TE OGH 1986/12/9 11Os157/86

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Veröffentlicht am 09.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Dezember 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sulzbacher als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian F*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143, erster und dritter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Christian F*** sowie die Berufungen der Angeklagten Michael S*** UND Christian S*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 8. August 1986, GZ 20 a Vr 12.652/85-85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Gehart, und der Verteidiger Dr. Janovsky, Dr. Bernhauser und Dr. Oehlzand, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die beschäftigungslosen Angeklagten Christian F***, geboren am 7.August 1962, Michael S***, geboren am 9.Jänner 1967, und Christian S***, geboren am 22. Dezember 1966, auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143, erster und dritter Fall, StGB schuldig erkannt. Darnach nahmen sie mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung am 10.Jänner 1986 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken als Beteiligte der 85-jährigen Josefa R*** mit Gewalt fremde bewegliche Sachen weg, indem Michael S*** die alte Frau zu Boden warf, ihr den Mund zuhielt und ihr Faustschläge versetzte, Christian S*** die Handkasse mit einem Bargeldbetrag von etwa 1.000 S an sich nahm, während Christian F*** Aufpasserdienste leistete, wobei die Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung der Josefa R***, nämlich einen Nasenbeinbruch, einen Bruch des Grundgliedes des linken Mittelfingers, sowie Abschürfungen im Nasenwurzelbereich sowie Schwellungen und Blutergüsse im Bereich des Nasenrückens und der Stirn zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die Geschwornen bejahten einstimmig die (gesondert für jeden Angeklagten) anklagekonform gestellten Hauptfragen 1 bis 3 und ließen demgemäß die in Richtung des Gesellschaftsdiebstahls nach dem § 127 Abs 1 und 2 Z 1 StGB gestellten Eventualfragen 1 bis 3 unbeantwortet. Ebenso einstimmig wurden die in Richtung des § 11 StGB gestellten Zusatzfragen verneint.

Nur der Angeklagte F*** ficht den ihn betreffenden Schuldspruch mit einer auf den § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, in der er summarisch behauptet, die Geschwornen hätten die Hauptfrage "offensichtlich aufgrund der unrichtigen Rechtsberatung" (gemeint: Rechtsbelehrung) zu Unrecht bejaht; habe doch "das ganze Beweisverfahren ergeben", daß er niemals gegen die Frau mit Gewalt vorgegangen sei, sondern nur Aufpasserdienste geleistet habe, "sodaß es nicht in seinem Einflußbereich lag, was tatsächlich ...... geschah". Er wäre daher "lediglich nach § 128 Z 1 StGB" wesentlich milder zu bestrafen gewesen.

Der angezogene Nichtigkeitsgrund liegt vor, wenn die Rechtsbelehrung erhebliche sachliche Unrichtigkeiten enthält, ferner wenn sie derart unvollständig ist, daß die Geschwornen ohne die nach den Umständen des Falles erforderliche Belehrung über für ihren Wahrspruch wesentliche Rechtsbegriffe gelassen werden, schließlich aber auch dann, wenn die Belehrung in einem Grad undeutlich oder widerspruchsvoll ist, daß die Geschwornen irregeleitet werden konnten (SSt. 43/3, 11 Os 4/85 uva).

Der (für das Rechtsmittelverfahren maßgeblichen) Formulierung der Rüge in der schriftlichen Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde scheint die Auffassung des Beschwerdeführers zugrunde zu liegen, der Vorsitzende hätte die Geschwornen darauf hinweisen müssen (§ 321 StPO), daß der Angeklagte F*** nur dann als Raubgenosse (§ 143 erster Fall StGB) oder überhaupt als Beteiligter (§ 12 StGB) strafrechtlich hafte, wenn er selbst dem Opfer Gewalt angetan habe. Damit verkennt der Beschwerdeführer aber die Rechtslage. Einen Raub in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligter begeht nämlich auch, wer, ohne selbst eine dem Tatbild des § 142 Abs 1 StGB entsprechende Ausführungshandlung zu setzen, im Einverständnis mit dem (den) unmittelbaren Täter(n) über die Verübung des Raubes am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe anwesend ist und dadurch die Raubausführung bloß fördert (§ 12 dritter Fall StGB), wozu Aufpasserdienste jedenfalls gehören (Leukauf-Steininger 2 RN 7 und Zipf im WK Rz. 5, 6, jeweils zu § 143 StGB, und die dort zitierte Judikatur). Die Geschwornen wurden aber schon durch die (auch in der F*** betreffenden Hauptfrage 1 enthaltene) Wendung "im einverständlichen Zusammenwirken" auf die subjektiven Erfordernisse der Tatbeteiligung hingewiesen. Dazu enthält die schriftliche Rechtsbelehrung (Beilage ./C zu ON 84) die Erklärung des Begriffes "Vorsatz" (S 3 und 5), weiters den auf den § 12 StGB zurückgeführten Hinweis, daß Täter auch ist, wer zur Ausführung einer strafbaren Handlung sonst beiträgt (S 7) und daß schwerer Raub auch vorliegt, wenn er in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligter verübt wird (S 5), wobei jeder Beteiligte nur nach seiner Schuld haftet (S 8).

Wenn diese Erläuterungen des Begriffes der Raubgenossenschaft im Sinn des § 143 erster Fall StGB und der Beschränkung der persönlichen Haftung des Beteiligten (§ 13 StGB) auch relativ kurz sind, waren sie im Hinblick auf ihren eindeutigen Aussagegehalt nicht geeignet, die Geschwornen in Irrtum zu führen, zumal der in Ausführung des (einvernehmlich erstellten) Tatplanes geleistete Tatbeitrag (Aufpasserdienste) des Beschwerdeführers in der Hauptfrage 1 deutlich herausgestellt wurde, und die Geschwornen die Möglichkeit hatten, diese von F*** nicht bestrittene Tatförderung (im Sinne seiner Verantwortung) durch Bejahung der Eventualfrage 1 nur als Vergehen des Gesellschaftsdiebstahls zu qualifizieren. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über Christian F*** und Michael S*** von je sechs Jahren und über Christian S*** von fünf Jahren. Bei der Strafbemessung wurde als erschwerend gewertet, daß das Opfer eine alte wehrlose Frau war und der Raub in zweifacher Richtung als schwer qualifiziert ist, bei F*** die drei einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall, bei S*** die fünf einschlägigen Vorstrafen und der äußerst rasche Rückfall sowie bei S*** zwei Vorstrafen. Bei F*** wurde kein Umstand als mildernd berücksichtigt, während den übrigen Angeklagten ihr Geständnis und ihr Alter unter 21 Jahren zugutegehalten wurden. Alle Angeklagten streben mit ihren Berufungen jeweils eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, S*** und S***

ausdrücklich unter Heranziehung der außerordentlichen Strafmilderung. Sie vermögen mit ihren Ausführungen aber nicht zu überzeugen.

Die Berufungswerber streichen ihre Alkoholisierung zur Tatzeit heraus, die beiden jüngeren Angeklagten wollen die Initiative dem älteren F*** zuweisen und dieser beruft sich wieder auf seine geringere Tatbeteiligung als Aufpasser. Allen drei Angeklagten ist aber ihr bisheriger durch Alkoholmißbrauch, Müßiggang und Begehung einschlägiger Vermögens- und Gewaltdelikte gekennzeichneter Lebenswandel vorzuhalten. Diese Lebenseinstellung führte auch in diesem Fall zur Begehung eines hinterhältigen Raubüberfalles auf eine alte alleinstehende Frau, wollten sich die Angeklagten doch dadurch die Mittel zur Fortsetzung eines bereits Stunden dauernden Zechgelages verschaffen. Die durch Alkoholgenuß bewirkte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit ist den Angeklagten vorzuwerfen und daher nicht als mildernd zu werten (§ 35 StGB). Die qualitativ jedenfalls als überwiegend anzusehenden Erschwerungsumstände schließen auch bei den jüngeren Angeklagten die Anwendung des § 41 StGB aus. Keine der insgesamt an oder nahe der Untergrenze des von fünf bis fünfzehn Jahre reichenden Strafrahmens ausgemessenen Strafen ist somit reduzierungsfähig.

Auch den Berufungen war mithin ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E09712

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00157.86.1209.000

Dokumentnummer

JJT_19861209_OGH0002_0110OS00157_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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