TE OGH 1991/10/29 11Os117/91 (11Os118/91)

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Veröffentlicht am 29.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Oktober 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adelheid G***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Hartberg vom 19.März 1991, GZ U 440/90-18, sowie des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.Juni 1991, AZ 1 b Bl 80/91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Fabrizy und der Subsidiaranklägerin Anna K*****, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Hartberg vom 19.März 1991, GZ U 440/90-18, sowie des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht vom 26.Juni 1991, AZ 1 b Bl 80/91, verletzen, soweit darin die Tarifpost 4 RATG auf die Bestimmung der Kosten des Verteidigers im Subsidiaranklageverfahren als anwendbar erachtet wurde, das Gesetz im § 393 Abs. 3 StPO in Verbindung mit dem § 1 Abs. 1 RATG.

Diese Beschlüsse werden aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Hartberg aufgetragen, über den Kostenbestimmungsantrag der Adelheid G***** neuerlich zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hartberg vom 21.Jänner 1991, GZ U 440/90-13, wurde die am 1.März 1949 geborene Hausfrau Adelheid G***** von der wider sie durch Anna K***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB erhobenen Subsidiaranklage gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der gemäß dem § 366 Abs. 1 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesenen Privatbeteiligten Anna K***** wurde gemäß dem § 390 Abs. 1 StPO der Ersatz der Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

Mit Beschluß vom 19.März 1991, GZ U 440/90-18, bestimmte das Bezirksgericht Hartberg die von der Subsidiaranklägerin der (freigesprochenen) Beschuldigten zu ersetzenden Kosten der Verteidigung mit 9.777,12 S, wogegen es das Mehrbegehren von 5.620,08 S mit der Begründung abwies, im Subsidiaranklageverfahren sei zur Kostenbestimmung die Privatanklage und Privatbeteiligung betreffende Tarifpost 4 RATG heranzuziehen.

Die dagegen erhobene Beschwerde der Beschuldigten wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 26. Juni 1991, AZ 1 b Bl 80/91 (ON 22 des vorzitierten Aktes), als "unbegründet zurückgewiesen". Das Beschwerdegericht führte aus, daß die Autonomen Honorarrichtlinien des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages im Fall eines Offizialdeliktes nur im Innenverhältnis zwischen Beschuldigtem und seinem Verteidiger zur Anwendung gelangen können, sodaß ein Kostenersatz von dritter Seite nach Maßgabe dieser "Allgemeinen" (gemeint wohl: Autonomen) Honorarrichtlinien begrifflich ausscheide. Vielmehr seien die Kosten in Analogie zu den Bestimmungen über den Privatankläger auszumessen.

Die vorgenannten Beschlüsse des Bezirksgerichtes Hartberg und des Landesgerichtes Graz stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof zuletzt in den Urteilen vom 30. August 1989, 14 Os 100/89 (AnwBl. 1990, 398), und vom 7. Februar 1991, 15 Os 149,150/90 (AnwBl. 1991, 490), mit ausführlicher Begründung darlegte, regelt der Rechtsanwaltstarif lediglich die Verteidigungskosten für das Privatanklageverfahren. Die vom Privatbeteiligten nach Maßgabe des § 48 StPO übernommene öffentliche Anklage wird nicht zur Privatanklage (§ 2 Abs. 3 StPO). Daß aber durch den Rechtsanwaltstarif auch die Entlohnung des Verteidigers in jenen offiziosen Strafsachen geregelt wäre, in welchen der Privatbeteiligte statt des Staatsanwaltes die öffentliche Anklage erhebt und durchführt (§ 48 StPO), ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (siehe EvBl. 1983/46, EvBl. 1973/194, JBl. 1954, 571;

gegenteilig - allerdings ohne stichhaltige Begründung - lediglich RZ 1954/11). Daher sind im Verfahren auf Grund einer Subsidiaranklage die Autonomen Honorarrichtlinien auch dann heranzuziehen, wenn ihre Ansätze über jene der Tarifpost 4 RATG hinausgehen, wobei jedoch die Autonomen Honorarrichtlinien nur die Bedeutung einer gutächtlichen Äußerung über die Bewertung rechtsanwaltlicher Leistungen im Durchschnittsfall haben (§ 4 AHR; vgl. RZ 1978/86, JBl. 1954, 571). Es steht somit im Ermessen des zur Kostenbestimmung nach § 395 StPO zuständigen Gerichtes, die Ansätze dieser Richtlinien als auf den Einzelfall allenfalls nicht anwendbar zu erachten.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichtes kann aus der Höhe des dem Subsidiarankläger im Fall einer Verurteilung des Angeklagten zustehenden Kostenersatzes keine Beschränkung des Ausmaßes der dem freigesprochenen Angeklagten vom Subsidiarankläger zu ersetzenden Verteidigungskosten abgeleitet werden. Denn § 393 Abs. 3 StPO in Verbindung mit § 390 Abs. 1, zweiter Satz, StPO sieht im letztgenannten Fall ausdrücklich den Ersatz aller Kosten der Verteidigung vor, ds jene Kosten, die der Beschuldigte für seine Verteidigung tatsächlich aufwenden mußte (vgl. EvBl. 1973/194).

Vorliegend ging das Bezirksgericht Hartberg bei Ausübung des ihm bei der Kostenbestimmung nach § 395 StPO zustehenden Ermessens von der unzutreffenden Rechtsansicht aus, höchstens die nach der Tarifpost 4 RATG zustehenden Beträge als Verteidigerkosten für die Verrichtung der Hauptverhandlung zusprechen zu dürfen. Diese unzutreffende Rechtsansicht vertrat auch das Landesgericht für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht bei Überprüfung des vom Bezirksgericht geübten Ermessens. Solche auf unrichtiger Rechtsauffassung beruhende Ermessensentscheidungen können Gegenstand der Feststellung einer Gesetzesverletzung nach den §§ 33, 292 StPO sein.

Da eine Benachteiligung der freigesprochenen Angeklagten auf Grund dieses Rechtsirrtums nicht ausgeschlossen werden kann, ist ein Vorgehen des Obersten Gerichtshofes nach dem § 292, letzter Satz, StPO geboten (vgl. abermals 14 Os 100/89 mit auführlicher Zitierung der Vorjudikatur).

Der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher stattzugeben und gemäß dem § 292 StPO wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E26962

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00117.91.1029.000

Dokumentnummer

JJT_19911029_OGH0002_0110OS00117_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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