TE OGH 1989/2/23 13Os20/89

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Veröffentlicht am 23.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Februar 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger (Berichterstatter), Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Telfser als Schriftführers in der Strafsache gegen Michael R*** und andere wegen des Verbrechens nach § 12 SuchtgiftG. und anderer strafbaren Handlungen über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 14.Juni 1988, GZ. 34 b Vr 1798/87-69, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts Linz vom 14.Juni 1988, AZ. 34 b Vr 1798/87, verletzt im Ausspruch über die Verhängung von Wertersatzstrafen nach § 19 Abs. 1 lit. a FinStrG. die Bestimmungen der §§ 13 Abs. 2, dritter Satz, und 12 Abs. 5, vierter Satz, SuchtgiftG.

Dieser Ausspruch wird aufgehoben und es wird gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3, zweiter Satz, StPO. die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen. Mit ihren Berufungen gegen die Wertersatzstrafen werden die Angeklagten Michael R*** und Friedrich B*** auf das aufhebende Erkenntnis verwiesen.

Zur gemeinsamen Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Michael R*** und Friedrich B***, soweit diese Rechtsmittel über die Anfechtung der Wertersatzstrafen hinausgehen, sowie über allfällige Rechtsmittel gegen das im erneuerten Verfahren zu fällende Urteil werden die Akten erst im zweiten Rechtsgang dem zuständigen Rechtsmittelgericht vorzulegen sein.

Text

Gründe:

Der Disponent Friedrich B*** und der Angestellte Michael R*** wurden des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 (erster Fall), Abs. 3 Z. 3 SuchtgiftG., teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB., teilweise als Beteiligte gemäß § 12, letzter Fall, StGB., sowie (in Tateinheit hiemit) des Finanzvergehens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a und 13 FinStrG. (teils als Beteiligte gemäß § 11, letzter Fall, FinStrG.), Friedrich B*** überdies des Vergehens gemäß § 36 Abs. 1 Z. 2 WaffG., ferner die Kindergärtnerin Sabine K*** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 (erster Fall) und Abs. 3 Z. 3 SuchtgiftG. (teils als Beteiligte gemäß § 12, dritter Fall, StGB.) sowie des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG. (teils als Beteiligte gemäß § 11, letzter Fall, FinStrG.) schuldig erkannt. Gemäß § 12 Abs. 3 SuchtgiftG. (unter Anwendung des § 28 StGB. auf Friedrich B*** und des § 41 StGB. auf Sabine K***) wurden Friedrich B*** und Michael R*** zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren, von denen jeweils ein Teil von 16 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (§ 43 a Abs. 3 StGB.), und Sabine K*** zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, welche gemäß § 43 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Überdies wurden gemäß § 38 Abs. 1 FinStrG. Geldstrafen verhängt, und zwar über Friedrich B*** von 379.050 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 1/2 Monate), über Michael R*** von 417.050 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Monate) und über Sabine K*** von 271.300 S (Ersatzfreiheitsstrafe 2 1/2 Monate). Diese Geldstrafen wurden unter Bestimmung einer Probezeit von je drei Jahren bedingt nachgesehen (§ 26 Abs. 1 FinStrG.).

Gemäß § 19 Abs. 1 lit. a FinStrG. (i.d.F. vor dem Bundesgesetz vom 7.Juli 1988, BGBl. 414) wurden überdies Wertersatzstrafen auferlegt, und zwar den Angeklagten Friedrich B*** und Michael R*** von je 300.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen 3 Monate) und der Sabine K*** von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage). Auf die verhängten Strafen wurden die jeweils von den Angeklagten erlittenen Vorhaften gemäß § 38 StGB. (richtig: auch nach § 23 Abs. 4 FinStrG.) angerechnet. Ferner ergingen Einziehungserkenntnisse gemäß § 13 Abs. 1 und 3 SuchtgiftG. hinsichtlich des beschlagnahmten Rauschgifts und eines zum Suchtgifttransport verwendeten Fahrzeugs und gemäß § 26 Abs. 1 StGB. hinsichtlich einer verbotenen Waffe sowie ein Verfallerkenntnis nach § 13 Abs. 2 SuchtgiftG. hinsichtlich eines beschlagnahmten Suchtgifterlöses. Dieses Urteil ist in Ansehung der Angeklagten Sabine K*** in Rechtskraft erwachsen; ihr wurde bereits gemäß § 409 a Abs. 1 StPO. die ratenweise Bezahlung des nicht durch die Vorhaft verbüßten Restes der Wertersatzstrafe bewilligt (ON. 82). Über die Strafberufungen des Angeklagten Friedrich B***, der u.a. die Herabsetzung oder die bedingte Nachsicht der Wertersatzstrafe anstrebt, und des Angeklagten Michael R***, der u.a. die teilweise oder gänzliche bedingte Nachsicht der Wertersatzstrafe begehrt, wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Die Verhängung von Wertersatzstrafen nach § 19 FinStrG. steht mit dem Gesetz nicht im Einklang: Mit Inkrafttreten der Suchtgiftgesetznovelle 1985 BGBl. 184 am 1.September 1985 sind nämlich die Bestimmungen des § 19 FinStrG. über den Wertersatz in ihrem Überschneidungsbereich mit § 13 Abs. 2 SuchtgiftG. infolge materieller Derogation unanwendbar geworden, weil die im § 13 Abs. 2 (i.V.m. § 12 Abs. 5, vierter Satz) SuchtgiftG. unter bestimmten Voraussetzungen zwingend vorgesehene Abstandnahme von der Verhängung einer Wertersatzstrafe ("Härteklausel") mit den eine solche Möglichkeit nicht vorsehenden Anordnungen des § 19 FinStrG. logisch unvereinbar ist (EvBl. 1987/127 = RZ. 1987/49; 13 Os 54/88; 14 Os 77/88; 11 Os 88/88). An der einmal eingetretenen Derogation eines Gesetzes vermag dessen spätere Novellierung nichts zu ändern. Auch nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 7.Juli 1988 BGBl. 414 am 1.August 1988, womit dem § 19 Abs. 5 FinStrG. eine - andersartige - Härteklausel einverleibt wurde, ist daher im Überschneidungsbereich des § 13 Abs. 2 SuchtgiftG. mit § 19 FinStrG. die Verhängung einer Wertersatzstrafe weiterhin nur nach, d.h. unter den speziellen Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 SuchtgiftG. zulässig. Im übrigen läßt § 19 Abs. 5 FinStrG. n.F. ein gänzliches oder teilweises Absehen von der Auferlegung des Wertersatzes oder Wertersatzanteils nur zu, wenn diese ansonst nach wie vor zwingend vorgesehenen Sanktionen zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis stünden. Diese Voraussetzung deckt sich aber, wie bereits oben verwiesen, keineswegs mit jenen für das Absehen von der Verhängung einer Wertersatzstrafe nach § 13 Abs. 2, dritter Satz, SuchtgiftG. i.V.m. § 12 Abs. 5, vierter Satz, leg.cit., worin darauf abgestellt wird, inwieweit die Strafe die Wiedereingliederung eines dem Mißbrauch eines Suchtgifts ergebenen Verurteilten gefährdet. Die Unvereinbarkeit des Finanzstrafrechts mit dem Suchtgiftgesetz im Sanktionsbereich des Wertersatzes ist damit nicht beseitigt, ganz abgesehen von der schon oben dargetanen Unabänderlichkeit der einmal eingetretenen materiellen Derogation. Die Frage, ob dem gemäß § 292 StPO. ergehenden Erkenntnis eine konkrete Wirkung zu verleihen ist, wurde bejaht: Es ist nicht auszuschließen, daß die Angeklagten R***, B*** und K*** infolge der rechtsirrigen Anwendung des § 19 FinStrG. an Stelle des § 13 Abs. 2 SuchtgiftG. benachteiligt wurden. Außer der zu bedenkenden Unzulässigkeit bedingter Nachsicht der Strafe des Wertersatzes gemäß § 26 Abs. 1, letzter Satz, FinStrG. ergeben sich aus der Aktenlage Anhaltspunkte dafür, daß die Angeklagten - wenn schon nicht im Zeitpunkt der Verurteilung, so doch zur Tatzeit (Bericht des Justizausschusses zur SuchtgiftGNov. 1985, 586 BlgNR. 16. GP. S. 5) - dem Mißbrauch des jeweils für längere Zeit konsumierten Rauschgifts Haschisch (im Sinn einer psychischen Abhängigkeit: siehe Erl. II zu § 12 SuchtgiftG. in Foregger-Litzka) ergeben gewesen sind. Die allerdings nicht einheitlich in diese Richtung gehenden Hinweise im Akteninhalt auf Dauer, Intensität und Auswirkungen des Haschischkonsums der Angeklagten (bezüglich Berger Bd. I S. 52, 61 und 65 unten jeweils in ON. 8, ferner Bd. I S. 220, 501 und verso; bezüglich R*** Bd. I S. 125, 159, 197, 220 f., 227, 506 und 507; bezüglich K*** Bd. I S. 153, 163 vorletzter Absatz, 197 unten, 225, 243, 507 dritter Absatz) veranlaßten das Erstgericht, welches die Wertersatzstrafen jedenfalls auf § 19 FinStrG. stützen zu können vermeinte, nicht zur eindeutigen Klärung der für die Härteklausel (Resozialisierungsvorschrift) des § 12 Abs. 5, vierter Satz, SuchtgiftG. maßgebenden Umstände. Entsprechende Urteilsfeststellungen werden daher in einem zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.

Der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Beschwerde war daher stattzugeben und gemäß § 292 StPO. wie eingangs zu erkennen.

Anmerkung

E16722

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00020.89.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19890223_OGH0002_0130OS00020_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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