TE OGH 1989/9/28 13Os52/89

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Veröffentlicht am 28.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch (Berichterstatter) und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Toth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alois N*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 17. März 1989, GZ. 26 Vr 1703/88-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines ordnungsgemäß geladenen Verteidigers Dr. Margreiter, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 8. März 1953 geborene Zeitsoldat Alois N*** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er an einem nicht feststellbaren Tag Ende 1987, Anfang 1988 in Absam als Gruppenkommandant des Landwehrstammregiments 62, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihrem konkreten Recht auf pflichtgemäße Ausübung seines Amts und ordnungsgemäßes Erbringen von Dienstleistungen zu schädigen, seine Befugnis, als Organ des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er während der Dienstzeit den ihm untergebenen Soldaten Harald M*** zur Durchführung von Arbeiten an einem Privatpersonenkraftwagen, nämlich dem Abschleifen der Stoßstangen und zweier Spiegel eines Ford Escort unter teilweiser Verwendung von Schleifpapier aus dem Heereseigentum, heranzog.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO. an. In der Mängelrüge (Z. 5) behauptet der Beschwerdeführer zunächst eine unzureichende Begründung für die Urteilsannahme, er habe teilweise Schleifpapier aus Heereseigentum verwendet, weil das Schöffengericht diese Konstatierung ausschließlich auf die Aussage des Zeugen M*** gestützt habe, die jedoch nicht glaubwürdig sei; es gäbe keinen objektiven Hinweis für die Richtigkeit dieser Angaben. Mit diesem Vorbringen wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weil in Wahrheit kein Begründungsmangel aufgezeigt, sondern in unzulässiger Weise ein Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung vorgenommen wird. Auf die Unwesentlichkeit der Aussage des Zeugen M***, normales Schleifpapier bei den ihm aufgetragenen Arbeiten verwendet zu haben, ist das Schöffengericht ausdrücklich eingegangen (S. 228). Auch mit der Unmöglichkeit der Konkretisierung der Abgabe von heereseigenem Schleifpapier für die von M*** durchgeführten Arbeiten haben sich die Tatrichter beweiswürdigend auseinandergesetzt, ohne daß dieser Argumentation ein Denkfehler anhaftet (gleichfalls S. 228).

Ebenso als unbeachtliche Bekämpfung der Beweiswürdigung erweist sich der Einwand, das Erstgericht habe den tatbestandsmäßigen Vorwurf selbst, nämlich die Heranziehung M***'S zur Durchführung von Arbeiten an einem Privatauto, im wesentlichen auf die unglaubwürdige Aussage des Genannten gestützt.

Soweit der Nichtigkeitswerber eine Urteilsunvollständigkeit in der Unterlassung der Erörterung von Widersprüchen hinsichtlich der Tatzeit erblickt, betrifft seine Rüge keinen entscheidenden Umstand, weil die genaue Tatzeit (zwischen September 1987 und Jahresbeginn 1988) weder für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes relevant und die Tat jedenfalls hinreichend individualisiert (verwechslungsfrei bezeichnet) ist. Darüber hinaus wird in den Entscheidungsgründen (erneut S. 228) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Aussagen der Zeugen über die Gegebenheiten im Inspektionsraum, worunter zweifelsfrei auch die Tatzeit fällt, nicht in allen Einzelheiten übereinstimmen.

In der Rechtsrüge (Z. 9 lit a) wird unter Berufung auf Bertel (Wiener Kommentar, § 302 StGB., Rz. 15 Punkt G, 57) behauptet, daß in der Verwendung Untergebener zur Erledigung privater Angelegenheiten kein Hoheitsakt zu erblicken und sonach der Tatbestand des Mißbrauchs der Amtsgewalt nicht erfüllt sei. Auch dieser Einwand ist nicht berechtigt.

Das Verbrechen nach § 302 Abs 1 StGB. begeht, wer als Beamter seine Befugnis, im Namen des Bundes ... als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, mißbraucht. Daß der Angeklagte als Charge des österreichischen Bundesheers Beamter ist, wird vom Beschwerdeführer ausdrücklich anerkannt (S. 236). Gleichfalls nicht bestritten wird von ihm, daß die Heeresverwaltung in den Bereich der Hoheitsverwaltung (§ 302 StGB.: "Vollziehung der Gesetze") fällt (LSK. 1979/159 u.a.). Bleibt abzugrenzen, daß die Erteilung eines Befehls an einen militärischen Untergebenen ein Amtsgeschäft ist. Dessen Orientierungspunkt ist zunächst die Verknüpfung mit der Beamtenstellung des Täters im § 302 StGB. Diese Verknüpfung macht es unumgänglich, auf den Beamtenbegriff des § 74 Z. 4 StGB. überzugehen. Demzufolge ist Beamter, wer bestellt ist, im Namen der im § 74 Z. 4 StGB. aufgezählten Gebiets- und anderen Körperschaften entweder "Rechtshandlungen" oder sonstige "Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung" auszuführen. Rückbezogen auf § 302 StGB. folgt daraus, daß die dort tatbestandlichen "Amtsgeschäfte" (eines "Beamten") den Oberbegriff für "Rechtshandlungen" und für die Vollziehung sonstiger "Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung" bilden. Sowohl aus der - im Konnex der §§ 74 Z. 4 und 302 StGB. hergestellten - Zusammenfassung unter einem Oberbegriff als auch aus der Gleichordnung in der Zitierweise des § 74 Z. 4 StGB. als auch aus der Notwendigkeit, einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, ergibt sich als Richtmaß, daß die sonstigen Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung den Rechtshandlungen wenigstens einigermaßen gleichwertig sein müssen (Gleichwertigkeitsthese: 13 Os 58/89; vgl. im Ansatz JBl 1989 S. 260).

Diesem Richtmaß für das Amtsgeschäft entspricht die Erteilung eines Befehls zur Verrichtung einer Arbeit durch einen militärischen Vorgesetzten schon im Hinblick auf die exakte rechtliche Regelung der Dienstleistung im Bundesheer. Dazu schreibt etwa § 6 Abs 1, erster Satz, der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer präzis vor, daß der Vorgesetzte nur solche Befehle erteilen darf, die im Zusammenhang mit dem Dienst stehen. Die Erteilung des Befehls durch den militärischen Vorgesetzten ist also ein Akt von rechtlich klar umrissener Bedeutung (siehe §§ 12 bis 15 und 17 MilStG., §§ 6 und 7 ADV.), die Qualifizierung der Befehlserteilung als Amtsgeschäft ist irrtumsfrei.

Die Tathandlung des § 302 StGB. besteht im Mißbrauch - das ist im rechtswidrigen Gebrauch - der Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften. Der Beamte mißbraucht seine Befugnis, wenn er diese in concreto normwidrig ausübt. Vorliegend steht die Befugnis des Nichtigkeitswerbers, seinen militärischen Untergebenen bestimmte Arbeiten zuzuweisen, außer Zweifel. In der Verletzung seiner Pflicht als Vorgesetzter aber, nur solche Befehle zu erteilen, die im Zusammenhang mit dem Dienst stehen (siehe nochmals § 6 Abs 1, erster Satz, ADV.), liegt der Mißbrauch der dem Täter zugestandenen Befugnis. Die Heranziehung militärischer Untergebener durch Vorgesetzte zu Privatzwecken erfüllt sonach bei gegebenem Schädigungsvorsatz den Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB. (vgl. LSK. 1977/63). Der Ansicht Bertels a.a.O. Rz. 58 zuwider kann daher von einer bloßen Weisung eines unzuständigen Organs keine Rede sein. Das weitere Vorbringen in der Rechtsrüge, es fehle der Schädigungsvorsatz, ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil der Beschwerdeführer nicht vom Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit ausgeht: Laut S. 226, 227 oben (iVm. dem Urteilssatz, aus dem hervorgeht, daß in der zweiten Zeile der S. 227 nach dem Bindewort "und" nur versehentlich die Worte "ordnungsgemäßes Erbringen von Dienstleistungen" weggelassen wurden) hat das Gericht nicht nur festgestellt, der Angeklagte habe gewußt und sich damit abgefunden, den Staat an seinem - allerdings nicht konkreten - Recht auf pflichtgemäße Dienstausübung zu schädigen, sondern einen bedingten Vorsatz des Angeklagten auch bezüglich des - konkreten - Rechts auf ordnungsgemäßes Erbringen von Dienstleistungen der Wehrmänner angenommen. Wie sich überdies aus S. 229, zweiter Absatz, ergibt, wurde damit dem Angeklagten ein Vorsatz unterstellt, der über die Schädigung des allgemeinen Aufsichtsrechts des Staats hinaus die Verletzung des konkreten Rechts auf Verwendung von Soldaten während der Dienstzeit nur für dienstliche Zwecke (siehe erneut § 6 Abs 1 iVm. § 2 Z. 2 ADV.) umfaßte (LSK. 1977/63, SSt. 49/46, EvBl 1970/356).

Daß dieser Vorsatz sich keineswegs nur auf einen Zeitraum außerdienstlicher Verwendung bezog, der wegen seiner Kürze nicht ins Gewicht zu fallen vermochte, ergibt sich aus der festgestellten Dauer der Arbeit des Wehrmanns M*** am Privatfahrzeug, die laut S. 226 Mitte den Großteil der Dienstzeit eines Tages währte. Eine außerdienstliche Verwendung solcher Dauer ist unzweifelhaft mit einer Beeinträchtigung des Dienstbetriebs verbunden; es bedarf daher nicht der detaillierten Feststellung jener dienstlichen Angelegenheiten, deren Verrichtung während dieser Zeitdauer unterblieb. Die Beschwerdebehauptung, daß eine derartige Feststellung nach der Aktenlage auszuschließen sei, trifft jedenfalls nicht zu (siehe insbesonders die Angaben des Zeugen M*** S. 53, 103, 164 über die Einstellung seiner Arbeit an einem Heereslastfahrzeug infolge wiederholter Aufforderung seitens des Angeklagten).

Darüber hinaus hat das Schöffengericht keinen Zweifel gelassen, daß der Beschwerdeführer auch bei der Beistellung von Schleifmaterial aus Heeresbeständen für die gegenständliche Privatarbeit vorsätzlich handelte, zumal er einen Teil hievon selbst aus dem Ersatzteillager des Bundesheers holte. Diese sich schon (im Sinn eines dolus ex re) aus dem Tatablauf ergebende Urteilsannahme erübrigt jedes weitere Wort.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Alois N*** nach § 302 Abs 1 StGB. unter Anwendung der §§ 37 und 41 StGB. eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 170 S festgesetzt wurde. Gemäß § 43 StGB. wurde diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend nichts, als mildernd die bisherige Unbescholtenheit.

Die angemeldete, aber nicht ausgeführte Berufung des Angeklagten ist zwar gemäß § 294 Abs 2 StPO. meritorisch zu erledigen, aber nicht begründet. Das Erstgericht hat die besonderen Strafbemessungsgründe vollständig angeführt und einer zutreffenden Würdigung unterzogen. Da die Geldstrafe überdies bedingt nachgesehen wurde, ist der Berufungswerber durch den Strafausspruch nicht beschwert, weshalb auch diesem Rechtsmittel ein Erfolg zu versagen war.

Anmerkung

E19160

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00052.89.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19890928_OGH0002_0130OS00052_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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