TE OGH 1986/3/17 11Os184/85

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Veröffentlicht am 17.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.März 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef P*** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach den §§ 12, 164 Abs. 1 Z 1 und Z 2 Abs. 3 (1. und 2. Fall) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 5. Dezember 1984, GZ 7 b Vr 473/83-352, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit sie sich auf den § 281 Abs. 1 Z 1, Z 3 und Z 4 StPO stützt, zurückgewiesen. Im übrigen wird die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde und der vom Angeklagten erhobenen Berufung einem anzuberaumenden Gerichtstag vorbehalten.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.Jänner 1939 geborene Kaufmann Josef P*** des Verbrechens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 1 und 2, Abs. 3 (1. und 2. Fall) StGB, teils als Beteiligter gemäß dem § 12 StGB (A), ferner des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB (B I), des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB (B II), des Vergehens der Täuschung nach dem § 108 Abs. 1 StGB (C), des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach den §§ 37 Abs. 1 lit. a, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG (D), des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB (E) sowie des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (1. Fall) StGB (F) schuldig erkannt. Dem als Geschäftsführer einer mit dem Handel von Kraftfahrzeugen aller Art befaßten Gesellschaft mit beschränkter Haftung tätig gewesenen Angeklagten wird - laut Ersturteil - im wesentlichen angelastet, in der Zeit vom 15. September 1978 bis April 1983 gestohlene oder sonst den Eigentümern widerrechtlich entfremdete Personenkraftwagen, die andere Personen (vor allem Fritz L***) gewerbsmäßig nach Österreich eingeschmuggelt hatten, zum Zweck, sich durch die wiederkehrende Begehung fortlaufende Einnahmen (durch gewinnbringenden Weiterverkauf) zu verschaffen, angekauft, an sich gebracht oder verhandelt zu haben (D), wobei er ab dem Frühjahr 1982 auch wußte, daß die Fahrzeuge teils gestohlen, teils veruntreut wurden (A). Im Rahmen der Beschaffung von Einzelgenehmigungen und der Anmeldung der Fahrzeuge in Österreich wurden (teilweise öffentliche) Urkunden gefälscht oder nachgemachte Urkunden gebraucht (B) und Beamte absichtlich getäuscht, um die Republik Österreich an konkreten Rechten zu schädigen (C I). Am 1.Mai 1983 verschuldete Josef P*** als Lenker eines ebenfalls nicht ordnungsgemäß angemeldeten, mit einem für ein anderes Fahrzeug ausgegebenen Kennzeichen versehenen Personenkraftwagens (C I 3; systematisch richtigerweise C II) einen Verkehrsunfall, bei dem der Motorradfahrer Rudolf F*** schwer verletzt wurde (F); er suchte in der Folge seine Haftpflichtversicherungsgesellschaft mit Bereicherungsvorsatz über die Leistungspflicht zu täuschen, wobei der Betrug hinsichtlich eines Betrages von 53.000 S vollendet wurde, hinsichtlich eines weiteren Betrages von 89.000 S beim Versuch blieb

(E).

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 1, 3, 4, 5, 9 lit. a, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Breiter Raum wird zunächst der Behauptung gegeben, der Vorsitzende und der Beisitzer des Schöffensenates seien von der Entscheidung in dieser Strafsache ausgeschlossen gewesen (Z 1); der Angeklagte sei in seinen Verteidigungsrechten grob beschränkt (Z 4), weil den wiederholten Ablehnungsanträgen gegen diese beiden Richter und gegen einen Schöffen nicht stattgegeben wurde.

Zu den angesprochenen Vorgängen ist dem Strafakt folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Am 20.September 1984, somit knapp vor dem Beginn der für 24. September 1984 anberaumten Hauptverhandlung, langte beim Erstgericht ein Antrag des Angeklagten auf Ablehnung aller Richter des Kreisgerichtes Steyr mit der Behauptung ein, der zuständige Staatsanwalt habe sich dem (Josef P*** in einem Zivilverfahren vertretenden) Rechtsanwalt Dr. R*** gegenüber geäußert, er (P***) werde sicher eine strengere Strafe bekommen als bereits abgeurteilte (ähnlich belastete) Täter, weil sein Verteidiger gegen die Richter "losgegangen" sei und er (über Anraten des Verteidigers) in der Voruntersuchung nicht ausgesagt habe. Da der Staatsanwalt eine diesbezügliche Information nur von Richtern des Kreisgerichtes erhalten haben könne, seien diese Organwalter als voreingenommen anzusehen (ON 183/X). Dr. R*** teilte dem Gericht allerdings später (am 26.September 1984) schriftlich mit, nach seinem Eindruck habe der Staatsanwalt nur seine persönliche Meinung geäußert (ON 187/X).

Dieser Ablehnungsantrag wurde am 21.September 1984 mit Äußerungen der an diesem Tag erreichbaren Richter des Kreisgerichtes Steyr dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung vorgelegt (ON 184/X), das mit Beschluß vom selben Tag, AZ 11 Bs 105/84, der am 24. September 1984 beim Kreisgericht Steyr einlangte, dem Antrag keine Folge gab (ON 185/X). Diese Entscheidung wurde zu Beginn der Hauptverhandlung - nach Befragung des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse - dem Verteidiger ausgefolgt. Der Verteidiger wiederholte daraufhin seinen Ablehnungsantrag mit der Begründung, das Oberlandesgericht sei über seine Beweisanträge zur Darlegung der behaupteten Befangenheit hinweggegangen und habe seinen Antrag somit nicht sachlich erledigt (S 256/X). Nachdem der Vorsitzende noch einmal erklärt hatte, sich in keiner Weise jemals präjudizierend zum Ausgang des Strafverfahrens geäußert zu haben, wurde dem Ablehnungsantrag des Verteidigers nach geheimer Beratung unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes mit der Begründung nicht stattgegeben, daß keinerlei Anzeichen für eine Befangenheit des Schöffensenates vorlägen. Trotz Hinweis auf allfällige disziplinäre Folgen - eine Disziplinaranzeige wurde später tatsächlich erstattet (ON 204/X) - verließ nun der Verteidiger den Verhandlungssaal, worauf das Gericht - da der Angeklagte P*** erklärte, keinen anderen Verteidiger bestellen zu können, weil er Dr. S*** bereits bezahlt habe und dieser Anwalt ihn weiter verteidigen werde - die Strafsache gegen Josef P*** ausschied (S 257, 258/X) und die Hauptverhandlung gegen den Mitangeklagten August P*** bis zur Urteilsfällung zu Ende führte (ON 211/X). Am 25.September 1984 wurde der Angeklagte P*** vom Vorsitzenden in Gegenwart des Konzipienten des Verteidigers Dr. S***, Dr. O***, über die notwendige Bestellung eines Verteidigers belehrt (ON 188/X).

Da der Angeklagte innerhalb der ihm gesetzten Frist einen (anderen) Wahlverteidiger nicht namhaft machte (vgl. §§ 236 Abs. 2, 236 a StPO), wurde ihm gemäß dem § 41 Abs. 3 StPO von Amts wegen ein Verteidiger bestellt (ON 203, 219/X). Die dagegen vom Angeklagten selbst erhobene Beschwerde (ON 220/X) wurde vom Oberlandesgericht Linz als unzulässig zurückgewiesen (ON 227/X). Diese Verteidigerbestellung wurde später während des gesamten Verfahrens aufrecht erhalten, weil nach Ansicht des Schöffensenates die Gefahr bestand, daß Verteidiger Dr. S*** sich neuerlich entferne und dadurch die Fortführung der Hauptverhandlung unmöglich mache (S 474/X). Daneben wurde der Verteidiger Dr. S*** aber auch verpflichtet, gemäß dem § 274 StPO die der Privatbeteiligten C***-VersicherungsAG durch die Vertretung in der Hauptverhandlung vom 24.September 1984 verursachten Kosten zu ersetzen (ON 190, 191, 208, 222, 244/X und ON 291/XI). Dies veranlaßte den Verteidiger, an die Finanzprokuratur ein Aufforderungsschreiben nach dem Amtshaftungsgesetz zu richten, in dem er (teilweise aktenwidrig) behauptete, der Schöffensenat habe rechtswidrig über einen Ablehnungsantrag selbst entschieden, obwohl das Oberlandesgericht Linz zuständig gewesen wäre, sodaß die Republik Österreich für die durch diese rechtswidrige und schuldhafte Vorgangsweise der Richter entstandenen Kosten hafte, die Richter aber regreßpflichtig seien und damit als Zeugen (im Amtshaftungsverfahren) zu vernehmen wären, weshalb sie am Sachausgang (gemeint offenbar im Strafverfahren) Interesse haben. Die Richter seien daher von der Durchführung der Hauptverhandlung gemäß dem § 68 Abs. 1 Z 1 und 3 StPO ausgeschlossen (ON 231, 234/X). Gleichzeitig lehnte der Angeklagte unter Hinweis auf die vorangegangenen Anträge neuerlich alle Richter des Kreisgerichtes Steyr, nunmehr auch jene des Oberlandesgerichtes Linz ab und brachte als neue Begründung vor, ein (namentlich nicht bekannter) Richter des Kreisgerichtes habe sich zu dem bei ihm im Rahmen einer Außenarbeit beschäftigten Häftling Johann S*** in die Richtung geäußert, P*** werde "drei bis vier Jahre bekommen" (ON 233/X). Während der Vorsitzende und der Beisitzer sowie die weiteren Richter des Kreisgerichtes sich dahin äußerten, derartige Gespräche nicht geführt zu haben, gab ein (nur in Zivilsachen eingesetzter) Richter des Kreisgerichtes bekannt, daß der Häftling S*** im Sommer 1984 tatsächlich bei ihm gearbeitet habe und er vollkommen privat ohne jede Kenntnis des Akteninhaltes eine derartige Äußerung gemacht haben könnte (ON 240 a/X). Inzwischen war aber die Hauptverhandlung (in der Zeit vom 12. bis 15. November 1984) durchgeführt worden, in der die Verteidigung das Ablehnungsbegehren weiterverfolgt hatte: Der Verteidiger wiederholte nämlich die (vor der Hauptverhandlung wohl schriftlich gestellten, aber noch nicht erledigten) Ablehnungsanträge und erweiterte nach Abweisung durch Senatsbeschluß (S 475/X) unter Vorlage einer eidesstättigen Erklärung des bei ihm beschäftigten Rechtsanwaltsanwärters Dr. O*** sein Vorbringen in der Richtung, Rechtsanwalt Dr. R*** habe am 7.November 1984 zugegeben, sich über sein Gespräch mit dem Staatsanwalt dem Kreisgericht gegenüber zurückhaltend geäußert zu haben (siehe ON 187/X), weil er Repressionen fürchten müsse. Überdies habe der Vorsitzende bei einem vom Kanzleiangestellten des Verteidigers H*** zufällig am 21. September 1984 mitangehörten Telefongespräch seinem (ihm offensichtlich gut bekannten) Gesprächspartner erklärt, P*** werde eine strenge Strafe bekommen. Auch dieser neuerliche Antrag wurde vom Schöffensenat mit dem Hinweis abgelehnt, daß Rechtsanwalt Dr. R*** nur mit dem Staatsanwalt und nicht mit den Richtern gesprochen habe. Es sei möglich, daß sich der Vorsitzende in einem Telefongespräch mit einem Kollegen über den vorstehenden Prozeß gegen P*** geäußert habe; er habe sich aber keinesfalls auf ein Urteil festgelegt, sodaß hieraus eine Befangenheit nicht abgeleitet werden könne (S 477, 478/X). Hierauf lehnte der Verteidiger Dr. S*** neuerlich den Vorsitzenden und den Beisitzer nunmehr mit der Begründung ab, sie hätten sich während seines Vortrages durch Bemerkungen und Gesten ihm gegenüber des Vergehens nach dem § 115 StGB schuldig gemacht, welchen Antrag der Senat ebenfalls ablehnte, weil sich die Bemerkungen auf den Zeugen H*** bezogen haben (S 478, 479/X).

Bei der fortgesetzten Hauptverhandlung am 13.November 1984 gab der Verteidiger bekannt, daß er gegen den beisitzenden Richter eine Privatanklage wegen des Vergehens nach dem § 115 StGB eingebracht und den Vorsitzenden als Zeugen namhaft gemacht habe, weshalb nunmehr diese Richter gemäß dem § 68 StPO ausgeschlossen seien. Auch dieser neuerliche Ablehnungsantrag wurde vom Schöffensenat unter Hinweis auf die vorhergegangenen Entscheidungen und die Rechtslage abgewiesen (S 481-483/X).

Mit einem am 30.November 1984 beim Kreisgericht Steyr eingelangten Antrag wiederholte der Angeklagte seine Ablehnung unter Anbietung eines Sachverständigenbeweises mit der Begründung, daß die Befangenheit der Richter des Kreisgerichtes Steyr psychiatrisch nachweisbar sei (ON 251/XI). Inzwischen hatte der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 27.November 1984, AZ 12 Ns 24/84, entschieden, daß eine Befangenheit der Richter des Oberlandesgerichtes Linz nicht vorliege (ON 256/XI), worauf das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 30.November 1984, AZ 11 Ns 800/84, entschied, daß auch die Richter des Kreisgerichtes Steyr nicht als befangen anzusehen seien (ON 255/XI). Demselben Schicksal verfiel der genannte, am 30.November 1984 eingelangte Ablehnungsantrag (ON 261/XI).

Schließlich lehnte der Wahlverteidiger zu Beginn der (fortgesetzten) Hauptverhandlung am 3.Dezember 1984 den Schöffen Ernst R*** mit der Begründung ab, dieser Schöffe sei Angestellter der S***-WERKE, die in Konkurrenz mit dem Unternehmen des Angeklagten stünden und daher ein Interesse an seiner "Ausschließung" hätten. Im Hinblick auf die Äußerung des Schöffen, mit dem Traktoren- und Fahrzeughandel nichts zu tun zu haben und sich auch sonst nicht befangen zu fühlen, lehnte der Vorsitzende auch diesen Antrag ab (S 268, 269/XI). Derartige Ablehnungsanträge wurden von der Verteidigung auch nach der Hauptverhandlung eingebracht; in der Rechtsmittelschrift wird die Befangenheit daraus abgeleitet, daß die Urteilsausfertigung mehrere Monate dauerte.

Rechtliche Beurteilung

Zu der wiederholt behaupteten Befangenheit der Berufsrichter bleibt grundsätzlich vorweg festzuhalten, daß die Geltendmachung solcher Gründe außerhalb der Hauptverhandlung durch die Bestimmungen der §§ 72 bis 74 StPO abschließend geregelt ist. Danach ist eine originäre Geltendmachung von Befangenheitsgründen erst in der Rechtsmittelschrift dem Gesetz fremd (10 Os 85/85). Die Ausschließungsgründe sind in den §§ 67 und 68 StPO taxativ aufgezählt und einer extensiven Interpretation nicht zugänglich (KH 933, LSK 1975/237). Wenn der Beschwerdeführer den Ausschließungsgrund nach dem § 68 Abs. 1 Z 1 StPO in der Hauptverhandlung mit der Begründung relevierte, daß er die Richter als Zeugen für prozessual wesentliche Vorgänge vor und während der Hauptverhandlung und in den von der Verteidigung erst aus Anlaß dieses Strafverfahrens angestrengten Privatanklage- und Amtshaftungsverfahren namhaft mache und vernommen wissen wolle, ist ihm entgegenzuhalten, daß dieser Ausschließungsgrund nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur gegeben wäre, wenn die Richter außerhalb ihrer Dienstverrichtung (also nicht wegen Wahrnehmungen im Rahmen ihrer richterlichen Befugnisse) Zeuge der in Frage stehenden Handlung, d.h. der hier unter Anklage gestellten Delikte, waren oder in dieser Sache, d.h. in dieser Strafsache, nicht aber in anderen Verfahren, als Zeugen vernommen wurden oder vernommen werden sollen (siehe hiezu schon Mayer, Commentar zur österr. StPO, S 282, 283 zu § 68). Wäre es den Parteien vollkommen anheimgestellt, einen zur Entscheidung berufenen Richter allein durch Antrag, ihn über einen prozessualen (oder anderen mittelbar oder unmittelbar mit der Durchführung eines Strafverfahrens zusammenhängenden) Umstand als Zeugen zu vernehmen, von der Entscheidung auszuschließen, würde das - entgegen den Intentionen des Gesetzgebers (vgl. hiezu z.B. §§ 193, 199 Abs. 2 letzter Halbsatz, 248 Abs. 1 StPO) - die zeitgerechte Durchführung der Hauptverhandlung überhaupt weitgehend verhindern. Es wird daher im allgemeinen genügen, wenn die betroffenen Richter - wie hier geschehen - ihr im Rahmen des Dienstes erworbenes Wissen oder ihre dienstlichen Wahrnehmungen (unter der Sanktion der Strafnormen der §§ 302, 311 StGB) aktenkundig und so den mitentscheidenden Senatsmitgliedern und den Rechtsmittelrichtern zur Beurteilung zugänglich machen. Aber auch der unter Heranziehung des Ausschließungstatbestandes nach dem § 68 Abs. 1 Z 3 StPO aufgestellten Behauptung, die Richter hätten an der Verurteilung des Angeklagten deshalb Interesse, weil wegen einer als rechtswidrig hingestellten Zwischenerledigung und wegen der finanziellen Folgen dieser Amtshandlung für den Verteidiger (§ 274 StPO) und den Angeklagten (§§ 41 Abs. 3, 394 StPO) ein Amtshaftungsverfahren eingeleitet wurde, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Erledigung der Amtshaftungsklage unabhängig davon ist, ob der Angeklagte P*** letztlich schuldig oder freigesprochen wird: Nach dem § 68 Abs. 1 Z 3 StPO ist von der Wirksamkeit als Richter nur ausgeschlossen, wer aus dem Freispruch oder aus der Verurteilung des Beschuldigten (Angeklagten) einen Nutzen oder Schaden zu erwarten hat. Schließlich ist aber auch in dem Umstand, daß ein Schöffe Dienstnehmer der S***-WERKE sei, die in Teilbereichen in Konkurrenz mit dem Unternehmen des Angeklagten stehen, der behauptete Ausschließungsgrund nicht zu erblicken, weil auch dieser Schöffe von allfälligen wirtschaftlichen Folgen des Schuldspruches des Angeklagten niemals unmittelbar berührt sein wird (so auch 13 Os 62/75, 12 Os 119/75). Der vom Vorsitzenden gemäß dem § 74 a StPO gefaßte Beschluß entsprach somit der Sach- und Rechtslage, zumal darüber hinausgehende, eine Befangenheit indizierende Umstände nicht behauptet wurden.

Im übrigen kann mit den wiederholt vorgetragenen Behauptungen, die erkennenden Richter seien befangen, mangels Zitierung der Bestimmung des § 72 StPO im § 281 Abs. 1 Z 1 StPO ein Nichtigkeitsgrund nicht aufgezeigt werden. Im Hinblick auf die in den Ablehnungsanträgen jeweils enthaltenen Begehren, die Hauptverhandlung zu vertagen, kann bei ablehnender Entscheidung des Senates (§ 238 StPO) allenfalls nur der Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gegeben sein (Mayerhofer-Rieder 2 , E 11 bis 13 zu § 281 Z 4 StPO), doch darf sich das Vorbringen nicht allein auf die Wiederholung solcher Anträge beschränken, die bereits außerhalb der Hauptverhandlung gestellt und gesetzmäßig erledigt wurden (SSt. 52/29). Bei dieser Rechtslage bedarf es im Hinblick auf die schon getroffene Erledigung der (außerhalb der Hauptverhandlung gestellten) Ablehnungsanträge durch das Oberlandesgericht Linz bzw. den Obersten Gerichtshof lediglich der Prüfung, ob eine allfällige Äußerung des Vorsitzenden über ein mögliches über den Angeklagten P*** im Fall eines Schuldspruches zu verhängendes Strafausmaß Befangenheit begründen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es jedoch nicht darauf an, ob sich ein Richter nach dem Aktenstudium eine vorläufige Meinung gebildet hat, sondern lediglich darauf, ob er jederzeit bereit ist, dieser Meinung widerstreitende Beweisergebnisse unvoreingenommen zu würdigen und ihnen erforderlichenfalls Rechnung zu tragen (Mayerhofer-Rieder 2 E 10 bis 12 zu § 72 StPO). Daß dem erkennenden Schöffensenat diese Bereitschaft gefehlt hätte, läßt sich nicht feststellen; durch das in einem nicht unerheblichen Ausmaß freisprechende Urteil wird eher das Gegenteil dokumentiert.

Es ist daher unter Beachtung der Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 und 3 lit. d MRK kein Verfahrensverstoß erkennbar, der den Angeklagten in seinen Verteidigungsrechten beschränkt und in seinen Grundrechten verletzt hätte. Es stand ihm vielmehr auf der Basis der - verfassungskonform zu interpretierenden - Prozeßordnung offen, sowohl außerhalb als auch während der Hauptverhandlung alle seine Einwände gegen die Unbefangenheit der zur Entscheidung berufenen Richter vorzubringen und einer Überprüfung (auch im Rechtsmittelverfahren) zuzuführen.

Aber auch die weiteren behaupteten Verfahrensmängel (Z 4) liegen nicht vor:

Der Verteidiger stellte an den in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Beamten der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich, Bezirksinspektor Bruno E***, dem unkorrekte Vernehmungsmethoden während der sicherheitsbehördlichen Vorerhebungen vorgeworfen wurden (und der freizügig über seinen dienstlichen Werdegang Auskunft gegeben hatte), die Frage, ob er eine sehr gute Dienstbeschreibung habe. Diese Frage wurde vom Vorsitzenden nicht zugelassen (S 572/X), wodurch sich der Angeklagte beschwert erachtet, weil die Beschreibung für die Beweiswürdigung von Bedeutung hätte sein können.

Abgesehen davon, daß diese Frage keinerlei konkreten Bezug zu den zur Aufklärung der inkriminierten Straftaten führenden Vernehmungen hatte, wurde inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls eine Entscheidung des Schöffensenates (§ 238 StPO) nicht eingeholt, sodaß es schon an den unabdingbaren formalen Voraussetzungen für die erfolgreiche Geltendmachung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes mangelt.

Der Angeklagte P*** bezog sich während seiner Befragung über ein Gespräch im Jahr 1978, aus dem er erkennen konnte, daß sein Geschäftspartner Fritz L*** die Fahrzeuge zollunredlich nach Österreich einführte, auf dessen zeugenschaftliche Vernehmung (S 508/X). Demgemäß beantragte der Verteidiger "die Beauftragung der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich zur Fahrt nach München zur Einvernahme des dort einsitzenden Fritz L***, der befragt werden solle, ob im Jahre 1978 das vom Zeugen P*** behauptete, jedoch vom Angeklagten P*** bestrittene Gespräch zwischen den drei Personen stattgefunden hat und gleichzeitig der Versuch des Vorhalts L*** gegenüber (gemacht werden solle), ob die Angaben des Angeklagten P*** vor dem Schöffensenat richtig sind" (S 649/X).

Diesen Beweisantrag lehnte der Schöffensenat mit der Begründung ab, daß Fritz L*** bisher zu einer Aussage nicht bereit gewesen sei. Tatsächlich ergibt sich aus dem Akt (insbesondere ON 225/X), daß L***, gegen den in der BRD ebenfalls ein Strafverfahren läuft, sachdienliche Aussagen nicht machen will und daher gemäß den §§ 153, 203 StPO auch nicht dazu verhalten werden kann. Demzufolge fiel dieser Antrag, dem auch gar kein konkreter Hinweis zu entnehmen ist, daß L*** seine Meinung geändert haben könnte, zu Recht der Ablehnung anheim (Mayerhofer-Rieder 2 E 109 zu § 281 Z 4 StPO). Soweit nunmehr (erst in der Beschwerdeschrift) die Vernehmung dieses Zeugen vor dem erkennenden Gericht gefordert wird, fehlt es diesbezüglich an einer Antragstellung in der Hauptverhandlung, abgesehen davon, daß Fritz L*** die nach den Rechtshilfeverträgen mit der BRD notwendige Zustimmung zu einer Überstellung nach Österreich verweigerte (ON 238/X). Ebenso verhält es sich mit der Rüge, der Vater des beim Unfall am 1.Mai 1983 schwer verletzten Rudolf F*** (Faktum F) sei trotz Verlangens nicht vernommen worden, weil auch hier eine formelle Antragstellung, die ein Beweisthema enthielte, dem Protokoll nicht zu entnehmen ist. Aber selbst wenn man in der Verantwortung des Angeklagten, er berufe sich zum Unfallsgeschehen auf ein Telefongesprüch mit dem Vater seines Unfallsgegners über das vom Sohn geschilderte Fahrverhalten (S 484, 490/X), eine derartige Antragstellung erblicken wollte, läge ein mit Nichtigkeit bedrohter Verfahrensmangel durch Unterlassung der Vernehmung dieses Zeugen nicht vor, weil er zum Beweis eines allfälligen Mitverschuldens des Motorradfahrers, somit zu einem nur im Rahmen der Strafbemessung bedeutsamen Umstand, nicht aber zu dem anerkannten (vgl. S 305/XI) eigenen Verschulden des Angeklagten an diesem Verkehrsunfall aussagen sollte (Mayerhofer-Rieder 2 E 24 zu § 281 Z 5 StPO). Die Beschwerde ist aber auch nicht begründet, wenn sie die Verletzung von Vorschriften behauptet, deren Beobachtung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt (Z 3):

Wenn der Beschwerdeführer meint, der Bestimmung des § 260 Abs. 1 Z 1 StPO sei insoweit nicht entsprochen, als im Urteilsspruch zu Faktum A zur Bezeichnung der strafsatzerhöhenden Qualifikation (§ 164 Abs. 3 StGB) nur das Wort "gewerbsmäßig" stehe und bei den Faktengruppen B und C die jeweiligen Urkunden nicht näher individualisiert und nur durch Hinweis auf entsprechende Aktenteile bezeichnet seien, kann ihm auch in diesem Punkt nicht gefolgt werden. Im Hinblick auf die Legaldefinition des Begriffes der Gewerbsmäßigkeit im § 70 StGB genügt die Anführung dieses Wortes im Urteilsspruch, wenn in den Gründen die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden. Die besonderen Tatumstände (hier:

die gefälschten und verfälschten Urkunden, die den Behörden vorgelegt wurden) sind in den Urteilsspruch nur soweit aufzunehmen, als es zur unverwechselbaren Kennzeichnung und Individualisierung der Tat erforderlich ist. Diesem Erfordernis ist Genüge getan, wenn die Urkunden - wie hier mit vier Ausnahmen, auf die im Gerichtstag noch einzugehen sein wird - im Spruch ihrer Art nach bezeichnet wurden (Zollausweiskarte, Einzelgenehmigungsbescheid, Typenschein, Kraftfahrzeugbrief, Kaufvertrag usw.) und zufolge Hinweises auf bestimmte Aktenteile (Anzeige) im Zusammenhang mit der Urteilsbegründung den einzelnen inkriminierten Deliktsfällen eindeutig zuordenbar sind.

Aber auch der unter Ankündigung der Anrufung der Europäischen Menschenrechtskommission erhobene Vorwurf, das Gericht habe zu Unrecht die Öffentlichkeit ausgeschlossen, geht an der angesprochenen Verfahrenssituation vorbei: In der Hauptverhandlung am 13.November 1984 wurde der Angeklagte P*** nämlich unter anderem dazu vernommen, ob er von der Verhaftung seines Geschäftspartners Fritz L*** am 31.März 1982 und dessen wochenlanger Untersuchungshaft im Kreisgericht Steyr erfahren hatte (US 28 = S 48/XII). Nach Verhandlungsunterbrechung wurde festgestellt, daß sich im Zuschauerraum die Mutter des Fritz L*** befand und Notizen über die Aussagen machte. Da diese Frau laut Hauptverhandlungsprotokoll als Zeugin in Frage kam, forderte der Vorsitzende sie auf, "im Interesse der Rechtspflege" den Verhandlungssaal zu verlassen (S 513/X). Er handelte hiemit in Ausübung seiner Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß ein noch nicht vernommener Zeuge bei der Beweisaufnahme nicht zugegen ist (§ 248 Abs. 1 letzter Satz StPO). Derartige, die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung als solche in keiner Weise beschränkende Einzelmaßnahmen der Prozeßleitung stellen den angezogenen Nichtigkeitsgrund nicht her (RZ 1977/138). Es wäre überdies nicht zu ersehen, inwiefern diese Maßnahme dem Angeklagten zum Nachteil im Sinn des § 281 Abs. 3 StPO gereicht haben sollte (EvBl. 1954/436, 11 Os 183/78).

Die Beschwerde erweist sich daher, soweit sie sich ausdrücklich auf die formellen Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 StPO bezieht, als offenbar unbegründet im Sinn des § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, zum Teil auch nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO), und war demgemäß in diesem Umfang schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Im übrigen wird über die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a, 10 und 11 StPO beruft, und die vom Angeklagten erhobene Berufung bei einem gesondert anzuberaumenden Gerichtstag zu entscheiden sein (§§ 286, 296 Abs. 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E08081

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00184.85.0317.000

Dokumentnummer

JJT_19860317_OGH0002_0110OS00184_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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