TE OGH 1992/11/11 1Ob5/92

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Veröffentlicht am 11.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Maria Z*****, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen S 100.000 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 29. Oktober 1991, GZ 5 R 110/91-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6. März 1991, GZ 30 Cg 309/90-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit der am 28.12.1990 überreichten Klage begehrte die Klägerin im Amtshaftungsweg den Betrag von S 80.000 an Schmerzengeld und von S 20.000 an „Aufwendungen zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes“. Sie stützt dieses Begehren auf folgendes Vorbringen, zu dem sie auch umfangreiches Beweisanbot erstattete:

Sie wohne seit 1976 in K*****, K*****gasse 3. Sie sei Anrainerin zweier Gewerbebetriebe, nämlich eines Großkaufhauses und einer Garage. Am 17. August 1982 sei „bescheidmäßig“ (durch die Gewerbebehörde) der Probebetrieb der Lüftungs- und Klimaanlage für das Kaufhaus und am 3. September 1982 der Probebetrieb der Lüftungsanlage der Garage je für die Dauer eines Jahres bewilligt worden. Nach Ablauf dieses Jahres seien diese beiden Anlagen von Herbst 1983 bis Jänner 1988 konsenslos und ohne Einhaltung von Auflagen betrieben worden; es seien weder die von der Gewerbebehörde erster Instanz erteilten Auflagen eingehalten worden, noch in weiterer Folge die von der zweiten Instanz erteilten strengeren Auflagen durch die Gewerbebehörde (erster Instanz) durchgesetzt worden. Erst die noch strengeren Auflagen des drittinstanzlichen „Gewerbebescheides“ (vom 29. Dezember 1987, rechtskräftig ab 7. Jänner 1988) seien einigermaßen erfüllt worden. Die Klägerin habe als Anrainerin jahrelang vergeblich auf die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gedrungen. Aufgrund ihrer Anzeigeerstattung sei gegen den Geschäftsführer des Kaufhauses ein (am 12. Februar 1986 in Rechtskraft erwachsenes) Straferkenntnis ergangen. Weiters seien gegen die Geschäftsführer der beiden Gewerbebetriebe Verwaltungsstrafverfahren wegen konsenswidrigen Betriebes der Lüftungsanlage eingeleitet worden. Der Bürgermeister von K***** (Gewerbebehörde erster Instanz) habe diese ihm mit zwei Straferkenntnisentwürfen am 6. März 1987 vorgelegten Verwaltungsakten absichtlich bis 5. Februar 1988 „blockiert“. In dem aus diesem Grunde gegen ihn wegen Verbrechens des Amtsmißbrauchs gemäß § 302 Abs 1 StGB geführten Strafverfahren habe er diese „Aktenblockade“ - im Rahmen seiner strafrechtlichen Verantwortung - damit begründet, daß er im Falle der (Erlassung und) Zustellung dieser Bescheide gemäß § 360 Abs 1 GewO verpflichtet gewesen wäre, die beiden Betriebe zu schließen und mit dieser Maßnahme Ersatzansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz dieser beiden Betriebe gegen den Bund befürchtet habe, sodaß er in Interessenabwägung zugunsten (der Geschäftsführer) der beiden Betriebe vorgegangen sei. Aufgrund dieser im Strafprozeß als erwiesen angenommenen Verantwortung sei der Bürgermeister von K***** letztlich vom Anklagevorwurf mangels Erweislichkeit der subjektiven Tatseite (Wissentlichkeit) freigesprochen worden.

Durch den konsenslosen und auflagenwidrigen Betrieb dieser Klima- und Lüftungsanlagen habe die Klägerin schwere gesundheitliche Schäden erlitten; die jahrelangen Abluft- und Lärmbelästigungen hätten - im Laufe des Jahres 1987 bis zum 7. Jänner 1988 - bei ihr zu schweren, irreversiblen vegetativen Störungen geführt, die den geltend gemachten Schmerzengeldbetrag zur Abgeltung physischer und psychischer Schmerzen rechtfertigten. Überdies habe die Klägerin einen Schaden in Form finanzieller Belastungen im Ausmaß von S 20.000 erlitten, die sie im ständigen Bemühen um die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes bis Jänner 1988 „für technische und rechtliche Beratung, Fahrten, Fotos, Post und Telefon, Schreibarbeiten, Demonstrationsmaterialien“ aufgewendet habe. Die Amtshaftungsklage sei auch rechtzeitig erstattet, weil die Klägerin sich im Jahr 1988 dem Strafverfahren gegen den Bürgermeister von K***** als Privatbeteiligte angeschlossen habe; im übrigen komme dem Freispruch keine Bindungswirkung bezüglich der strafrechtlichen Beurteilung des Verhaltens des dort Angeklagten zu, sodaß die zehnjährige Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 AHG anzuwenden sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor: Die Klägerin habe als Anrainerin der beiden Gewerbebetriebe erstmals im Februar 1982 ihre Einwendungen im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren zu Protokoll gegeben und von behaupteten Mißständen seit 1983 Kenntnis gehabt, „wodurch der Lauf der in § 6 AHG normierten Verjährung ausgelöst worden sei“. Im übrigen könne die Klägerin aus der Unterdrückung von Verwaltungsstrafverfahren nach der GewO durch den Bürgermeister von K***** keine Amtshaftungsansprüche ableiten, weil sie mangels Parteistellung in diesen Verwaltungsstrafverfahren kein subjektives Recht aus der Erledigung oder Nichterledigung dieser Verfahren ableiten könne. Zwischen einem objektiv rechtswidrigen Betrieb der Betriebsanlagen ohne Betriebsbewilligung und den in § 74 Abs 2 Z 1, 2, 3 und 5 GewO „zukommenden“ Nachbarrechten bestehe kein Konnex, soferne die Auflagen des Genehmigungsbescheides eingehalten würden. Die Unterlassung der Bestrafung der verantwortlichen Geschäftsführer der Betreibergesellschaften könne für die von der Klägerin geltend gemachten Schäden nicht kausal sein, weil diese Schäden auch bei Erlassung der Straferkenntnisse im Jahr 1987 durch die Gewerbebehörde erster Instanz entstanden wären. Das von der Klägerin angestrebte Ziel der Schließung der Betriebsanlagen sei auch durch Erlassung der Strafbescheide nicht erreichbar gewesen, hiezu hätte es einen weiteren behördlichen Aktes (eines Verfahrens gemäß § 360 GewO) bedurft, dessen Ausgang nicht von vornherein festgestanden sei. Nach der Rechtsprechung bestehe die Amtshaftung des Rechtsträgers für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten seiner Organe nur dann, wenn die übertretene Norm nach ihrem Schutzzweck gerade den eingetretenen Schaden verhindern hätte sollen; auf die Handhabung der nach § 360 Abs 1 und 2 GewO zukommenden Zwangsgewalt habe niemand einen Rechtsanspruch, der mit den Mitteln des öffentlichen Rechtes verfolgbar wäre.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren nach Einvernahme der Klägerin ohne Aufnahme weiterer Beweise ab. Ohne auf den Verjährungseinwand der beklagten Partei einzugehen, trat es in seiner rechtlichen Beurteilung der von der beklagten Partei geäußerten Rechtsansicht bei, daß die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche vom Schutzzweck der nach ihrer Behauptung verletzten Norm (§ 360 GewO) nicht umfaßt seien. Die Klägerin hätte selbst bei Erlassung der fraglichen Straferkenntnisse durch die Gewerbebehörde erster Instanz im Jahr 1987 nicht die gewünschte Abstellung der Immissionen erreichen können, zumal sie im Verfahren nach § 360 GewO weder Parteistellung, noch einen Anspruch auf Setzung eines Verwaltungsaktes mit bestimmtem Inhalt (etwa die Betriebsschließung) gehabt hätte.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und vertrat - ohne wie das Erstgericht auf den Verjährungseinwand der beklagten Partei einzugehen - folgende Rechtsauffassung: Ausgehend vom maßgeblichen Vorbringen der Klägerin erweise sich das Klagebegehren materiellrechtlich als unschlüssig. Die Klägerin stütze ihren Amtshaftungsanspruch auf die absichtliche, amtsmißbräuchliche Blockade von Verwaltungsstrafverfahren durch den Bürgermeister von K***** als Gewerbebehörde erster Instanz, wodurch die bereits konzipierten Straferkenntnisse wegen konsenslosen und auflagenwidrigen Betriebes von Klima- und Lüftungsanlagen der beiden ihr benachbarten Gewerbebetriebe und dadurch die letztlich schadenstifenden Immissionen nicht hintangehalten worden seien und der rechtmäßige Zustand nicht hergestellt worden sei. Auch bei Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen müsse zwischen der verletzten Norm und dem eingetretenen Schaden ein Rechtswidrigkeitszusammenhang vorliegen. Der Normzweck ergebe sich dabei aus der Beurteilung des Sinns der Vorschrift, maßgebend sei daher der Zweck, dem die Amtspflicht diene. Zwar genüge für die Annahme dieses Rechtswidrigkeitszusammenhanges gerade bei primär öffentliche Interessen wahrenden Vorschriften, daß die Verhinderung eines Schadens bei einem Dritten bloß mitbezweckt sei; die Norm müsse aber die Verhinderung eines Schadens wie des späterhin eingetretenen intendiert haben. Daraus, daß die dem öffentlichen Interesse dienende Amtshandlung auch die Interessen eines Dritten berühre und diesem als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil verschaffe, lasse sich noch nicht auf das Vorliegen einer Amtspflicht gerade diesem Dritten gegenüber schließen. Bei verfassungskonformer, wertender Auslegung habe die Bestimmung des § 360 GewO ebenso allein öffentliche Interessen im Auge, wie die Strafbestimmungen der §§ 366, 367 GewO. Sei die Klägerin daher nicht vom Schutzzweck dieser Normen mitumfaßt, mangle es am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem behaupteten schuldhaften und rechtswidrigen Verhalten des Organs der beklagten Partei und dem bei der Klägerin angeblich eingetretenen Schaden. Die von der Klägerin geltend gemachten Schäden seien daher als bloß mittelbare Schäden grundsätzlich nicht ersatzfähig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist berechtigt.

Ein rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln in Vollziehung der Gesetze, das den Rechtsträger gemäß § 1 AHG zum Schadenersatz verpflichtet, kann auch in einer Unterlassung liegen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (SZ 62/73; 59/68; 55/161 uva; Schragel, AHG2 129 f; Apathy in Aicher, Die Haftung für staatliche Fehlleistungen im Wirtschaftsverkehr, 213). Wie die Vorinstanz insoweit zutreffend erkannte, haftet auch bei Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen der Rechtsträger für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten seiner Organe nur dann, wenn die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade auch den eingetretenen Schaden verhindern sollte (SZ 62/73; SZ 61/189 je mwN; Schragel aaO 123 f). Der Normzweck ergibt sich aus der wertenden Beurteilung des Sinns der Vorschrift. Maßgeblich ist der Zweck, dem die verletzte Amtspflicht dient (SZ 61/189 mwN). Für die Annahme des erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhanges genügt angesichts der in der Regel primär öffentliche Interessen wahrenden öffentlichrechtlichen Vorschriften zwar, daß die Verhinderung eines Schadens beim Dritten bloß mitbezweckt ist, die Norm muß aber die Verhinderung eines Schadens wie des später eingetretenen intendiert haben (SZ 61/189 mwN).

Die Auslegung der von der Klägerin als Schutznormen beanspruchten Bestimmungen der Gewerbeordnung (§§ 74 Abs 2, 360, 366, 367) führt entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsauffassung, wie darzulegen sein wird, zur Annahme, daß die Klägerin als Nachbar der beiden gewerblichen Betriebsanlagen durch § 74 Abs 2 GewO, die in den übrigen genannten Bestimmungen u.a. durchgesetzt werden soll, in ihrem Leben, ihrer Gesundheit, ihrem Eigentum und sonstigen dinglichen Rechten geschützt wird:

Gemäß § 74 Abs 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, ihrer Betriebsweise, ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit ... der Nachbarn ... oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen ...

Gemäß § 75 Abs 21 GewO sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten.

Gemäß § 78 Abs 2 GewO kann die Behörde im Genehmigungsbescheid anordnen, daß die Betriebsanlage oder Teile der Anlage erst aufgrund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, wenn im Zeitpunkt der Genehmigung nicht ausreichend beurteilt werden kann, ob die die Auswirkungen der genehmigten Anlage oder von Teilen dieser Anlage betreffenden Auflagen des Genehmigungsbescheides die gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend schützen oder zur Erreichung dieses Schutzes andere oder zusätzliche Auflagen erforderlich sind; sie kann zu diesem Zweck auch einen befristeten Probebetrieb zulassen oder anordnen; der Probebetrieb darf höchstens zwei Jahre und im Fall einer beantragten Fristverlängerung insgesamt höchstens drei Jahre dauern. ...

Gemäß § 360 Abs 2 GewO hat die Behörde, um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stillegung von Maschinen oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. ...

Gemäß § 366 Abs 1 GewO begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe ... zu bestrafen ist, wer

3. eine genehmigungspflichte Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt ...

Gemäß § 367 GewO begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe ... zu bestrafen ist, wer

26. ... die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359 b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Den vorgenannten Bestimmungen der Gewerbeordnung kommt im Umfang des hier maßgeblichen gesetzlichen Schutzzweckes für Leben, Gesundheit und Eigentum (dingliche Rechte) der Nachbarn schon kraft der ausdrücklichen Anordnung im Gesetz der Charakter eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB zu (Apathy aaO 220 ff, 222).

Jedenfalls für die behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin ist daher der Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der behaupteten rechtswidrigen schuldhaften Unterlassung der Gewerbebehörde bei der Herstellung des auflagegemäßen und gesetzmäßigen Betriebes der Klima- und Lüftungsanlagen der beiden, der Klägerin benachbarten Gewerbebetriebe gegeben. Aber auch für den Anspruch auf Schadenersatz der zur Abwehr des Schadens getätigten Aufwendungen muß dies grundsätzlich aus dem Gesichtswinkel anerkannt werden, daß der zur Verhinderung oder Verminderung eines Schadens erforderliche und zumutbare Aufwand (sog. Rettungsaufwand) zur Hintanhaltung der Schadensteilung oder gänzlichen Schadensselbsttragung vom Geschädigten gefordert wird (Schadensminderungspflicht, Reischauer in Rummel2 § 1304 Rz 37 und 38 je mwN) und jede schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtungen zum Nachteil des Geschädigten ausschlägt. Da die Klägerin diesen Aufwand nach ihrem Vorbringen für den Schutz ihrer Gesundheit gegen die durch die schuldhaft rechtswidrigen Unterlassungen der Gewerbebehörde erfolgenden Einwirkungen der beiden Betriebsanlageneinrichtungen vorgenommen hat, liegt er auch in der Richtung des von der Schutznorm erfaßten Zweckes. Dieser Aufwand kann daher, soferne er nicht von vornherein rechtlich aussichtslos war (worüber Feststellungen fehlen), nicht als Aufwand zur Vorbereitung eines Prozesses, wie etwa vorprozessuale Kosten, die nur als Kosten geltend zu machen sind und für die der Rechtsweg ausgeschlossen wäre, angesehen werden (vgl Schragel aaO 156 in RZ 162). In diesem Zusammenhang kann auch nicht übersehen werden, daß es beim Verfahren der Gewerbebehörde über die Genehmigung derartiger Betriebsanlagen unter dem Gesichtspunkt von Einwendungen gemäß § 74 Abs 2 Z 1 und 2 GewO noch nicht auf den konkreten Eintritt einer Gesundheitsschädigung und deren Nachweis ankommt, sondern nur auf die Gefahr einer derartigen Beeinträchtigung, sodaß die zur Dartuung solcher Umstände getätigten Aufwendungen der Klägerin nicht von vornherein als bloße Vorbereitungskosten für das vorliegende Amtshaftungsverfahren angesehen werden können.

Entgegen der von der beklagten Partei geäußerten Auffassung ist aber das den Organen der beklagten Partei vorgeworfene Verhalten, nämlich die Unterlassung der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes der Klima- und Lüftungsanlagen der beiden Gewerbebetriebe durch Überwachung der Einhaltung erteilter Auflagen, durch Erlassung von Zwangsmaßnahmen oder Strafbescheiden usf, auch für die von der Klägerin nunmehr geltend gemachten Schäden als kausal denkbar, weil doch angesichts der gemäß § 360 Abs 2 GewO letztlich drohenden Betriebsschließung angenommen werden muß, daß die verantwortlichen Geschäftsführer der beiden Betreibergesellschaften sich dann an die erteilten Auflagen gehalten hätten.

Die Vorinstanzen haben auf Grund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht über den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem behaupteten rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten der Organe der beklagten Partei und dem von der Klägerin behaupteten Schaden kein weiteres Beweisverfahren durchgeführt und keine Feststellungen über die strittigen Tatumstände des betreffenden Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens und die von der Klägerin behaupteten Schäden getroffen. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, daß der Verjährungseinwand der beklagten Partei, der darauf gestützt wird, die Klägerin habe von den angeblichen Mißständen schon ab 1983 Kenntnis gehabt, nicht gerechtfertigt ist, weil es für die Verjährung eines Amtshaftungsanspruches nicht auf die Kenntnis des Fehlverhaltens eines Organes, sondern auf die Kenntnis eines (durch ein schuldhaft rechtswidrig handelndes Organ verursachten) Schadens ankommt (Schragel aaO 201 ff). Da Rechtsträger und Organ nach dem AHG nicht identisch sind, kann allerdings die Anschlußerklärung als Privatbeteiligte im Strafverfahren gegen das Organ nicht die Unterbrechung der Verjährung gegen den Rechtsträger bewirken (Schragel aaO 206).

Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache vor das Prozeßgericht erster Instanz.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E34278

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00005.92.1111.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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