TE OGH 1991/3/20 13Os92/90 (13Os93/90)

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Veröffentlicht am 20.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.März 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerd H***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach den §§ 111 Abs. 1 und Abs. 2, 117 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3.Oktober 1989, GZ 9 b E Vr 12132/88-15, und des Oberlandesgerichtes Wien vom 23.April 1990, AZ 27 Bs 105/90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Stöger, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3.Oktober 1989, GZ 9 b E Vr 12132/88-15, sowie das dieses Urteil bestätigende Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23.April 1990, AZ 27 Bs 105/90, verletzen in der Begründung insoweit, als darin einem Antrag des öffentlichen Anklägers auf gerichtliche Vorerhebungen eine die Frist des § 117 Abs. 2 StGB wahrende Wirkung aberkannt wird, das Gesetz in der Bestimmung des § 117 Abs. 2 StGB (iVm dem § 46 Abs. 1 erster Satz StPO).

Text

Gründe:

Auf Grund einer den Inhalt der Ende November oder Anfang Dezember 1988 von Wien aus verbreiteten Folge 46 des periodischen Druckwerkes "H*****" betreffenden Anzeige des Staatspolizeilichen Büros der Bundespolizeidirektion Wien vom 2.Dezember 1988, die am 7. Dezember 1988 bei der Staatsanwaltschaft Wien einlangte, beantragte diese am 27.Dezember 1988 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gegen Gerd H*****, den Vorsitzenden der "V*****" (einer politischen Vereinigung), von der laut Impressum das vorerwähnte Druckwerk hergestellt und herausgegeben wurde, gerichtliche Vorerhebungen wegen Verdachtes des Verbrechens nach dem § 3 g Abs. 1 VG sowie des Vergehens der üblen Nachrede nach dem § 111 Abs. 1 und Abs. 2 StGB iVm § 117 Abs. 2 StGB ua durch verantwortliche Abhörung des Gerd H***** gemäß dem § 38 Abs. 3 StPO. Nach dessen gerichtlicher Vernehmung als Beschuldigter am 19.Jänner 1989 und der (nach Beischaffung einer den Beschuldigten H***** betreffenden Strafregisterauskunft) vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 31.Jänner 1989 verfügten Aktenübermittlung an die Staatsanwaltschaft Wien (S 3 des Antrags- und Verfügungsbogens) brachte der öffentliche Ankläger, nachdem ihm die gemäß dem § 117 Abs. 2 StGB erforderlichen Ermächtigungen erteilt worden waren, am 1.Juni 1989 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien einen mit 19.Mai 1989 datierten Strafantrag gegen Gerd H***** wegen des durch den Inhalt des vorerwähnten periodischen Druckwerkes "H*****", Folge 46 vom November/Dezember 1988, in bezug auf den Bürgermeister ***** verwirklichten Vergehens der üblen Nachrede nach den §§ 111 Abs. 1 und Abs. 2, 117 Abs. 2 StGB und in bezug auf den seinerzeitigen Bundesminister ***** verwirklichten Vergehens der Beleidigung nach den §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 2 StGB ein (ON 9 dA). Der öffentliche Ankläger ging hiebei von der Annahme aus, daß gegen Gerd H***** auf Grund seiner (dominierenden) Stellung als Vorsitzender beim Hersteller und Herausgeber dieses periodischen Druckwerkes eine ausreichende Verdachtslage dahin vorliege, zumindest als Beitragstäter bei der Veröffentlichung der im Strafantrag im einzelnen näher bezeichneten Textstellen in diesem Druckwerk mitgewirkt zu haben (vgl. auch den Kopf dieses Druckwerkes, in welchem der Name Gerd H***** ausdrücklich aufscheint). In der (fortgesetzten) Hauptverhandlung am 3.Oktober 1989 gelangte der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu einem Freispruch des Gerd H***** gemäß dem § 259 Z 3 StPO; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß der öffentliche Ankläger erst am 1.Juni 1989 den Strafantrag gegen Gerd H***** bei Gericht eingebracht und somit die hier von ihm gemäß dem § 117 Abs. 2 StGB zu beachtende Sechswochenfrist des § 46 Abs. 1 StPO versäumt habe. Das Erstgericht meinte, daß diese Frist nur durch einen Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung oder durch einen Bestrafungsantrag gewahrt werden könne, hingegen ein Antrag auf gerichtliche Vorhebungen nicht ausreiche, zumal gegen Gerd H***** von vornherein ein ausreichender Verdacht (für den Inhalt der hier in Rede stehenden Folge 46 des periodischen Druckwerkes "H*****" strafrechtlich zumindest mitverantwortlich zu sein) vorgelegen sei und sich auch durch dessen gerichtliche Vernehmung als Beschuldigter keine Änderung dieser Verdachtslage ergeben habe (vgl. ON 15 dA, insbesondere S 66, 67 und 68 dA). Die gegen diesen Freispruch gerichtete und auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO iVm den §§ 489 Abs. 1, 468 Abs. 1 Z 4 StPO gestützte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht teilte in seiner Berufungsentscheidung vom 23. April 1990, AZ 27 Bs 105/90 (= ON 21 des Vr-Aktes) die Auffassung des Erstgerichtes, daß der öffentliche Ankläger durch die Einbringung des gegen Gerd H***** gerichteten Strafantrages (erst) am 1.Juni 1989 die sechswöchige Verfolgungsfrist des § 46 Abs. 1 StPO nicht gewahrt habe.

In ihrer gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde erblickt die Generalprokuratur eine (bloß) in den Gründen beider Urteile unterlaufende Verletzung der Bestimmung des § 46 Abs. 1 StPO (iVm dem § 117 Abs. 2 StGB), als darin einem Antrag des berechtigten Anklägers auf gerichtliche Vorerhebungen eine die Frist des § 46 Abs. 1 StPO wahrende Wirkung aberkannt wurde. Die Generalprokuratur führt hiezu im einzelnen aus:

"Diesen zwar im Ergebnis zutreffenden Urteilen des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht kann in der hiefür maßgeblichen Begründung, wonach einem Antrag auf gerichtliche Vorerhebungen eine die Frist des § 46 Abs. 1 StPO (hier in Verbindung mit dem § 117 Abs. 2 StGB) wahrende wirkung nicht zukomme, nicht beigetreten werden. Diese Auffassung des Erstgerichtes und des Berufungsgerichtes steht vielmehr mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die insbesondere vom Oberlandesgericht Wien in der vorerwähnten Berufungsentscheidung zur Begründung seines Rechtsstandpunktes trotz seiner Kenntnis der gegenteiligen Judikatur des Obersten Gerichtshofs (zuletzt 13 Os 42/89) vorgebrachten Argumente gehen in wesentlichen Belangen von einer mit Wortlaut und Sinn der hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 46 Abs. 1 StPO nicht mehr in Einklang zu bringenden Interpretation dieser Gesetzesstelle aus und erweisen sich somit in vielen Punkten als nicht tragfähig.

Zuzustimmen ist dem Oberlandesgericht Wien lediglich darin, daß im Falle eines Einschreitens des öffentlichen Anklägers gemäß dem § 117 Abs. 2 StGB die dort für die Geltendmachung des Strafverfolgungsanspruchs vorgesehene zeitliche Beschränkung, derzufolge der öffentliche Ankläger den Täter mit Ermächtigung des Verletzten und der diesem vorgesetzten Stelle (soweit eine solche in Betracht kommt) innerhalb der sonst dem Verletzten für das Verlangen nach Verfolgung offenstehenden Frist (worunter der Sache nach nur die Frist des § 46 Abs. 1 StPO gemeint sein kann) zu verfolgen hat, auch für den Staatsanwalt gilt. Diese Frist stellt, anders als die sonstigen, nach den Verfahrensvorschriften vom öffentlichen Ankläger zu beachtenden (Verfolgungs-)Fristen, die lediglich Mahnfristen sind (vgl. § 27 Abs. 2 StPO), eine Fallfrist dar. Im Bereiche des § 117 Abs. 2 StGB soll demnach - wie auch das Oberlandesgericht Wien zutreffend erkannt hat - wegen des spezifischen Charakters eines von § 117 Abs. 2 StGB erfaßten Deliktes, der öffentliche Ankläger nach dem vorerwähnten Gesetzeswortlaut und den daraus hervorleuchtenden Intentionen des Gesetzgebers an die sonst vom Verletzten (gemäß dem § 46 Abs. 1 StPO als Privatankläger) zu beachtende (sechswöchige) Verfolgungsfrist gebunden sein. Diese Auffassung entspricht der insoweit einhelligen Lehre und Rechtsprechung (Foregger-Serini StGB4, Erl. IV zu § 117 StGB; Foregger in WK, RN 8 zu § 117 StGB; Bertel, Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht, BT, Rz 6 zu § 117 StGB; ferner RZ 1980/15 = EvBl. 1980/88).

Unrichtig ist hingegen zunächst schon die Auffassung des Berufungsgerichtes, der Lauf der sechswöchigen Verfolgungsfrist des § 46 Abs. 1 StPO werde ua erst durch die Kenntnis (des Privatanklägers) von der Person des Täters in Gang gesetzt. Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 1 StPO muß eine zur Privatanklage berechtigte Person, bei sonstigem Verlust ihres Anklagerechtes, binnen sechs Wochen von dem Tag, an dem ihr die strafbare Handlung und ein der Tat hinlänglich Verdächtiger bekannt geworden sind, einen Verfolgungsantrag gegen diesen stellen. Darnach ist also der Beginn der Sechswochenfrist des § 46 Abs. 1 StPO von der Kenntnis

a/ der strafbaren Handlung durch den Privatankläger und

b/ eines der Tat hinlänglich Verdächtigen abhängig. Es kommt hier daher ua bloß auf die Kenntnis eines gegen eine bestimmte Person vorliegenden ausreichenden Tatverdachtes (vgl. § 46 Abs. 1 StPO:

"..... ein der Tat hinlänglich Verdächtiger bekannt geworden ....."), und nicht, wie das Berufungsgericht meint (vgl. S 6 der Berufungsentscheidung = S 92 des Vr-Aktes), auf die "hinreichende Kenntnis" von der Täterschaft (einer bestimmten Person) an. Da aber - worauf bereits das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat - ein solcher Tatverdacht gegen Gerd H***** von vorneherein gegeben war, setzte die Frist des § 46 Abs. 1 StPO in diesem Fall auch für den öffentlichen Ankläger gemäß dem § 117 Abs. 2 StGB bereits zu dem Zeitpunkt ein, in dem den von den ehrenrührigen Angriffen in der Nr. 46 des periodischen Druckwerkes "H*****" betroffenen Beamten (***** als Bürgermeister ***** und ***** als Bundesminister *****) der sie betreffende (ehrenrührige) Inhalt dieses periodischen Druckwerkes und der damit im Zusammenhang stehende (hinreichende) Tatverdacht gegen Gerd H***** bekannt geworden sind (vgl. Foregger-Serini StGB4, Erl. IV zu § 117 StGB) und nicht etwa erst ab dem Zeitpunkt, in welchem allenfalls eine unmittelbare Täterschaft oder eine Tatbeteiligung des Gerd H***** (durch sonstigen Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB) für die Betroffenen - über eine ausreichende Verdachtslage hinaus - gleichsam zur Gewißheit geworden ist. Läuft aber die Sechswochenfrist des § 46 Abs. 1 StPO nach dem Vorgesagten schon ab dem Zeitpunkt eines hinlänglichen Tatverdachtes gegen eine bestimmte Person, so kann der Privatankläger unter Umständen, um ein unnötiges und vor allem in den Kostenfolgen zumeist gewichtiges Prozeßrisiko zu vermeiden, ein emimentes Interesse an gerichtlichen Vorerhebungen, insbesondere zwecks näherer Klärung der Täterschaft einer bestimmten Person haben. Müßte hingegen bereits bei einem (hinreichenden) Tatverdacht gegen eine bestimmte Person zur Wahrung der Verfolgungsfrist ein Bestrafungsantrag gestellt werden, würde die damit allenfalls verbundene erhöhte Gefahr eines Freispruchs (etwa mangels Nachweises der Täterschaft des Beschuldigten) das Kostenrisiko des Privatanklägers bedeutend steigern, obgleich dieses Risiko, aber auch der sonst mit der Durchführung einer Hauptverhandlung verbundene Aufwand des Gerichtes durch entsprechende Vorerhebungen erheblich minimiert werden könnte. Auch im vorliegenden Fall waren, wie am Rande bemerkt sei, die von der Staatsanwaltschaft beantragten Vorerhebungen durch Vernehmung des Gerd H***** als Beschuldigten im Hinblick darauf, daß die hier bedeutsamen Artikel in der Folge 46 des periodischen Druckwerkes "H*****" keine Hinweise auf die Person des Artikelverfassers enthielten, unter dem Aspekt einer prozeßökonomischen Vorgangsweise durchaus sinnvoll.

Soweit das Berufungsgericht weiters meint, bei der Auslegung des § 46 Abs. 1 StPO sei die Bezugnahme auf den Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung verfehlt, setzt es sich über den wesentlichen Auslegungsgrundsatz hinweg, daß eine bestimmte gesetzliche Vorschrift nicht isoliert, sondern stets unter Berücksichtigung der weiteren, damit im Zusammenhang stehenden gesetzlichen Regelungen zu interpretieren ist. Entgegen der vom Oberlandesgericht Wien vertetenen Auffassung erfährt nämlich die Vorschrift des § 46 Abs. 1 StPO (in der derzeit geltenden Fassung) gerade erst in Verbindung mit dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine sinnvolle und für das Verständnis des Abs. 1 sogar entscheidende Ergänzung. Denn gerade im Abs. 2 des § 46 StPO ist unmißverständlich das Recht des Privatanklägers auf gerichtliche Vorerhebungen verankert. Andererseits stellt § 46 Abs. 1 StPO in seinem ersten Satz nur auf einen innerhalb der Sechswochenfrist vom Privatankläger zwecks Wahrung seines Strafverfolgungsrechtes zu stellenden Verfolgungsantrag ab. Daß aber die gerichtliche Vernehmung des Tatverdächtigen gemäß dem § 38 Abs. 3 StPO im Rahmen von Vorerhebungen eine (gerichtliche) Verfolgungshandlung begründet, ist unbestritten. Somit kann kein Zweifel bestehen, daß ein auf eine solche Verfolgungshandlung abzielender Antrag des berechtigten Anklägers einen Verfolgungsantrag darstellt, der nach dem ersten Satz des § 46 Abs. 1 StPO zur Wahrung der Sechswochenfrist ausreicht. So gesehen sind die Ausführungen im Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Wien (zu den Begriffen "Verfolgungsantrag" und "Verfolgungshandlung" (S 93 dA) nicht nachvollziehbar. Denn mit dem in § 46 Abs. 1 StPO (zur Wahrung der dort statuierten Frist) geforderten Verfolgungsantrag kann doch nur ein Antrag des berechtigten Anklägers gemeint sein, der auf eine gerichtliche Verfolgung des Tatverdächtigen, also auf eine gegen den Tatverdächtigen gerichtete (gerichtliche) Verfolgungshandlung abzielt.

Entscheidende Bedeutung mißt das Oberlandesgericht Wien in seiner Berufungsentscheidung dem zweiten Satz des § 46 Abs. 1 StPO bei. Darnach kann dieser Verfolgungsantrag des berechtigten Anklägers auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters gerichtet sein und muß beim Strafgericht mündlich oder schriftlich gestellt werden. Schon der Gebrauch der Wörter "kann" und "muß" in demselben Satz weist darauf hin, daß der Gesetzgeber hier diesen beiden Wörtern bewußt und gewollt nicht den gleichen Sinngehalt beimessen wollte, woraus folgt, daß der von ihm in demselben Satz gewählte Ausdruck "kann" eben nicht, so wie dies das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht tut, im Sinne von "muß" interpretiert werden darf. Schon daraus sowie aus dem weiteren Umstand, daß im Absatz 1 des § 46 StPO ausdrücklich nur von einem Verfolgungsantrag (zwecks Wahrung der sechswöchigen Verfolgungsfrist) die Rede ist und weil nach § 46 Abs. 2 StPO dem Privatankläger (auch) das Recht auf gerichtliche Vorerhebungen zusteht, folgt, daß der weitere Hinweis im Gesetz, ein solcher Verfolgungsantrag könne in einem Antrag auf Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters bestehen, keineswegs als eine taxative Aufzählung der (für die Wahrung der Frist des § 46 Abs. 1 StPO in Betracht kommenden) Verfolgungsanträge zu verstehen ist. Soweit aber das Oberlandesgericht Wien dem Wort "kann" (im zweiten Satz des § 46 Abs. 1 StPO) im Ergebnis die Bedeutung "muß" beilegt, steht dies sowohl mit dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle als auch mit dem dieser Vorschrift in dem bereits aufgezeigten Zusammenhang zukommenden Sinn in eklatantem Widerspruch.

Der vom Oberlandesgericht Wien in seiner Berufungsentscheidung erhobene und ersichtlich gegen das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 14.September 1989, 13 Os 42/89-11, gerichtete weitere Vorwurf einer den Wortlaut des § 46 Abs. 1 StPO korrigierenden Auslegung trifft bei dieser Sachlage nicht zu. Die Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofes findet nämlich, abgesehen von den bereits bisher aufgezeigten, eindeutig für deren Schlüssigkeit sprechenden Erwägungen, auch bei einer historischen Betrachtung eine weitere wesentliche Stütze. Der § 46 Abs. 1 StPO hat aus Anlaß der großen Strafrechtsreform, bei der das am 1.Jänner 1975 in Kraft gesetzte Strafgesetzbuch das (alte) StG ersetzte, durch das Strafprozeßanpassungsgesetz (StPAG, BGBl. 423/1974) eine Änderung erfahren (vgl. Art. I Z 13 StPAG). Diese Änderung wurde durch die Aufhebung des § 530 StG erforderlich, der im Privatanklageverfahren ua ein Erlöschen des Strafverfolgungsrechtes des Privatanklägers auch für den Fall statuierte, daß er innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis der strafbaren Handlung "darüber nicht Klage geführt hat". Schon diese frühere Bestimmung (des StG) wurde aber, wie auch das Oberlandesgericht Wien in seiner Berufungsentscheidung einräumt, von der Judikatur dahin interpretiert, daß ein innerhalb der Sechswochenfrist vom Privatankläger eingebrachter Antrag auf gerichtliche Vorerhebungen zur Wahrung seines Strafverfolgungsrechtes ausreichte (vgl. SSt. I/21, XXVII/26 und XXXII/6).

§ 46 Abs. 1 StPO hatte vor seiner Neufassung durch das StPAG 1974 folgenden Wortlaut: "Handelt es sich um ein Vergehen, das nach den Strafgesetzen nur auf Begehren eines in seinem Rechte Verletzten strafrechtlich verfolgt werden darf, so steht diesem die Befugnis zu, beim Strafgericht als Privatankläger schriftlich oder mündlich das Begehren um strafrechtliche Verfolgung zu stellen." Sohin war auch nach dieser Rechtslage das Verlangen des Privatanklägers auf strafrechtliche Verfolgung zur Wahrung seines Strafverfolgungsanspruches ausreichend (dies allerdings unter der weiteren, im § 46 Abs. 1 StPO aF nicht ausdrücklich angeführten Voraussetzung, daß die im § 530 StG vorgesehene Sechswochenfrist bei der Antragstellung gewahrt wurde). Die Absätze 2, 3 und 4 des § 46 StPO wurden hingegen durch das StPAG 1974 nicht verändert.

Auf Grund der bis 1.Jänner 1975 gültigen (alten) Gesetzeslage sprach demnach der damalige Wortlaut des § 46 Abs. 1 StPO iVm dem schon damals bestehenden und bis heute unverändert gebliebenen Wortlaut des Absatzes 2 dieser Gesetzesstelle (eindeutig) dafür, daß das (fristwahrende) Begehren des Privatanklägers auf strafrechtliche Verfolgung auch in einem Antrag auf gerichtliche Vorerhebungen bestehen konnte. Der erste Teil des zweiten Satzes des § 46 Abs. 1 StPO nF (wonach der Verfolgungsantrag des Privatanklägers auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters gerichtet sein kann) wurde erst durch das StPAG 1974 neu geschaffen; ein solcher Hinweis fand sich in der alten Fassung des § 46 Abs. 1 StPO nicht. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum StPAG 1974 (934 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIII. GP, S 23) enthalten, wovon auch das Oberlandesgericht Wien in seiner Berufungsentscheidung ausgeht, nicht den geringsten Hinweis darauf, daß durch die Neufassung des § 46 Abs. 1 StPO eine Änderung der bisherigen Rechtslage beabsichtigt war. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich den zur Wahrung der sechswöchigen Verfolgungsfrist erforderlichen Verfolgungsantrag entgegen der bisherigen (alten) Rechtslage auf eine Antragstellung des Privatanklägers auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters einschränken wollen, hätte dieser Umstand als wesentliche Abweichung von der bisherigen Rechtslage wohl in den Erläuterungen zu der Neufassung des § 46 Abs. 1 StPO im StPAG 1974 eine Erwähnung gefunden.

Soweit schließlich das Oberlandesgericht Wien in seiner Berufungsentscheidung daran Anstoß nimmt, daß für die in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl. SSt. XXVII/26, XXXII/6, zuletzt 13 Os 42/89) im Falle eines fristwahrenden Antrages des berechtigten Anklägers (im Sinne des § 46 Abs. 1 und Abs. 2 StPO) auf Vornahme von gerichtlichen Vorerhebungen gebilligte (und zwecks Verfahrenskonzentration für erforderlich gehaltene) Setzung einer Frist zur Stellung eines Bestrafungsantrages unter der Sanktion des § 46 Abs. 3 StPO eine gesetzliche Grundlage fehle, ist ihm entgegenzuhalten, daß es nach der bestehenden Rechtslage einer solchen Fristsetzung gar nicht bedarf. Denn die Zulässigkeit einer analogen Anwendung von Verfahrensvorschriften ist unbestritten. Eine solche (Gesetzes-) Analogie ist gerade im Verfahrensrecht, vor allem im Hinblick auf die in manchen Punkten lückenhaften Regelungen der StPO, geradezu geboten und keine Seltenheit. § 112 Abs. 2 StPO verpflichtet den Privatankläger (nach dessen Verständigung vom Abschluß der Voruntersuchung und einer entsprechenden Aufforderung) zur Einbringung einer Anklageschrift binnen 14 Tagen unter der Sanktion, daß die Nichteinhaltung dieser Frist einem Rücktritt von der Anklage gleichkomme. Es bestehen nach dem Vorgesagten keine Bedenken dagegen, die Bestimmung des § 112 Abs. 2 StPO (aber auch jene des Absatzes 3 dieser Gesetzesstelle) im Wege der Analogie sinngemäß auf den im wesentlichen gleichgelagerten Fall zur Anwendung zu bringen, daß ein nach § 46 Abs. 1 StPO berechtigter Ankläger zur Wahrung der dort statuierten sechswöchigen Verfolgungsfrist gerichtliche Vorerhebungen beantragt hat. Dieser wäre demnach (sinngemäß) entsprechend der Vorschrift des § 112 Abs. 2 StPO vom Abschluß der gerichtlichen Vorerhebungen mit dem Hinweis zu verständigen, daß er binnen 14 Tagen (ab Verständigung) einen Antrag auf Bestrafung des Täters bei sonstigem Verlust seines Strafverfolgungsrechtes stellen muß (wobei auch keine Einwände gegen eine analoge Anwendung des § 112 Abs. 3 StPO bestehen können). So gesehen ist aber die vom Oberlandesgericht Wien mangels gesetzlicher Fundierung in Zweifel gezogene Fristsetzung durch das Gericht entbehrlich. Von einer analogen Anwendung des § 112 Abs. 2 StPO ausgehend hat der Staatsanwalt im vorliegenden Fall den Strafantrag gegen Gerd H***** außerhalb der 14-tägigen Frist des § 112 Abs. 2 StPO und damit tatsächlich verspätet eingebracht, sodaß der Freispruch des Genannten im Ergebnis berechtigt ist. Deshalb und weil in keinem Fall ein Nachteil im Sinne des § 292 StPO eingetreten ist, muß es hier bei der Feststellung der dem Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sowie dem Oberlandesgericht Wien in der Begründung des Freispruchs durch verfehlte Auslegung der Vorschrift des § 46 Abs. 1 und Abs. 2 StPO (hier iVm dem § 117 Abs. 2 StGB) unterlaufenen Gesetzesverletzung sein Bewenden haben."

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Nach der Bestimmung des § 117 Abs. 2 StGB hat der öffentliche Ankläger unter anderem dann, wenn eine strafbare Handlung gegen die Ehre wider einen Beamten während der Ausübung seines Amtes oder Dienstes oder aber (wie im vorliegenden Fall) in Beziehung auf eine seiner Berufshandlungen in einem Druckwerk begangen wird, den Täter mit Ermächtigung des Verletzten und der diesem vorgesetzten Stelle innerhalb der sonst dem Verletzten für das Verlangen nach Verfolgung offenstehenden Frist zu verfolgen. Demnach liegt, wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner

Entscheidung vom 13.Dezember 1979, 12 Os 163/79 (= EvBl. 1980/88

= RZ 1980/15), ausgesprochen hat, in den Fällen des § 117 Abs. 2 StGB grundsätzlich ein Offizialdelikt vor, allerdings in der eingeschränkten Form des Ermächtigungsdelikts (mit subsidiärer Anklageberechtigung des Beleidigten - § 117 Abs. 4 StGB idF StRÄG 1987) und mit der weiteren Einschränkung, daß der Staatsanwalt die Tat nur innerhalb der sonst dem Verletzten für das Verlangen auf Verfolgung offenstehenden Frist, die auch in diesem Fall mit der Kenntnis von Tat und Täter durch den Verletzten zu laufen beginnt (JBl. 1984, 326), verfolgen darf. Weitere Beschränkungen des öffentlichen Anklägers sind dagegen dem § 117 Abs. 2 StGB, aber auch den Prozeßvorschriften - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichtes - nicht zu entnehmen; vor allem ist der Staatsanwalt - anders als in den Fällen des § 46 Abs. 4 StPO - nicht auf die Rechte des Privatanklägers beschränkt. Dem Staatsanwalt steht daher auch bei einem Ermächtigungsdelikt gemäß dem § 117 Abs. 2 StGB das gleiche Verfolgungsinstrumentarium wie in allen übrigen Fällen zur Verfügung, in denen er von Amts wegen als öffentlicher Ankläger einzuschreiten und das Erforderliche zur Ausübung des staatlichen Verfolgungsrechtes zu veranlassen hat (§ 34 Abs. 1 StPO) und nicht etwa bloß in einem Privatanklageverfahren die Vertretung des Privatanklägers übernimmt (§ 46 Abs. 4 StPO). Es bleibt infolgedessen im Verfahren vor dem Gerichtshof grundsätzlich seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen, ob er gegen einen Verdächtigen Vorerhebungen führt, die Einleitung der Voruntersuchung beantragt oder unmittelbar Anklage erhebt. Daher genügt zur Wahrung der im § 46 Abs. 1 StPO genannten Frist jedes Begehren des Staatsanwaltes auf Verfolgung einer bestimmten Person wegen einer bestimmten Tat, somit auch ein diesen Kriterien entsprechender Antrag auf Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen.

Die Bestimmung des (durch den Art. I Z 13 StPAG, BGBl. 1974/423, eingefügten) zweiten Satzes des § 46 Abs. 1 StPO, wonach der Verfolgungsantrag des Privatanklägers auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters gerichtet sein kann und beim Strafgericht mündlich oder schriftlich gestellt werden muß, ist demnach in offiziosen Strafverfahren wie dem vorliegenden gar nicht aktuell; gilt doch diese prozessuale Vorschrift ausdrücklich nur für den Privatankläger und kommt eine analoge Heranziehung auf Fälle, in denen der öffentliche Ankläger auf Grund einer Ermächtigung des Verletzten und (gegebenenfalls) der diesem vorgesetzten Stelle (welche dem Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung nachzuweisen ist: § 2 Abs. 5 StPO) einschreitet, nach dem Gesagten nicht in Frage (vgl. abermals EvBl. 1980/88 = RZ 1980/15).

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der Staatsanwalt den Täter unzweifelhaft innerhalb der sonst dem Verletzten für das Verlangen nach Verfolgung offenstehenden Frist (§ 46 Abs. 1 erster Satz StPO: sechs Wochen) in der Bedeutung des § 117 Abs. 2 StGB durch den am 27.Dezember 1988 beim Untersuchungsrichter gestellten Antrag auf Vorerhebungen "verfolgt" und demnach den staatlichen Verfolgungsanspruch gewahrt hat; der auf der gegenteiligen Auffassung fußende Freispruch sowie die diesen bestätigende Berufungsentscheidung waren daher rechtlich verfehlt.

Entgegen der von der Generalprokuratur vertretenen Ansicht kann ferner von einer analogen Anwendbarkeit des § 112 Abs. 2 StPO auf den vorliegenden Fall und von einem Verlust des Strafverfolgungsrechtes wegen Überschreitung der darin normierten 14-tägigen Fallfrist schon deshalb keine Rede sein, weil die genannte Bestimmung ausschließlich für Privatanklagedelikte gilt.

Der in der Beschwerde gezogene Freispruch und die ihn bestätigende Berufungsentscheidung erweisen sich daher auch im Ergebnis infolge eines Irrtums über den Umfang der dem öffentlichen Ankläger bei Ermächtigungsdelikten der vorliegenden Art gesetzlich auferlegten Beschränkung in der Verfolgungsmöglichkeit als gesetzwidrig, ohne daß es hiefür noch einer Erörterung der Frage bedarf, ob auch ein Privatankläger in einem Privatanklageverfahren die Frist des § 46 Abs. 1 StPO schon durch einen auf Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen abzielenden Antrag wahren kann (zweiter Satz leg. cit.).

Der gemäß dem § 33 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher mit der Klarstellung Folge zu geben, daß das Gesetz in der Bestimmung des § 117 Abs. 2 StGB (iVm dem § 46 Abs. 1 erster Satz StPO) verletzt wurde. Da sich die dem Landesgericht und dem Oberlandesgericht unterlaufenen Gesetzesverletzungen zum Vorteil des Angeklagten auswirkten, muß es nach dem § 292 StPO mit der aus dem Spruch ersichtlichen Feststellung sein Bewenden haben.

Anmerkung

E25551

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00092.9.0320.000

Dokumentnummer

JJT_19910320_OGH0002_0130OS00092_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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