TE OGH 1989/11/16 12Os145/89

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Veröffentlicht am 16.11.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat am 16.November 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in dem Verfahren zur Unterbringung des Johann K*** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 31.Juli 1989, GZ 11 Vr 3158/88-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Graz zugemittelt.

Text

Gründe:

Der am 3.März 1943 geborene Johann K*** wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB eingewiesen, weil er - wie sich allein aus den Urteilsgründen, nicht auch aus dem Urteilssatz ergibt - am 26. Dezember 1988 in Edelsgrub unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, nämlich einer auf hochgradigem Schwachsinn beruhenden Dispositionsunfähigkeit, Alois W*** mit Gewalt gegen seine Person, indem er ihn zu Boden stieß und mit den Fäusten auf ihn einschlug, 1.000 S weggenommen hat. Der Betroffene Johann K*** bekämpft dieses Urteil mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 3 (§ 433 Abs. 1) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Er sieht den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund darin verwirklicht, daß sich der Spruch des Einweisungserkenntnisses (von der Zurückweisung eines Privatbeteiligtenanschlusses abgesehen) ohne jede Individualisierung der Anlaßtat auf den Ausspruch der Einweisung beschränkt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 430 Abs. 2 StPO ist zwar die öffentliche mündliche Hauptverhandlung, nach welcher über den Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher durch Urteil zu erkennen ist, in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des XVIII. und XIX. Hauptstückes der Strafprozeßordnung durchzuführen; sinngemäß gilt daher für das Einweisungserkenntnis auch die im XVIII. Hauptstück enthaltene Bestimmung des § 260 StPO, womit insbesondere die in Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO dieser Bestimmung normierten, unter Nichtigkeitssanktion stehenden Urteilserfordernisse zu beachten sind. Demzufolge ist das Beschwerdedesiderat, daß ein derartiges Erkenntnis im Urteilstenor auszusprechen habe, welche Anlaßtat der Betroffene (unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes) begangen hat (Z 1) und als welche strafbare Handlung ihm die Tat außerhalb dieses Zustandes zuzurechnen gewesen wäre (Z 2), woran sich dann erst der Ausspruch der Einweisung selbst anzuschließen hat (Z 3), berechtigt (Foregger-Serini4 Erl I zu § 430 StPO; 12 Os 153/88; zuletzt 15 Os 47/89). Gemäß § 281 Abs. 3 (§ 433 Abs. 1) StPO können allerdings die unter § 281 Abs. 1 Z 2, 3 und 4 StPO erwähnten Nichtigkeitsgründe zum Vorteil des Angeklagten (hier: Betroffenen) nicht geltend gemacht werden, wenn unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten (Betroffenen) nachteiligen Einfluß üben konnte. Das aber ist hier der Fall. Ergibt sich doch aus den (mit dem Spruch als Einheit zu verstehenden) Urteilsgründen unmißverständlich, daß die Einweisung des Betroffenen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher darauf beruht, daß Johann K*** unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), nämlich einer auf hochgradigen Schwachsinn zurückzuführenden Dispositionsunfähigkeit, durch die gewaltsame Wegnahme von Bargeld eine Tat begangen hat, die ihm außer diesem Zustand als das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB zuzurechnen gewesen wäre und die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist (S 172 bis 175). Da die Entscheidungsgründe auch die in § 21 Abs. 1 StGB geforderte ungünstige Gefährlichkeitsprognose enthalten (S 174, 175), reduziert sich die dem Erstgericht unterlaufene (an sich unter Nichtigkeitssanktion stehende) Unvollständigkeit des Urteilsspruchs auf einen bloßen Formalverstoß, von dem angesichts der expliziten Urteilsgründe unzweifelhaft erkennbar ist, daß er - auch von der Beschwerde unbestritten - einen dem Betroffenen nachteiligen Einfluß nicht zu üben vermochte. Der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 3 StPO kann daher im Hinblick auf § 281 Abs. 3 erster Satz StPO hier zum Vorteil des Betroffenen nicht geltend gemacht werden. Die, wie dargelegt, offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die (rechtzeitig angemeldete, in der Folge zwar nicht ausgeführte, bisher jedoch auch nicht zurückgezogene) Berufung wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Graz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E18964

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00145.89.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19891116_OGH0002_0120OS00145_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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