 125/84; 9 Os 60/85). Im vorliegenden Fall erschloß sich die Beschwerdeführerin durch die wiederkehrende Begehung der unter Punkt B I angeführten zahlreichen Betrugsfälle innerhalb eines Zeitraumes von fast 6 Monaten eine fortlaufende Einnahmequelle, die ihr betragsmäßig

insgesamt etwa 40.000 S einbrachte. Ganz abgesehen davon, daß sich unter den vorerwähnten 101 Betrugsfakten auch eine größere Anzahl findet, in denen der Betrugsschaden die Bagatellgrenze eindeutig übersteigt, kann schon angesichts des von der Angeklagten betrügerisch mit gewerbsmäßiger Tendenz angestrebten und im genannten Zeitraum auch tatsächlich erzielten Einkommens von insgesamt nahezu 40.000 S keine Rede davon sein, daß sich dieses kriminell erzielte Einkommen noch im Bagatellbereich bewegen würde. Die Beschwerdeführerin vermag aber auch weder einen dem Ersturteil anhaftenden Begründungsmangel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO noch einen dem Erstgericht unterlaufenen, Urteilsnichtigkeit nach der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO bewirkenden Rechtsirrtum aufzuzeigen, wenn sie unter Hinweis darauf, daß eine Reihe der unter Punkt B 1 angeführten Personen, von denen sie Geldbeträge kassiert hatte, von der Fa. B (durch Lieferung der bestellten Waren) schadlos gehalten worden sei, vermeint, daß ihr mangels eines Vermögensschadens der Betroffenen in diesen Fällen zu Unrecht Betrug angelastet werde.

Zunächst übergeht die Beschwerdeführerin bei diesem Einwand die Urteilsfeststellung (vgl. Bd II, S 82 d.A), wonach sie die einzelnen, unter Punkt B I bezeichneten Warenbestellungen, für die sie die dort angeführten Geldbeträge entgegengenommen hatte, an die Fa. B gar nicht weiterleitete. (Die Bestellscheine wurden vielmehr nachträglich im Original bei der Angeklagten Brunhilde A sichergestellt; vgl. Bd I, S 113 d.A.) Die Fa. B hielt zwar nach der Aktenlage auf Grund nachfolgender Reklamationen von Geschädigten (welche die bestellten und teilweise schon bezahlten Waren nicht ausgeliefert erhalten hatten) in insgesamt 10 Fällen die Betroffenen offenbar aus Kulanzgründen durch Auslieferung der bestellten Waren schadlos, wodurch in diesen wenigen Fällen eine für die Tatbeurteilung als Betrug unerhebliche nachträgliche Schadensüberwälzung (von den ursprünglich Geschädigten auf die Fa. B) eintrat. Die Angeklagte hatte es nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen unter der Vorspiegelung, eine redliche und inkassobefugte Vertreterin der Fa. B zu sein, auf das betrügerische Inkasso von Anzahlungen bzw. allenfalls auch des gesamten Rechnungsbetrages abgesehen gehabt und die einzelnen Besteller schon durch die Herauslockung dieser Geldbeträge geschädigt. Eine Auslieferung der bestellten Waren seitens der Fa. B an die Besteller konnte nach dem Tatverhalten der Angeklagten gar nicht erfolgen, hat sie doch die Bestellscheine an die Fa. B nicht einmal weitergeleitet. Unter diesen Umständen ist der Beschwerdeeinwand der Angeklagten, ein Handeln mit Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz sei ihr vom Erstgericht in diesen Fällen zu Unrecht angelastet worden, weil sie mit einer nachträglichen Lieferung der bestellten Waren durch die Fa. B rechnen konnte, keineswegs stichhaltig.

Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO blieb zum Urteilsfaktum II 1 (betrügerische Herauslockung eines Farbfernsehgerätes samt Antenne am 5. November 1983 in Schwaz zum Nachteil der Fa. Elektro-OBHOLZER) der Umstand, daß die Angeklagte zu dieser Zeit mit einer Beschäftigung als Vertreterin bei der Fa. C und demnach mit einem Einkommen rechnen konnte, im Ersturteil keineswegs unberücksichtigt (vgl. Bd II, S 87 d.A). Zur Begründung eines auch in diesem Fall als erwiesen angenommenen Handelns der Angeklagten mit Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz wird in den Entscheidungsgründen unter anderem darauf hingewiesen, daß sie nach der Tat ohne Hinterlassung einer neuen Anschrift ihren Wohnort wechselte (Bd II, S 86 und 87 d.A). Unter Berücksichtigung aller Tatumstände - so hatte die Angeklagte nach ihren eigenen Angaben im Herbst 1983 Schulden in Höhe von mehr als 100.000 S (Bd I, S 40 d.A), in den Jahren 1982 und 1983 waren gegen sie bereits zahlreiche Exekutionsverfahren anhängig (vgl. die angeschlossenen Exekutionsakten des Bezirksgerichtes Rattenberg), sie war nach Auslieferung des Farbfernsehgerätes samt Antenne infolge des Wechsels ihres Wohnortes, den sie der Fa. F nicht bekanntgab, unerreichbar und leistete bis zu ihrer Festnahme am 4. Feber 1984 keine einzige Zahlung (Bd II, S 83 und 84 d. A) - konnte das Erstgericht durchaus im Einklang mit den Denkgesetzen den Schluß ziehen, daß die Angeklagte auch in diesem Fall mit Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz handelte, weshalb auch in diesem Zusammenhang von einer bloßen Scheinbegründung zur subjektiven Tatseite und einem insoweit dem Ersturteil anhaftenden Begründungsmangel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO keine Rede sein kann.

Ihren Schuldspruch wegen Vergehens des Verstrickungsbruches nach dem § 271 (Abs. 1) StGB (Punkt C des Urteilssatzes) hält die Beschwerdeführerin in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit. a des § 281 Abs.1 StPO deshalb rechtlich für verfehlt, weil ihr bloß eine - zur Verwirklichung dieses Vergehenstatbestandes durch Entziehen der behördlich gepfändeten Sache nicht ausreichende - Tatbegehung durch Unterlassen zum Vorwurf gemacht werde, welche allein darin gelegen sei, daß sie den Verwahrungsort des vom Bezirksgericht Rattenberg gepfändeten PKWs, dessen weitere Benützung ihr bis zum Versteigerungstermin vom Vollstreckungsbeamten gestattet worden sei, dem Gericht nicht angezeigt habe. Dieser rechtliche Einwand geht schon deshalb fehl, weil sich der der Angeklagten angelastete Verstrickungsbruch durch Entziehen der behördlich gepfändeten Sache nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils keineswegs bloß in einem Unterlassen (der Bekanntgabe des neuen Verwahrungsortes des gepfändeten PKWs bzw. der Überstellung des Fahrzeuges zum Versteigerungsort) erschöpft. Hat doch die Angeklagte nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen (vgl. Urteilsspruch, Bd II, S 80 d.A und Urteilsgründe, Bd II, S 85 d.A) in Kenntnis des Versteigerungstermines das Fahrzeug, auch wenn ihr dieses bis zur Versteigerung vorläufig zur Benützung überlassen worden war, an einen unbekannten Ort verbracht. Das Vorbringen des Tatobjektes mit dem laut Ersturteil als erwiesen angenommenen Tätervorsatz, es dadurch der Verstrickung zu entziehen (vgl. Bd II, S 87 d.A), stellt aber ein als Tun zu qualifizierendes Tatverhalten der Angeklagten dar. Damit erübrigt sich auch ein weiteres Eingehen auf die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage einer sie im besonderen treffenden Garantenpflicht zur Erfolgsabwendung im Sinne des § 2 StGB. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Brunhilde A war sohin zur Gänze ein Erfolg zu versagen.

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO war jedoch vom Obersten Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Ersturteil insoweit mit dem - von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemachten, sich aber der Sache nach zu ihrem Nachteil auswirkenden - materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, als die im Urteilsspruch unter Punkt B I und II angeführten Betrügereien unter Verstoß gegen das im § 29 StGB verankerte, für den Bereich gleichartiger Realkonkurrenz wert- oder schadensqualifizierter Delikte ohne Rücksicht auf deren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang geltende Zusammenrechnungsprinzip (vgl. u.a. Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 1 und 4 zu § 29 StGB) als Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148, 1. Fall, StGB (Punkt B I) und überdies auch als Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (Punkt B II) beurteilt wurden. Rechtsrichtig wären die von Punkt B I und II erfaßten Betrugsfälle insgesamt nur als Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148, 1. Fall, StGB zu beurteilen gewesen. Die gesonderte Annahme eines Vergehens des Betruges neben dem Verbrechen des Betruges in ein und demselben Urteil in Ansehung desselben Angeklagten ist unzulässig; der darin gelegene Verstoß gegen den im § 29 StGB verankerten Grundsatz, demzufolge alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Betrugsfälle, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung eine Einheit bilden, bewirkt Urteilsnichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO. Es war daher gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das Ersturteil, welches im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der rechtlichen Beurteilung der der Angeklagten Brunhilde A zur Last liegenden Betrugstaten sowohl als Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148, 1. Fall, StGB (Punkt B I des Urteilssatzes) als auch als Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (Punkt B II des Urteilssatzes) und demgemäß auch im gesamten Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft) aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen. Bei der durch die geänderte rechtliche Beurteilung notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, die zweifache Qualifikation des Betruges sowie den raschen Rückfall als erschwerend; als mildernd wurde demgegenüber das Geständnis der Angeklagten, die teilweise Schadensgutmachung, der Umstand, daß die den Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB bestimmende Wertgrenze nur gering überschritten wird, und die Tatsache gewertet, daß ein wesentlicher Teil der im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Veruntreuungshandlungen vor dem am 7. Juli 1982 in dem bereits erwähnten Verfahren des Landesgerichtes Innsbruck zum AZ 22 Vr 1076/82 gefällten früheren Urteil gesetzt wurde.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe erschien eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten dem Tatunrecht, der Schuld und der Täterpersönlichkeit der Brunhilde A adäquat. Mit ihrer durch die Strafneubemessung gegenstandslos gewordenen Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E06190

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00078.85.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19850625_OGH0002_0110OS00078_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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