TE OGH 1990/2/22 12Os19/90

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Veröffentlicht am 22.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Feber 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Tschütscher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dkfm. Peter W*** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und 2 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über den Antrag des Angeklagten auf Erteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 2.Juni 1989, GZ 14 Vr 1.340/85-413, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Wiedereinsetzung wird verweigert.

Text

Gründe:

Mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 7.Dezember 1989, GZ 12 Os 149/89-6, wurden die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dkfm. Peter W*** gegen das oben bezeichnete Urteil als verspätet zurückgewiesen, weil sie nicht innerhalb der (wegen eines Feiertages) bis zum 16.August 1989 offenstehenden Rechtsmittelfrist ausgeführt worden waren und der Angeklagte auch anläßlich der Rechtsmittelanmeldung weder bestimmte Nichtigkeitsgründe bezeichnet noch eine ausreichende Anfechtungserklärung hinsichtlich des Strafausspruches abgegeben hatte (§§ 285 a Z 2, 285 d Abs. 1 Z 1; 294 Abs. 2, 296 Abs. 2 StPO). Die Rechtsmittelausführungen waren erst am 29.August 1989, also genau 4 Wochen nach der am 1.August 1989 erfolgten Zustellung einer Ausfertigung des angefochtenen Urteils zur Post gegeben worden, was zu der Vermutung Anlaß gab, der Vertreter des Angeklagten sei rechtsirrtümlich von der verlängerten Rechtsmittelfrist des § 285 Abs. 3 StPO ausgegangen.

Der Zurückweisungsbeschluß wurde dem Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Dieter H***, am 27.Dezember 1989 zugestellt. In dem ersichtlich am 10.Jänner 1990 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Rechtsmittelausführungsfrist behauptet der Angeklagte unwiderlegt, daß sein Vertreter erst durch den Inhalt dieses Beschlusses von der Versäumung der Frist Kenntnis erlangte, womit das zur Fristversäumnis führende Hindernis aufgehört hat (SSt. 51/18). Es ist daher davon auszugehen, daß um die Wiedereinsetzung rechtzeitig angesucht worden ist (§ 364 Abs. 1 Z 2 StPO).

Zur Begründung des Antrages wird vorgebracht, daß dem Verteidiger ab 1.August 1989 für die Erledigung der Kanzleiagenden urlaubsbedingt lediglich die zwar tüchtige, aber noch unerfahrene Kanzleiangestellte Eva W*** zur Verfügung gestanden sei. Deshalb habe Dr. H*** persönlich die eingehende Post kontrolliert, auch das Einlangen der Urteilsausfertigung am 1. August 1989 zur Kenntnis genommen und das Ende der (richtigen) 14-tägigen Ausführungsfrist im Fristenvormerkkalender mit eigener Hand eingetragen. Bis Freitag, dem 11.August 1989 hätte er die Rechtsmittelschrift bereits so weit fertiggestellt gehabt, daß nur noch das für nächsten Tag angekündigte Einlangen einer als Beilage gedachten notariellen Urkunde abzuwarten gewesen wäre. Er habe noch an diesem Freitag die Rechtsmittelschrift korrigiert und sie auch bereits unterfertigt, wiewohl sie noch nicht datiert und auch noch durch zwei erst der erwarteten Urkunde zu entnehmende Angaben (eine Ortsangabe und das Datum der Urkunde) zu ergänzen gewesen wäre. Er habe sodann der Kanzleiangestellten Eva W*** den Auftrag erteilt, das Einlangen der Urkunde abzuwarten, aus ihr die noch fehlenden Daten zu entnehmen und die Rechtsmittelschrift entsprechend zu ergänzen, zu datieren und unter allen Umständen spätestens am 16.August 1989 zur Post zu geben.

Wider Erwarten sei einerseits die erwähnte Urkunde erst am 29. August 1989 eingelangt und andererseits habe sich die Kanzleiangestellte nicht an den ihr erteilten Auftrag gehalten, vielmehr in der Annahme, auch im Strafverfahren gelte die 4-wöchige Berufungsfrist des § 464 Abs. 1 ZPO, das Rechtsmittel erst am 29. August 1989 - somit verspätet - abgefertigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 364 Abs. 1 StPO kann wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung und Ausführung (Mayerhofer-Rieder StPO2 E 4 zu § 364) eines Rechtsmittels gegen ein Urteil das zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufene Gericht dem Beschuldigten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilen, sofern er nachzuweisen vermag, daß es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten. Als ein solcher unabwendbarer, weder dem Wiedereinsetzungswerber noch dessen Verteidiger als Verschulden zurechenbarer Umstand wird nach ständiger Rechtsprechung das einmalige Versehen einer sonst verläßlichen Kanzleiangestellten angesehen, soferne der Anwalt der Pflicht zur Überprüfung seines Personals nicht nachkommen konnte oder sich nach den Umständen darauf verlassen durfte, daß seine Hilfskräfte den ihnen zur Vermeidung von Fristversäumnissen erteilten allgemeinen und besonderen Anweisungen nachkommen würden (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 E 40 ff zu § 364). Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben.

Nach dem vom Verteidiger selbst verfaßten Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers - von dessen Richtigkeit ausgegangen wird - handelte es sich bei der Kanzleiangestellten Eva W*** um eine noch unerfahrene, erst seit einigen Monaten in der Kanzlei tätige Kraft. Sie war erstmals als Urlaubsvertreterin der Kanzleileiterin eingesetzt, die eben erst am 31.Juli 1989 ihren Urlaub angetreten hatte. Die hier relevanten Vorgänge ereigneten sich demnach zu Beginn der für Eva W*** neuen Tätigkeit, die sie naturgemäß in erhöhtem Maße belasten mußte. Dennoch überließ es ihr Dr. H***, das Einlangen eines anscheinend für das Rechtsmittel bedeutungsvollen Schriftstückes abzuwarten, die bereits unterfertigte Rechtsmittelschrift selbständig zu ergänzen, zu datieren und abzufertigen, ohne sie gleichzeitig auf die im Strafverfahren geltenden, von der Zivilprozeßordnung abweichenden Fristen ausdrücklich hinzuweisen und ohne sie besonders darauf aufmerksam zu machen, daß die Rechtsmittelschrift notfalls ohne die vorgesehene Beilage zu expedieren sei. Gerade im Hinblick auf die im Wiedereinsetzungsantrag betonte Wichtigkeit der Causa für den Angeklagten Dkfm. W*** und den Verteidiger selbst hätte Dr. H*** unter den gegebenen Umständen, die ihn ja auch dazu veranlaßt hatten, "höchstpersönlich" die Post zu kontrollieren und die wichtigsten Eintragungen vorzunehmen, sich zumindest am letzten Tag der Frist vergewissern müssen, ob die erwartete Beilage eingetroffen und seinen Anordnungen Folge geleistet worden ist (§ 9 Abs. 1 RAO). Eine solche Kontrollmaßnahme wäre ihm auch durchaus zuzumuten gewesen. Diese Unterlassung ist daher - wie übrigens im Wiedereinsetzungsantrag mehrfach zugestanden wird - dem Vertreter des Angeklagten als Verschulden zuzurechnen, das der Wiedereinsetzungswerber wie sein eigenes gegen sich gelten lassen muß.

Die begehrte Wiedereinsetzung war demnach zu verweigern.

Anmerkung

E19908

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00019.9.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19900222_OGH0002_0120OS00019_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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