TE Vwgh Erkenntnis 2005/8/30 2005/01/0216

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Veröffentlicht am 30.08.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Staatsbürgerschaft;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §12 Z1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des LS in M, vertreten durch Dr. Alois Zehetner, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ybbsstraße 66/II/1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. April 2005, Zl. Gem(Stb)-420684/11-2005-Gru/Ha, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 12 Z 1 lit. b i.V.m. §§ 10 und 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.

Begründend führte sie aus, der aus der Volksrepublik China stammende Beschwerdeführer habe seit 7. August 1989 den ständigen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik Österreich. Sein Lebensunterhalt könne als gesichert angenommen werden. Er betreibe als selbständiger Gastwirt ein China-Restaurant in Mauthausen. Auf Grund der durchgeführten Ermittlungen stehe fest, dass der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Perg am 22. Juli 2004 wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) mit einer Geldstrafe von EUR 1.200,-- bestraft worden sei. Diesem Straferkenntnis liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 28. Jänner 2004 um 11.45 Uhr im China-Restaurant "Jasmin" den chinesischen Staatsbürger Lin Hai gegen Entgelt entgegen den Bestimmungen des AuslBG beschäftigt und dadurch § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 leg. cit. übertreten habe. Unter Zugrundelegung der Dauer des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers gehe die belangte Behörde zwar davon aus, dass ihm bei Nachweis einer nachhaltigen, persönlichen und beruflichen Integration ein Rechtsanspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. b" (gemeint: § 12 Z 1 lit. b) StbG zustünde. Eine nachhaltige persönliche und berufliche Integration des Beschwerdeführers habe jedoch im Verfahren nicht festgestellt werden können. Schon die Nichtbeachtung maßgeblicher österreichischer Vorschriften, "insbesondere des österreichischen Arbeitsmarktes im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Fremden", lasse auf eine mangelnde nachhaltige berufliche Integration des Beschwerdeführers schließen. Die Übertretung des AuslBG stelle eine schwer wiegende Verwaltungsübertretung dar. Besonders schwer wiegend sei, abgesehen von der Art der begangenen Verwaltungsübertretung, die Tatsache, dass die Straftat während des laufenden Einbürgerungsverfahrens begangen worden sei. Über die sonstige nachhaltige persönliche Integration des Beschwerdeführers seien keine weiteren Ausführungen nötig, da für die Realisierung des Rechtsanspruchs nach § 12 Z 1 lit. b StbG sowohl die berufliche als auch die persönliche nachhaltige Integration nachzuweisen wären. Derartiges sei vom Beschwerdeführer weder behauptet noch unter Beweis gestellt worden. Auf Grund des Fehlens eines Rechtsanspruches auf Verleihung der Staatsbürgerschaft komme § 10 i.V.m. § 11 StbG zur Anwendung. Auch unter diesem Blickwinkel sei dem Antrag des Beschwerdeführers jedoch nicht stattzugeben, weil Rücksichten auf das allgemeine Wohl und die öffentlichen Interessen wegen der festgestellten schweren Verwaltungsübertretung jedenfalls nicht für eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sprächen. Dass der Beschwerdeführer seit über 15 Jahren in Österreich lebe und einem ständigen Erwerb nachgehe, seien keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe, wonach dem Beschwerdeführer trotz der festgestellten Verwaltungsübertretung die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen wäre. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts und eine gewisse Mindestdauer des Hauptwohnsitzes in Österreich seien als Selbstverständlichkeiten zu qualifizieren und würden den für die Abweisung des gegenständlichen Antrags sprechenden Grund, nämlich die schwer wiegende Bestrafung des Beschwerdeführers, nicht aufheben. Zusammenfassend ergebe sich daher, dass in Ausübung des in § 11 StbG normierten Ermessens der gegenständliche Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abzuweisen gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zur maßgeblichen Rechtslage und zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration im Sinn des § 12 Z 1 lit. b StbG ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG vorweg insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0227, zu verweisen (vgl. aber auch die Folgejudikatur in den hg. Erkenntnissen vom 11. Oktober 2000, Zl. 99/01/0385, vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0228, vom 14. Mai 2002, Zl. 2000/01/0343, vom 24. Juni 2003, Zl. 2002/01/0437, und vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0017).

Im vorliegenden Fall gründete die belangte Behörde die Abweisung des Verleihungsantrages zunächst darauf, dass dem Beschwerdeführer kein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 12 Z 1 lit. b StbG zustehe, weil er die erforderliche nachhaltige berufliche Integration auf Grund einer Bestrafung nach dem AuslBG nicht aufweise. Aus dem selben Grund vermeinte die belangte Behörde auch, das ihr in den §§ 10 Abs. 1 und 11 StbG eingeräumte Ermessen nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers üben zu können. Damit hat sie jedoch implizit zu Grunde gelegt, dass der Beschwerdeführer die allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 StbG, deren Prüfung einer Ermessensübung vorgelagert ist, erfüllt. Jedenfalls lässt der Bescheid nicht erkennen, dass die belangte Behörde - ungeachtet des Hinweises auf eine "schwer wiegende Verwaltungsübertretung" - davon ausgegangen wäre, dass einer Verleihung der Staatsbürgerschaft das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG entgegen stünde.

Soweit dem Beschwerdeführer ein - vorrangig zu prüfender - Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zusteht, erübrigt sich die im angefochtenen Bescheid auch behandelte Frage der Ermessensübung. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, kommt von jenen Tatbeständen, die eine Verleihung der Staatsbürgerschaft kraft Rechtsanspruches vorsehen, sachverhaltsbezogen § 12 Z 1 lit. b StbG in Betracht. Unstrittig ist auch, dass der Beschwerdeführer das Erfordernis des mindestens 15-jährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet erfüllt und als selbständiger Gastwirt ein China-Restaurant betreibt; ungeachtet dessen sah die belangte Behörde das Erfordernis der nachhaltigen beruflichen Integration wegen der Übertretung des AuslBG nicht als gegeben an, weshalb sie sich - ihrer Begründung folgend - mit der Frage der "sonstigen nachhaltigen persönlichen Integration" des Beschwerdeführers nicht weiter beschäftigte.

Mit dieser Argumentation hat die belangte Behörde jedoch die Rechtslage verkannt. Der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration wird - wie u.a. in dem zitierten hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000 unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien bereits ausgeführt worden ist - dann als erbracht gelten, wenn der Fremde sowohl beschäftigungsrechtlich (z.B. Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) als auch fremdenrechtlich (z.B. unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung) eine bis auf weiteres gesicherte Position in Österreich hat und hier persönlich nachhaltig verankert ist. Dass der Beschwerdeführer im Jahr 2004 wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bestraft worden ist, schließt entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde eine derartige Integration nicht aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits mehrfach angesprochenen Erkenntnis vom 11. Oktober 2000 (und in seiner zitierten Folgejudikatur) dargelegt, dass das StbG (verwaltungs-)strafrechtliches Fehlverhalten und die allein damit allenfalls schon abstrakt verbundene Minderung einer Integration schon im Rahmen der allgemeinen Einbürgerungserfordernisse (§ 10 Abs. 1 Z 2 und Z 6 StbG) berücksichtigt. Weder aus dem Gesetz noch aus dessen Materialien ist jedoch ersichtlich, dass unterhalb der Schwelle des § 10 Abs. 1 Z 2 bzw. Z 6 StbG liegendes Fehlverhalten das Tatbestandsmerkmal "persönliche Integration" (für den vorliegenden Fall zu ergänzen: und der "beruflichen Integration") beeinträchtigen könnte. Das schließt zwar nicht aus, dass aus der konkreten Tathandlung im Einzelfall das eine oder andere Mal spezifisch auf ein "Integrationsdefizit" geschlossen werden kann; Derartiges lässt sich jedoch - entgegen der Rechtsauffassung der belangte Behörde - aus der festgestellten einmaligen Übertretung des AuslBG im vorliegenden Fall nicht ableiten.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. August 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005010216.X00

Im RIS seit

22.09.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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