TE OGH 1992/11/26 15Os42/92

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Veröffentlicht am 26.11.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat am 26.November 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Hager und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr.Rudolf H***** und einen anderen wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Dr.H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 5.September 1991, GZ 26 Vr 2265/89-1137, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Es werden zurückgewiesen

1. die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, soweit sie den Angeklagten Gerhart R***** betrifft;

2. die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr.Rudolf H*****, soweit sie hinsichtlich der Schuldspruchfakten C I 3, C I 5, D I ud D

III Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs. 1 Z 1 und Z 1 a (1.1. der Nichtigkeitsbeschwerde), Z 2 (1.2.1. der Nichtigkeitsbeschwerde), Z 3 (1.3.2. und 1.3.3. der Nichtigkeitsbeschwerde), Z 4 (1.41., 14.2., 1.4.7. und 1.4.8. der Nichtigkeitsbeschwerde), Z 5 (1..5.26., 1.5.27. und 1.5.28. der Nichtigkeitsbeschwerde) und Z 5 a StPO (1.6. der Nichtigkeitsbeschwerde) geltend macht.

II. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr.Rudolf H***** wird im übrigen teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das - unbeschadet der noch in einem Gerichtstag zu fällenden Entscheidung - im übrigen unberührt bleibt,

-

im Schuldspruch des Angeklagten Dr.Rudolf H***** zu den Urteilsfakten A III, A IV, A V, A VI, A VIc, A VIII, A IX, A X, A Xa,

A XI, A XIII, A XIV, A XV, A XVII, A XVIII, A XIX, A XX, A XXII, A

XXIII, A XXV, A XXVI, A XXVII, A XXVIII und A XXIX (wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie § 15 StGB), B III und B IV (wegen des Verbrechens der Schädigung fremder Gläubiger nach § 157 StGB), C I 1 (wegen des Verbrechens der versuchten betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs 1 und 2 StGB) und G (wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB),

-

weiters gemäß § 290 Abs 1 zweiter Fall StPO im Schuldspruch des Angeklagten Gerhart R***** zu den Urteilsfakten A VIb (wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB) und F (wegen des Vergehens - richtig: der Vergehen - der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB),

-

sowie demzufolge auch in den die Angeklagten Dr.Rudolf H***** und Gerhart R***** betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Aussprüche über die Vorhaftanrechnungen)

-

und schließlich im Ausspruch, daß Dr.Rudolf H***** und Gerhart R***** schuldig seien, der Bank der Ö***** AG den Betrag von S 2,413.178,12 S samt 9 % Zinsen seit 22.Mai 1984 binnen 14 Tagen zu bezahlen,

aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Linz zurückverwiesen.

III. Über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, soweit sie den Angeklagten Dr.Rudolf H***** betrifft, und über die Rechtsrügen der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr.Rudolf H***** zu den Urteilsfakten C I 3 und C I 5 (1.8.5. und 1.9.2. der Nichtigkeitsbeschwerde) sowie D I und D III (1.8.6. und 1.9.1. der Nichtigkeitsbeschwerde) wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

IV. Es werden der Angeklagte Dr.Rudolf H***** mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit er den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO (1.10. der Nichtigkeitsbeschwerde) geltend macht und mit seiner Berufung (sowohl gegen den Strafausspruch als auch gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche) sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die zu II. getroffene Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Urteil wurden

1. Dr.Rudolf H*****

a) des (in 24 Fällen begangenen) Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und § 15 StGB (A III bis A VI, A VIc, A

VIII bis A XI, A XIII bis A XV, A XVII bis A XX, A XXII, A XXIII und

A XXV bis A XXIX),

b) des (in zwei Fällen verübten) Verbrechens der Schädigung fremder Gläubiger nach § 157 StGB (B III, B IV),

c) des (in drei Fällen begangenen) Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB sowie § 15 StGB (C I 1, 3 und 5),

d) des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB (D I),

e) des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 2 StGB (D II - richtig: D III) und

f) des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (G) sowie

2. Gerhart R*****

a) des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (A VIb) und

b) des Vergehens (richtig: der Vergehen) der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB (F) schuldig erkannt.

Von weiteren Anklagepunkten in Richtung des schweren Betruges, der betrügerischen Krida und der Veruntreuung wurden die beiden genannten Angeklagten gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Der nähere Inhalt der Schuldsprüche wird, soweit erforderlich, im folgenden bei der Behandlung der einzelnen Punkte, auf welche sich das Rechtsmittelverfahren bezieht, wiedergegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte Dr.H***** bekämpft sämtliche ihn betreffenden Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs 1 Z 1, 1 a, 2, 3, 4, 5, 5a, 8, 9 lit a und b sowie 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; die Staatsanwaltschaft hat gegen den Freispruch der beiden Angeklagten in den Punkten A I 1 und 2 eine auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde erhoben; die weiteren Freisprüche sind demnach unangefochten geblieben.

Außerdem werden die Strafaussprüche hinsichtlich beider Angeklagten von der Anklagebehörde mit Berufung angefochten, desgleichen vom Angeklagten Dr.H***** der ihn betreffende Strafausspruch sowie das Ahäsionserkenntnis, das zugunsten der Bank der Ö***** AG erging.

Der Angeklagte R***** hat kein Rechtsmittel ergriffen.

II.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr.H*****:

Zu 1.4.3. sowie (teilweise) 1.4.6. der Beschwerde:

Der Verfahrensrüge des Angeklagten Dr.H***** kommt, soweit er sich gegen Zwischenerkenntnisse des Schöffensenates wendet, mit denen seine Einwendungen gegen die Person des beigezogenen Sachverständigen Dr.H***** als unbegründet erachtet wurden, Berechtigung zu.

Der Sachverständige Dr.H***** war von der zuständigen Untersuchungsrichterin des Kreisgerichtes Wels, bei welchem das Strafverfahren damals geführt wurde, am 20.April 1984 bestellt und am 4. Mai 1984 beeidet worden (S 1 w, 1 y und 1 y verso des Antrags- und Verfügungsbogens iVm S 327/XIV).

Dr.H***** legte - noch während des Vorverfahrens - am 14.Februar 1986 dem Gericht ein in mehrere Bände gegliedertes schriftliches Gutachten vor (ON 450 bis 457, nicht in Aktenbände einjournalisiert), das zum Gegenstand äußerst umfangreicher Erörterungen im Zuge der mehrmonatigen Hauptverhandlung wurde.

Der in den Konkursverfahren über das Vermögen der H*****-Werke *****GesmbH & Co KG sowie der H*****-Werke Maschinenbau und Bestecke GesmbH & Co Handelsgesellschaft als Masseverwalter bestellte Rechtsanwalt Dr.G***** beauftragte nach Einholung der gemäß § 81 Abs 4 KO vorgesehenen Zustimmung des Konkursgerichtes, die am 13.November 1987 erteilt wurde (S 221/I im Akt AZ S 37/84 des Kreisgerichtes Wels), seinerseits Dr.H*****, dessen Beiziehung er "wegen seiner beträchtlichen Vorkenntnisse ... aus ökonomischen Gründen zweckmäßig" hielt, mit einer Statuserstellung bezüglich beider genannten Gesellschaften. Dieser Status wurde vom Masseverwalter dem Konkursgericht am 30.November 1988 vorgelegt (S 7/II im Akt AZ S 37/84 des Kreisgerichtes Wels). Der Masseverwalter Dr.G***** beantragte sodann am 13.Jänner 1989 die Zustimmung des Konkursgerichtes zur Erteilung eines weiteren Auftrages an Dr.H*****, nämlich zur buchmäßigen Aufteilung des Gesamtvermögens beider Gesellschaften; diese Zustimmung wurde am 17.Jänner 1989 erteilt (S 9/II im erwähnten Akt). Einem dagegen erhobenen, vom Angeklagten Dr.H***** unterfertigten Rekurs der H*****-Werke,***** GesmbH & Co KG gab das Oberlandesgericht Linz mit dem Beschluß vom 24.März 1989, AZ 2 R 37/89, nicht Folge (S 29 ff/II im erwähnten Akt), ein außerordentlicher Revisionsrekurs wurde zurückgewiesen (S 45, 75 ff/II im erwähnten Akt). Die von Dr.H***** ausgearbeiteten weiteren Expertisen wurden dem Konkursgericht am 7.November 1991 vorgelegt (S 113/II im erwähnten Akt).

Abgesehen davon, daß demnach die Beauftragung des Sachverständigen Dr.H***** durch den Masseverwalter Dr.G***** dem Angeklagten Dr.H***** aus dem Insolvenzverfahren bekannt war, wurde dieser Umstand außerdem vom Zeugen Dr.G***** und vom Sachverständigen Dr.H***** in der Hauptverhandlung vom 30.April 1991 dargelegt (S 1344, 1346, 1379 f/XXXI); er stellte sich demzufolge entgegen dem Vorbringen des Verteidigers des Beschwerdeführers Dr.H***** in der Hauptverhandlung vom 29.Mai 1991 (S 839/XXXII) nicht erst in dieser Hauptverhandlung heraus.

Der im Konkurs über das Vermögen des Angeklagten Gerhart R***** bestellte Masseverwalter Dr.S***** stellte am 31.Mai 1989 gleichfalls an das Konkursgericht den Antrag, gemäß § 81 Abs 4 KO einer Heranziehung des Sachverständigen Dr.H*****l zu einer Statuserstellung sowie zur Ermittlung von Verlustvorträgen und des Gesamtvermögens zuzustimmen; diese Zustimmung wurde am 1.Juni 1989 erteilt. Auch Dr.S***** hatte seinen Antrag damit begründet, daß der bereits im Strafverfahren herangezogene Sachverständige "in den Fall eingearbeitet" sei (S 171 ff/II des Aktes AZ S 27/84 des Kreisgerichtes Wels).

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, daß Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens bis zur Urteilsfällung unter anderem auch ein dem Angeklagten Dr.H***** zur Last gelegtes Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB, begangen als Geschäftsführer der H*****-Werke***** GesmbH & Co KG zum Nachteil dieser Gesellschaft, war (Faktum E I) und eine Vielzahl weiterer Fakten sind, in denen dem Beschwerdeführer Dr.H***** Betrügereien zur Last gelegt werden, die er in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der H*****-Werke oder unter Beigebung von Wechseln begangen haben soll, die (ua) namens der H*****-Werke gezeichnet worden waren. Verfahrensgegenstand ist außerdem ein dem Angeklagten Dr.H***** zum Nachteil des Mitangeklagten Gerhart R***** zur Last gelegtes Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall (Faktum G).

In der Hauptverhandlung vom 23.April 1991 schloß sich der Masseverwalter Dr.S***** namens der von ihm vertretenen Masse dem Strafverfahren gegen den Angeklagten Dr.Rudolf H***** als Privatbeteiligter mit einer Forderung von 5 Millionen Schilling an (S 1052/XXXI).

In der Hauptverhandlung vom 29.Mai 1991 erhob der Verteidiger des Beschwerdeführers Dr.H***** erhebliche Einwendungen iSd § 120 StPO gegen den Sachverständigen Dr.H***** verbunden mit dem Antrag, an dessen Stelle einen anderen Sachverständigen für das Buchwesen beizuziehen. Er begründete diesen Antrag mit dem "Eindruck einer ernsthaften Interessenkollision" aus der Doppelfunktion als vom Strafgericht bestellter Sachverständiger einerseits und als vom Masseverwalter Dr.G***** beauftragter "Privatsachverständiger" andererseits, wozu komme, daß wegen der Art der Durchführung der Insolvenzverfahren der beiden H*****-Werke-Gesellschaften nicht nur von Gesellschaftern der beiden Gesellschaften und dem Beschwerdeführer, sondern auch von Gläubigern der Gesellschaften Schadenersatzansprüche gegenüber dem Konkursgericht und dem Masseverwalter geltend gemacht worden seien (S 839 ff/XXXII). Diesen Einwendungen schloß sich der Verteidiger des Mitangeklagten R***** an (S 841/XXXII).

Der Sachverständige Dr.H***** nahm zu diesem Antrag dahin Stellung, daß er sich in seiner Objektivität für das strafgerichtliche Verfahren nicht dadurch beeinträchtigt sehe, daß er Abstimmungs- und Aufbuchungsarbeiten in den Insolvenzverfahren der H*****-Werke-Gesellschaften vorgenommen habe; dadurch seien vielmehr neue Rückschlüsse und Erkenntnisse für das Strafverfahren möglich gewesen (S 842 f/XXXII).

Mit Zwischenerkenntnis des Schöffensenates wurde daraufhin der Antrag der Verteidiger mit der Begründung abgewiesen, es sei zulässig, gerichtlicher Buchsachverständiger in einem Insolvenzverfahren und in einem Strafverfahren zu sein, in welchem auch die betrügerische Krida des Gemeinschuldners Verfahrensgegenstand ist; der Umstand, daß Dr.H***** auch im Insolvenzverfahren der H*****-Werke-Gesellschaften als Sachverständiger beauftragt wurde, sei "seit Monaten in der Hauptverhandlung bekannt"; es lägen keine Gründe vor, an der Objektivität des Sachverständigen zu zweifeln, auch ein objektiver Betrachter könne keine gravierenden Gründe für eine Befangenheit des Sachverständigen, der sich im übrigen auch subjektiv nicht befangen fühle, erkennen (S 844 f/XXXII).

Unmittelbar nach diesem Zwischenerkenntnis brachte der Verteidiger des Mitangeklagten R***** weitere Einwendungen gegen den Sachverständigen Dr.H***** vor und beantragte (neuerlich) dessen Ersetzung durch einen anderen Sachverständigen mit der Begründung, in der vorausgegangenen Beratungspause habe er erfahren, daß der Sachverständige auch von Dr.S*****, dem Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Angeklagten R*****, einen Auftrag entgegengenommen habe (S 846, 850/XXXII).

Auch dieser Antrag wurde noch an diesem Verhandlungstag durch ein Zwischenerkenntnis des Schöffensenates mit der Begründung abgewiesen, die Erstellung von Jahresabschlüssen durch den Sachverständigen sei "kein objektiver Grund" für die Annahme, daß er befangen sein sollte (S 853/XXXII).

In der Hauptverhandlung vom 4.Juli 1991 brachte der Verteidiger des Beschwerdeführers Dr.H***** "vor wie im Schriftsatz vom 03.06.1991" (S 885/XXXII). In diesem Schriftsatz (S 467 ff/XXI), der somit zum Gegenstand der Antragstellung in der Hauptverhandlung wurde, wurde erneut der Antrag gestellt, den Sachverständigen Dr.H***** zu entbinden und einen anderen Sachverständigen zu bestellen. Zur Begründung wurde inhaltlich das gleiche vorgebracht, wie im Antrag des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vom 29.Mai 1991, ergänzt um das zuletzt erwähnte Vorbringen des Verteidigers des Mitangeklagten R***** in dieser Hauptverhandlung über eine Beauftragung des Sachverständigen (auch) durch den Masseverwalter Dr.S*****.

In der Hauptverhandlung vom 5.Juni 1991 erhob der Verteidiger des Beschwerdeführers abermals Einwendungen gegen den Sachverständigen Dr.H***** mit dem Antrag, diesen zu entbinden und einen anderen Buchsachverständigen an seiner Stelle zu bestellen; ausgeführt wurde, es bestehe eine erkennbare objektive Interessenkollision zwischen den Aufgaben des Sachverständigen im Strafverfahren und seiner Tätigkeit für den Masseverwalter Dr.G*****, was zur Folge gehabt habe, daß der Sachverständige "in der Vorstellung des Masseverwalters befangen ist" (S 1021 f/XXXII). Diesem Antrag schloß sich der Verteidiger Des Mitangeklagten R***** an (S 1022/XXXII).

In der Hauptverhandlung vom 10.Juli 1991 wurde vom Verteidiger des Beschwerdeführers abermals die Bestellung eines anderen Sachverständigen anstelle des Dr.H***** mit der Begründung beantragt, daß dieser "aufgrund seiner Involvierung in die Abwicklung der Konkursverfahren denkbarerweise nicht mit der zur Erstellung des Gutachtens erforderlichen Distanziertheit an die Lösung der Aufgabe herangehen könnte" (S 583/XXXIII).

Nach Verlesung der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zum bereits erwähnten Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 3.Juni 1991 (S 585/XXXIII iVm S 75 ff/XXII) wurde mit Zwischenerkenntnis des Schöffensenates vom 10.Juli 1991 der "Ablehnungsantrag hinsichtlich des SV Dr.H*****" mit der Begründung "zurückgewiesen", die Funktion des Sachverständigen für den Masseverwalter "mit einem Gerichtsorgan" (gemeint wohl: als Gerichtsorgan) sei mit jener im gegenständlichen Strafverfahren "durchaus vereinbar" (S 590/XXXIII).

Der Oberste Gerichtshof vermag sich der in den Zwischenerkenntnissen des Schöffengerichtes vom 29.Mai und 10.Juli 1991 vertretenen Auffassung, der Umstand, daß ein Buchsachverständiger einerseits in einem (Wirtschafts-)Strafverfahren als Sachverständiger und andererseits (zugleich) in einem (denselben Sachverhalt oder Teile desselben betreffenden) Insolvenzverfahren als Hilfsorgan des Masseverwalters tätig ist, sei nicht geeignet, im Strafverfahren erhebliche Einwendungen gegen diesen Sachverständigen zu begründen, nicht anzuschließen.

Gewiß ist die Stellung eines von einem Masseverwalter beigezogenen Sachverständigen nicht die eines "Privatgutachters", wie dies die Verteidiger der Angeklagten Dr.H***** und R***** vermeinen; sie verkennen dabei, daß der Masseverwalter ein Amt innehat (§§ 80 Abs 1, 81 Abs 3, 83 Abs 1 KO).

Bei der vom Schöffengericht - und von der Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 11.Juli 1991 (S 75/XXII) - aus der Stellung des vom Gericht bestellten Masseverwalters abgeleiteten Folgerung einer Vereinbarkeit der in Rede stehenden Tätigkeiten des Sachverständigen wird hinwieder die besondere Stellung des Masseverwalters als gesetzlicher Vertreter der Konkursmasse (Mohr, Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung7 § 83 E 2 ff E 56 ua) und zugleich als (gesetzlicher) Treuhänder der Massegläubiger (Herz, Masseverwalter, Gläubiger und Gemeinschuldner, ÖJZ 1962, 120 ff) übersehen, der damit jedenfalls Interessensvertreter unter anderem gegenüber Personen ist, die die Masse und demzufolge auch die Massegläubiger durch deliktische Handlungen schädigten und denen gegenüber er allenfalls Schadenersatzforderungen (auch) in einem Adhäsionsverfahren im Rahmen eines Strafprozesses geltend zu machen hat.

Mit besonderer Deutlichkeit zeigt sich dies im vorliegenden Verfahren am Beispiel des Masseverwalters Dr.S*****, der sich namens der von ihm zu vertretenden Masse dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anschloß und eine Forderung gegen den Angeklagten Dr.H***** geltend machte, worüber im Urteil - und sei es auch nur in Form einer Verweisung auf den Zivilrechtsweg - abzusprechen war, und der mit seiner Prozeßerklärung auch prozessual die Stellung eines Gegners (vgl § 294 Abs 2 StPO) dieses Angeklagten einnahm.

Wegen der aufgezeigten, durch das Gesetz vorgegebenen besonderen Rechtsstellung des Masseverwalters - und demnach auch des von diesem mit einzelnen Tätigkeiten beauftragten Sachverständigen - kann entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft (S 75/XXII) auch nicht auf jene Judikatur zurückgegriffen werden, wonach aus der Tatsache der Bestellung eines Sachverständigen in einem anderen Gerichtsverfahren erhebliche Einwendungen gegen den (nunmehr dieselbe Person begutachtenden) Sachverständigen nicht abgeleitet werden können (SSt 34/79, 41/31 = Mayerhofer-Rieder StPO3 § 120 E 7); sie betrifft die Fallkonstellation, daß der Sachverständige von einem Gericht in einem anderen Verfahren herangezogen worden war, nicht aber den hier aktuellen Fall der Heranziehung desselben Experten durch einen (wenngleich amtlich bestellten und zur Objektivität verpflichteten) Interessenvertreter, der potentiell in eben jener Angelegenheit, die (auch) Gegenstand des Strafverfahrens ist, gegen den Angeklagten einzuschreiten berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet ist (§ 81 Abs 3 dritter Satz KO) und - im Fall des Masseverwalters Dr.S***** - auch vorliegend solcherart tätig wurde.

Daß der Sachverständige Dr.H***** im Auftrag der Masseverwalter in den oben bezeichneten Konkursverfahren tätig geworden ist, stellt somit bei der gegebenen Sachlage einen Umstand dar, der (schon für sich allein) geeignet ist, aus objektiver Sicht (somit dem äußeren Anschein nach) die volle Unbefangenheit dieses Sachverständigen im gegenständlichen Strafverfahren in Zweifel zu ziehen. Daher wären - dies nicht zuletzt auch im Lichte der Bestimmung des Art 6 Abs 1 MRK über den Anspruch eines Angeklagten auf ein faires Verfahren (vgl Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht3 E 10e und 11f zu Art 6 MRK sowie Mayerhofer-Rieder, StPO3 § 120 E 7b) - die deshalb gegen ihn in der Hauptverhandlung vorgebrachten Einwendungen als erheblich und damit als berechtigt anzuerkennen gewesen, ohne daß es (darüber hinaus) noch der Dartuung spezieller, eine Befangenheit des Sachverständigen indizierender Gründe bedurfte.

Ob sich der Sachverständige subjektiv befangen fühlte, ist angesichts der durch die Gesetzeslage bedingten potentiellen Interessenkollision nicht entscheidend, ebensowenig wie es darauf ankommt, ob Amtshaftungsansprüche aus der Tätigkeit des Masseverwalters und des von diesem beigezogenen Sachverständigen abgeleitet wurden, was allerdings eine zusätzliche Kollisionslage indizieren könnte.

Der Umstand, daß der Antrag auf Beiziehung eines anderen Sachverständigen an Stelle des Sachverständigen Dr.H***** nicht sogleich nach der Darlegung der Tätigkeit dieses Experten für den Masseverwalter in der Hauptverhandlung gestellt wurde, ist entgegen der Meinung des Schöffensenates (S 845/XXXII) bedeutungslos, denn es besteht insoweit keine sofortige Rügepflicht (wie etwa in den Fällen des § 281 Abs 1 Z 1 StPO); angesichts der Dauer der abgeführten Hauptverhandlung kann darin, daß der in Rede stehende Antrag erstmals am 29.Mai 1991 gestellt wurde - nach welchem Zeitpunkt die Hauptverhandlung noch monatelang fortgesetzt wurde - auch nicht abgeleitet werden, der Antrag sei ausschließlich mit dem Ziel einer Verfahrensverschleppung gestellt worden.

Da der Beschwerdeführer somit berechtigt erhebliche Einwendungen gegen den beigezogenen Sachverständigen Dr.H***** vorbrachte, wurden durch die bekämpften Zwischenerkenntnisse, mit welchen diesen Einwendungen nicht Rechnung getragen und der Antrag auf Bestellung eines anderen Sachverständigen abgewiesen wurde, Grundsätze des Verfahrens unrichtig angewendet, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, sodaß insoweit der Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO verwirklicht ist. Dies zwingt den Obersten Gerichtshof zur Kassation des erstgerichtlichen Urteils in all jenen (Schuldspruch-)Fakten, in denen das Gutachten des Sachverständigen Dr.H***** eine der Entscheidungsgrundlagen des Gerichtes war oder jedenfalls nicht unzweifelhaft erkennbar auszuschließen ist, daß es zur Entscheidungsfindung der Tatrichter beigetragen haben könnte (§ 281 Abs 3 StPO).

Von der Kassation umfaßt ist aus dem eben bezeichneten Grund (ua) auch das Schuldspruchfaktum B III.

Wenngleich nach den Ausführungen des Urteils nicht festgestellt werden konnte, daß der von dem als falsus procurator handelnden Angeklagten Dr.H***** festgelegte Verkaufspreis für das um den 21. Oktober 1982 veräußerte Anlagevermögen der insolventen H*****-Ziegel GesmbH von netto 5 Millionen Schilling (brutto inklusive Mehrwertsteuer S 5,900.000) unter dem tatsächlichen Wert dieses Vermögens lag (US 200), und das Erstgericht konstatierte, daß dieser Erlös der O*****bank, einer der Gläubigerinnen der H*****-Ziegel GesmbH, zugeführt wurde, wodurch eine Entlastung in Ansehung der zugunsten dieser Bank bestandener Liegenschaftshypotheken und gleichzeitig auch hinsichtlich der Haftung des Angeklagten Dr.H***** als Bürge und Zahler bewirkt wurde (US 196 ff, 205, 493), sodaß demzufolge eine Verringerung des Vermögensstandes der H*****-Ziegel GesmbH nicht eingetreten und demnach ein Schuldspruch wegen Schädigung fremder Gläubiger nach § 157 StGB verfehlt wäre (Leukauf-Steininger, Komm3 § 157 RN 4; Liebscher im WK § 157 Rz 6), kann dennoch eine sofortige Sachentscheidung nicht gefällt werden.

Ein Freispruch durch den Obersten Gerichtshof kommt nämlich bei der gegebenen Verfahrenslage deshalb nicht in Betracht, weil der Urteilssachverhalt jedenfalls auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Grundsatzes der par conditio creditorum und somit in der Richtung einer allfälligen Erfüllung des Tatbestandes des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB (Leukauf-Steininger, Komm3 § 159 RN 36) zu prüfen ist, wofür der Angeklagte Dr.H***** uU als leitender Angestellter einzustehen hätte. Bei der Beurteilung, ob eine derartige Organfunktion iSd § 161 (§ 309) StGB gegeben ist, kommt es nicht auf einen formellen Vertrag iSd AngG oder verwandter zivilrechtlicher Bestimmungen an; es kann auch eine mündliche (oder konkludente) Betrauung mit der faktischen Wahrnehmung der Unternehmerfunktion hinreichen (so insb JBl 1987, 798; vgl dazu auch Leukauf-Steininger Komm3 § 309 RN 5, Liebscher im WK § 161 Rz 9, 11 Os 73/84 [der bezügliche Teil dieser Entscheidung ist in RdW 1985, 275 nicht veröffentlicht]).

Zu einer abschließenden Beurteilung in dieser Richtung fehlt es aber zum einen an ausreichenden Feststellungen über eine faktische unternehmerische Tätigkeit des Angeklagten Dr.H***** für die H*****-Ziegel GesmbH zur Tatzeit (um den 20.Oktober 1982) und die Betrauung mit dieser Tätigkeit oder einem Konsens der formellen Gesellschaftsorgane hiezu; das Schöffengericht stellte insoweit lediglich fest, daß nach dem am 9.November 1982 erfolgten Ausscheiden des Josef H***** als Geschäftsführer ihm in dieser Funktion Beatrix E***** (später verehelichte R*****), die damals Sekretärin des Angeklagten Dr.Rudolf H***** war und ausschließlich dessen Anordnungen zu befolgen hatte, nachfolgte (US 196). Zum anderen aber bezog sich das Schöffengericht auch bei den Feststellungen zum Schuldspruchfaktum B III ausdrücklich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.H***** über die Gebarung der beiden H*****-Werke-Gesellschaften (US 504), an welche das in Rede stehende Anlagevermögen verkauft wurde, sodaß es aus den schon dargelegten Gründen auch deshalb an mängelfreien Konstatierungen für eine Entscheidung in der Sache selbst fehlt.

Der Angeklagte R***** hat das Urteil nicht bekämpft; auf ihn treffen aber alle jene oben angeführten Überlegungen hinsichtlich der Tätigkeit des Sachverständigen Dr.H***** in gleicher Weise zu wie beim Angeklagten Dr.H*****, sodaß auch in Ansehung des ihn betreffenden Urteils derselbe Verfahrensmangel unterlaufen ist, wobei im übrigen auch von ihm in der Hauptverhandlung in dieser Richtung dieselben erheblichen Einwendungen geltend gemacht worden waren. Gemäß § 290 Abs 1 zweiter Fall StPO war daher auch der Schuldspruch des Angeklagten R***** (in den Fakten A VIb und F) zu kassieren.

Notwendige Folge dieser Kassation ist auch die Aufhebung der Strafaussprüche hinsichtlich beider Angeklagten (einschließlich der Aussprüche über die Vorhaftanrechnungen) und des - im übrigen unzutreffend eine Leistungsfrist enthaltenden (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 § 369 E 6) - Adhäsionserkenntnisses, das vom Gericht auf die Schuldsprüche des Angeklagten Dr.H***** im Faktum A XXVIII und des Angeklagten R***** im Faktum F, die ihrerseits von der Kassation umfaßt sind, gestützt wurde (US 691 f).

III.

Im Hinblick auf die Kassation des Urteils im bezeichneten Umfang ist es an sich nicht mehr erforderlich, auf weitere Rügen des Beschwerdeführers Dr.H***** zu jenen Fakten einzugehen, die von der Aufhebung umfaßt sind.

Indes sei für den zweiten Verfahrensgang zur Vermeidung von Erörterungen über rechtlich unberechtigte Einwendungen auf einige weitere Punkte der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr.H***** eingegangen.

Zu 1.4.11. der Beschwerde:

Einen Verfahrensmangel (§ 281 Abs 1 Z 4 StGB) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß ihm nach der im Schlußvortrag der öffentlichen Anklägerin vorgenommenen Modifizierung einzelner Punkte der Anklageschrift, gegen die er sich ausgesprochen habe, "jede Möglichkeit genommen", gewesen sei, sich "dazu zu äußern bzw geeignete Beweisanträge noch zu stellen"; das Vorgehen der Staatsanwältin habe nicht (bloß) Modifizierungen zum Inhalt gehabt, sondern Anklageausdehnungen.

Eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten und damit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO liegt indes nur dann vor, wenn während der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder wenn durch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung (ua) durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist.

Welches Zwischenerkenntnis das Schöffengericht nach den Erklärungen der Staatsanwältin hätte fällen sollen, kann der Beschwerde nicht entnommen werden. Sofern dem Beschwerdeführer - nach dem Vorbringen seines Verteidigers in der Hauptverhandlung vom 4.September 1991 (S 197 f/XXXIV) - ein Beschluß auf Nichtzulassung von Änderungen der Anklageschrift vorzuschweben scheint, übersieht er, daß Prozeßerklärungen von Verfahrensparteien - des öffentlichen Anklägers ebenso wie des Verteidigers - grundsätzlich unbeschränkt zuzulassen sind. Liegt in einer solchen Prozeßerklärung des Anklägers eine Anklageausdehnung, so ist allein nach den Bestimmungen des § 263 StPO vorzugehen. Dabei ist nach § 263 Abs 1 letzter Satz StPO eine Verweigerung der Zustimmung des Angeklagten zur sofortigen Aburteilung nur dann beachtlich, wenn er bei seiner Verurteilung wegen der Tat, auf die die Verfolgung ausgedehnt wurde, unter ein strengeres als das Strafgesetz fiele, das auf die in der Anklageschrift angeführte strafbare Handlung anzuwenden wäre.

Die dem Beschwerdeführer in der Anklageschrift (S 3 ff/XVIII) angelastete Delikte sind gemäß dem höheren Strafsatz des § 148 StGB mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht. Der Beschwerdeführer vermochte weder in seinem Vorbringen in der Hauptverhandlung vom 4.September 1991 noch in der Nichtigkeitsbeschwerde darzulegen, daß die von ihm als Anklageausdehnung gewerteten Erklärungen der Anklägerin einen strengeren Strafsatz hätten nach sich ziehen können.

Daß die Möglichkeit zur Äußerung und zur Stellung von Beweisanträgen nach der Erklärung der Anklägerin nicht mehr gegeben gewesen wäre, wie in der Nichtigkeitsbeschwerde behauptet wird, ist schlechtweg unzutreffend. Der Verteidiger des Beschwerdeführers äußerte sich ja auch tatsächlich zu den Erklärungen der Anklägerin und es wäre ihm überdies freigestanden, auch noch vor oder in seinem gemäß § 255 Abs 3 StPO gehaltenen Vortrag Beweisanträge zu stellen, ja selbst mit entsprechender Begründung die Wiedereröffnung des Beweisverfahrens oder die Vertagung der Hauptverhandlung zu beantragen, wonach ein allfälliges abweisendes Zwischenerkenntnis unter den dafür erforderlichen sonstigen Voraussetzungen zum Gegenstand einer Verfahrensrüge hätte gemacht werden können (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 3; 14 Os 114/89; 14 Os 128/89 sowie speziell für den Fall der Anklageausdehnung im Schlußvortrag: 14 Os 148/87). Derartige Anträge wurden jedoch nicht gestellt.

Außerdem lag eine Anklageausdehnung in den in der Nichtigkeitsbeschwerde angeführten Fakten A V, A VI, A VIII, A IX, A X, A XI und A XIV in Wahrheit gar nicht vor.

Zu den Fakten A IX, A XI und A XIV unterläßt es der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang überhaupt, jene Tatumstände zu bezeichnen, aus denen sich die behauptete Anklageausdehnung ergeben soll.

Die in den Fakten A V, A VI, A VIII und A X vorgenommenen Modifikationen des Anklagesatzes dahin, daß jeweils nach Erlangung der Kredite Prolongationswechsel gegeben wurden, finden sich ohnedies bereits in der Begründung der Anklageschrift (S 87, 89, 91 und 94 der Anklageschrift), die mit dem Anklagesatz eine Einheit bildet; dies trifft ebenso auf die Modifikation einer Ausnützung der Alkoholkrankheit des Dr.T***** zur Veranlassung einer Wechselunterfertigung zu (S 88 der Anklageschrift). Bei der somit vorgenommenen Aufnahme einzelner bisher ohnedies in der Anklagebegründung enthaltenen Tatmodalitäten in den Anklagetenor kann von einer Ausdehnung der Anklage nicht gesprochen werden.

Im übrigen stellen sich Maßnahmen, die nach der materiellen Vollendung der Tat (hier: der unter Anklage gestellten erlisteten Erlangung von Geldbeträgen) unternommen werden, um entweder eine alsbaldige Aufdeckung oder Rückforderungsschritte hinauszuzögern, wie etwa die Begebung von Prolongationswechseln, ihrem Wesen nach als bloße Deckungshandlungen dar, deren Anführung sowohl im Anklagesatz als auch im Urteilstenor hätte unterbleiben können.

Zu 1.7. der Beschwerde:

Auch die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge einer Anklageüberschreitung (§ 281 Abs 1 Z 8 StPO) in zehn Fakten ist nicht gerechtfertigt.

Von einer Überschreitung der Anklage könnte nur dann gesprochen werden, wenn das Gericht den Angeklagten eines Verhaltens schuldig erkannte, das nicht Gegenstand der Anklage war. Gegenstand der Anklage bildet die Beteiligung des Angeklagten an einem bestimmten Vorfall, den die Anklagebegründung erzählt, an einem Ereignis, das irgendeinen nach Ansicht des Anklägers strafbaren Erfolg herbeigeführt hat. Gegenstand von Anklage und Urteil ist das gesamte Verhalten des Angeklagten, wie es sich (auch) aus der einen integrierenden Teil der Anklageschrift darstellenden Anklagebegründung ergibt (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 8 E 8 uvam). Dabei ist das Gericht an die Auffassung des Anklägers über den konkreten Ablauf jeder einzelnen Phase eines von ihm verfolgten Vorganges nicht gebunden. Solange kein Zweifel darüber besteht, daß der sich aus den Beweisergebnissen ergebende Vorgang vom Ankläger inkriminiert ist, mag er sich auch in Einzelheiten anders abgespielt haben als ihn der Ankläger sah, ist das Gericht, falls sich der von ihm festgestellte Sachverhalt als tatbestandsmäßig im Sinn irgendeiner Gesetzesstelle erweist, auch dann verpflichtet, eine Verurteilung auszusprechen, wenn der Ankläger seine Auffassung von den Einzelheiten des inkriminierten Vorganges nicht durch eine Modifizierung der Anklage den Beweisergebnissen angepaßt hat (Mayerhofer-Rieder aaO E 10, RZ 1990/115, EvBl 1983/41 uvam).

Eine Prüfung an Hand dieser Kriterien ergibt, daß in keinem der folgenden vom Beschwerdeführer relevierten Fakten eine Anklageüberschreitung vorlag.

Zu 1.7.1.:

Bereits in der Begründung der Anklageschrift zum Faktum A IV wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer habe gegenüber Organen der V*****bank W***** behauptet, der Tod des Gesellschafters Hubert R***** stehe einer sofortigen grundbücherlichen Einverleibung eines Pfandrechtes zugunsten dieses Kreditinstitutes entgegen (S 85 der Anklageschrift). Es trifft daher schon deshalb die Behauptung nicht zu, daß dieser in den Urteilstenor aufgenommene Umstand, der sich überdies als bloße Tatmodalität der an sich unter Anklage gestellten Tat darstellt, nicht inkriminiert gewesen sei.

Die weitere, in den Urteilstenor aufgenommene Tatmodalität eines Verschweigens des Umstandes, daß es sich bei der auf der Liegenschaft EZ ***** KG H***** errichteten Fertigungshalle um ein Superädifikat handelte, kam erst bei der Vernehmung des Zeugen H***** in der Hauptverhandlung vom 20.März 1991 hervor (S 823 f/XXXI). Die Identität der unter Anklage gestellten mit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tat bleibt jedoch gewahrt, wenn das Gericht - wie hier - Umstände berücksichtigt, die in den Anklagegründen nicht enthalten sind, weil sie dem Ankläger aus seiner Sicht unerheblich schienen oder erst nachträglich hervorkamen (EvBl 1983/141 ua).

Zu 1.7.2.:

Zu der vom Beschwerdeführer zum Faktum A V gerügten Aufnahme jener Passage in den Urteilstenor, wonach er (auch) die drohende Insolvenz des Wechselakzeptanten Gerhart R***** verschwieg (US 5), die in der Modifikation des Anklagetenors (S 203/XXXIV) nicht enthalten ist, bedarf es bloß des Hinweises auf die Anklagebegründung zu diesem Faktum, in der dargestellt wird, daß die finanzielle Situation des Zweitangeklagten R***** dergestalt war, daß mit einer termingerechten Bezahlung der Wechselschuld nicht zu rechnen war (S 87 f der Anklageschrift), womit ohnedies eine drohende (oder bereits bestehende) Insolvenz umschrieben wird. Die in Rede stehende Tatmodalität wurde somit schon in der Anklageschrift dargestellt.

Zu 1.7.3.:

Die im Faktum A IX in den Urteilssatz aufgenommene Passage, wonach der Beschwerdeführer dem Zeugen Dkfm.K***** neben der Vorspiegelung, die B*****-Bank sei die einzige Bankverbindung der neugegründeten H*****-Werke***** GesmbH & Co OHG, außerdem vorspiegelte, sie "werde auch weiterhin die einzige Bankverbindung bleiben" - welche Wortfolge in der Anklagemodifikation vom 4.September 1991 nicht enthalten ist (S 209/XXXIV) -, ist ihrem Gehalte nach nicht einmal eine weitere Tatmodalität, denn die Zusicherung eines Vertreters eines eben neu gegründeten Unternehmens zur Ausschließlichkeit der Bankverbindung (Punkt IV des Kreditvertrages S 128/V) bezieht sich ihrem Wesen nach ohnedies auf die Zukunft.

Zu 1.7.4.:

Zum Faktum A X war von Anfang an die am 15.Juli 1983 erfolgte Hingabe eines Wechsels über 1,450.000 S an Angestellte der Sparkasse S***** zur Einlösung unter Anklage gestellt (S 8, 94 der Anklageschrift); daran wurde auch durch eine Modifikation in der Hauptverhandlung vom 4. September 1991 nichts geändert (S 211/XXXIV). Stets wurde dabei ausdrücklich der Beschwerdeführer als Ausführender der Tat bezeichnet. Seine Behauptung, der Tenor des angefochtenen Urteils verlasse insoweit, als darin "vom Inhalt der Anklageschrift abweichend" konstatiert werde, daß durch sein Verhalten Angestellte der Sparkasse S***** zur Einlösung dieses Wechsels vom 15.Juli 1983 verleitet worden seien, den historischen Anklagesachverhalt, ist nicht nachvollziehbar.

Mit seiner Bemängelung des Anklagetenors hinwieder wird keine das angefochtene Urteil treffende Rüge einer Anklageüberschreitung ausgeführt.

Zu 1.7.5.:

Auch im Faktum A XI wurde der Beschwerdeführer bereits in der Anklageschrift als Täter der am 22.August 1983 in Vöcklabruck gegenüber Angestellten der H*****-Bank *****bank V***** verübten Tathandlung, nämlich der Veranlassung zur Einlösung eines Wechsels über 1,450.000 S bezeichnet (S 8, 94 f der Anklageschrift), desgleichen in der Modifikation vom 4.September 1991 (S 213/XXXIV). Die Behauptung, das schöffengerichtliche Urteil weiche in der Feststellung, daß Angestellte der genannten Bank durch das Verhalten des Beschwerdeführers zum Ankauf dieses Wechsels verleitet worden seien, von der Anklageschrift ab, ist demnach völlig unzutreffend.

Zu 1.7.6.:

Unzutreffend ist auch das Beschwerdevorbringen zum Faktum A XIV, wonach das Verschweigen der dem Beschwerdeführer selbst drohenden Insolvenz anläßlich der Erlangung des Kreditbetrages in diesem Faktum nicht angeklagt war. Die Anklagebehörde verwies im Anklagesatz und in der Begründung auf das Verschweigen dieser Zahlungsunfähigkeit (S 10 und 97 der Anklageschrift), was nicht dadurch obsolet wird, daß in der Anklagemodifikation (S 219/XXXIV) bloß auf das Verschweigen der mangelnden Zahlungswilligkeit abgestellt wird.

Aber auch der im Urteilstenor aufgenommene Umstand, daß die drohende Insolvenz der H*****-Werke***** GesmbH & Co vom Angeklagten Dr.H***** verschwiegen wurde, stellt sich als bloße (weitere) Tatmodalität dar, handelte es sich doch um einen namens dieser Gesellschaft ausgestellten Wechsel über 1,2 Mill S, sodaß das Verschweigen der Insolvenz dieser gleichfalls als Wechselschuldnerin in Betracht kommenden Gesellschaft nur einen weiteren Aspekt ein und derselben als Betrug unter Anklage gestellten Tathandlung darstellt.

Zu 1.7.7.:

Gleichartiges gilt zum Faktum A XVII. Das Verschweigen der "drohenden Insolvenz" (der Zahlungsunfähigkeit) des Wechselakzeptanten Gerhart R***** wird in der Anklageschrift ausdrücklich als Tatmodalität angeführt (S 11 der Anklageschrift). Der bezügliche Wechsel war - wie von der Anklage inkriminiert - vom Beschwerdeführer ausgestellt, er selbst kam somit gleichfalls als Wechselschuldner in Frage, sodaß das Verschweigen (auch) der eigenen Zahlungsunwilligkeit und der eigenen drohenden Insolvenz nichts anderes ist als eine auf denselben Deliktserfolg gerichtete Tatmodalität.

Daß der Schaden der Volksbank W***** durch Einlösung des Wechsels (selbstredend durch Angestellte dieser Volksbank) eintrat, ist entgegen den Beschwerdeausführungen in der Anklageschrift bezeichnet (S 11, 104 der Anklageschrift). Die in den Urteilstenor aufgenommenen Konstatierungen über Prolongationswechsel, die nach dem Zufließen der unter Anklage gestellten Beträge ausgestellt wurden, könnten nur mehr Verzögerungs- oder Verschleierungsmaßnahmen in bezug auf eine bereits vollendete Betrugstat sein; ihre Anführung im Urteilstenor ist daher irrelevant.

Zu 1.7.8.:

Zum Faktum A XX vermeint der Beschwerdeführer eine Anklageüberschreitung darin zu sehen, daß ihm nach dem Urteilstenor (US 17) zur Last liegt, die Zuzählung eines Darlehens (auch) dadurch bewirkt zu haben, daß er eine bereits im Juli 1982 dem Bankinstitut vorgelegte (inhaltlich falsche) Vermögensübersicht insbesondere im Hinblick auf die eigenen sonstigen Verbindlichkeiten nicht korrigierte.

Auf die inhaltlich falsche Vermögensübersicht wurde bereits im Spruch und in der Begründung der Anklageschrift hingewiesen (S 13, 110 der Anklageschrift). Daß der Beschwerdeführer diese Vermögensübersicht nicht, wie die Anklagebehörde angenommen hatte, erst am 31.Oktober 1983, sondern bereits im Juli 1982 vorgelegt hatte, wie das Schöffengericht annahm (US 170), bei der Kreditaufnahme aber eine nach Treu und Glauben zu fordernde Korrektur nicht vornahm, stellt sich als eine den Urteilssachverhalt gegenüber dem Anklagesachverhalt nicht ändernde Modifikation in bezug auf eine Einzelheit der Tat dar.

Zu 1.7.9.:

Zum Faktum A XXIII reklamiert der Beschwerdeführer eine Anklageüberschreitung dahin, daß im Urteilsspruch auch das Verschweigen zweier Zessionsverträge mit der H*****-F***** und der C*****-B***** angelastet werde (US 19).

Indes handelt es sich auch hier nur um eine Modalität eines bereits in der Anklage nach Zeit, Ort, Täter, Geschädigten, Schadenshöhe und Tathandlung (Herauslockung eines Kredites) eindeutig bestimmten Geschehens, das bereits in der Anklageschrift dahin umschrieben wird, daß der Beschwerdeführer Angestellte der O*****-Zentralkasse in L***** vorspiegelte, dieses Institut solle die einzige Bankverbindung der H*****-Werke*****GesmbH & Co, die nur noch zwei Kredite bei zwei namentlich genannten Kreditinstituten ausständig habe, werden (S 114 der Anklageschrift), und den Umstand verschleierte, daß im Rahmen der H*****-Werke***** GesmbH & Co keine Forderungen gegenüber Dritten mehr entstehen können, weil der Vertrieb und der Handel ausschließlich von der H*****-Werke Handelsgesellschaft mbH & Co KG wahrgenommen wurde (S 116 der Anklageschrift). Im Verschweigen dieses Mantelzessionsvertrages zwischen den beiden H*****-Werke Gesellschaften und als dessen Folge im Verschweigen der von der Handelsgesellschaft eingegangenen Zessionsverträge mit der H*****-F***** und der C*****-B***** liegt demnach eine bloße weitere Tatmodalität des an sich unter Anklage gestellten komplexen Tatgeschehens. Die Verheimlichung der Verträge mit der H*****-F***** und der C*****-B***** wird im übrigen ohnedies in der Begründung der Anklageschrift angeführt (S 120 der Anklageschrift).

Zu 1.7.10.:

Auch eine zum Faktum A XXV gerügte Anklageüberschreitung, die in der Aufnahme des Tatumstandes der Vorspiegelung, ein Vermögensstatus vom 5. Oktober 1983 sei richtig, in den Urteilstenor (US 19) liegen soll, ist nicht berechtigt.

Der Vermögensstatus des Beschwerdeführers zum 5.Oktober 1983 (S 313/III) war nach der Aussage des Zeugen N***** (S 156 f/IV, 439/XXXII) eine der Bedingungen der Kreditgewährung, also nichts anderes als eine Modalität des unter Anklage gestellten Tatgeschehens.

IV.

Auf die Urteilsfakten C I 3, C I 5, D I und D III konnte das Gutachten des Sachverständigen Dr.H***** unzweifelhaft erkennbar keinen Einfluß haben, weil sich dieses Gutachten auf diese Fakten nicht erstreckte.

Demnach ist es erforderlich, vorerst auf die in der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr.H***** geltend gemachten nicht faktenbezogenen Nichtigkeitsgründe einzugehen (soweit sie sich nicht auf die Tätigkeit des Sachverständigen Dr.H***** beziehen).

Sodann wird auf die die eben genannten Fakten betreffenden speziellen Ausführungen von prozessualen Nichtigkeitsgründen eingegangen werden.

Zu 1.1.1. der Beschwerde:

Eine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 1 StPO sieht der Beschwerdeführer darin, daß die Mitglieder des Schöffensenates nach Einlangen eines anonymen schriftlichen Hinweises vom 27.Februar 1991 auf ein auf den Namen der (damaligen) Mitangeklagten Karin H***** lautendes Konto bei der *****Hbank L*****, Filiale W*****, über das (auch) der Beschwerdeführer zeichnungsberechtigt sei und seine Geschäfte abwickle (S 137a/XXI), am 28.Februar 1991 dessen Eröffnung und sodann - ersichtlich aufgrund der Unterlagen über dieses Konto (S 1 ff/XXVII) - am 7.März 1991 die Eröffnung weiterer Konten beschlossen; dadurch sowie durch eine am 16.Mai 1991 vom Schöffensenat beschlossene Überwachung des Fernsprechanschlusses der Mitangeklagten Karin H***** seien die Richter (der Sache nach gemeint: einschließlich der an der Beschlußfassung mitwirkenden Schöffen) als Untersuchungsrichter tätig geworden und somit fortan gemäß § 68 Abs 2 StPO von der (weiteren) Mitwirkung an der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen.

Dieser Einwand versagt schon deshalb, weil die Mitglieder des Schöffensenates nicht als Untersuchungsrichter tätig waren.

Denn der anonyme Hinweis in seiner lapidaren Form ließ sich keineswegs als eine konkrete Anzeige weiterer, noch nicht unter Anklage gestellter strafbarer Handlungen deuten, sondern mußte nach der damaligen Verfahrenslage als Aufzeigen eines jener Kanäle verstanden werden, durch welche der Beschwerdeführer allenfalls die Beute aus ihm bereits zur Last gelegten strafbaren Handlungen in seine Verfügungsmacht gebracht haben könnte, zumal in dem anonymen Hinweis nichts anderes behauptet wurde, als daß der Beschwerdeführer über das in Rede stehende Konto zeichnungsberechtigt sei und über dieses Konto "seine Geschäfte abwickelt".

Eine aus der Verpflichtung des Schöffengerichtes zur Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) erfließende Erhebung, die nicht an Parteienanträge gebunden ist (RZ 1980/39; EvBl 1980/116 ua), schien nach der damaligen Verfahrenslage schon deshalb geboten, weil die (damalige) Mitangeklagte Karin H***** zuvor, nämlich in der Hauptverhandlung vom 7.Februar 1991, mit Nachdruck in Abrede gestellt hatte, außer einem Sparbuch bei der V*****bank W***** über sonstige private Konten zu verfügen (S 369 f/XXX).

Daß - aus späterer Sicht - bei den durchgeführten Erhebungen auch Umstände zu Tage traten, die die öffentliche Anklägerin zu einer Anklageausdehnung veranlaßten, läßt nicht den Schluß zu, daß deshalb die Mitglieder des Schöffensenates bereits ex ante als Untersuchungsrichter gehandelt hätten.

Die gleichen Erwägungen gelten im übrigen angesichts manifest gewordener Verschleierungstendenzen auch in bezug auf die angeordnete Telefonüberwachung.

Der Beschwerdeführer unterliegt im übrigen einem Rechtsirrtum, soweit er sich auf § 224 StPO bezieht, der - wie er vorbringt - "abschließend und erschöpfend diejenigen Maßnahmen" regle, "zu denen der Vorsitzende des Schöffengerichtes zur Vervollständigung der Voruntersuchung im Zwischenverfahren berechtigt ist".

Denn die hier monierten Vorgänge wurden in Wahrheit gar nicht im sogenannten Zwischenverfahren, d.i. vor Beginn der Hauptverhandlung aufgrund eines Antrages des Angeklagten, des Verteidigers, des Anklägers oder eines Privatbeteiligten (§ 224 Abs 1 StPO), beschlossen, sondern während der gemäß § 276a StPO jeweils fortgesetzten Hauptverhandlung, beruhten somit auf der Bestimmung des § 254 StPO, wonach der Vorsitzende (und umsomehr der Schöffensenat) ermächtigt ist, unter anderem neben der amtswegigen Vorladung von Zeugen und Sachverständigen auch "andere Beweismittel beizuschaffen".

Ob die gerügten Beschlüsse (auch) im Antrags- und Verfügungsbogen "dokumentiert" wurden und "unter Beobachtung welcher Förmlichkeiten die Zustellung der entsprechenden Beschlüsse an die Staatsanwaltschaft erfolgte", ist dabei bedeutungslos, weil es weder auf die Art ankommt, in der die Beschlüsse in den Akten beurkundet wurden, noch auf allfällige Mängel in der Zustellung der Beschlüsse an die Staatsanwaltschaft, die nur für diese, nicht aber für den Angeklagten Dr.H***** eine Beschwer darstellen könnten.

Zu 1.1.2. der Beschwerde:

Den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 1, allenfalls Z 1 a StPO reklamiert der Beschwerdeführer mit der Begründung, der Vorsitzende des Schöffengerichtes habe in der zweiten Augusthälfte des Jahres 1991 wiederholt Gespräche mit ihm geführt, die "in der Hauptverhandlung nicht offen gelegt" worden seien und über deren Inhalt der Beschwerdeführer seinen Verteidiger nicht informiert habe; in einem (erst nach Verkündung des Urteils erster Instanz eingebrachten) Ablehnungsantrag sei die zeugenschaftliche Vernehmung des Vorsitzenden des Schöffengerichtes über diese Gespräche angeboten worden.

Auch insoweit geht die Rüge in Richtung des § 281 Abs 1 Z 1 StPO fehl.

Selbst von der (verfehlten) Meinung des Beschwerdeführers ausgehend, daß in dem geltend gemachten Umstand ein Ausschließungsgrund zu sehen sei, begab er sich nämlich einer darauf zu stützenden Anfechtungsmöglichkeit. Denn in der auf die behaupteten Gespräche folgenden Hauptverhandlung vom 2.September 1991 (und im übrigen auch in den weiteren, der Urteilsverkündung vorangehenden Hauptverhandlungen vom 3. und 4.September 1991) wurde der den behaupteten Ausschließungsgrund begründende Umstand nicht - wie es § 281 Abs 1 Z 1 StPO erfordert - geltend gemacht. Die Kenntnis des Angeklagten von diesem Umstand, die unstreitig gegeben war, ist jener des Verteidigers gleichzuhalten (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 1 E 32 ua), wozu vorliegend noch kommt, daß der Beschwerdeführer bis 1977 österreichischer Richter war, sodaß davon auszugehen ist, daß er entsprechend rechtskundig ist.

Im Bericht des Vorsitzenden des Schöffensenates anläßlich der Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof wurde dargelegt, daß die in Rede stehenden Gespräche lediglich aufgrund von Vorführersuchen des damals in Haft befindlichen Beschwerdeführers stattfanden. Daß Vorführungsersuchen - mithin Anträge des Beschwerdeführers - zu diesen Gesprächen führten, wurde auch in der dem Beschwerdeführer zum Obersten Gerichtshof anheimgestellten Stellungnahme vom Bericht des Vorsitzenden nicht widersprochen. Der Oberste Gerichtshof geht daher davon aus.

Abgesehen davon, daß eine Ignorierung von Vorführersuchen Dienstaufsichtsbeschwerden hätten nach sich ziehen können, fehlt es zum einen bereits an einer Beschwer des Angeklagten H*****, soweit der Vorsitzende des Schöffengerichtes seinen Anträgen auf Gewährung eines Gespräches (außerhalb der Hauptverhandlung) entsprach. Sollte der Inhalt dieser Gespräche aber eine Wendung genommen haben, die der Beschwerdeführer (nun) als unzulässig ansieht, wäre es ihm - als Rechtskundigem - freigestanden, eine weitere Beteiligung an einem solchen Gespräch abzulehnen.

Vorführungsersuchen eines Angeklagten an den Schöffensenatsvorsitzenden während einer viele Monate hindurch währenden Hauptverhandlung legen außerdem nahe, daß es sich dabei allenfalls um Beschwerden, die zu Protokoll genommen werden müßten, oder um Anträge oder Anregungen betreffend den weiteren Gang der Hauptverhandlung handeln könnte. Schon aus dem letztbezeichneten Grund kann der Vorsitzende das Vorführersuchen eines verhafteten Angeklagten nicht schlechthin übergehen.

Zum anderen liegt in einer die (weitere) Hauptverhandlung vorbereitenden Tätigkeit des Vorsitzenden kein Ausschließungsgrund. Dies erhellt aus der Bestimmung des § 220 Abs 1 StPO, die es im geschworenengerichtlichen Verfahren dem Vorsitzenden sogar zur Pflicht macht, ein "Präsidentenverhör" mit dem verhafteten Angeklagten durchzuführen, zu dem der Verteidiger des Angeklagten nicht beizuziehen ist und bei dem auch der Inhalt der bisherigen Verantwortung des Angeklagten zur Sprache zu kommen hat. Der einleuchtende Zweck einer solchen Vernehmung läßt erkennen, daß eine gleichartigen Zwecken dienende Vernehmung auch eines Angeklagten, gegen den eine Anklage wegen nicht in die geschworenengerichtliche Kompetenz fallender Delikte erhoben wurde, nicht schlechthin unzulässig oder gar gesetzwidrig sein (EvBl 1963/160 mwN; 9 Os 50/67) und jedenfalls keinen Ausschließungsgrund nach § 68 Abs 2 StP

Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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