TE OGH 1992/11/12 8Ob626/92

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Veröffentlicht am 12.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei ***** C*****-Stiftung, ***** vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Ö***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 20,000.000), infolge Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 20. August 1992, GZ 3 R 156/92-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 9.Juli 1992, GZ 14 Cg 87/92-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags, der beklagten Partei für den Fall des ersten und jeden weiteren Zuwiderhandelns eine Geldstrafe von S 400.000 anzudrohen, als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, wird im übrigen aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine neue Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit der am 16.April 1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die klagende Stiftung, die beklagte Aktiengesellschaft schuldig zu erkennen, daß sie die Vornahme von Aufsuchungstätigkeiten, insbesondere mit Hilfe von Vibrationsfahrzeugen, und damit im Zusammenhang stehende Tätigkeiten, insbesondere seismische Untersuchungen, im Gebiet der Grundstücke der klagenden Partei im A*****tal unterlasse.

Sie brachte dazu vor: Die Beklagte habe sich in einer am 17.Februar 1971 zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung verpflichtet, im Gebiet des gesamten A*****tales jede Aufsuchungstätigkeiten zu unterlassen. Als Gegenleistung habe sich die Klägerin verpflichtet, im Gebiet des A*****tales 20 Millionen in Fremdenverkehrseinrichtungen zu investieren. Für die Beklagte sei diese Vereinbarung durch ihren damaligen Generaldirektor KR Ludwig B***** getroffen worden. Die Klägerin sei ihrer vertraglich vereinbarten Verpflichtung, im Gebiet des A*****tales zu investieren, nachgekommen. Mit Eingabe vom 15.Juni 1990 habe die Beklagte bei der Berghauptmannschaft S***** beantragt, ihr gemäß § 172 BergG die im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücke zur Vornahme von seismischen Untersuchungen zwangsweise zu überlassen und die Beklagte gemäß § 172 Abs 7 BergG vorzeitig in den Besitz einzuweisen. Es sei sohin zu besorgen, daß sich die Beklagte nicht an die Vereinbarung aus dem Jahre 1971 zu halten beabsichtige und nach einer Aufsuchtätigkeit bei erwiesener entsprechender Höffigkeit mit Abbauarbeiten begonnen werde; vor allem sei mit umfangreichen Bohrungen zu rechnen. Damit wären aber sämtliche von der Klägerin getätigten Investitionen frustriert und die dem Gebiet A*****tal zugesonnene Widmung als Tourismus- und Erholungsgebiet vereitelt. Der unmittelbar drohende Eingriff in die Rechtssphäre könne nur durch eine vorbeugende Unterlassungsklage abgewendet werden.

Zur Sicherung dieses Unterlassungsanspruches begehrte die Klägerin schon in der Klage die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung, zog diesen Sicherungsantrag aber wieder zurück, erneuerte ihn mit Schriftsatz vom 7.Juli 1992 und brachte dazu vor: In dem ihr nunmehr zugestellten Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten werde sie dazu verpflichtet, die Benützung von Teilflächen ihrer umfangreichen Grundstücke im A*****tal zur Durchführung von seismischen Untersuchungen auf die Dauer des Bedarfs, ausgenommen in der Zeit vom 5.September 1992 bis 1.Juni 1993, zu gestatten. Sollte die Beklagte nunmehr von dieser verwaltungsbehördlich erteilten Berechtigung entgegen der von ihr übernommenen zivilrechtlichen Unterlassungsverpflichtung Gebrauch machen, so ginge das Klagebegehren ins Leere. Der wesentliche Schaden, nämlich die Beeinträchtigung der Natur und das zu befürchtende Beharren der Beklagten, weiterhin Erdöl und Erdgas aufzusuchen, danach zu bohren und in weiterer Folge solches zu fördern, könne - da ideeller Natur - nicht in Geld bewertet oder ersetzt werden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ohne Anhörung der Beklagten ab; es traf folgende Feststellungen:

Die Klägerin hat umfangreiche Investitionen zur Erhaltung und Schaffung des Erholungsraumes A*****tal vorgenommen. Auf Antrag der Beklagten gestattete ihr der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 30.Juni 1992 (*****), die Benützung von Teilflächen der der Klägerin gehörenden Grundstücke, alle in der Katastralgemeinde G***** im A*****tal gelegen, zur Durchführung von seismischen Untersuchungen (Vibroseismik) auf Dauer des Bedarfs, ausgenommen in der Zeit vom 15.September 1992 bis 1.Juni 1993. Tatsächlich sind bereits Geräte zu Vorarbeiten aufgefahren.

Das Vorliegen eines Vertrages zwischen den Streitteilen wurde nicht als bescheinigt angenommen.

Das Erstgericht kam zu dem Schluß, die Beklagte habe das Aufsuchungsrecht mit dem genannten Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten originär erworben; die öffentlich-rechtliche Entscheidung gehe jedenfalls einer privatrechtlichen Verpflichtung vor.

Das von der Klägerin angerufene Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, wies aber den Antrag, der Beklagten für den Fall des ersten und jedes weiteren Zuwiderhandelns eine Geldstrafe von S 400.000 anzudrohen, zurück. Der Entscheidungsgegenstand wurde mit über S 50.000 bewertet und der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt.

Das Rekursgericht nahm aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Urkunden zusätzlich zu den Feststellungen des Erstgerichtes folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die Klägerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaften EZ ***** und ***** sowie Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ *****, alle in der Katastralgemeinde G***** im A*****tal.

Am 17.Dezember 1971 fand in G***** im A*****tal unter dem Vorsitz des damaligen Landeshauptmannes von *****, Dr.G***** eine Besprechung statt, an der Mitglieder der ***** Landesregierung, der Bezirkshauptmann von G*****, der Berghauptmann von S*****, die Bürgermeister von G***** im A*****tal und V*****, Vertreter der Beklagten und der Klägerin sowie weitere Interessenten aus dem A*****tal teilnahmen. Die Techniker der Beklagten erläuterten die bisher vorgenommenen Untersuchungen und die beabsichtigten weiteren Vorhaben im Konzessionsgebiet des A*****tales. Der damalige Vorsitzende des Vorstandes der Beklagten, Generaldirektor Ludwig B*****, erklärte, in Berücksichtigung der schwerwiegenden Bedenken des Fremdenverkehrs und des Naturschutzes werde die Beklagte auf die Erfüllung der Konzession für das Gebiet des A*****tales verzichten, wenn sich dadurch keine präjudiziellen Nachteile für sie ergeben. Insbesondere müsse die Beklagte aber darauf bestehen, daß eine eventuelle spätere Konzessionserteilung nur an sie erfolgen dürfe. Dieses Zugeständnis der Beklagten wurde nicht zuletzt auch deshalb gemacht, weil die Klägerin, die bereits mit dem Tierpark G***** eine Fremdenverkehrsattraktion für das A*****tal geschaffen hatte und beabsichtigte, in den nächsten drei Jahren mit einem Aufwand von vorerst S 20 Millionen weitere fremdenverkehrsfördernde Investitionen vorzunehmen. Dazu zählte das Projekt einer Straße auf den K*****berg und der Ausbau von mehreren Schiliften auf dem K*****bergplateau.

Darüber wurde in der ***** Landeskorrespondenz Nr 41 vom 18.Februar 1971 berichtet.

Am 25.April 1975 rief Generaldirektor B***** den Bürgermeister von G***** im A*****tal, Alfred M*****, an, nahm auf diese Besprechung Bezug und fragte, ob die Klägerin die Zusage von Investitionen in Höhe von etwa S 20 Millionen eingehalten habe. Der Bürgermeister bestätigte dies; die Straßen auf dem K*****berg und die Liftanlagen seien fertig und in Betrieb. Generaldirektor B***** gab sich damit zufrieden, daß hier Wort gehalten wurde.

Den Inhalt dieses Telefonates hielt der Bürgermeister in Amtsvermerken fest.

In einem Schreiben an den Bürgermeister von G***** vom 27.Februar 1979 führte der Vorsitzende des Vorstandes der Beklagten, Generaldirektor Ludwig B*****, unter anderem aus:

"Bedauerlicherweise ist offenbar durch eine Fehlinterpretation der Eindruck entstanden, daß die Ö***** im Herzen eines Naturschutzgebietes nach Rohöl bohren will.

Tatsächlich verhalten sich die Umstände anders.

Ich darf in Erinnerung rufen, daß wir seinerzeit unsere Tätigkeit im unmittelbaren Gebiete der C*****-Stiftung gegen die fixe Zusage zurückgezogen haben, diese wird einen Betrag von mindestens S 50 Millionen in diesem Gebiet investieren und damit eine umfangreiche naturschützerische Tätigkeit entfalten. Ob diese Voraussetzung erfüllt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.

Wir haben nun vor, in einem anderen Gebiete in einer Schottergrube eine Probebohrung niederzubringen, und haben auch die Zustimmung des betreffenden Grundbesitzers erhalten."

In ihrem Schreiben an die Klägerin vom 8.Juni 1979 nahm die Beklagte einleitend auf die seinerzeitige Kontaktnahme im Jahre 1971 Bezug, bei der abgesprochen worden sei, daß keinerlei industrielle Vorhaben der Beklagten vorgenommen werden, die eine wesentliche Beeinträchtigung der Ziele der Klägerin im G***** im A*****tal herbeiführen.

Der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30.Juni 1992 enthält in der Begründung zwar als Parteienvorbringen die Einwendung der nunmehrigen Klägerin, zwischen den Streitteilen bestehe eine Vereinbarung vom 17.Februar 1971, aufgrund derer die Beklagte der Klägerin einen Unterlassungsanspruch eingeräumt habe, wenn diese bestimmte Fremdenverkehrsmaßnahmen realisiere. Diese Maßnahmen seien auch verwirklicht worden. Die Ö***** sei daher privatrechtlich verpflichtet, jede Aufsuchungstätigkeit im Gebiet der ***** C*****-Stiftung zu unterlassen. Bereits mit dem Antrag auf Grundüberlassung verstoße sie gegen diese Vereinbarung. Ebenso wird das Vorbringen der nunmehrigen Beklagten wiedergegeben, wonach niemals eine rechtswirksame Vereinbarung über den Verzicht der Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoff im A*****tal und somit auf dem Gelände der Klägerin zustande gekommen sei. In der Äußerung des ehemaligen Generaldirektors der Beklagten sei kein Verzicht auf die Bergbauberechtigung gegenüber der Republik Österreich im Sinne des § 1444 ABGB und auch nicht gegenüber dem Grundeigentümer zu erblicken. In der Begründung des Bescheides wird der Einwand einer entgegenstehenden privatrechtlichen Vereinbarung aber nicht mehr behandelt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, die Klägerin habe bescheinigt, daß die Beklagte ihr gegenüber auf die Durchführung jeder bergbaulichen Untersuchungstätigkeit im A*****tal unter der Voraussetzung der Vornahme umfangreicher fremdenverkehrsfördernder Investitionen durch die Klägerin verzichtete. Aus dieser Vereinbarung resultiere der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch, der durch den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten nicht aufgehoben wurde. Vielmehr bestehe durch die Erwirkung dieses Bescheides die Gefahr der Durchführung von Arbeiten im Rahmen der Ausübung von Aufsuchungsrechten. Die Beklagte habe mit solchen Arbeiten auch bereits begonnen. Die Klägerin habe somit bescheinigt, daß ohne die von ihr begehrte einstweilige Verfügung die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des eingeklagten Anspruches vereitelt werde. Die konkrete Gefährdung im Sinne des § 381 Z 1 EO sei somit bescheinigt. Dem Umstand, daß sich das Rekursgericht nur auf Urkunden stützen konnte, sei durch Auferlegung einer Sicherheit nach § 390 Abs 1 EO Rechnung zu tragen.

Für die von der Klägerin begehrte Androhung von Geldstrafen bei Zuwiderhandeln gegen die einstweilige Verfügung fehle aber jede Rechtsgrundlage.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil zur Frage der Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung, wenn entgegen einer privatrechtlichen Vereinbarung eine bescheidmäßige Zwangseinweisung gemäß § 172 BergG erwirkt werde, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.

Gegen den antragsstattgebenden Teil dieses Beschlusses richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen, zumindest aber die Sicherheitsleistung auf 50 Millionen erhöht werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragte, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihn abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Frage der rechtswirksamen Vertretung der beklagten Partei bei der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung vom 17.Februar 1971 in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise außer acht ließ. Das Rechtsmittel der Beklagten ist im Sinne seines Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Eine Mangelhaftigkeit erblickt die Beklagte darin, daß sich das Rekursgericht lediglich auf einzelne von der klagenden Partei vorgelegte Urkunden stützte und keine Auskunftspersonen vernahm; das Rekursgericht hätte auch die bereits vorliegende Klagebeantwortung berücksichtigen und die dort beantragten Auskunftspersonen einvernehmen (lassen) müssen.

Weiters wendet sich die Beklagte gegen die Annahme des Vorliegens einer Gefährdung im Sinne des § 381 Z 1 EO, sie macht geltend, die auferlegte Sicherheitsleistung von S 200.000 sei viel zu niedrig; im übrigen sei eine Bescheinigung des zu sichernden Unterlassungsanspruches nicht erfolgt. Zu diesem Punkt wird, soweit man die gegen das Neuerungsverbot verstoßenden Ausführungen der Beklagten außer Betracht läßt, im wesentlichen folgendes geltend gemacht:

Es wäre völlig ungewöhnlich und könne nach der Lebenserfahrung nicht ernstlich angenommen werden, daß bei der Besprechung vom 17.Februar 1971 ohne Beiziehung technischer und juristischer Experten, ohne präzise schriftliche Festlegung von Rechten und Pflichten und ohne eine formgerechte und rechtsgültige Beurkundung eine rechtsverbindliche rechtsgeschäftliche Erklärung größter Tragweite - sei es ein Vertragsanbot, sei es eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung - abgegeben worden wäre. Zu einem Rechtsgeschäft gehöre eine ernstliche Erklärung, sie müsse einen entsprechenden Bindungswillen des sich Verpflichtenden zum Ausdruck bringen. Die bei einer Diskussionsveranstaltung mit Politikern, Bürgermeistern und Grundbesitzern abgegebene Ankündigung könne der Beklagten nicht als rechtsgeschäftliche Willenserklärung zugesonnen werden. Man könne nicht ernstlich annehmen, daß unter wirtschaftlich denkenden und erfahrenen Menschen bei einer ländlichen Aussprache verbindliche Verpflichtungen solchen Gewichtes mündlich begründet werden, ohne daß darüber irgendeine Beurkundung stattfinde. Es sei auch die Geschäftsgrundlage für die von der Beklagten behauptete Vereinbarung weggefallen, weil das A*****tal bis heute kein Naturschutzgebiet sei. Das Rekursgericht hätte auch das Auseinanderfallen der Begriffe "Erfüllung der Konzession" einerseits und "eventuelle spätere Konzessionserteilung" andererseits erkennen müssen und den Anspruch nicht als bescheinigt annehmen dürfen. Es sei vom Rekursgericht auch nicht beachtet worden, daß die von Generaldirektor B***** abgegebene Erklärung bedingt war. Es sei nicht bescheinigt worden, daß die Bedingung: "wenn sich dadurch keine präjudiziellen Nachteile für die Beklagte ergeben", eingetreten sei. Rechtsirrig sei auch die Ansicht des Rekursgerichtes, die Klägerin habe das Vorliegen einer "Vereinbarung" bescheinigt. Es sei nämlich nicht bescheinigt worden, daß Adressat des vermeintlichen Vertragsanbotes gerade und nur die Klägerin gewesen sei und daß das Vertragsoffert innerhalb der Anbotsfrist namens der Beklagten von einem dazu Berechtigten angenommen worden wäre. Es sei auch nicht bescheinigt, daß Generaldirektor B***** zur Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung namens der Beklagten vertretungsbefugt gewesen sei. Die Aktiengesellschaft werde nur von zwei Vorstandsmitgliedern gemeinsam vertreten, im Innenverhältnis hätte eine solche Verpflichtungserklärung der Beschlußfassung des Gesamtvorstandes und der Genehmigung des Aufsichtsrates der Beklagten bedurft. Da auch das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht nicht bescheinigt worden sei, könne die Erklärung von Generaldirektor B***** der Beklagten nicht zugerechnet werden. Äußerstenfalls könne die Erklärung von Generaldirektor B***** als Zusage, künftig einen Vertrag zu schließen (Vorvertrag), gesehen werden. Ein solcher Vorvertrag wäre aber unwirksam, weil der Zeitpunkt der Abschließung des Hauptvertrages und die wesentlichen Stücke des Vertrages nicht bestimmt waren und nicht rechtzeitig auf die Vollziehung der Zusage gedrungen wurde. Es liege auch kein Verzicht im Sinne des § 1444 ABGB vor, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Absichtserklärung vom 17. Februar 1971 kein in irgendeiner Weise konkretisiertes Recht gegenüber der Klägerin, auf das sie verzichten hätte können, hatte. Aus dem der Erklärung vom 17.Februar 1971 folgernden Verhalten der Beklagten könne auch kein konstitutives Anerkenntnis abgeleitet werden. Jedenfalls könne ein entgeltlicher (zweiseitig verbindlicher) Vertrag nicht angenommen werden. Handelte es sich aber um einen unentgeltlichen, also nur einseitig verpflichtenden Vertrag, dann hätte die Erklärung der beklagten Partei gemäß § 1 Abs 1 lit d NotZwG eines Notariatsaktes bedurft; ein solcher sei aber nie errichtet worden.

Diese Ausführungen sind aus folgenden Gründen jedenfalls zum Teil zutreffend:

Das Rekursgericht ist von einer rechtswirksamen Vereinbarung zwischen den Streitteilen ausgegangen und hat die Rechtsansicht vertreten, daß Generaldirektor B***** die beklagte Partei am 17.Februar 1971 rechtswirksam vertreten konnte. Die Richtigkeit dieser Ansicht - sie wird von der beklagten Partei bestritten - kann aber aufgrund der vorliegenden Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden. Wie sich aus dem Firmenbuch ergibt, waren am 17.Februar 1971 Friedrich F*****, Diplomkaufmann Kurt M*****, KR Ludwig B***** und Dr.Margarete O***** Vorstandsmitglieder der Beklagten; Vertretungsbefugnis hatten jeweils nur zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam oder jedes von ihnen zusammen mit einem Prokuristen. Dies schließt freilich nicht aus, daß KR Ludwig B***** auch allein die beklagte Partei vertreten konnte, wenn ihm etwa von einem anderen organschaftlichen Vertreter (Vorstandsmitglied oder Prokuristen) ausdrücklich oder schlüssig Vollmacht eingeräumt wurde oder aber eine Scheinvertretung durch späteres Verhalten dieser Personen genehmigt wurde (Friedl-Schinko in Straube, HGB, § 48 Rz 23). Auch das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand einer Bevollmächtigung könnte zur Annahme eines rechtswirksamen Vertrages zwischen den Streitteilen führen, wobei infolge der funktionellen Gleichwertigkeit der Bevollmächtigung und der Genehmigung das Vertrauen auf den Schein einer Genehmigung ebenso zu schützen wäre wie eines auf den Schein einer Bevollmächtigung (F. Bydlinski, Gesamtvertretung und Verkehrsschutz, JBl 1983, 627 ff [630]). Aus dem vom Rekursgericht festgestellten Telefonat vom 25.April 1975 und dem Schreiben vom 27. Februar 1979 allein kann eine nachträgliche Genehmigung einer allenfalls vollmachtslos abgegebenen Erklärung nicht abgeleitet werden, weil auch diese Erklärungen von Generaldirektor B***** stammen; es kann ja nicht der falsus procurator selbst sein vollmachtsloses Handeln genehmigen.

Da das Rekursgericht, von der unrichtigen Rechtsansicht der rechtswirksamen Vertretung der beklagten Partei durch KR B***** ausgehend, sich mit den Fragen der Bevollmächtigung von Generaldirektor B***** durch einen anderen Gesamtvertreter, des Vorliegens einer Duldungs- und Anscheinsvollmacht und der Genehmigung seiner Scheinvertretungshandlungen durch späteres Verhalten anderer Gesamtvertreter nicht auseinandergesetzt und darüber keine Feststellungen getroffen hat, leidet das rekursgerichtliche Verfahren an einem Mangel, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache verhindert, sodaß die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen war.

Die Feststellungen der Vorinstanzen lassen eine Beurteilung der Frage, ob zwischen den am 17.Februar 1971 handelnden Personen Konsens erzielt wurde, auch deshalb nicht zu, weil das vom Rekursgericht durchgeführte Beweisverfahren mangelhaft geblieben ist, denn es wurden die von der klagenden Partei beantragten Auskunftspersonen (siehe AS 5 und 35) gar nicht einvernommen. In rechtlicher Hinsicht ist diesbezüglich zu bedenken, daß die von der klagenden Partei behauptete Vereinbarung eine einleitende Willenserklärung (Anbot) und deren Annahme durch den Erklärungsempfänger voraussetzt. Eine Offerte ist nur dann zur Annahme geeignet, wenn sie inhaltlich ausreichend bestimmt ist, und in ihr ein endgültiger Bindungswille des Antragstellers zum Ausdruck kommt (Koziol-Welser I9, 104 f). Es ist erforderlich, daß auf Seiten des Offerenten der Wille vorhanden ist, durch die Willenserklärung rechtliche Wirkungen auszulösen, die nötigenfalls durch behördlichen Zwang durchgesetzt werden können (2 Ob 48/84). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob ein derartiger Bindungswille vorliegt, ist die Warte eines aufmerksamen Adressaten; von seinem Standpunkt aus muß die Erklärung den endgültigen Willen erkennen lassen, damit eine rechtliche Bindung zu bewirken (Kramer in Münchner Komm z BGB2, Rz 5 zu § 145). Im fortgesetzten Verfahren wird daher allenfalls auch zu prüfen sein, wie ein aufmerksamer Adressat die Erklärungen von Generaldirektor B***** verstehen konnte und ob überhaupt und in welcher Form die klagende Partei ein Anbot der Beklagten angenommen hat. § 864 ABGB ermöglicht allerdings auch einen Vertragsabschluß ohne Annahmeerklärung (auch ohne konkludente), vielmehr durch Annahmehandlung, "tatsächliches Entsprechen" (Rummel in Rummel2, Rz 1 § 864).

Durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung aufgrund des Rechtsmittels der Beklagten ist das Verfahren nunmehr zweiseitig geworden, sodaß im fortgesetzten Verfahren auch das Vorbringen der beklagten Partei in der Klagebeantwortung und im Widerspruch zu berücksichtigen sein wird.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 78, 402 EO, 52 Abs 1 ZPO. Zutreffend wird diesbezüglich im Revisionsrekurs geltend gemacht, daß gemäß § 13 Abs 1 lit b RATG im Sicherungsverfahren nach den §§ 378 ff EO für den Gegner der gefährdeten Partei der Wert des von seinem Antrag betroffenen Anspruches Bemessungsgrundlage ist. Für die Bestimmung der Anwaltskosten richtet sich die Bemessungsgrundlage demnach im Sicherungsverfahren im Zuge eines bereits anhängig gemachten Rechtsstreites nach dem Wert des zu sichernden Anspruches, wie er sich aus dem Hauptprozeß ergibt. Die gefährdete Partei kann im Sicherungsverfahren in einem solchen Fall den zu sichernden Anspruch nicht willkürlich und vom Hauptprozeß abweichend bewerten (8 Ob 671/87 mwN).

Anmerkung

E30195

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00626.92.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19921112_OGH0002_0080OB00626_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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