TE OGH 1990/6/7 12Os31/90

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Veröffentlicht am 07.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pilnacek als Schriftführer in der Strafsache gegen Monika R*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, erster Fall, StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. Oktober 1989, AZ Bl 207/89, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Kostenausspruch des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht im Urteil vom 17.Oktober 1989, AZ Bl 207/89 (GZ 10 U 619/88-33 des Bezirksgerichtes Innsbruck), mit welchem dem Subsidiarankläger Albert S*** gemäß §§ 390, 390 a StPO der Ersatz aller infolge seines Einschreitens als Subsidiarankläger aufgelaufenen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz auferlegt wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 390 und 390 a StPO.

Es werden dieser Ausspruch - allerdings nur so weit er nicht Kostenansprüche der Angeklagten Monika R*** begründete (§§ 381 Abs. 1 Z 8, 393 Abs. 3 StPO) - und die darauf gestützten Punkte 4, 5 und 15 der Endverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30. Oktober 1989, GZ 10 U 619/88-34, mit denen die Pauschalkosten bestimmt wurden und deren sowie der Sachverständigengebühren Einhebung verfügt wurde, ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Nach einem Verkehrsunfall wurde das beim Bezirksgericht Innsbruck zu 10 U 755/87 (jetzt: 10 U 619/88) gegen Monika R*** wegen § 88 StGB anhängig gewordene Strafverfahren mit Beschluß vom 23. Februar 1988 gemäß § 90 (Abs. 1) StPO eingestellt (S 3). Nachdem der Privatbeteiligte Albert S*** gemäß § 449 StPO den Antrag auf gesetzliche Bestrafung der Monika R*** gestellt hatte, wurde die Genannte mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 3.April 1989, GZ 10 U 619/88-25, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1, Abs. 4, erster Fall, StGB schuldig erkannt. Im Zuge der infolge ihres dagegen erhobenen Rechtsmittels anberaumten Berufungsverhandlung erklärte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Innsbruck am 20.Juni 1989, gemäß § 49 Abs. 1 StPO die gerichtliche Verfolgung wieder zu übernehmen (S 150). In der Folge wurde Monika R*** in Stattgebung ihrer Schuldberufung mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Oktober 1989, AZ Bl 207/89 (ON 33 der bezirksgerichtlichen Akten), von der gegen sie erhobenen Anklage freigesprochen, der Privatbeteiligte Albert S*** gemäß § 366 Abs. 1 StPO mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen und ihm gemäß §§ 390 und 390 a StPO der Ersatz aller infolge seines Einschreitens als Subsidiarankläger aufgelaufenen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.

Diese Kostenentscheidung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 33 StPO dagegen erhobenen Beschwerde zutreffend ausführt, ist dem Privatbeteiligten gemäß § 390 Abs. 1 StPO der Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung nur dann aufzutragen, wenn das Strafverfahren auf andere Weise als durch ein verurteilendes Erkenntnis beendigt wurde und es gemäß § 48 StPO lediglich auf Antrag des Privatbeteiligten stattgefunden hat.

Rechtliche Beurteilung

Infolge der Übernahme der gerichtlichen Verfolgung durch den Staatsanwalt durften somit dem ehemals als Subsidiarankläger eingeschrittenen Privatbeteiligten unbeschadet des (erst in zweiter Instanz ergangenen) Freispruchs der Angeklagten Monika R*** die Kosten des Strafverfahrens nicht auferlegt werden, weil dieses nicht ausschließlich (= "lediglich") auf seinen Antrag stattgefunden hatte. Mangelte es aber an der grundsätzlichen Verpflichtung zum Kostenersatz, dann war es auch verfehlt, ihn zur Tragung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens (§ 390 a Abs. 1 StPO) und jener Kosten zu verhalten, die infolge seines Einschreitens in der Zeit von der Einstellung des Verfahrens bis zum Wiedereintritt des Staatsanwaltes (in der Berufungsverhandlung) aufgelaufen waren (siehe SSt 17/72). Die im Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht sohin gesetzwidrig ausgesprochene grundsätzliche Verpflichtung des Privatbeteiligten zum Ersatz aller "infolge seines Einschreitens als Subsidiarankläger aufgelaufenen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz" umfaßt gemäß § 381 Abs. 1 StPO zum einen die Kostenersatzpflicht gegenüber dem Bund, zum anderen aber auch die Kostenersatzpflicht gegenüber dem Beschuldigten für die Kosten seiner Verteidigung (§ 381 Abs. 1 Z 8, 393 Abs. 3 StPO). Ohne Nachteil für die Angeklagte können sohin in sinngemäßer Anwendung des § 292 StPO jene auf dem fehlerhaften Kostenausspruch des Berufungsgerichtes basierenden Punkte 4, 5 und 15 der Endverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30.Oktober 1989, die den Kostenersatzanspruch des Bundes betreffen - und die übrigens schon das Bezirksgericht Innsbruck mit Verfügung vom 27.November 1989, wenngleich ohne verfahrensrechtliche Grundlage, für "gegenstandslos" erklärt hatte (S 169) - ersatzlos aufgehoben werden. Hingegen konnte - entgegen der von der Generalprokuratur vertretenen Auffassung - dem ergangenen Ausspruch der Gesetzwidrigkeit der Kostenentscheidung, soweit diese auch Kostenansprüche der Angeklagten begründete, konkrete Wirkung nicht zuerkannt werden, weil solcherart die durch die rechtskräftige Beendigung des Verfahrens geschaffene Lage zum Nachteil der Angeklagten verändert würde (11 Os 161,162/88). Soweit aber dem Privatbeteiligten Albert S*** aus der gesetzwidrigen Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes ein Vermögensschaden tatsächlich entstehen sollte, wird er auf die Haftpflicht des Bundes nach § 1 AHG verwiesen.

Der Senat verkennt nicht, daß die von der Generalprokuratur beantragte Vorgangsweise aus pragmatischer Sicht erkennbar den befriedigenderen Ausweg aus der durch die gesetzwidrige Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes geschaffenen Lage darstellte. Der derzeitige Wortlaut des § 292 StPO und auch dessen - gleichfalls dem Grundsatz des favor defensionis Rechnung tragende - extensive Interpretation durch die Rechtsprechung stehen aber einer sachgerechten Korrektur von Gesetzesverletzungen dann zwingend entgegen, wenn dadurch - wie hier - der Angeklagte (oder Verurteilte) benachteiligt würde.

Anmerkung

E21087

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00031.9.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19900607_OGH0002_0120OS00031_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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