TE OGH 1986/6/12 13Os80/86

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Veröffentlicht am 12.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Susanne S*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 11. März 1985, AZ. 27 Bs 59/85, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 9. November 1984, 11 b E Vr 318/84, wurde die am 28.Mai 1961 geborene Susanne S*** (geschiedene W***) des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB schuldig erkannt. Sie hat zwischen dem 2. Februar 1984 und dem 8.Februar 1984 in Baden und Wien in wiederholten Angriffen in Gesellschaft des außer Verfolgung gestellten Johann W*** 30.000 S Bargeld der Elke H*** gestohlen, indem sie Bankomaten mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, nämlich der Bankomatkarte der Elke H***, öffnete. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen kannte Johann W***, der geschiedene Ehegatte der Angeklagten und damalige Lebensgefährte der mit der Angeklagten befreundeten Elke H***, den Code und hatte die Bankomatkarte schon selbst eigenmächtig zu Abhebungen verwendet. Er hinterlegte die widerrechtlich erlangte Bankomatkarte der H*** in der Wohnung der Angeklagten, teilte ihr den Code mit, schilderte ihr die unrechtmäßige Erlangung der Karte und ersuchte sie, pro Tag 5.000 S nicht übersteigende Beträge bei Bankomaten abzuheben. Dieser Bitte kam die Angeklagte in der Folge durch Abhebungen teils in Wien und teils in Baden bis zu einem Gesamtbetrag von 30.000 S nach. Die Annahme der Qualifikation des § 129 Z 2 StGB gründete das Erstgericht darauf, daß die Angeklagte von der widerrechtlichen Erlangung der Bankomatkarte Kenntnis gehabt habe und eine solche Karte einen "Schlüssel" im Sinn des § 129 StGB darstelle.

Die Angeklagte erhob gegen dieses Urteil Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe. Das Oberlandesgericht Wien gab mit Urteil vom 11.März 1985, 27 Bs 59/85, der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld nicht Folge. Aus Anlaß der Berufung wurden jedoch in amtswegiger Wahrnehmung der Nichtigkeit des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO (§§ 477 Abs. 1, 489 Abs. 1 StPO) die Beurteilungen der Tat gemäß §§ 127 Abs. 2 Z 1 und 129 Z 2 StGB aus dem angefochtenen Urteil ausgeschieden sowie demzufolge die Strafe neu bemessen. Gegen diese Entscheidung des Oberlandesgerichts hat der Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO Beschwerde mit nachstehender Begründung erhoben:

"Was die Frage anlangt, ob eine Geldbeschaffung unter mißbräuchlicher Verwendung einer fremden Bankomatkarte durch einen Unbefugten, der auch die persönliche Code-Nummer in Erfahrung gebracht hat, überhaupt als Diebstahl zu werten ist, muß der sinngemäß schon von S*** (Fälle und Lösungen zum Strafrecht [1982] 86) vertretenen und von Kienapfel in JBl 1986/Heft Nr 7/8, S 263 (Glosse zur dort auf S 261 f veröffentlichten oberstgerichtlichen Entscheidung 11 Os 114/85; siehe auch die dortigen weiteren Hinweise auf vornehmlich deutsche, aber auch österreichische Literatur) zitierten Meinung beigepflichtet werden, daß bei einer interessensgemäßen Auslegung des Vertrages zwischen Bank und Kontoinhaber davon auszugehen ist, daß die kontoführende Bank Gewahrsam und Eigentum an dem ausbezahlten Geld nicht jedem Beliebigen, sondern nur dem Kontoinhaber oder einer von diesem ermächtigten Person übertragen will und Gewahrsamsübertragung und Übereignungserklärung damit unter der Bedingung stehen, daß derjenige, der die Bankomatkarte verwendet und den persönlichen Code eintippt, in diesem Sinne Berechtigter ist. Da diese Bedingung in Fällen der hier in Rede stehenden Art nicht erfüllt ist, handelt es sich um die Beschaffung von fremdem Geld durch den Täter unter Bruch des Gewahrsams mit dem im § 127 StGB umschriebenen Vorsatz, und sohin um Diebstahl. Der Oberste Gerichtshof hat der Entscheidung 11 Os 114/85 (=LSK 1986/1) ersichtlich - da er die Wertung der Tat als Diebstahl nicht in Frage stellt - ebenfalls implicite diese Auffassung zugrundegelegt.

Rechtliche Beurteilung

Bei Prüfung der Frage, ob nun die rechtswidrige Entnahme von Banknoten aus einem sogenannten "Bankomaten" zu Lasten einer anderen Person durch einen Täter, welcher die hiefür erforderliche "Bankomat-Scheck-Karte", in der Folge zur Vereinfachung "Bankomatkarte" genannt, widerrechtlich erlangt hat (und den Code kennt), das Tatbild eines nach § 129 (Z 1, 2 oder 3) StGB qualifizierten Diebstahls verwirklicht, ist in rechtlicher Hinsicht zu klären,

1. ob ein "Bakomat" (Geldausgabe-Automat), allenfalls auch ein Bestandteil hievon, eine Umschließung oder eine Sperrvorrichtung im Sinne des § 129 Z 1 oder 2 bzw Z 3 StGB darstellt, und bejahendenfalls

2. ob eine Bankomatkarte ein zur Begehung eines nach § 129 Z 1 bis 3 StGB qualifizierten Diebstahls taugliches Mittel ist. Zum ersten Fragenkomplex scheidet - ohne daß dies einer näheren Begründung bedürfte - die Annahme der Qualifikation nach § 129 Z 1 StGB von vornherein aus, da es evident ist, daß ein - nicht begehbarer (vgl Kienapfel, BT II, RN 64 zu § 129 StGB) - Bankomat weder als Gebäude, noch als Transportmittel, Wohnstätte, in einem Gebäude oder Transportmittel befindlicher "Raum" oder Lagerplatz angesehen werden kann.

Hingegen ist ein Bankomat als "Behältnis" im Sinne des § 129 2 StGB anzusehen, weil es sich dabei um einen verschlossenen (üblicherweise gepanzerten), in ein Mauerwerk oder eine andere feste Umrandung eingelassenen Kasten handelt, der neben elektronischen und mechanischen Apparaten auch Geldkassetten enthält, in denen Geldscheine in bestimmter Anzahl und Stückelung gestapelt sind (vgl 11 Os 114/85) und er solcherart ein zum (bereithaltenden) Aufbewahren von Sachen dienendes und diese umschließendes Behältnis darstellt, das nicht dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu

werden (10 Os 28/79 = ÖJZ-LSK 1979/213 zu § 129 Z 2 StGB

= EvBl 1979/236; Leukauf-Steininger 2 , RN 23, 24 und Kienapfel

BT II RZ 64, 65 jeweils zu § 129 StGB). Durch das Einführen der Bankomatkarte in den Bankomaten und das Eintippen des Codes wird der Bankomat nicht im Rechtssinn des § 129 Z 2 StGB "geöffnet", weil herrschende Lehre und Rechtsprechung unter "Öffnung" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Zugänglichmachen des Inneren des Behältnisses verstehen, wodurch ein unmittelbarer (körperlicher) Zugriff auf dessen Inhalt möglich wird (vgl neuerlich 11 Os 114/85;

9 Os 107/77 = ÖJZ-LSK 1977/294 zu § 129 Z 2 StGB;

Leukauf-Steininger, Komm zum StGB 2 , RN 26 zu § 129 StGB), was aber bei der beschriebenen Anwendung der Bankomatkarte - welche nur zur Herausgabe einer bestimmten (begrenzten) Zahl und Art von Banknoten und damit zur Ermöglichung des Zugriffes des Täters allein hierauf führt - nicht zutrifft. Die Wegnahme von Geld aus einem Bankomaten durch mißbräuchliche Verwendung einer widerrechtlich erlangten Bankomatkarte kann daher den darin zu erblickenden Diebstahl nicht nach § 129 Z 2 StGB qualifzieren.

Hingegen vermag die Generalprokuratur der sowohl in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29.Oktober 1985, 11 Os 114/85, als auch schon vorher in anderen oberstgerichtlichen Entscheidungen (zum Teil im Zusammenhang mit der Frage der rechtswidrigen Überwindung der Sperrvorrichtung von

Warenautomaten - vgl 12 Os 176/75 = ÖJZ-LSK 1976/146 zu § 129 Z 2

und 3 StGB = EvBl 1976/275; 9 Os 192/76, 10 Os 64/80 ua; vgl auch

Kienapfel BT II Rz 77, 78 zu § 129 StGB vertretenen Rechtsansicht, wonach in allen Fällen der Sachwegnahme aus einem Behältnis das Qualifikationsproblem nur unter dem Gesichtspunkt der hiefür ausschließlichen Regelung des § 129 Z 2 StGB geprüft werden dürfe und sohin die Qualifikation des § 129 Z 3 StGB für die Überwindung jeglicher an einem Behältnis angebrachter Sperre unanwendbar sei, nicht beizutreten: Auch im Falle des § 129 Z 2 StGB wird eine Sperrvorrichtung aufgebrochen oder mit einem der im § 129 Z 1 StGB genannten Mittel geöffnet, nämlich eine solche Sperrvorrichtung, welche prinzipiell dazu bestimmt ist, ein Behältnis (als Ganzes) zu verschließen und prinzipiell der Eröffnung "des (ganzen) Behältnisses" entgegenzuwirken, wobei es im Einzelfall dann ohne Belang ist, ob der Täter tatsächlich Zutritt zum gesamten Inhalt des Behältnisses gewinnt. Wer einen Tresor mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel öffnet und sich so Zutritt zum gesamten Inhalt verschafft, begeht in gleicher Weise einen nach § 129 Z 2 StGB qualifizierten Diebstahl wie jemand, der etwa einen Tresor nur insoweit aufzuschließen oder ein versperrtes Kofferschloß mit einem Brecheisen nur insoweit aufzuzwängen vermag, daß er bloß einen Teil des Inhaltes des Behältnisses herausziehen kann.

Das Wort "sonst" (weiter: "eine Sperrvorrichtung") im § 129 Z 3 StGB besagt nach seinem Wortsinn nichts anderes, als daß auch solche Diebstähle mit dem höheren Strafsatz des § 129 StGB bedroht sein sollen, bei denen eine Sperrvorrichtung anderer Art aufgebrochen oder mit einem der im § 129 Z 1 StGB genannten Mittel geöffnet wird, als eine solche, welche - wie oben dargelegt - ihrer Art nach dazu bestimmt ist, ein Behältnis (als Ganzes) zu verschließen und die Eröffnung "des Behältnisses" zu hindern. Es sagt hingegen nichts darüber aus, ob es sich bei der im § 129 Z 3 StGB genannten "Sperrvorrichtung" um eine Sperrvorrichtung handeln muß, welche in überhaupt keiner Beziehung zu einem Behältnis steht (so Schloßketten, Vorhangschlösser, Lenkradschlösser bei Autos, etc), oder ob nicht auch eine Sperrvorrichtung darunter fällt, welche mit einem Behältnis in Verbindung steht, ohne aber "den Verschluß" des (ganzen) Behältnisses darzustellen und den Zweck zu haben, den Zugang zum Inhalt des Behältnisses schlechthin (also seine "Öffnung") zu verhindern, sondern die Entnahme eines ganz bestimmten und genau abgegrenzten Teiles des Inhaltes durch einen Unbefugten hintanzuhalten hat. Dem steht auch nicht entgegen, daß in der seinerzeitigen Regierungsvorlage zum StGB (30 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR. XIII. GP, S 275 ff) zum "Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen" - damals als § 135 vorgesehen - die Aufnahme der qualifizierenden Bestimmung der Z 3 dieser Gesetzesstelle in das StGB (entsprechend dem nunmehrigen § 129 Z 3 StGB) damit erläutert wird, daß nicht nur das Aufbrechen eines Behältnisses eines höheren Strafschutzes bedürfe, sondern "wegen der erhöhten Energie des Täters und der Gefährlichkeit der Angriffshandlung auch das Aufbrechen oder Öffnen einer Sperrvorrichtung an einem anderen Objekt als einem Behältnis mit in Z 1 verzeichneten Mitteln". Denn auch diese nur scheinbar eine Reduzierung der von der Z 3 des § 129 StGB umfaßten Sperrvorrichtungen auf solche ohne Zusammenhang mit einem Behältnis zum Ausdruck bringende Formulierung läßt ausgehend davon, daß es sich hier um eine nur die Haupttendenz der Überlegungen wiedergebende und sich nicht mit Sonderfällen befassende Kommentierung handelt, bloß erkennen, daß es den Schöpfern des StGB darum zu tun war, über das Aufbrechen oder Öffnen eines "Behältnisses" hinaus auch Sperrvorrichtungen, deren Überwindung zu keinem Öffnen eines ganzen Behältnisses führt, aus gleichartigen kriminalpolitischen Gründen ebensolchen verstärkten strafrechtlichen Schutz angedeihen zu lassen, wie den Sperren von Behältnissen. Es kann nicht angenommen werden, daß - hätte der damalige Gesetzgeber "Bankomaten" in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen - etwa zwar das Abfeilen eines Vorhangschlosses, welches eine meist wenige Schilling-Stücke enthaltende Geldkassette an einem Zeitungsstand sichert, nach den erwähnten Intentionen wegen der "Gefährlichkeit der Angriffshandlung" strenger hätte bestraft werden sollen, nicht aber der Diebstahl von (pro täglichem Angriff) bis zu 5.000 S Bargeld durch Manipulationen an der Sperrvorrichtung eines Bankomaten durch Einschieben einer dieser aufsperrenden widerrechtlich erlangten Bankomatkarte, welche Tat - falls der Gesamtbetrag der Beute 5.000 S nicht übersteigt - überhaupt jeder weiteren Qualifikation entbehren würde und regelmäßig nur als Vergehen des (einfachen) Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB strafbar wäre.

Finden sich daher bei einem Behältnis Sperrvorrichtungen beider Arten - nämlich eine solche, welche "das Öffnen" des Behältnisses und sohin den Zugriff auf den Inhalt des Behältnisses schlechthin verhindern soll, und eine solche, deren Überwindung bei zweckbestimmter Verwendung des Behältnisses einem Berechtigten bloß den Zugriff auf einen abgegrenzten Teil des Inhaltes ermöglichen soll - so bestehen nach Ansicht der Generalprokuratur keine rechtlichen Bedenken dagegen, eine Sachwegnahme unter rechtswidriger Überwindung der einen oder der anderen Sperrvorrichtung je nach deren Art nach § 129 Z 2 StGB oder aber nach § 129 Z 3 StGB zu qualifizieren. Ein typisches Beispiel hiefür war schon bisher der Warenautomat, und mit dem Bankomaten ist ein weiterer Automat dieser Art hinzugetreten. Wer etwa von der Innenseite der Bankräumlichkeiten her den Bankomaten mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel dort öffnet, wo diese Öffnung (etwa zum Nachfüllen von Banknoten oder zwecks Durchführung von Reparaturen) Zugriff zum ganzen Inhalt des Bankomaten verschafft, oder wer dort den Bankomaten aufschweißt, wird nach § 129 Z 2 StGB haften; desgleichen wer einen Warenautomaten dort (meist seitlich oder an der Rückseite) mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel öffnet oder aufbricht, wo sich der Zugang zu allen Automatenfächern zugleich zwecks Neufüllung mit Waren befindet. Hingegen haftet eben derjenige nach § 129 Z 3 StGB, der von der Straßenseite der Bankomatanlage aus mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel bloß jene Sperrvorrichtung überwindet, welche von vornherein nicht dazu da ist, jemandem (auch nicht einem Berechtigten) Zugang zum ganzen Inneren des Bankomaten zu verschaffen (das "Behältnis zu öffnen"), sondern nur dazu, um einem Berechtigten die Entnahme einer bestimmten Anzahl und Art von Banknoten aus dem Inhalt des Behältnisses zu ermöglichen. Jene bisherige Judikatur und Literatur, welche einen nach § 129 Z 3 StGB qualifizierten Diebstahl bei Warenautomaten ausschließt und insoweit nur die rechtliche Möglichkeit einer nach § 129 Z 2 StGB qualifzierten Tat (bei widerrechtlichem Öffnen oder Aufbrechen des ganzen Behältnisses) anerkennt, ist nach Meinung der Generalprokuratur daher auch nicht etwa deshalb im Recht, weil das Vorhandensein einer - wie in Ansehung des Bankomaten dargelegt - zweifachen Sperrvorrichtung zu verneinen wäre, sondern im Ergebnis deshalb, weil die regelmäßig zur Überwindung der bloßen Warenausgabesperre verwendeten Mittel - nämlich minderwertige ausländische Münzen oder überhaupt nur Metallplättchen - keine der im § 129 Z 1 StGB (und folglich auch im § 129 Z 3 StGB) bezeichneten Gegenstände sind, da derartige Metallplättchen oder Münzen weder als "Schlüssel" angesehen werden können, noch als "Werkzeug". Dies im Gegensatz zur Bankomatkarte, welche - wie unten noch darzulegen sein wird - als "Schlüssel" im Rechtssinne des § 129 Z 1 StGB zu beurteilen ist. Die in der Judikatur gelegentlich (so insbesondere in 11 Os 114/85) zum Ausdruck gebrachten Bedenken, daß hiedurch das Bewirken einer automatischen Geldausgabe dem körperlichen Zugriff auf den Inhalt des Behältnisses "gleichgesetzt" und damit das strenge Gesetzlichkeitsprinzip des § 1 Abs. 1 StGB in unzulässiger Weise verletzt würde (vgl hiezu Leukauf-Steininger 2 , RN 10 zu § 1 StGB; SSt 48/37), können von der Generalprokuratur deshalb nicht geteilt werden, weil es in Wahrheit weder zu einer dem Angeklagten nachteiligen ausdehnenden Interpretation der Bestimmung des § 129 Z 2 StGB oder gar zur Bildung einer Analogie zur genannten gesetzlichen Bestimmung kommt, sondern (unter völliger Beiseitelassung des § 129 Z 2 StGB) die Bestimmung des § 129 Z 3 StGB unmittelbar zur Anwendung gelangt. Dem auch in der Entscheidung 11 Os 114/85 als allenfalls vorhanden anerkannten - und entgegen der von Kienapfel in JBl 1986/S 264 zum Ausdruck gebrachten Ansicht zweifellos bestehenden - kriminalpolitischen Bedürfnis, die Erschleichung einer Geldautomatenleistung durch mißbräuchliche Verwendung der Bankomatkarte mit einer höheren Strafsanktion zu belegen, kann daher durchaus bereits de lege lata Rechnung getragen werden, ohne daß erst eine in diese Richtung gehende legislative Maßnahme abgewartet werden müßte.

Bejaht man solcherart die Gleichsetzung des Sperrmechanismus der Bankomat-Automaten mit einer "Sperrvorrichtung" im Sinne des § 129 Z 3 StGB, so bedarf es der weiteren Prüfung, ob eine Bankomatkarte eines der im § 129 Z 1 StGB genannten "Mittel" - auf welche im § 129 Z 3 StGB verwiesen wird - ist, wobei sich die Frage a priori darauf redziert, ob eine Bankomatkarte ein "Schlüssel" ist (der im Deliktsfall vom Täter widerrechtlich erlangt sein muß), zumal die Alternative der Öffnung der Sperrvorrichtung mit einem "anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug" hier nicht in Betracht kommt, weil die Bankomatkarte dem Berechtigten zur ordnungsgemäßen Öffnung der Sperrvorrichtung dient.

Hiezu ist nun folgendes auszuführen:

Wie das Oberlandesgericht Wien in seiner hier in Rede stehenden Entscheidung vom 11.März 1985, 27 Bs 59/85, zutreffend ausgesprochen hat, ist unter einem Bankomaten funktionell eine computergesteuerte, mit einer Panzerplatte gegen fremden Zugriff gesicherte Apparatur zu verstehen, die auf das Einführen der mit einem Magnetstreifen versehenen Bankomatkarte im Falle des richtigen Eintippens des jedem zur Entnahme von Bargeld Berechtigten zugeteilten Personen-Codes einen Geldbetrag bis zu einer täglichen Höchstsumme von 5.000 S derart freigibt, daß der Manipulant diesen Betrag an sich nehmen kann. Dem erwähnten Urteil des Oberlandesgerichtes Wien kann weiters gefolgt werden, wenn es ausführt, daß die im § 129 Z 1 StGB verwendete Bezeichnung "Schlüssel" als deskriptives Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist. Dieser Begriff verfügt im allgemeinen Sprachgebrauch über ein verhältnismäßig weites Bedeutungsspektrum (was etwa von Frank Höpfel dahin umschrieben wurde, daß der Gesetzgeber eine "hohe Abstraktionsebene" wollte, die eine elastische Handhabung ermöglicht; vgl Frank Höpfel, die Bankomatkarte, in ÖJZ 1983, S 234 ff); schon seit langem werden Schlüssel in sehr unterschiedlicher Form und Größe verwendet, moderne Schlüssel weisen keinen eigentlichen "Bart", sondern bloß noch den Schloßmechanismen entsprechende Vertiefungen auf, deren genaue Funktion der Schlüsselbesitzer oft gar nicht kennt und die ihn auch gar nicht interessiert.

Hingegen kann dem Oberlandesgericht Wien nicht beigepflichtet werden, soweit es sich - obgleich solcherart vom richtigen Ansatz ausgehend, wonach bei der Definition des Schlüsselbegriffes das Schwergewicht der Betrachtung nicht auf die Form, sondern auf die Funktion des Gegenstandes zu legen ist - letztlich doch wieder auf die Ansicht zurückzieht, Schlüssel sei derzeit nur ein Gegenstand, der in seinem äußeren Erscheinungsbild mit der Vorstellung des Benützers von einem "Schlüssel" noch zu vereinbaren ist, d h "in gewohnter Weise Schlösser zu öffnen geeignet ist", und in seiner Gestalt "nicht gänzlich" von der ihm gewohnten Schlüsselform abweicht. Damit nähert sich aber die versuchte Begriffsbestimmung des Schlüssels wieder einer für die praktische Anwendung untauglichen "definitio per idem" ("Schlüssel" ist, was herkömmlicherweise als "Schlüssel" verstanden wird), zumal konkrete Kriterien dafür, welche Form "von der gewohnten Schlüsselform nicht gänzlich abweicht" und wie die "gewohnte Weise, Schlösser zu öffnen", beschaffen ist, begreiflicherweise nicht umschrieben werden können. Entgegen der im vorliegenden Urteil des Oberlandesgerichtes Wien zum Ausdruck gebrachten Ansicht ist ein brauchbares Ergebnis vielmehr nur zu erzielen, wenn abseits aller Betrachtungen, was als "herkömmlich" und was als technische Neuerung anzusehen ist, auf die Zweckbestimmung des betreffenden Gegenstandes abgestellt wird. Ausgehend davon, daß als Sperrvorrichtung jeder Mechanismus anzusehen ist, der dazu eingerichtet ist, Sachen nur an bestimmte Personen oder unter bestimmten Voraussetzungen herzugeben (vgl Bertel im WK, Rz 17 zu § 129 StGB), stellt sich demnach als Schlüssel jeder Gegenstand dar, der zum ordnungsgemäßen Öffnen einer solchen Sperrvorrichtung dient (vgl bereits Bertel im WK, Rz 12 zu § 129 StGB), worunter eben nicht nur mechanische Öffnungshilfen fallen, sondern auch solche, die auf elektronischen oder elektromagnetischen Systemen oder auch auf solchen unter Zuhilfenahme von EDV beruhen. Auf die äußere Form dieses "Schlüssels" kommt es dabei nicht an, soferne es sich dabei nur um eine körperliche Sache handelt (was etwa im Falle der Lösung des Sperrmechanismus durch Abgabe akustischer Signale durch eine Person nicht der Fall wäre, vgl hiezu Kienapfel in JBl 1986/S 264 unter beipflichtendem Hinweis auf Höpfel, ÖJZ 1983, 235). In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß das Oberlandesgericht Wien in seiner vorliegenden Entscheidung ohnedies selbst "die Prognose wagt", daß auch mit einem Magnetstreifen versehene, aus Plastik oder einem ähnlichen Material verfertigte Karten in Zukunft als Schlüssel bezeichnet und "ähnlich vom Besitzer an einem Bund mit sich getragen werden, wie er es mit den heute gebräuchlichen Schlüsseln zu tun pflegt", falls sich derartige Karten "als zur Betätigung eines Schloßmechanismus tauglich erweisen" sollten. Das Gericht irrt hiebei nur insoweit, als eine solche technische Entwicklung nicht mehr Gegenstand einer Zukunftsprognose sein kann, sondern bereits Realität geworden ist. So ist es etwa notorisch, daß in modernen Hotelbetrieben - und zwar nicht nur in den USA und anderen Staaten, sondern auch in Österreich (etwa Hotel "Marriot" in Wien) - anstelle von Zimmer-"Schlüsseln" der herkömmlichen Form zum Sperren der Türen der Gästezimmer Magnetkarten verwendet werden, deren Code nach jedem Gast geändert wird, wodurch ausgeschlossen wird, daß ein vom Gast mitgenommener "Schlüssel" solcherart später zum unbefugten neuerlichen Betreten des Zimmers verwendet wird. Der Standpunkt des Oberlandesgerichtes Wien, solche Magnetkarten könnten erst dann dem Schlüsselbegriff zugeordnet werden, wenn Schlüssel künftig generell so gebaut werden, entbehrt einer sachlichen Fundierung, weil ja - wie eingangs erwähnt - auch bisher schon Schlüssel sehr verschiedener Formen nebeneinander hergestellt und als "Schlüssel" anerkannt wurden; es wäre daher nicht einzusehen, warum nicht zunächst alle diese (herkömmlichen) Schlüssel und die neue Form der "kartenartigen" Schlüssel nebeneinander als "Schlüssel" angesehen und anerkannt werden sollten, zumal nicht bezweifelt werden kann, daß ein Hotelgast, dem eine Karte mit Magnetstreifen zum Aufsperren seines Zimmers ausgefolgt wird, diese - was er auch soll - als seinen "Zimmerschlüssel" betrachtet und als solchen mit sich trägt. Daß derzeit in Österreich notorischerweise nur solche Bankomatkarten in Umlauf sind, die gleichzeitig die Funktion einer Scheckkarte haben, steht entgegen der Meinung des Oberlandesgerichtes Wien der Wertung einer derartigen Bankomatkarte als "Schlüssel" ebenfalls nicht entgegen, da der Umstand, daß die Bankomatkarte außerdem auch noch eine zweite Funktion - nämlich Urkundencharakter in ihrer Eigenschaft als Scheckkarte (vgl neuerlich 11 Os 114/85) hat, an der hier besprochenen Funktion - jener als Schlüssel zur Sperrvorrichtung des Bankomaten - nichts zu ändern vermag. Entsprechend dem Gesagten ist eine Bankomatkarte (auch in der bisher in Österreich gebräuchlichen Form einer "Bankomat-Scheck-Karte") nicht, wie das Oberlandesgericht Wien zu 27 Bs 59/85 vermeint, bloß ein von einem Schlüssel begrifflich zu unterscheidendes "Werkzeug" im Sinne eines körperlichen, mit magnetischen Impulsen versehenen Gegenstandes, der eben nur unter der - hier nicht vorliegenden - Voraussetzung nach § 129 StGB qualifizierend wirken könnte, daß er nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung des Schließmechanismus bestimmt ist - in welchem Falle allerdings die rechtliche Gleichsetzung eines solchen "Werkzeuges" mit einem "Schlüssel" eine die Bestimmung des § 1 StGB verletzende, weil der Erweiterung der Strafbarkeit dienende Analogie bedeuten müßte -, sondern im Einklang mit der vom Oberlandesgericht Wien in seinem Urteil vom 22.Mai 1984, 23 Bs 215/84 (vgl ÖJZ-LSK 1985/24 zu § 129 Z 3 StGB), ein "Schlüssel" im Rechtssinne des § 129 StGB und damit auch im Sinne der Z 3 dieser Gesetzesstelle. Hiebei ändert es auch nichts an der Schlüsselfunktion der Bankomatkarte, daß außer der Einführung der Karte in den Bankomaten auch noch ein zweiter Vorgang zur Lösung des Sperrmechanismus erforderlich ist, nämlich das Eintippen des aus vier Ziffern bestehenden Codes in die Tastatur des Bankomaten, zumal sowohl diesem manipulativen Vorgang als auch dem Einschieben der Bankomatkarte die Bedeutung einer conditio sine qua non für die Lösung des Sperrmechanismus zukommt, da erst beide Vorgänge (abgesehen von weiteren Voraussetzungen, wie etwa bestehende Deckung am Konto) die Herausgabe von Banknoten durch den Bankomaten bewirken.

Ausgehend von diesen Erwägungen verletzt im vorliegenden Fall das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 9.November 1984, GZ 11 b E Vr 318/84-11, mangels erfolgter "Öffnung eines Behältnisses" zwar das Gesetz in der Bestimmung des § 129 Z 2 StGB, doch war die in Rede stehende Tat der Angeklagten Susanne S***, geschiedene W***, rechtsrichtig nach der rechtlich gleichwertigen Bestimmung des § 129 Z 3 StGB qualifiziert, weshalb das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht in seinem Urteil vom 11. März 1985, 27 Bs 59/85, es bei rechtsrichtiger Beurteilung dabei hätte bewenden lassen müssen, der Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit und Schuld nicht Folge zu geben, aus Anlaß der Berufung in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gemäß den §§ 477 Abs. 1, 489 Abs. 1 StPO lediglich die - nach der gegebenen Sachlage verfehlte - Wertung der Tat als gemäß § 127 Abs. 2 Z 1 StGB als in Gesellschaft begangen aus dem angefochtenen Urteil auszuscheiden, dementsprechend den Strafausspruch aufzuheben, die Strafe unter Beachtung des gesetzlichen Verschlimmerungsverbotes neu zu bemessen und die Angeklagte mit ihrer Strafberufung auf diese Entscheidung zu verweisen. Hingegen war die Ausscheidung auch der rechtlichen Wertung der Tat als Verbrechen des Diebstahls (durch Einbruch) nach § 129 (Z 2) StGB aus dem angefochtenen Urteil rechtlich verfehlt."

Die gerügte Meinung des Oberlandesgerichts ist rechtsrichtig. Zutreffend und in Übereinstimmung mit der von ihr selbst zitierten und herrschenden Rechtsprechung erachtet die Generalprokuratur die Qualifikation des § 129 Z 2 StGB für nicht gegeben, weil durch das Einführen der Bankomatkarte in den Bankomaten und das Eintippen des Codes der Bankomat nicht im Sinn des § 129 Z 2 StGB geöffnet wurde. Die Ansicht der Beschwerdeführerin hingegen, daß die Sachwegnahme aus einem verschlossenen Behältnis wie dem verfahrensgegenständlichen Bankomat nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des § 129 Z 2 StGB, sondern auch unter jenem der Z 3 des § 129 StGB geprüft und bejaht werden müsse, scheitert an der - von der Beschwerde zugegebenen - gefestigten gegenteiligen Judikatur und Literatur, von der abzugehen kein Grund besteht (Foregger-Serini 3 S 316, 317; Kienapfel BT II RN 78 zu § 129 StGB; Leukauf-Steininger 2 RN 28 zu § 129 StGB; Mayerhofer-Rieder 2 Anm 8 zu § 129 StGB, EvBl 1976/275, SSt 47/82, 9 Os 192/76, 9 Os 107/77, 12 Os 46/77, 12 Os 190/78, 9 Os 90/79, 10 Os 64/80, 11 Os 41/83 und jüngst zu einem gleichgelagerten Fall JBl 1986 S 261 mit zustimmender Anmerkung von Kienapfel). Das Wort "sonst" weist nämlich den im § 129 Z 3 StGB genannten Sperrvorrichtungen eine weder Gebäude, Transportmittel, Wohnstätten, abgeschlossene Räume, die sich in einem Gebäude oder Transportmittel befinden, oder Lagerplätze (Z 1) noch Behältnisse (Z 2) umfassende Restgröße zu. Eine solche darf wegen ihres Auffangcharakters nicht über den Gesetzeswortlaut hinaus auf die schon zuvor gesondert erfaßten Fälle der Z 1 und 2 des § 129 StGB erweitert werden, nur um eine vermeintliche, aus kriminalpolitischer Sicht empfundene Lücke des Gesetzes zu schließen.

Die Beschwerde war daher zu verwerfen.

Anmerkung

E08856

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00080.86.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19860612_OGH0002_0130OS00080_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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