TE OGH 1989/11/23 13Os123/89

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Veröffentlicht am 23.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.November 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger (Berichterstatter), Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Lassmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johannes M*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 26.April 1989, GZ. 8 d Vr 11.514/88-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, des Angeklagten Johannes M*** und der Verteidigerin Dr. Wolf zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 22.September 1947 geborene Johannes M*** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 9.Dezember 1987 (sowie am 7. August 1987, siehe S. 210) in Wien als Technischer Kommissär der Magistratsabteilung 46 (Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten) mit dem Vorsatz, den Staat an seinem dem Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vorbehaltenen Recht auf ausnahmsweise Erlassung eines Einzelgenehmigungsbescheids für ein den österreichischen Normen nicht entsprechendes Kraftfahrzeug zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde Wien als deren Organ (in mittelbarer Bundesverwaltung: Art. 10 Abs 1 Z. 9 und 102 Abs 1, erster Satz, B-VG) in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, und zwar die Ausstellung von sogenannten "Interimsscheinen" vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er dem Fahrzeughändler Franz S*** für zwei Personenkraftwagen (BMW 318 i und 520 i), welche den österreichischen Abgasbestimmungen nicht entsprachen, unter einer Geschäftszahl seiner Dienststelle je eine mit einem amtlichen Rundsiegel und einer Paraphe versehene Interimsbescheinigung (gutächtliche Stellungnahme), mit welcher eine vorläufige Zulassung der Fahrzeuge beim Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien möglich war, den Bestimmungen des § 37 Abs 4 KFG zuwider aushändigte und im Interimsschein für den Kraftwagen BMW 520 i die Angabe der Motorleistung von 92 kw auf 88 kw abänderte. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Eine Unvollständigkeit oder ein Widerspruch (Z. 5) ist dem Erstgericht durch die Verwendung der synonymen Bezeichnungen (S. 205, 207, 210 in Verbindung insbesondere mit S. 186) "Interimsbescheinigung", "Interimsschein" und "gutächtliche Bescheinigung gemäß § 37 Abs 4 KFG" für den vom Angeklagten mit dem amtlichen Rundsiegel und seiner Paraphe versehenen und dem Fahrzeughändler Franz S*** übergebenen Formularausdruck nicht unterlaufen (vgl. die Wiedergabe der Gesetzesmaterialien zur geltenden Fassung des § 37 Abs 4 KFG in Dittrich-Veit-Veit). Ebensowenig ist die Urteilsannahme, dem Angeklagten sei die Stellung und Funktion eines Sachverständigen zugekommen, mit der Feststellung unvereinbar, wonach er die erwähnten Formulare dem Franz S*** überließ, damit dieser die Zulassung der betreffenden Fahrzeuge beim Verkehrsamt erwirken könne (S. 207, 211 oben, 213, 215 unten, 216, 220). Die rechtliche Beschränkung eines Beamten auf einen bestimmten funktionellen Zuständigkeitsbereich vermag eine faktische Überschreitung dieses Bereichs keineswegs auszuschließen.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang sowie im Hinblick auf das Fehlen einer Unterschrift unter dem Ausdruck "Für den Landeshauptmann" den Bescheidcharakter der Formulare bestreitet, gehört sein Vorbringen der Sache nach zur Rechtsrüge (Z. 9 lit a), auf welche später einzugehen sein wird.

Jene Ausführungen der Mängelrüge, denenzufolge es "wohl nicht möglich" sei, einen nicht unterfertigten Bescheid absichtlich zu einem unterfertigten Bescheid zu machen, gehen am Kern der Urteilsfeststellung vorbei, daß der Angeklagte den gegenständlichen Formularen "absichtlich das Aussehen eines echten Bescheides gegeben (hat), um damit die widerrechtliche Zulassung ... beim Verkehrsamt zu erreichen" (S. 211 Mitte). Mit dieser Formulierung brachte das Erstgericht - wie auch mit dem Vorwurf, der Angeklagte habe "gefälschte Bescheide erlassen" (S. 220 Mitte) - der Sache nach nur zum Ausdruck, es sei dem Angeklagten darauf angekommen, beim Verkehrsamt den Eindruck zu erwecken, die Magistratsabteilung 46 habe festgestellt, daß das jeweilige Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes und der hiezu erlassenen Verordnungen entspreche. Diese Annahme ist - der Mängelrüge zuwider - vom Schöffengericht mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang gebracht, indem es auf die auf dem Verkehrsamt der Polizeidirektion Wien herrschende Hektik verwies (S. 216 oben). Damit wird ersichtlich auf die notorische und darum nicht beweisbedürftige Tatsache Bezug genommen, daß bei der massenweisen Erledigung der Zulassungsgesuche durch das Verkehrsamt schlechterdings nicht zu erwarten ist, daß das Fehlen eines weiteren Namenszugs (neben der Paraphe) auf einem eindeutig von der zuständigen Magistratsabteilung stammenden, mit deren Rundsiegel und einer Geschäftszahl versehenen Formular auffällt.

Die in der Mängelrüge bekämpfte Feststellung, das Budesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr weise im Normalfall, namentlich bei Einreichung durch einen Autohändler, Anträge auf ausnahmsweise Genehmigung von Kraftfahrzeugen ab, die den seit 1987 verschärften österreichischen Abgasbestimmungen nicht entsprechen (S. 209), betrifft keineswegs eine

entscheidende - d.h. für die rechtliche Unterstellung oder die Anwendung eines bestimmten Strafsatzes maßgebende - Tatsache: Wie noch zur Rechtsrüge auszuführen sein wird, ist für die Annahme des Schädigungsvorsatzes (§ 302 StGB) keineswegs die Erwartung ausschlaggebend, das Ministerium werde dem Franz S*** Ausnahmegenehmigungen für die betreffenden Fahrzeuge verweigern. Genug daran, daß der Angeklagte die Gesuche des S*** überhaupt jeglicher Überprüfung - insbesondere durch die Zentralbehörde, die sich gerade für solche Fälle die Erteilung der Ausnahmegenehmigung vorbehalten hatte - entzog.

Zutreffend ist allerdings, daß der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung keineswegs gesagt hat, der Vermerk "Ansuchen" (richtig: "Ausnahme") "BM f. Verkehr" unter der Rubrik M*** im Akt P 7350/87 der Magistratsabteilung 46 (S. 35) stamme nicht von seiner Hand. Die Antwort des Angeklagten auf Seite 182 unten bezog sich auf einen Vorhalt des Vorsitzenden betreffend den Mängelvermerk "Gebühr" auf Seite 35, welcher - im Gegensatz zum Vermerk: "Ausnahme BM f. Verkehr" - auch nicht die charakteristischen Handschriftmerkmale des Beschwerdeführers aufweist (vgl. S. 19, wo der Zusatz "Ausnahme BM f. Verkehr" dem Angeklagten zugeschrieben wird; siehe auch den ihm gemachten Vorhalt am Beginn des Vernehmungsprotokolls S. 101). Die Urteilsunterstellung, die Eintragung "Ansuchen" (richtig: "Ausnahme") "BM f. Verkehr" habe der Beschwerdeführer nicht gemacht (S. 219), bleibt indes ohne Bedeutung für die Feststellung der Verwirklichung des Tatbestands; denn der betreffende Vermerk verblieb bei den Akten der Magistratsabteilung 46 und vermochte deshalb die vom Angeklagten gewollte (S. 220 unten) Verwendung des dem S*** überlassenen Formularausdrucks (siehe S. 29, 51) zur Erwirkung der vorläufigen Zulassung des Fahrzeugs nicht zu hindern.

Die Mängelrüge wendet sich ferner gegen die Urteilsausführung, der Nichtigkeitswerber habe gefälschte Bescheide "erlassen" (S. 220). Allein damit wird keine Annahme tatsächlicher Natur, sondern eine rechtliche Wertung angefochten, die im Schuldspruch ohnehin keinen Niederschlag gefunden hat (zur Verdrängung der Urkundendelikte durch den in Tateinheit begangenen Mißbrauch der Amtsgewalt siehe LSK. 1979/230, 1983/48, EvBl 1982/158). Ebensowenig gesetzmäßig ausgeführt ist schließlich der Mängeleinwand gegen den im Urteil gar nicht erhobenen Vorwurf, der Beamte habe für die gegenständlichen Taten von S*** Geld oder andere Vermögenswerte erhalten (s. S. 219 unten).

Die Ausführung der Tatsachenrüge (Z. 5 a) ist in keiner Richtung prozeßordnungsgemäß: Soweit sich der Beschwerdeführer auf Vorwürfe, eine Fälschung begangen und darüber hinaus noch weitere Fälschungen beabsichtigt zu haben, bezieht, ist er auf das Vorgesagte zu verweisen. Die weiteren Ausführungen zur Z. 5 a erschöpfen sich in einer Wiederholung der bereits in der Mängelrüge verwendeten Argumentation sowie in dem einer Schuldberufung entsprechenden und darum unzulässigen Hinweis, der Akteninhalt hätte auch für den Angeklagten günstigere Feststellungen erlaubt.

In seiner Rechtsrüge (Z. 9 lit a) bringt der Angeklagte vor, daß von einem Mißbrauch beim Zustandekommen von Hoheitsakten deshalb nicht gesprochen werden könne, weil die gegenständlichen Computerausdrucke nicht als Hoheitsakte, sondern nur als "behördeninterne Vorgänge" zu werten seien. Weil er nicht veranlaßt habe, daß andere Beamte seiner Dienststelle gutgläubig einen Hoheitsakt erließen, sei ihm auch kein Schädigungsvorsatz anzulasten. Keiner dieser Einwände ist stichhältig.

In objektiver Hinsicht setzt der Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB neben der hier unbestrittenen Beamteneigenschaft des Täters den rechtswidrigen Gebrauch der diesem zustehenden Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbands, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechts als deren Organ in Vollziehung der Gesetze (Hoheitsverwaltung) Amtsgeschäfte vorzunehmen, voraus. Daß die Tätigkeit des Angeklagten zur Hoheitsverwaltung zählt, steht außer Frage (JBl 1985 S. 375, 15 Os 24/89; Leukauf-Steininger2 RN. 33 c, d zu § 302 StGB). Ob die Ausfolgung der mit Geschäftszahl, amtlichem Rundsiegel und Paraphe versehenen Vordrucke als Amtsgeschäft anzusehen ist, hängt - der Beschwerde zuwider - weder von der individuellen Ermächtigung des Angeklagten zur Fertigung gutächtlicher Bescheinigungen nach § 37 Abs 4 KFG für den Landeshauptmann noch vom Bescheidcharakter der dem Franz S*** überlassenen Vordrucke ab. Das Fehlen der Vertretungsmacht im Einzelfall - namentlich wegen funktioneller Unzuständigkeit - schließt den Mißbrauch einer in abstracto zustehenden Befugnis keineswegs aus; der Mißbrauch kann vielmehr gerade in der Verletzung funktioneller, örtlicher oder sachlicher Zuständigkeiten liegen (vgl. JBl 1989 S. 595, EvBl 1988/104, RZ. 1984/96).

Auch sind "Amtsgeschäfte", auf welche sich die in abstracto zustehende Befugnis beziehen muß, keineswegs auf Rechtshandlungen, schon gar nicht auf die Ausübung einer Entscheidungsbefugnis (EvBl 1983/45) oder einer Befehls- oder Zwangsgewalt (SSt. 49/32; 13 Os 29/89) beschränkt. Aus der Bindung des "Amtsgeschäfts" an die Stellung eines "Beamten" im § 302 StGB folgt, daß zur Abgrenzung des Amtsgeschäfts auf die Legaldefinition des Beamten im § 74 Z. 4 StGB zurückgegriffen werden muß. Darnach ist Beamter nicht nur, wer zur Vornahme von Rechtshandlungen bestellt, sondern auch, wer mit sonstigen "Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung" betraut ist. Rückbezogen auf § 302 StGB führt dies zu dem Schluß, daß das "Amtsgeschäft" den Oberbegriff einerseits für Rechtshandlungen - in Vollziehung der Gesetze (in der Hoheitsverwaltung) - und andererseits für - ebensolche - sonstige Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung bildet. Sowohl aus der Rückführung aller im § 74 Z. 4 StGB angeführten Aufgaben des Beamten unter den im § 302 StGB verwendeten Oberbegriff des Amtsgeschäfts als auch aus der Zitierweise des § 74 Z. 4 StGB, wonach "Rechtshandlungen" und sonstige "Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung" gleichgeordnet sind, aber auch aus der Notwendigkeit, einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, ergibt sich, daß die sonstigen Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung den Rechtshandlungen wenigstens einigermaßen gleichwertig sein müssen (Gleichwertigkeitsthese: 13 Os 58/89, 13 Os 52/89, im Ansatz JBl 1989 S. 260).

Diesem Richtmaß entspricht die Ausfolgung eines zur Vorlage an das Verkehrsamt bestimmten, mit der Aufschrift "Gutächtliche Bescheinigung § 37 (4) KFG", dem amtlichen Rundsiegel und einer Paraphe versehenen Formularvordrucks der Mag.Abt. 46 ungeachtet des Fehlens der Unterschrift in der Rubrik "Für den Landeshauptmann". Stehen doch diese Manipulationen schon angesichts ihrer mit dem Gelingen des Tatplans, also mit der Täuschung der Zulassungsbehörde über die Vornahme einer Prüfung gemäß § 37 Abs 4 KFG verbundenen (und hier auch eingetretenen) Rechtswirkung (vorläufige Zulassung) einer Rechtshandlung gleich.

Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte Referent der MA. 46, er hatte die bescheidmäßig zu bewilligenden Einzelgenehmigungen vorzubereiten; bei den

sg. Interimsbescheinigungen i.S. des § 37 Abs 4 KFG hatte er ein Gutachten abzugeben, das die Grundlage für deren Erlassung bildete (S. 306 f.). Diese Mitwirkungsbefugnis, also das ihm zugewiesene Amtsgeschäft, hat der Beschwerdeführer auf eine alleinige Wirksamkeit zur Ausstellung der Interimsbescheinigungen ausgeweitet (ausgedehnt) und damit seine Befugnis, Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht. M.a.W.: Der Befugnismißbrauch liegt im vorliegenden Fall im Fortschreiten von der Miterledigung (durch Abgabe eines Gutachtens) zur Alleinerledigung. Es ist dabei nicht entscheidungswesentlich, daß sich der Täter eine Amtshandlung arrogierte, die ihm nach seinem Geschäftskreis nicht zugewiesen war (EvBl 1962/333). Der Vollständigkeit halber ist hier klarzustellen, daß der Tatbestand der Amtsanmaßung nach § 314 StGB stets zu Gunsten des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt zurücktritt, wenn, wie gegenständlichenfalls, ein Beamter mit Schädigungsvorsatz die Grenzen seiner örtlichen, sachlichen oder funktionellen Zuständigkeit wissentlich überschreitet, sofern er nur zu Geschäften der vorgenommenen Art grundsätzlich berufen ist (sogenannte Überschreitung der Amtsgewalt: SSt. 17/140, 20/81, 21/84, EvBl 1962/333, 1971/200 unter Zitierung Fingers II S. 895, Rittlers2 II S. 405 u.a.; Foregger-Serini-Kodek MKK.4 Anm. III zu § 314 StGB).

Dem Beschwerdevorbringen zuwider kann von einer nur "behördeninternen" Wirksamkeit der Manipulationen keine Rede sein; waren doch die Ausstellungen der Interimsscheine - wenn auch (wegen der Kompetenz des Ministeriums) nach § 68 Abs 4 lit a und Abs 5 AVG innerhalb von drei Jahren ab Zustellung an die Partei behebbare - Verwaltungsakte, die Rechtswirkungen hatten und aus denen für die Inhaber der Scheine bzw. die Autokäufer Rechte (und zwar infolge der vorläufigen Zulassung der Fahrzeuge durch das Verkehrsamt) erwachsen sind (siehe insbes. S. 23). Die Handlung des Beamten hat sonach trotz des Zuständigkeitsmangels ihre spezifische Rechtswirkung wenigstens vorläufig entfaltet, d.h. einen Staatsakt (im weitesten Sinn) erzeugt, der zwar vernichtbar, aber nicht eo ipso wirkungslos ist (nochmals EvBl 1971/200; vgl. Nowakowski Grundzüge S. 209). Die Möglichkeit der Herbeiführung dieser Rechtswirkung beruhte auf der Amtsstellung des Täters, wobei in der Überschreitung der Kompetenz mit Schädigungsvorsatz eben der Mißbrauch seiner Befugnis lag. Damit geht aber auch das Vorbringen der Rechtsrüge ins Leere, daß faktisch nur eine Begutachtung vorliege, was anläßlich der Anmeldung beim Verkehrsamt hätte berücksichtigt werden müssen.

Der Ansicht, Fälle wie der gegenständliche seien nur als Urkundenfälschungen (§§ 223, 224 StGB) zu beurteilen (Bertel im WK. § 302 StGB Rz 69), kann der Oberste Gerichtshof nicht folgen; dies, abgesehen von den bisher angestellten Überlegungen, schon aus dem Grund des Mangels am Tatbestand des § 223 StGB, von dem nur der Absatz 1 in Betracht kommt. Tathandlungen sind darnach entweder das Herstellen einer falschen Urkunde oder das Verfälschen einer echten Urkunde. "Verfälschen" ist die (äußere) Änderung einer schon vorhandenen Urkunde; das greift hier nicht. Bleibt das Herstellen einer falschen Urkunde. Dazu ist aber erforderlich, daß eine Schrift (§ 74 Z. 7 StGB) produziert ("errichtet") wird, die nicht von dem in ihr angegebenen Aussteller stammt (SSt. 45/31 u.v.a.), daß also eine Identitätstäuschung ins Werk gesetzt wird. Das kann man von den vom Angeklagten "errichteten" Interimsscheinen nicht behaupten: Sie stammten von der auf ihnen als Aussteller angeführten Behörde, es waren die echten Formularausdrucke der Behörde verwendet, es war das echte Rundsiegel der Behörde abgedruckt und schließlich hate sogar der Angeklagte mit seiner eigenen Paraphe gezeichnet. Gleiches gilt übrigens für das von Bertel a.a.O. wiedergegebene Führerscheinbeispiel.

Der auf die Schädigung eines konkreten staatlichen Rechts gerichtete Vorsatz fehlte dem Angeklagten ebensowenig wie (laut S. 210, 213) das Wissen um den Mißbrauch seiner Befugnis; war er doch bestrebt, durch seine Manipulationen bestimmte staatliche Maßnahmen, nämlich die Begutachtung von zwei Kraftfahrzeugen und die dem zuständigen Bundesministerium vorbehaltene Prüfung der allfälligen Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die den österreichischen Abgasvorschriften nicht entsprechenden Fahrzeuge, zu vereiteln (S. 213). Darauf, ob bei vorschriftsmäßiger Vorgangsweise Aussichten auf die Erwirkung einer Ausnahmegenehmigung bestanden hätten und der Angeklagte damit rechnete, kommt es angesichts der völligen Ausschaltung der Prüfungs- und Genehmigungsinstanzen durch Übergehung der Verfahrensvorschriften überhaupt nicht an (SSt. 49/65, EvBl 1977/35, 1982/158, 1987/72, JBl 1985 S. 375, 1989 S. 263, NRsp. 1988/98, 13 Os 169/87). Schlußendlich ist die in der Rechtsrüge aufgeworfene Frage der "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" infolge (fahrlässiger) Unaufmerksamkeit der Beamten des Verkehrsamts gegenstandslos. Dies deshalb, weil zum Tatbestand des § 302 StGB kein Erfolg gehört, dessen kausale Verknüpfung mit der Tat geprüft werden müßte; vielmehr genügt bei möglicher Schädigung der Vorsatz, zu schädigen (Leukauf-Steininger2 § 302 StGB RN. 35).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 302 Abs 1 StGB unter Anwendung der §§ 41 und 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 200 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Bei deren Bemessung war erschwered die Wiederholung der Straftat, mildernd hingegen der bisher untadelige Wandel.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte sowohl eine Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze als auch der Höhe des einzelnen Tagessatzes an.

Der Berufungswerber zeigt nichts auf, was eine Ermäßigung der Strafe in einer der beiden Richtungen begründen könnte. Von einer Unbesonnenheit (§ 34 Z. 7 StGB) kann keine Rede sein, weil die Tat nach einem durchdachten Plan ausgeführt wurde und damit nicht auf eine augenblickliche Eingebung zurückzuführen ist (13 Os 181/80). Das vom Erstgericht gefundene Strafmaß ist so niedrig angesetzt, daß es jedenfalls im Verhältnis zur Schuld des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der Tat nicht als überhöht erscheinen kann. Es bestand daher kein Anlaß, die Anzahl der Tagessätze zu reduzieren. Bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten (15.000 S monatliches Nettoeinkommen) sowie seiner persönlichen Verhältnisse (Sorgepflichten für seine nicht berufstätige Gattin und zwei minderjährige Kinder) ist auch der vom Erstgericht festgesetzte Tagessatz durchaus angemessen. Insgesamt ist die unter Anwendung des § 37 StGB ausgesprochene Unrechtsfolge als gering zu bezeichnen, dies namentlich, wenn man bedenkt, daß der Amtsmißbrauch ein gemäß § 302 Abs 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedrohtes Verbrechen ist.

Anmerkung

E19414

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00123.89.1123.000

Dokumentnummer

JJT_19891123_OGH0002_0130OS00123_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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