TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/30 2006/03/0070

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Veröffentlicht am 30.06.2006
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Index

L17009 Gemeindeeigener Wirkungsbereich Wien;
L65009 Jagd Wild Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

AVG §38;
JagdG Wr 1948 §3 Abs1 litb;
Taubenabschussverbot Wr 1964 §1;
Taubenabschussverbot Wr 1964 §2;
Taubenabschussverbot Wr 1964 §3;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §45 Z3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des TK in W, vertreten durch Dr. Corvin Hummer und Mag. Claudia Lantos, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Maysedergasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. Februar 2006, Zl. SD 1432/04, betreffend Entziehung des Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der ihm am 19. Jänner 1995 ausgestellte Waffenpass Nr 1 gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 Z 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei Immobilienmakler sowie Hausverwalter. Am 17. April 2003 (um 14:40 Uhr) habe er in seiner Funktion als Hausverwalter in W, T-Straße, in der Durchgangspassage Richtung G-Gasse mit einem Luftdruckgewehr auf dort befindliche Tauben geschossen und mit Spitzmunition einige - nach eigenen Angaben zwei - Tiere getötet. Zu seiner Rechtfertigung habe der Beschwerdeführer bei der Anhaltung durch Einsatzbeamte angegeben, dass er sich als Hausverwalter gegen die Taubenplage habe wehren wollen; er habe seine eigene Vorgehensweise letztlich aber selbst als "keine glückliche Lösung" bezeichnet. Der Beschwerdeführer habe im Zuge des von der Erstbehörde daraufhin eingeleiteten Waffenverbotsverfahrens ausgeführt, dass der Durchgang von einem Mitarbeiter abgesichert gewesen sei, sodass durch die Schussabgabe niemand zu Schaden hätte kommen können. Zudem seien die zwei Tauben aus geringer Entfernung von ca 3 bis 4 Metern erlegt worden, wobei sich im Umraum und im Zielbereich der Tauben nur Wand- und Deckenflächen befunden hätten, welche von einem Luftdruckprojektil unmöglich durchschlagen hätten werden können. Auf Grund des Projektilmaterials (Blei), welches sich sofort beim Auftreffen deformiere, sei auch nicht mit dem Auftreten von Querschlägern zu rechnen gewesen.

Ein von der Erstbehörde gegen den Beschwerdeführer verhängtes Waffenverbot sei im Instanzenzug mit Bescheid der belangten Behörde behoben worden, zumal nach Anzeige dieses Sachverhalts ("Tierquälerei, Gefährdung von körperlicher Sicherheit") bei der Staatsanwaltschaft Wien die Anzeige gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden sei und der Staatsanwalt keinen Grund zur weiteren Verfolgung des Beschwerdeführers gefunden habe. Im daraufhin von der Erstbehörde eingeleiteten Waffenpassentziehungsverfahren sei vom Beschwerdeführer ergänzend vorgebracht worden, dass § 4 Abs 1 iVm § 28 Abs 2 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes lediglich die mutwillige Tötung eines Tieres - dies sei dann der Fall, wenn der damit angestrebte Zweck den guten Sitten zuwiderlaufe - sanktioniere. Diese Mutwilligkeit könne ihm nicht unterstellt werden, da er die Tauben auf vielfachen Wunsch der Hausbewohner sowie auf Grund der mit der Taubenplage einhergehenden Gesundheitsgefährdung von Menschen erlegt habe. Der Beschwerdeführer habe auch jene Person namentlich genannt, welche bei dem Vorfall am 17. April 2003 verhindert habe, dass ein anderer sich im Bereich der Durchfahrt (der Örtlichkeit der Schussabgabe) aufgehalten habe. Er habe zudem moniert, dass die Erstbehörde keinen Lokalaugenschein durchgeführt habe.

Die belangte Behörde hielt dazu fest, dass gemäß § 8 Abs 1 Z 1 WaffG eine Person als verlässlich anzusehen sei, wenn sie voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen werde und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie die Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde. Gemäß § 1 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, L 280-000, vom 1. Oktober 1964 sei im verbauten Stadtgebiet das Abschießen von Tauben verboten. Der Magistrat könne auf Antrag Ausnahmen vom Verbot des § 1 bewilligen, jedoch seien in dieser Bewilligung die in sicherheitspolizeilicher Hinsicht erforderlichen Bedingungen und Auflagen vorzuschreiben. In § 3 dieser Verordnung sei normiert, dass jemand, der dem Verbot des § 1 zuwiderhandle, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilde, eine Verwaltungsübertretung begehe und hierfür der in § 108 Abs 2 der Wiener Stadtverfassung in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Strafe unterliege. Wenngleich auf Grund der Aktenlage nicht ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer wegen dieser Verwaltungsübertretung angezeigt bzw bestraft worden sei, stehe im Hinblick auf das Eingeständnis des Beschwerdeführers für die erkennende Behörde zweifelsfrei fest, dass der angeführte Tatbestand des § 1 der Verordnung betreffend das Verbot des Abschießens von Tauben im verbauten Stadtgebiet verwirklicht sei.

Der Beschwerdeführer spreche im vorliegenden Fall selbst von einer "unglücklichen Lösung" und habe zweifelsfrei durch das Erschießen von Tauben mit Spitzmunition aus einem Luftdruckgewehr - sohin einer Waffe im Sinn des § 1 Z 2 WaffG - eine Waffe einer durch ein Verbot sanktionierten missbräuchlichen Verwendung zugeführt. Es könne unter Zugrundelegung des aufgezeigten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kein Zweifel bestehen, dass der wissentliche bzw der in Kauf genommene Missbrauch einer Waffe durch den Beschwerdeführer am 17. April 2003 einen Sachverhalt darstelle, der vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Folgerung rechtfertige, dass die Verlässlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG nicht (mehr) gewährleistet sei. Die belangte Behörde habe vor diesem Hintergrund keine Veranlassung gesehen, einen Ortsaugenschein vorzunehmen oder den vom Berufungswerber angeführten Zeugen hinsichtlich der Umstände der Schussabgabe zu befragen. Auch sei es in diesem Zusammenhang - "obwohl notorisch" -

nicht entscheidungswesentlich, dass die verwendeten Spitzkugeln (anders als sogenannte Diabolo-Munition) eher dazu neigten, Querschläger zuzulassen und dadurch das Leben, die Gesundheit oder das Vermögen von Menschen oder Sachen zu beeinträchtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, diesen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und stellte den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist.

Gemäß § 8 Abs 1 WaffG ist ein Mensch verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er

1.

Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;

2.

mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

              3.              Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Wertung einer Person als "verlässlich" im Sinne des WaffG ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen, weil der Begriff der Verlässlichkeit der Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person können demnach die Folgerung rechtfertigen, dass die vom WaffG geforderte Verlässlichkeit nicht gewährleistet ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des WaffG bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Die solcherart anzustellende Verhaltensprognose kann dabei bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluss rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl 2005/03/0030). Die "Tatsachen" im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG als Ausgangspunkt der Prognoseentscheidung sind nicht eingeschränkt; es kommt jede Verhaltensweise, jede Charaktereigenschaft der zu beurteilenden Person in Betracht, die nach den Denkgesetzen und der Erfahrung einen Schluss auf ihr zukünftiges Verhalten im Sinne des § 8 Abs 1 Z 1 bis 3 WaffG zulässt, also erwarten lässt, der Betreffende werde Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden, damit unvorsichtig umgehen oder sie nicht sorgfältig verwahren oder sie Menschen überlassen, die zu deren Besitz nicht berechtigt sind (vgl das hg Erkenntnis vom 28. März 2006, Zl 2005/03/0101).

              2.              Die belangte Behörde geht zutreffend davon aus, dass auch ein einmaliges Verhalten die Annahme der mangelnden Verlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG rechtfertigen kann. So hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. Mai 2003, Zl 2000/20/0335, ausgesprochen, dass das Erschießen eines Hundes, von dem unmittelbar keine Gefahr ausgeht, ohne Befugnis als missbräuchliche Verwendung einer Waffe anzusehen ist und in diesem Fall - im Zusammenhang mit der unvorsichtigen Verwendung einer Waffe auf Grund der Schussabgabe aus einem geparkten Auto vom Fahrersitz aus unmittelbar vorbei am Beifahrer in die Richtung entlang einer bewohnten Liegenschaft - der Schluss zulässig war, dass es auch in Hinkunft zu befürchten sei, dass der Beschwerdeführer Waffen leichtfertig verwenden oder mit diesen unvorsichtig umgehen werde (vgl im Hinblick auf § 12 WaffG auch das hg Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl 99/20/0209).

              3.              Der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde von der Verwirklichung des Tatbestands gemäß § 1 iVm § 3 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien betreffend das Verbot des Abschießens von Tauben im verbauten Stadtgebiet ausgegangen sei, obwohl er wegen einer solchen Verwaltungsübertretung weder angezeigt noch bestraft worden sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde im Rahmen der Vorfragenbeurteilung gemäß § 38 AVG auf Grund des vom Beschwerdeführer auch nicht bestrittenen Sachverhalts, wonach er zwei Tauben in einer Tordurchfahrt eines näher bezeichneten Hauses im zweiten Wiener Gemeindebezirk unter Verwendung einer Druckluftwaffe erlegt hat, zulässig von einem Verstoß gegen die genannte Verordnung ausgegangen ist. Auch dass die belangte Behörde nicht festgestellt hat, ob dem Beschwerdeführer eine Ausnahmebewilligung erteilt worden ist, schadet nichts, da der Beschwerdeführer selbst weder im Verwaltungsverfahren noch in seiner Beschwerde das Vorliegen einer entsprechenden Ausnahmebewilligung behauptet hat.

              4.              Der Beschwerdeführer hat damit eine Waffe - auch wenn es sich dabei um eine Druckluftwaffe im Sinne des § 45 Z 3 WaffG gehandelt hat - missbräuchlich, nämlich unter Missachtung geltender Rechtsvorschriften, die aus sicherheitspolizeilichen Erwägungen (vgl § 2 der zitierten Verordnung des Magistrates der Stadt Wien) Einschränkungen für den Waffengebrauch vorsehen, verwendet.

Der Beschwerdeführer hat zwar die von ihm gewählte Vorgangsweise als "wahrscheinlich keine glückliche Lösung" bezeichnet, hat aber weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass er sich vor dem Waffengebrauch mit der Frage der Zulässigkeit dieser konkreten Verwendung der Waffe beschäftigt hätte; dies auch im Hinblick auf allfällige jagdrechtliche Verstöße, zumal es sich bei Felsen(Straßen)tauben um jagdbare Tiere (Wild) iSd § 3 Abs 1 lit b Wiener Jagdgesetz handelt. Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nunmehr ausdrücklich einen wissentlichen oder in Kauf genommenen Missbrauch bestreitet, so ist ihm entgegenzuhalten, dass er als Inhaber einer waffenrechtlichen Urkunde mit den für die Verwendung seiner Waffen geltenden Rechtsvorschriften vertraut sein muss. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers, der gegen die nach seinen Angaben auf einer innerstädtischen Liegenschaft bestehende "Taubenplage" eine Waffe im Bereich einer Durchgangspassage eingesetzt hat, ohne zunächst die Zulässigkeit dieser Vorgangsweise abzuklären, manifestiert eine Leichtfertigkeit im Umgang mit Waffen, die die Annahme zulässt, dass dem Beschwerdeführer die erforderliche Verlässlichkeit iSd § 8 Abs 1 Z 1 WaffG fehlt.

              5.              Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er "unter Berücksichtigung der im Umfeld konkret herrschenden Verhältnisse ausreichend Sicherheitsvorkehrungen getroffen" habe, vermag den Vorwurf, die Waffe in rechtswidriger Weise eingesetzt zu haben, nicht zu entkräften, obliegt es doch nach der genannten Verordnung ausschließlich dem Magistrat, im Ausnahmefall das Abschießen von Tauben unter Vorschreibung der in sicherheitspolizeilicher Hinsicht erforderlichen Bedingungen zu bewilligen.

Auch die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers, die sich auf das Unterlassen eines Ortsaugenscheines sowie die unterbliebene Einvernahme eines Zeugen, der über die näheren Umstände der Schussabgabe und der getroffenen Sicherheitsvorkehrungen hätte Angaben machen können, beziehen, vermögen der Beschwerde daher nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 30. Juni 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006030070.X00

Im RIS seit

08.08.2006

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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