TE OGH 1987/1/27 11Os162/86

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Veröffentlicht am 27.01.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Jänner 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Otto K*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 25.September 1986, GZ 10 Vr 501/86-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Strasser als Vertreter der Generalprokuratur, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die verhängte Freiheitsstrafe auf 7 1/2 (siebeneinhalb) Jahre herabgesetzt wird. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen der am 9.November 1963 geborene Otto K*** I./ des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB, II./ des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 (zweiter Fall) StGB,

III./ des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB,

IV./ des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs 1 und Abs 2 StGB,

V./ des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 (erster Fall) StGB und VI./ des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (erster Fall) StGB schuldig erkannt.

Der Angeklagte ficht dieses Urteil - der Sache nach mit Ausnahme der Schuldsprüche I und IV - mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Den angefochtenen Wahr- und Schuldsprüchen zufolge liegt dem Angeklagten zur Last,

(zu II = 2.Hauptfrage) am 19.Februar 1986 in Klagenfurt dem Walter S*** dadurch, daß er ihm mehrere Ohrfeigen versetzte und sagte (drohte), er werde mit ihm abrechnen und ihn umbringen, ihm einen Dolch vorhielt, ihn mit Klebeband an Händen und Füßen fesselte und ihm den Mund verklebte, mit Gewalt gegen dessen Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder (gemeint: und) Leben unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, und zwar eine Armbanduhr, einen Ring mit Stein, eine Halskette, ein Feuerzeug, eine Brieftasche und 1.030 S Bargeld, mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern; (zu III = 3.Hauptfrage) dadurch, daß er - im Anschluß an diese Tat - die Wohnung des Konrad D*** von außen versperrte und (darin) Walter S*** gefesselt liegen ließ, diesen dann widerrechtlich gefangengehalten zu haben;

(zu V = 5.Hauptfrage) am 20.Februar 1986 in Klagenfurt mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, den Walter S*** dadurch, daß er mit ihm die K*** S*** aufsuchte und ihm drohte, ihn noch vor Eintreffen der Polizei niederzustechen, wenn er um Hilfe rufe oder sonst etwas gegen seinen Willen tue, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Behebung einer Spareinlage von 40.000 S von einen vinkulierten Sparbuch (des Walter S***) und zur sofortigen Übergabe des Sparbetrages genötigt zu haben;

(zu VI = 6.Hauptfrage) am 20.Juni (richtig Februar - vgl. ON 13 S 55 dA) 1986 in Klagenfurt versucht zu haben, den Martin K*** durch die Äußerungen: "Wenn ich nicht sofort etwas zu trinken bekomme, mache ich aus dem Lokal eine Baustelle", und: "Wenn ich nicht etwas zum Trinken kriege, steche ich dich ab", wobei er auf seinen in der Rockinnentasche befindlichen Dolch deutete, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Ausfolgung von alkoholischen Getränken und durch die Äußerung: "Wenn du die Polizei anrufst, reiß ich dir das Kabel aus der Wand", wobei er auf das Telefon deutete (sohin durch Drohung mit einer Verletzung am Vermögen), zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt, soweit in Abweichung vom tatsächlichen Inhalt des Wahrspruches der Geschwornen die Reihenfolge der räuberischen Abnötigung bzw. Wegnahme der Sachen (2.Hauptfrage) und der erst zeitlich danach begangenen Freiheitsentziehung (3.Hauptfrage), die im Wahrspruch zum Ausdruck kommenden Feststellungen über die einzelnen Tathandlungen, insbesondere über die Fesselung und Bedrohung des Opfers mit einem Dolch als Mittel der Sachbemächtigung sowie über das Abnötigen auch einer Halskette (2.Hauptfrage), über das Gefangenhalten durch Versperren der Wohnungstüre von außen (3.Hauptfrage) und über die Drohung mit dem "Abstechen" als Tatbegehungsmittel sowohl der schweren Erpressung (5.Hauptfrage) als auch der versuchten schweren Nötigung (6.Hauptfrage) bestritten, nach Art einer Schuldberufung die unanfechtbare Beweiswürdigung der Geschwornen bekämpft und ein wahrspruchsfremder Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz verglichen wird. Ein materielle Nichtigkeit des Urteils begründender Rechtsirrtum läßt sich entsprechend dem Wesen eines solchen Nichtigkeitsgrundes nur aus dem Wahrspruch selbst, nicht aber - wie dies die Beschwerde versucht - aus angeblichen Ergebnissen des Beweisverfahrens nachweisen, die nicht in den Wahrspruch aufgenommen wurden (vgl. Mayerhofer-Rieder 2 ENr. 1, 2, 7 zu Z 11 lit a, ENr. 8, 15 zu Z 12 des § 345 StPO uva).

Der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO die Verdrängung des Deliktes der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB (3.Hauptfrage =

Schuldspruch III) - zunächst - durch jenes des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1 und 143 StGB (2.Hauptfrage = Schuldspruch II) reklamierend, übersieht der Beschwerdeführer, daß - wie bereits erwähnt - nach dem durch den Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Sachverhalt das Tatgeschehen vom 19.Februar 1986 in zwei zeitlich getrennte Phasen zerfällt. Einerseits wurden dem Opfer Sachen weggenommen oder abgenötigt, wobei Gewalt und Drohung mit einem Dolch Anwendung fanden; anderseits wurde das Opfer nach (materieller) Vollendung des Raubes gefesselt in der von außen versperrten Wohnung zurückgelassen. Diese zweite Phase des Verhaltens des Angeklagten richtete sich im Gegensatz zu den bisherigen Angriffen gegen fremdes Vermögen sowie Leib und Leben nunmehr ausschließlich gegen die persönliche Freiheit des Opfers und beeinträchtigte ein weiteres Rechtsgut, dessen Schutz die Tatbilder des dritten Abschnittes des besonderen Teiles des StGB, darunter in concreto jenes des § 99 StGB, dienen. Demnach verantwortet der Angeklagte die erst nach materieller Raubvollendung begangene Freiheitsentziehung als ein mit dem Raub realkonkurrierendes, selbständiges Delikt (EvBl 1982/55 = SSt. 52/50, mit weiteren Zitaten; vgl. auch Zipf, WK, RZ 57 und 60 § 142 StGB; JBl 1982/550; nv. 12 Os 15/85, 11 Os 28/85 ua).

Der Beschwerde zuwider kann dem Wahrspruch aber auch nicht entnommen werden, daß die von der Hauptfrage 3 erfaßte Freiheitsentziehung (nur) Mittel zum Zweck der am nächsten Tag an Walter S*** verübten schweren Erpressung (5.Hauptfrage) gewesen sei. Nach den Aussagen dieses Zeugen (S 267 dA) hatte der Angeklagte das vinkulierte Sparbuch - von dem das Opfer tags darauf, durch Erpressung genötigt, den Betrag von 40.000 S abheben und dem Angeklagten ausfolgen mußte (5.Hauptfrage) - im Zug der Ausführung des Raubes (2.Hauptfrage) schon an sich gebracht, bevor er das gefesselte Opfer in der unversperrten Wohnung zurückließ (3.Hauptfrage). Selbst wenn der Angeklagte, wie er in seinen Einlassungen behauptete (S 262 dA), sich des Sparbuches erst während dieses Gefangenhaltens (des Opfers) bemächtigt hätte, käme eine Verdrängung des Deliktes nach dem § 99 Abs 1 StGB - als straflose Vortat und Fall scheinbarer Realkonkurrenz - durch die spätere Erpressung nicht in Betracht. Denn auch insofern würde eine Verdrängung der Vortat die Identität des Rechtsgutes, gegen das Vor- und Nachtat gerichtet waren, voraussetzen (vgl. Leukauf-Steininger 2 RN 49 zu § 28 StGB ua), was hier im Verhältnis der Freiheitsentziehung zur am nächsten Tag verübten Erpressung ebensowenig zutrifft wie zum vorausgegangenen Raub. Der zum Schuldspruch III wegen des Vergehens nach dem § 99 Abs 1 StGB geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 12 StPO ist daher nicht gegeben.

Im übrigen kann die Beschwerde in der Frage der Verdrängung des Deliktes des § 99 Abs 1 StGB auch keine inhaltliche Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 2 StPO) aufzeigen (§ 345 Abs 1 Z 8 StPO). Die entsprechenden Darlegungen der Rechtsbelehrung erörtern in ausreichender und allgemein verständlicher Weise die Vorausssetzungen der Konsumtion einer Freiheitsentziehung, die als typische und deshalb nicht gesondert strafbare Begleittat eines anderen Deliktes (zumindest) nicht wesentlich über jenes Maß an Rechtsgüterbeeinträchtigung hinausgehen darf, das mit der Begehung des Primärdeliktes - dessen Natur nach - notwendigerweise verbunden ist. Das Wesen und die Konsequenz einer solchen Verdrängung (Konsumtion) charakterisiert die Rechtsbelehrung entgegen der Auffassung der Beschwerde zutreffend und auch für Laien unmißverständlich dahin, daß die Freiheitsentziehung als typische Begleittat solcherart im anderen (Primär-)Delikt aufgeht (S 282 oben dA).

Ob schließlich die Fesselung mit Klebebändern ein taugliches Mittel zur Freiheitsentziehung war oder nicht, ist an sich nicht entscheidend, weil ein Gefangenhalten im Sinn des Tatbildes des § 99 Abs 1 StGB schon in dem Einsperren des Opfers in der - mit vergitterten Fenstern versehenen (S 101 dA) - Wohnung zu erblicken ist (vgl. Leukauf-Steininger 2 RN 5 zu § 99 StGB). Davon abgesehen ist durch den - auch insofern von der Beschwerde außerachtgelassenen - Inhalt des Wahrspruches (Hauptfragen 2 und 3) klargestellt, daß der Angeklagte das insbesondere an Händen und Füßen gefesselte Opfer in der von außen versperrten Wohnung zurückließ, worin sich klar ein Zustand der Hilflosigkeit (des Opfers) manifestiert. Daß es sich später doch noch von der Fesselung befreien konnte, wäre auch bei einer isolierten (das Einsperren in der Wohnung beiseite lassenden) Beurteilung der Tatbildlichkeit im Sinn des § 99 Abs 1 StGB belanglos (vgl. Leukauf-Steininger aaO RN 4).

Entgegen den Beschwerdeausführungen unterstellte das Erstgericht rechtsrichtig die von den Geschwornen auf Grund richtiger Rechtsbelehrung festgestellten Tathandlungen in den Punkten II, III und V des Schuldspruches getrennt den Tatbildern der Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 (zweiter Fall) StGB (II), des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB (III) und des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144, 145 Z 1 (erster Fall) StGB (V) sowie das von Punkt VI des Schuldspruches erfaßte Verhalten dem Tatbild der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (erster Fall) StGB.

Soweit die Beschwerde das Begehren auf gänzlichen Freispruch, also (vermutlich irrtümlich) auch in den Fakten I und IV des Schuldspruches enthält, entbehrt sie jeglicher Substantiierung und damit auch insofern einer gesetzmäßigen Ausführung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Rechtsmeinung der Generalprokuratur - zur Gänze zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 143 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall, das Zusammentreffen von drei Verbrechens- und drei Vergehenstatbeständen sowie die Wiederholung der tätlichen Angriffe als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber das teilweise Geständnis, die teilweise Zustandebringung der Beute und den Umstand, daß es im Fall der schweren Nötigung beim Versuch blieb, als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Die Berufung ist begründet.

Das Erstgericht fand ein Strafmaß, das selbst unter Beachtung der zum Teil gravierenden Erschwerungsumstände bei notwendiger Berücksichtigung des besonderen Verhältnisses zwischen dem Angeklagten und dem mehrfachen Tatopfer Walter S*** als zu streng angesehen werden muß. Werden die gegebenen Strafzumessungsgründe ihrem tatsächlichen Gewicht entsprechend gewürdigt, erscheint eine Herabsetzung der vom Schöffengericht zuerkannten Freiheitsstrafe auf das im Spruch ersichtliche, sowohl dem hohen Unrechtsgehalt der Verfehlungen als auch dem Verschuldensgrad und dem Vorleben des Angeklagten noch entsprechende Ausmaß von siebeneinhalb Jahren gerechtfertigt.

In diesem Sinn war der Berufung daher Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E10242

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00162.86.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19870127_OGH0002_0110OS00162_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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