TE OGH 1989/8/1 15Os89/89 (15Os90/89)

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Veröffentlicht am 01.08.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Karl P*** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 14.November 1988, GZ 1 U 644/88-21, sowie gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 9. Februar 1989, AZ 13 d Bl 71/89, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Privatanklagevertreters Dr. Kellner, der Privatankläger Rudolf O***, Elisabeth P*** und Anna F***, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 14.November 1988, GZ 1 U 644/88-21, wurde Dr. Karl P*** des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 8. Februar 1988 in Wien Anna O***, Anna F***, Elisabeth P***, Leopoldine S***, Gertraud S***, Maria O***,

Hermine S*** und Rudolf O*** eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt hat, das geeignet war, die Genannten in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen, indem er gegenüber dem Presseoffizier des Militärkommandos Niederösterreich Amtsrat Johann D*** in einem Ferngespräch (- unter Bezugnahme auf eine geplante Bundesheerübung -) behauptete, daß der Gutshof "D***" in Buchberg 7, Reinsberg, ein Zentrum der Geheimprostitution sei, daß sich der Besitzer dieses Gutes Rudolf O*** dem Wehrdienst entzogen habe und daß sich dessen Mutter und Schwester der Geheimprostitution hingeben. Den vom Beschuldigten für diese Behauptungen angebotenen Wahrheitsbeweis erachtete das Erstgericht als nicht erbracht, der Strafausschließungsgrund des Beweises des guten Glaubens wurde ihm ungeachtet der ausdrücklichen Urteilsannahme, an die Richtigkeit der inkriminierten Anschuldigungen geglaubt zu haben, mangels (objektiv) hinreichender Gründe für diese Überzeugung verwehrt (US 4, 5). Eine "Straflosigkeit nach § 114 StGB" kam nach Auffassung des Erstgerichtes nicht in Frage, weil der Beschuldigte angesichts des Umstandes, daß es sich "um sehr gravierende Anschuldigungen gegen einen größeren Personenkreis handelte und er damit rechnen mußte, daß auf Grund seiner Angaben Ermittlungen gegen die Familie O*** durchgeführt werden", verpflichtet gewesen wäre, "bereits vor dem gegenständlichen Strafverfahren Umstände zu ermitteln, aus denen auch objektiv mit hinreichender Sicherheit auf die Richtigkeit der Informationen hätte geschlossen werden können" (US 10, 11). Die vom Beschuldigten gegen dieses Urteil erhobene Berufung wegen Nichtigkeit wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 9.Februar 1989, AZ 13 d Bl 71/89 (= ON 27 d.A des Strafbezirksgerichtes Wien), zurückgewiesen, seiner Berufung wegen Schuld wurde nicht Folge gegeben. Den Einwand der Ausübung einer Rechtspflicht oder eines Rechtes im Sinn des § 114 (ergänze: Abs. 1) StGB verwarf das Berufungsgericht mit dem Hinweis, daß der Angeklagte "nicht von seinem Recht als Anzeiger Gebrauch machte, sondern die in Rede stehende Mitteilung mit dem Zweck erfolgte, daß im Bereich des Hofes D*** eine vorgesehene Militärübung nicht durchgeführt wird" (AS 141).

Die Generalprokuratur vermeint, die genannten Urteile des Strafbezirksgerichtes Wien und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien stünden mit dem Gesetz nicht im Einklang und erhob gemäß § 33 StPO Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, in welcher ausgeführt wird:

"Nach § 114 Abs. 1 StGB ist eine nach § 111 StGB tatbildliche Handlung gerechtfertigt, wenn der Täter hiedurch eine Rechtspflicht erfüllt oder ein Recht ausübt. In Ausübung eines Rechtes handelt unter anderem, wer bei Gericht oder bei einer Verwaltungsbehörde Anzeige wegen eines Sachverhaltes erstattet, der seiner Auffassung nach den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte bzw der Verwaltungsbehörden fallenden strafbaren Handlung bildet. Eine derartige Rechtsausübung setzt weder die Wahrheit der ehrenrührigen Behauptungen voraus, noch ist es - dem ersichtlich vom Erstgericht vertretenen Rechtsstandpunkt zuwider - erforderlich, daß der Anzeiger an die Wahrheit seiner Angaben aus objektiv hinreichenden Gründen glaubte; allein eine Anzeige wider besseres Wissen läßt die Rechtfertigung entfallen (Leukauf-Steininger2 RN 4, Foregger im WK Rz 5 f; Foregger-Serini4 Erl I und II/2, Kienapfel BT I2 Rz 5 f, 8 ff; je zu § 114 StGB und die dort zitierte Judikatur; zuletzt auch 14 Os 70,71/89).

Im vorliegenden Fall hat der Beschuldigte den (nach der gegebenen Aktenlage unbedenklichen) Urteilsannahmen zufolge dem Militärkommando Niederösterreich, sohin einer Verwaltungsbehörde, gutgläubig einen Sachverhalt zur Kenntnis gebracht, dem der konkret geäußerte Verdacht des Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung nach § 11 Abs. 3 MilStG (demnach einer primär von den Militärbehörden zu erhebenden Tat) und von Verwaltungsübertretungen nach dem NÖ Prostitutionsgesetz (Gesetz vom 12.Juli 1984, LGBl 4.0005-0) zu entnehmen war. Der Beschuldigte hat demnach - nach der gegebenen Fallgestaltung ersichtlich bewußt - ein jedermann zustehendes Recht zur Anzeigeerstattung ausgeübt, woran weder der Umstand der Befassung einer zur Prüfung der Anschuldigung der Geheimprostitution unzuständigen Behörde noch die vom Berufungsgericht (im übrigen unzulässiger Weise ohne Beweisergänzung) getroffene Feststellung der vom Beschuldigten bezweckten Verhinderung einer Militärübung etwas zu ändern vermögen:

Zum einen ist nämlich jede Verwaltungsbehörde kraft gesetzlicher Vorschrift verpflichtet, bei ihr eingelangte Anbringen (- so wie auch vorliegend, siehe insbesondere Aussage des Zeugen P***, AS 82 -) an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen (§ 6 Abs. 1 AVG), zum anderen bleibt, was das Berufungsgericht übersehen hat, das Vorliegen einer bestimmten Motivation des Anzeigers für die Annahme bewußter Rechtsausübung ohne Bedeutung (vgl Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr 8 zu § 114). Dem Beschuldigten kommt sohin der Rechtfertigungsgrund nach § 114 Abs. 1 StGB zugute."

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 114 Abs. 1 StGB ist eine in den §§ 111 oder 113 StGB genannte Handlung gerechtfertigt, wenn durch sie eine Rechtspflicht erfüllt oder ein Recht ausgeübt wird.

Eine Rechtspflicht im genannten Sinn erfüllt etwa, wer als Zeuge oder Prozeßpartei wahrheitsgemäß Ehrenrühriges aussagt. Ein Recht hingegen übt z.B. aus, wer als Rechtsanwalt und Strafverteidiger, Richter oder Staatsanwalt Ehrenrühriges vorbringt, sofern diese Äußerungen einerseits in Ausübung des Berufes und zusätzlich nicht wider besseres Wissen erfolgen. Es handelt aber auch der Anzeiger einer strafbaren Handlung oder eines Sachverhalts, der nach seiner Auffassung den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte oder der Verwaltungsbehörde fallenden strafbaren Handlung bildet, rechtmäßig, sofern er nicht bewußt wahrheitswidrig vorgeht (vgl Leukauf-Steininger, Komm2, RN 2-4 zu § 114).

Auf den gegenständlichen Fall bezogen scheiden bei Prüfung der Anwendbarkeit des § 114 Abs. 1 StGB nach dem Vorgesagten die Fälle der Erfüllung einer Rechtspflicht aus, ebenso jene einer Rechtsausübung durch Rechtsanwalt, Strafverteidiger, Richter oder Staatsanwalt. Zu untersuchen bleibt daher, ob Dr. P*** bei dem ihm angelasteten Verhalten das jedermann zustehende Anzeigerecht gemäß § 86 Abs. 1 StPO oder § 13 Abs. 1 AVG ausgeübt hat.

Davon kann aber nach der Aktenlage keine Rede sein: Denn Dr. P*** hat am 8.Februar 1988 keine Strafanzeige erstattet, sondern im Zuge eines Telefongespräches dem Presseoffizier des Militärkommandos Niederösterreich mitgeteilt, daß der Hof D*** in Buchberg 7, Reinsberg ein Zentrum der Geheimprostitution sei, dessen Besitzer sich dem Wehrdienst entzogen habe und dessen Mutter und auch seine Schwester der Geheimprostitution nachgingen. Wie das Berufungsgericht - entgegen der Meinung der Generalprokuratur zulässig, weil im Zuge des Berufungsverfahrens eine Beweisergänzung durchgeführt und auch der Angeklagte dabei vernommen wurde - feststellte, war Motiv für die Tathandlung ausschließlich, daß eine im Bereich des Hofes D***, an welchen ein Grundstück Dris. P*** angrenzt, vorgesehene Militärübung nicht durchgeführt wird.

Sonach hat der Genannte - als er am 8.Februar 1988 mit dem Presseoffizier des Militärkommandos Niederösterreich telefonierte - in Wahrheit gar kein Recht zur Anzeigeerstattung ausgeübt. Der Rechtfertigungsgrund des § 114 Abs. 1 StGB kann ihm daher nicht zugutekommen.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.

Anmerkung

E18248

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00089.89.0801.000

Dokumentnummer

JJT_19890801_OGH0002_0150OS00089_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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