TE OGH 1987/7/9 7Ob722/86

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Veröffentlicht am 09.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Petrag als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz K***, Pensionist, 1160 Wien, Wilhelminenstraße 190, vertreten durch Dr. Herbert Richter und Dr. Franz Marschall, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Franz K***, Kaufmann, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 42, vertreten durch Dr. Franz Salzer und Dr. Gunter Granner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 6,500.000 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. September 1986, GZ 1 R 133/86-56, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 4. Februar 1986, GZ 14 Cg 189/82-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 45.668,40 (darin enthalten S 2.624,40 Umsatzsteuer und S 16.800 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt vom Beklagten nach Einschränkung seines Begehrens um Nebengebühren (ON 48 S. 3 = AS 191) die Zahlung des Betrages von S 6,500.000 samt 4 % Zinsen seit 9. November 1979. Er habe vom Beklagten am 8. November 1979 75 Inhaberaktien der (schweizerischen) T*** AG um diesen Betrag erworben, nachdem ihm der Beklagte ausdrücklich zugesagt habe, daß die Ertragslage der Aktien außerordentlich günstig sei. Er habe zumindest aus den Umständen annehmen müssen, daß der Beklagte der Verkäufer der Aktien sei (ON 43 S. 2 = AS 174). Diese Schilderung der Ertragslage sei für ihn der wesentliche Anlaß gewesen, den Kaufvertrag abzuschließen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei das von der AG betriebene Spielcasino in Istanbul längst ertragslos gewesen, was der Beklagte gewußt habe. Daher seien auch die erworbenen Aktien zu diesem Zeitpunkt wertlos gewesen. Darüber hinaus habe der Beklagte noch diverse rechtswidrige Veranlassungen getroffen, die zur Schließung des Kasinobetriebes aus seinem Verschulden geführt haben. Der Beklagte habe den Kläger somit (arglistig) in Irrtum geführt. Der Kläger begehre die Vertragsaufhebung auch wegen der Verletzung über die Hälfte und aus allen sonst möglichen Rechtsgründen. Der Beklagte hafte auch aus dem Titel des Schadenersatzes, weil er schuldhaft die Schließung des Kasinobetriebes verursacht habe. Er habe die Geschäftsführung des Kasinobetriebes ausgeführt. Dabei habe er unberechtigte Entnahmen getätigt, ohne die übrigen Aktionäre zu informieren. Dadurch sei der Gewinn geschmälert worden. Das Rechtsgeschäft sei gemäß § 7 DevG bewilligungspflichtig gewesen. Eine solche Bewilligung liege nicht vor, so daß dieses auch gemäß § 22 DevG nichtig sei. Der Beklagte habe unrichtigerweise erklärt, daß die erforderlichen Genehmigungen vorliegen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei zwar Aktionär der Gesellschaft, deren Aktien der Kläger erworben habe. Nicht er, sondern ein anderer Aktionär habe dem Kläger die Aktien verkauft. Die AG habe ihren Sitz in der Schweiz. Er sei nie Geschäftsführungs- oder Kontrollorgan der Gesellschaft gewesen. Er habe auch keine rechtswidrigen Veranlassungen getroffen, die zur Schließung des Kasinobetriebes geführt hätten. Der Kläger habe die Ertragsfähigkeit des Kasinobetriebes an Ort und Stelle unter Beiziehung seiner Steuerberaterin geprüft. Im Hinblick auf den Abschluß des Kaufvertrages (8. November 1979) und das Einlangen der Klage bei Gericht (9. November 1982) liege Verjährung vor. Die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB) sei dem Kläger verwehrt, weil ein Handelsgeschäft vorliege. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger, der aus dem Verkauf von Liegenschaften über Bargeld verfügte, wurde durch den Liegenschaftsmakler Hellfried E*** zum Zwecke der Veranlagung des Verkaufserlöses mit dem Beklagten in Kontakt gebracht. Der Beklagte war Aktionär der T*** AG mit dem Sitz in der Schweiz, die in Istanbul im Hotel Hilton ein Spielkasino betrieb. Zur technischen Spielabwicklung bestand ein Übereinkommen mit der Ö*** S*** AG. Da sich die Ertragslage des Betriebes nicht günstig gestaltete, beschlossen die Aktionäre im August 1977, das Grundkapital von sfr 550.000 auf sfr 1,000.000 durch die Ausgabe von 450 neuen Inhaberaktien zu erhöhen, die Dr. Bernhard H*** als Treuhänder erwarb. Auch danach besserte sich die Ertragslage des Unternehmens nicht. Die Gewinn- und Verlustrechnung wies zum 31. Dezember 1978 einen Totalverlust von sfr 678.762,69 aus. Diese wurde in der Generalversammlung vom 7. November 1979, an der der Beklagte teilnahm, genehmigt. Der Beklagte hatte von dieser Geschäftsentwicklung genaue Kenntnis, weil er sich öfters in der Betriebsstätte in Istanbul nach dem Fortgang der Geschäfte erkundigte. Das Unternehmen konnte eine Steuernachzahlung, die sich aus einer Betriebsprüfung im Jahre 1979 ergab, nicht berichtigen. Es war auch notwendig, dem Unternehmen Bargeld zuzuführen, um laufende Verbindlichkeiten decken zu können. Entgegen den Informationen, die der Beklagte aus Istanbul erhielt, schilderte er dem Kläger die Anlage als durchaus rentabel und hob hervor, der Kläger könne mit Gewinnen in der Höhe von ca. 30 % des Kapitaleinsatzes pro Jahr rechnen. Der Kläger entsandte auch seine Steuerberaterin und seinen Sohn nach Istanbul, die sich an Ort und Stelle über die Lage des Unternehmens überzeugen sollten. Dort wurden diesen Personen unvollständige Unterlagen vorgezeigt, aus denen sich sogar ein Gewinn ergeben hätte. Damals waren die Bücher des Unternehmens von der türkischen Finanzverwaltung beschlagnahmt worden. Diese gab über Verlangen nur Abschriften heraus. Am 29. Oktober 1979 erhielt die Steuerberaterin des Klägers von der Kontrollstelle

K.E. B*** AG, Zürich, eine Zwischenbilanz per 30. September 1979 und eine Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Jänner 1979 bis 30. September 1979, in der ein Reingewinn von S 3,325.634,65 ausgewiesen war und ein Gewinn von S 3,180.859,78 als vorgetragen aufschien. Diese Ziffern waren jedoch unrichtig. Am 8. November 1979 trafen die Streitteile in der Filiale der Ö*** L*** in Ottakring zusammen, wo der Kläger dem Beklagten den Kaufpreis mittels zweier Schecks zahlen sollte. Bei dieser Unterredung war auch Robert M*** anwesend, der mit dem Beklagten in Geschäftsverbindung stand. Nachdem der Kläger dem Beklagten zwei Schecks über den Kaufpreis übergeben und von diesem die 75 Inhaberaktien ausgehändigt erhalten hatte, übergab der Beklagte einen der beiden Schecks dem Robert M*** zur Einlösung. In der Folge gelangte der Kläger in den Besitz von Protokollen der Generalversammlungen der AG. Am 31. Mai 1980 wurde der Kasinobetrieb in Istanbul behördlich geschlossen, weil entgegen dort bestehenden Gesetzen auch Inländer am Glückspiel teilnahmen. Aus dem Bericht des Leiters des Kasinos an den Vorsitzenden des Verwaltungsrates der AG ergibt sich, daß mit ausdrücklicher Zustimmung des Beklagten "polizeibekannte Kreise" den Kasinobetrieb praktisch übernommen hatten. Dem Beklagten, dem es bis dahin gelungen war, vermeintliche Gewinne nach Österreich zu bringen, wurde die Disposition entzogen.

Im November 1980 teilte der Verwaltungsrat Dr. Walter W*** den Aktionären mit, daß der Jahresabschluß 1979 einen Verlust bringen werde, so daß das gesamte Aktienkapital verloren sei. Der Kläger erwarb, bevor er über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens informiert worden war, noch weitere 25 Aktien. Am 9. Jänner 1981 berichtete die AG den Aktionären die Geschäftsentwicklung. Dabei legte sie dar, daß eine Wiedereröffnung des Kasinobetriebes zumindest so lange nicht möglich sei, als der Beklagte Gesellschafter sei. Um die Liquidität des Unternehmens zu erhalten, wurde eine Einzahlung von insgesamt US-$ 16.000 begehrt. Der Beklagte war Eigentümer der gegenständlichen Aktien. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, wer letztlich für wen Aktien gehalten hatte.

Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesem Sachverhalt, daß der Beklagte den Kläger durch List zum Kauf der Aktien veranlaßt habe. Die Täuschung könne auch durch Unterlassung der gebotenen Aufklärung erfolgen. Selbst unter der Annahme, daß sich der Kläger bewußt gewesen sei, Risikokapital zu veranlagen, hätte er über die Lage des Unternehmens entsprechend aufgeklärt werden müssen. Der Kläger sei daher zur Vertragsanfechtung nach § 870 ABGB berechtigt. Diese Rechtsfolge trete unabhängig davon ein, ob der Beklagte als "Eigentümer der Papiere" oder nur als Makler aufgetreten sei. Folge man der "Verantwortung" des Beklagten, er sei gar nicht der Eigentümer der Papiere gewesen, sei ihm gemäß § 875 ABGB entgegenzuhalten, daß er zumindest an der Handlung eines Dritten, der den Kläger getäuscht haben müsse, teilgenommen habe. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es verneinte das Vorliegen des Verfahrensmangels, der in der Unterlassung der Verlesung des Aktes 3 Cg 105/83 des Landesgerichtes Eisenstadt erblickt wurde, ergänzte das Beweisverfahren jedoch durch die Verlesung dieses Aktes und billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Rechtlich könne es keinem Zweifel unterliegen, daß der Beklagte, gleichgültig ob er eigene Aktien verkauft oder nur Vermittlerfunktion ausgeübt habe, leistungspflichtig sei. Der Beklagte habe trotz seiner Kenntnisse von der schlechten wirtschaftlichen Situation des Kasinobetriebes dem Kläger wahrheitswidrig vorgespiegelt, es sei eine hohe Rendite, allenfalls bis zu 30 % zu erwarten. Der Beklagte hafte daher gemäß § 870 ABGB, soweit er jedoch an der Handlung eines Dritten teilgenommen habe, gemäß § 875 ABGB. Zur Schadenersatzpflicht des Dritten habe die ständige Rechtsprechung zu § 1295 ABGB den Grundsatz entwickelt, daß eine durch einen Dritten veranlaßte Vertragsverletzung, ein wissentlicher Eingriff in bestehende Vertragsrechte oder eine wissentliche Beteiligung eines Dritten hieran diesen schadenersatzpflichtig mache, selbst wenn keine Arglist vorliege. Bei Arglist könne sich der Geschädigte jedenfalls an den Dritten halten. Die Verjährungseinrede schlage nicht durch, weil die Anfechtung wegen List erst nach 30 Jahren, der Schadenersatzanspruch zwar nach 3 Jahren, jedoch erst ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers verjähre.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens anzuändern; hilfsweise stellt der Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Übertragung von Inhaberaktien ist auch nach dem dafür maßgeblichen schweizerischen (Schwimann in Rummel ABGB, Rz 9 zu § 31 IPRG) Aktienrecht durch die wirkliche Übergabe der Aktien oder durch die Einhaltung bestimmter Traditionssurrogate aufgrund eines obligatorischen Rechtsgeschäftes möglich. Die Übertragung ist perfekt, wenn der Veräußerer über die Aktien verfügungsberechtigt ist oder der Erwerber bezüglich der Berechtigung des Veräußerers im guten Glauben war (Forstmoser, Meier-Hayoz, Einführung in das Schweizerische Aktienrecht2, 266). Auf das in Österreich geschlossene Verfügungsgeschäft (hier ein Kaufvertrag) sind im vorliegenden Fall die österreichischen Sachnormen anzuwenden, weil kein Hinweis dafür besteht, daß die daran Beteiligten nicht österreichische Staatsangehörige sind. Es liegt somit kein Sachverhalt mit einer Auslandsberührung im Sinne des § 1 IPRG vor. Es ist ein Grundprinzip des Stellvertretungsrechtes, daß, wer nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter eines anderen handeln will, dies eindeutig zum Ausdruck zu bringen hat (Offenlegungsgrundsatz; JBl 1983, 97; SZ 53/138; SZ 51/102 u.a.). Legt dies der Stellvertreter nicht offen, gilt das Geschäft als im eigenen Namen geschlossen (SZ 53/138). Einer Offenlegung bedarf es jedoch nicht, wenn dem anderen Teil ohne weiteres oder aus den Umständen erkennbar ist, daß nicht im eigenen Namen gehandelt wird (SZ 53/138; SZ 51/102), oder der andere Teil erkennbar auf eine Offenlegung verzichtet (SZ 54/11). Wer schließlich erkennbar (offenkundig) im Namen eines bestimmten Unternehmens handelt, berechtigt und verpflichtet den jeweiligen Unternehmensträger (SZ 57/198) mwN).

Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen brachte ein Liegenschaftsmakler den Kläger, der Geld anlegen wollte, mit dem Beklagten in Kontakt. Der Beklagte, der zu den Gründern der T*** AG gehörte und über den Betrieb des Spielkasinos in Istanbul laufend eigene Wahrnehmungen gemacht hatte, erörterte mit dem Kläger in mehreren Besprechungen die Zweckmäßigkeit der Geldanlage durch den Erwerb von Aktien an dieser Gesellschaft. Dabei versprach der Beklagte Gewinne von 30 %. Nachdem der Kläger auch eigene Recherchen an Ort und Stelle anstellen ließ, vereinbarten die Streitteile einen Termin zur Übergabe der 75 Inhaberaktien gegen Zahlung des Kaufpreises. Am 8. November 1979 kam es zwischen den Streitteilen tatsächlich zur Übergabe der Aktien an den Kläger, der den Kaufpreis in der bedungenen Form an den Beklagten leistete. Es konnte lediglich nicht festgestellt werden, ob der Beklagte (damals) auch der Eigentümer der 75 Inhaberaktien war.

Der Beklagte trat somit sowohl bei den Vorgesprächen, als auch bei der Übergabe der Aktien an den Kläger nicht in fremdem Namen auf. Da es sich um die Übertragung von Inhaberaktien handelte, war auch us den Umständen nicht offenkundig, daß der Beklagte im fremden Namen handeln wollte. Der Beklagte handelte schließlich auch nicht erkennbar im Namen eines bestimmten Unternehmens, wenn er Inhaberaktien aufgrund eines Kaufvertrages übergab. Auch die Übergabe eines Schecks aus der Kaufpreiszahlung an einen Dritten bewirkte nicht die Offenlegung einer Stellvertretung. Somit verkaufte der Beklagte dem Kläger die streitgegenständlichen Aktien im eigenen Namen. Die Frage, ob der Beklagte auch der Eigentümer der Aktien war, ist für die Beurteilung seiner Eigenschaft als Verkäufer nicht entscheidend, weil auch der Verkauf fremder Sachen grundsätzlich möglich ist (Aicher in Rummel ABGB Rz 15 zu § 1053) und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Beklagte nicht berechtigt gewesen wäre, die Aktien zu veräußern. Somit hängt die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch nur davon ab, ob der Beklagte Arglist zu verantworten hat. Im Hinblick auf die 30-jährige Verjährung der Anfechtung wegen Arglist kommt der Verjährungseinrede des Beklagten keine Berechtigung zu. Es muß auch nicht auf die schadenersatzrechtliche Haftung des Vertreters, dem arglistiges Verhalten zur Last fällt, gegriffen werden. Daher ist der von der Revision gerügte Feststellungsmangel über die Person des Verkäufers, der nur darin erblickt wird, daß keine Feststellungen über den Eigentümer der Aktien vorliegen, nicht gegeben. Wer von dem anderen Teil durch List oder ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrag veranlaßt worden ist, ist ihn zu halten nicht verbunden (§ 870 ABGB). List ist die rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung (Rummel a.a.O. Rz 2 zu § 870). Auch das Schweigen, die wissentliche Unterlassung der Mitteilung bekannter, dem anderen Teil unbekannter Tatsachen kann eine listige Veranlassung fremden Irrtums darstellen. Schließlich kann auch in der vorsätzlichen Verletzung von Aufklärungspflichten ein arglistiges Vorgehen liegen (Rummel a.a.O. Rz 4 zu § 870, Gschnitzer in Klang2 IV/1 110 f). Das Verhalten des Täuschenden und der Irrtum des Gegners muß für den Vertragsabschluß kausal sein (Rummel a.a.O. Rz 3 zu § 870). Dabei genügt, daß der Irrtum für den Vertragsinhalt ursächlich war (Gschnitzer a.a.O. 113). Auch der Motivirrtum rechtfertigt die Anfechtung wegen List (Rummel a.a.O. Rz 3 zu § 870, Gschnitzer a.a.O., 109 f). Die als subjektive Meinung dargestellte Kursentwicklung, die für den Vertragswillen einer Partei bestimmend ist, begründet ebenfalls Arglist, wenn der Erklärende selbst nicht an die Richtigkeit dieser Meinung glaubt (Gschnitzer a.a.O., 110). Wer einen Vertrag wegen arglistiger Irreführung anficht, hat gemäß § 877 ABGB nicht nur alle aus dem Vertrag erhaltenen Vorteile zurückzustellen, sondern ist gemäß § 1435 ABGB auch berechtigt, die aufgrund des angefochtenen Vertrages bereits erbrachten Leistungen zurückzuverlangen (SZ 56/135).

Im vorliegenden Fall erklärte der Beklagte dem Kläger, daß die Aktien Erträge bis zu 30 % erbringen können, obwohl ihm als Gründer der AG, der sich in der Folge auch laufend über den Geschäftsgang der Betriebsstätte in Istanbul informiert und häufig an Ort und Stelle aufgehalten hatte (und vermeintliche Gewinne selbst nach Österreich transferierte), bekannt war, daß schon im Jahre 1977 eine Kapitalerhöhung wegen der ungünstigen Ertragslage des Unternehmens erforderlich war, daß sich die Ertragslage danach nicht besserte und daß die türkische Finanzverwaltung im Sommer 1979 wegen diverser Unstimmigkeiten die Geschäftsunterlagen und Bücher beschlagnahmt hatte. Am 8. November 1979 übergab der Beklagte dem Kläger die 75 Inhaberaktien um einen Kaufpreis, der etwa dem Zwölffachen des Nominalbetrages entsprach, obwohl er am Tage zuvor in der ersten Generalversammlung zur Kenntnis genommen hatte, daß die Gesellschaft im Jahre 1978 einen Totalverlust von sfr 678.762,69 (bei einem Grundkapital von sfr 1,000.000) zu verzeichnen hatte. Dem Beklagten waren somit Schwierigkeiten des Unternehmens mit türkischen Behörden und die schlechte Ertragslage bekannt. Wenn er dennoch dem Kläger gegenüber vorgab, es seien Erträge bis 30 % zu erwarten, gab er entgegen seinen Wissensstand unrichtige Erklärungen ab und handelte somit vorsätzlich im Sinne des § 870 ABGB. Nach Treu und Glauben hätte der Beklagte dem Kläger die ihm am Tag vor der Übergabe der Aktien bekanntgewordenen Verluste des Geschäftsjahres 1978 auch nicht verschweigen dürfen. Bei dieser Sachlage muß davon ausgegangen werden, daß der Kläger in Kenntnis dieser Umstände die Aktien nicht um einen Kaufpreis, der ca. das Zwölffache des Nennwertes der Aktien betrug, erworben hätte. Unter Zugrundelegung dieser Umstände wäre nämlich die in Aussicht gestellte Rendite nicht plausibel gewesen. Somit war der Irrtum des Klägers zumindest für den Vertragsinhalt kausal. Ob der Beklagte Kenntnis davon hatte, daß der Steuerberaterin des Klägers und dessen Sohn im Kasinobetrieb in Istanbul unrichtige bzw. unvollständige Unterlagen gezeigt wurden, ist nicht von Bedeutung, weil es nicht mehr darauf ankommt, ob der Beklagte auch an weiteren Täuschungshandlungen Dritter teilnahm oder von denselben offenbar wissen mußte (§ 875 ABGB).

Soweit der Beklagte in seiner Revision darzustellen versucht, er habe selbst noch am 8. November 1979 geglaubt, daß die von ihm angegebene Ertragslage realistisch sei, geht er nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Zu Unrecht meint er auch, die schlechte Ertragslage des Unternehmens habe von ihm erst nach dem Verkauf der Aktien an den Kläger erkannt werden können. Die "Gewinnausschüttungen" an den Kläger, auf die sich der Beklagte dabei beruft, sind nicht aufgrund tatsächlich erzielter Gewinne vorgenommen worden. Daher konnte der Beklagte aus dem Umstand, daß der Kläger Zahlungen wegen des Aktienbesitzes erhalten hat, nicht auf eine günstige Ertragslage des Unternehmens schließen. Was mit den tatsächlichen Zahlungen an den Kläger bezweckt werden sollte, ist unerheblich. Der Hinweis in der Revision, der Beklagte habe die Haftung für die "Richtigkeit der Aktien", womit die Haftung für den Ertrag gemeint gewesen sei, anläßlich der Übergabe ausgeschlossen (Beilage C), ist als Neuerung im Revisionsverfahren unbeachtlich. Der Kläger hätte aber auf das Anfechtungsrecht nach § 870 ABGB im voraus nicht wirksam verzichten können (Rummel a.a.O. Rz 8 zu § 870). Da der Anspruch auf die Anfechtung nach § 870 ABGB innerhalb von 30 Jahren verjährt, kann aus dem Umstand, daß der Kläger diesen erst ca. drei Jahre nach dem Vertragsabschluß geltend machte und dem Beklagten nicht unverzüglich nach der Kenntnisnahme von den wahren Tatsachen erklärte, er werde von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch machen, nichts im Sinne der weiteren Vorstellungen der Revision gewonnen werden. Die Geltendmachung der Anfechtung wegen Arglist hängt nämlich weder von einer rechtzeitigen "Mängelrüge" ab, noch liegt im bloßen Verstreichenlassen eines bestimmten Zeitraumes bis zur Anfechtung eine - dem österreichischen Recht fremde (SZ 34/106; SZ 49/127) - Verwirkung des Anfechtungsrechtes. Die allein maßgeblichen Tatumstände, die dem Beklagten schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Kläger bekannt waren, begründen das Anfechtungsrecht des Klägers, ohne daß auf die späteren Ereignisse (wie die Schließung des Unternehmens und die Berichte über die Verluste) zurückgegriffen werden müßte. Unzutreffend ist auch der als Rechtsrüge zu wertende Vorwurf (RZ 1967, 105), daß die Feststellungen der Vorinstanzen gegen die Denkgesetze und die Erfahrungen des täglichen Lebens verstoßen. Diese begründeten nämlich die Feststellungen über die Kenntnis des Beklagten vom schlechten Geschäftsgang nämlich nicht ausschließlich mit Ereignissen, die erst nach dem Verkauf der Aktien an den Kläger stattfanden.

Da schon die Anfechtung gemäß § 870 ABGB berechtigt ist, war nicht mehr zu prüfen, ob auch der Aktienkauf nach § 22 DevG nichtig ist.

Der Revision konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12130

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00722.86.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19870709_OGH0002_0070OB00722_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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