TE Vfgh Erkenntnis 2002/12/12 G151/02 ua

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Veröffentlicht am 12.12.2002
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Index

25 Strafprozeß, Strafvollzug
25/04 Sonstiges

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art94
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art140a
EMRK Art13
EMRK 7. ZP Art2
ARHG §19 Z1
ARHG §33 Abs5
ARHG §34 Abs1
ARHG §33, §34
Auslieferungsvertrag Österreich-USA, BGBl III 216/1999 Art9
VfGG §65a

Leitsatz

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Bestimmungen des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG) über die sowohl dem Oberlandesgericht als auch dem Bundesminister für Justiz zukommenden Zuständigkeiten bei Entscheidung über eine Auslieferung; Entscheidung des OLG hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung unter dem Gesichtspunkt der dem Betroffenen zustehenden subjektiven Rechte; Beurteilung des Justizministers unter dem Blickwinkel des Völkerrechtes; kein Verstoß gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung; Unzulässigkeit des Individualantrags eines US-amerikanischen und israelischen Staatsbürgers auf Aufhebung von Bestimmungen des ARHG sowie des Auslieferungsvertrages Österreich-USA mangels aktueller Betroffenheit; Zulässigkeit des Antrags hinsichtlich der einen Rechtsmittelausschluß gegen die Entscheidung des OLG über die Zulässigkeit der Auslieferung normierenden Vorschrift des ARHG; aktuelle Betroffenheit angesichts unmittelbar bevorstehender Entscheidung gegeben; kein zumutbarer Umweg; Verstoß der Vorschrift gegen das Rechtsstaatsprinzip

Spruch

I. In §33 Abs5 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes, BGBl. Nr. 529/1979, wird der zweite Satz ("Gegen den Beschluß, der zu begründen ist, ist kein Rechtsmittel zulässig.") als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Die aufgehobene Bestimmung ist in dem beim Oberlandesgericht Wien zu 22 Ns 8/02 geführten Verfahren nicht mehr anzuwenden.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

III. Der Bund (Bundesminister für Justiz) ist schuldig, dem Antragsteller zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 670,50 bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die maßgebende Rechtslage stellt sich dar wie folgt:

Nach dem Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG), BGBl. Nr. 529/1979 idgF, ist die Frage, ob dem Ersuchen eines ausländischen Staates um Auslieferung einer Person entsprochen wird, zum Teil vom örtlich zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz (Oberlandesgericht), zum Teil jedoch vom Bundesminister für Justiz (künftig: Bundesminister) zu beurteilen:

1. Nach §30 ARHG obliegt es dem Bundesminister, einlangende Auslieferungsersuchen vorweg summarisch zu prüfen. Ergibt sich dabei, daß dem Ersuchen nicht entsprochen werden kann, ohne die öffentliche Ordnung oder "andere wesentliche Interessen der Republik Österreich" zu verletzen (vgl. §2 ARHG), oder daß keine Gegenseitigkeit gegeben ist (vgl. §3 Abs1 ARHG), so ist das Ersuchen ohne weiteres abzulehnen; ebenso, wenn das Ersuchen "zur gesetzmäßigen Behandlung ungeeignet" ist.

2. Die "Zulässigkeit" der Auslieferung ist gem. §33 ARHG vom Gerichtshof zweiter Instanz (Oberlandesgericht) zu beurteilen. Die seinem Beschluß zugrunde liegenden Erhebungen werden vom Gerichtshof erster Instanz (Untersuchungsrichter) gepflogen, der auch eine "begründete Äußerung" darüber abzugeben hat, ob die Auslieferung zulässig ist (vgl. §31 Abs2 ARHG).

Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht ist in §33 ARHG wie folgt geregelt (der angefochtene Teil ist hervorgehoben):

"Beschlußfassung über die Zulässigkeit

§33. (1) Über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheidet der Gerichtshof zweiter Instanz in nichtöffentlicher Sitzung, wenn weder der Oberstaatsanwalt noch die auszuliefernde Person eine öffentliche Verhandlung beantragt haben und eine solche Verhandlung zur Beurteilung der Zulässigkeit der Auslieferung auch nicht notwendig erscheint. Ungeachtet eines Antrages auf Anberaumung einer öffentlichen Verhandlung kann der Gerichtshof zweiter Instanz stets die Auslieferung in nichtöffentlicher Sitzung für unzulässig erklären. Vor einer Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung muß dem Oberstaatsanwalt sowie der auszuliefernden Person und ihrem Verteidiger Gelegenheit geboten worden sein, zum Auslieferungsersuchen Stellung zu nehmen.

(2) In anderen Fällen ist eine öffentliche Verhandlung anzuberaumen, zu der der Oberstaatsanwalt, die auszuliefernde Person und der Verteidiger zu laden sind. Die auszuliefernde Person muß bei der Verhandlung durch einen Verteidiger vertreten sein (§41 der Strafprozeßordnung 1975). Ist die auszuliefernde Person verhaftet, so ist ihre Vorführung zu veranlassen. Die Vorladung der auszuliefernden Person und ihres Verteidigers sowie die Verständigung der verhafteten auszuliefernden Person sind so vorzunehmen, daß den Beteiligten eine Vorbereitungsfrist von wenigstens acht Tagen zur Verfügung steht.

(3) Die Öffentlichkeit der Verhandlung kann außer den in der Strafprozeßordnung 1975 angeführten Fällen ausgeschlossen werden, wenn es die auszuliefernde Person verlangt oder wenn zwischenstaatliche Beziehungen beeinträchtigt werden könnten.

(4) In der Verhandlung trägt ein Mitglied des Gerichtshofes als Berichterstatter eine Darstellung des bisherigen Ganges des Verfahrens vor, ohne eine Ansicht über die zu fällende Entscheidung zu äußern. Hierauf erhält der Oberstaatsanwalt das Wort. Danach ist der auszuliefernden Person und ihrem Verteidiger Gelegenheit zu geben, zum Auslieferungsersuchen und zu den Ausführungen des Oberstaatsanwaltes Stellung zu nehmen. Der auszuliefernden Person und ihrem Verteidiger gebührt jedenfalls das Recht der letzten Äußerung. Nach diesen Vorträgen zieht sich der Gerichtshof zur Beratung zurück.

(5) Der Gerichtshof entscheidet durch Beschluß, der vom Vorsitzenden mündlich zu verkünden ist. Gegen den Beschluß, der zu begründen ist, ist kein Rechtsmittel zulässig. Vor der Beschlußfassung kann der Gerichtshof zweiter Instanz ergänzende Erhebungen durch den Untersuchungsrichter veranlassen.

(6) Der Gerichtshof zweiter Instanz hat seinen Beschluß unter Anschluß der Akten dem Bundesministerium für Justiz zu übermitteln."

Welche Gründe es nun sind, die eine Auslieferung "unzulässig" machen, ist im Ersten Abschnitt des II. Hauptstücks ("Auslieferung aus Österreich") des ARHG in verschiedenen Bestimmungen geregelt (s. im einzelnen §§10 ff ARHG; so auch EB 4 BlgNR XV. GP, 33 [zu §33 ARHG]). So ist zB eine Auslieferung zur Verfolgung wegen einer nach dem Recht des ersuchenden Staates mit der Todesstrafe bedrohten strafbaren Handlung nur zulässig, wenn gewährleistet ist, daß die Todesstrafe nicht ausgesprochen werden wird (§20 Abs1 ARHG); eine Auslieferung zur Vollstreckung der Todesstrafe ist dagegen jedenfalls unzulässig (§20 Abs2 ARHG).

Der mit "Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze" überschriebene §19 ARHG enthält ebenfalls eine Reihe von Gründen, deren Vorliegen die Auslieferung unzulässig macht; die erwähnte Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt (der angefochtene Ausdruck ist hervorgehoben):

"§19. Eine Auslieferung ist unzulässig, wenn zu besorgen ist, daß

1. das Strafverfahren im ersuchenden Staat den Grundsätzen der Art3 und 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, nicht entsprechen werde oder nicht entsprochen habe,

2. die im ersuchenden Staat verhängte oder zu erwartende Strafe oder vorbeugende Maßnahme in einer den Erfordernissen des Art3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, nicht entsprechenden Weise vollstreckt werden würde, oder

3. die auszuliefernde Person im ersuchenden Staat wegen ihrer Abstammung, Rasse, Religion, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volks- oder Gesellschaftsgruppe, ihrer Staatsangehörigkeit oder wegen ihrer politischen Anschauungen einer Verfolgung ausgesetzt wäre oder aus einem dieser Gründe andere schwerwiegende Nachteile zu erwarten hätte (Auslieferungsasyl)."

Darüber hinaus ist eine Auslieferung bei Bestehen eines "Härtefalles" jedenfalls unzulässig:

"Härtefälle

§22. Eine Auslieferung ist unzulässig, wenn sie die auszuliefernde Person unter Berücksichtigung der Schwere der ihr zur Last gelegten strafbaren Handlung, wegen ihres jugendlichen Alters (§1 Z2 des Jugendgerichtsgesetzes 1988), wegen ihres seit langem bestehenden inländischen Wohnsitzes oder aus anderen schwerwiegenden, in ihren persönlichen Verhältnissen gelegenen Gründen offenbar unverhältnismäßig hart träfe."

3. Hat das Oberlandesgericht über die Zulässigkeit der Auslieferung Beschluß gefaßt, so ist das Auslieferungsersuchen nach §34 ARHG abschließend neuerlich vom Bundesminister zu prüfen. §34 ARHG trifft dazu im einzelnen folgende Regelung (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Bewilligung und Ablehnung der Auslieferung

§34. (1) Über das Auslieferungsersuchen befindet der Bundesminister für Justiz nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen und der Grundsätze des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs. Er nimmt dabei auf die Interessen der Republik Österreich, auf völkerrechtliche Verpflichtungen, insbesondere auf dem Gebiet des Asylrechtes, und auf den Schutz der Menschenwürde Bedacht. Er hat die Auslieferung abzulehnen, soweit sie der Gerichtshof zweiter Instanz für unzulässig erklärt hat.

(2) Ist die Auslieferung im Verhältnis zu mehreren Staaten zulässig, so hat der Bundesminister für Justiz auch darüber zu entscheiden, welchem Auslieferungsersuchen der Vorrang zukommt.

(3) Liegen die Voraussetzungen des §32 vor und hat die auszuliefernde Person ihre Einwilligung nicht widerrufen, so hat der Bundesminister für Justiz unter Bedachtnahme auf §37 Z. 1 und 3 die Übergabe der auszuliefernden Person anzuordnen. Bestehen jedoch aus einem der im ersten Abschnitt des II. Hauptstückes angeführten Gründe Bedenken gegen die Zulässigkeit der Auslieferung, so ist das Verfahren nach den §§31, 33 und 34 Abs1, 2 und 4 durchzuführen.

(4) Der Bundesminister für Justiz hat seine Entscheidung dem ersuchenden Staat und, abgesehen vom Fall der vereinfachten Auslieferung, auch dem Gerichtshof zweiter Instanz mitzuteilen, der im Weg des Gerichtshofes erster Instanz die Benachrichtigung der auszuliefernden Person und ihres Verteidigers veranlaßt."

4. Der vom Oberlandesgericht gefaßte Beschluß entfaltet somit nach dem letzten Satz des §34 Abs1 ARHG für den Bundesminister insoweit bindende Wirkung, als dieser die Auslieferung nicht bewilligen darf (arg.: abzulehnen hat), soweit sie vom Oberlandesgericht für unzulässig erklärt worden ist. Hat dieses Gericht die Auslieferung hingegen für zulässig erklärt, bleibt es dem Bundesminister nach dem Gesetz weiterhin unbenommen, die Auslieferung aus den in §34 Abs1 ARHG allgemein umschriebenen Gründen abzulehnen.

II. 1.1. Der Antragsteller, ein US-amerikanischer und israelischer Staatsangehöriger, wurde in den USA wegen mehrerer Vermögensdelikte zu einer Haftstrafe in der Dauer von 845 Jahren verurteilt. Noch vor Verkündung des Urteils floh der Antragsteller nach Österreich, wo er am 24. Oktober 2000 verhaftet wurde; am 27. Oktober 2000 wurde über ihn die Auslieferungshaft verhängt.

Mit Note der Botschaft der USA vom 18. Dezember 2000 wurde die Auslieferung des Antragstellers zur Vollstreckung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe beantragt.

1.2. Mit Beschluß des Oberlandesgerichts Wien vom 11. September 2001, Z22 Ns 2/01, wurde die Auslieferung des Antragstellers für unzulässig erklärt.

Begründend wurde dazu im wesentlichen ausgeführt, die Auslieferung des Antragstellers ohne Zusicherung, daß seine Verurteilung von einem übergeordneten Gericht überprüft wird, würde Art2 7. ZP-EMRK verletzen. Da eine solche Zusicherung nicht abgegeben worden sei, sei die Auslieferung unzulässig.

1.3. Nachdem der Generalprokurator gegen diesen Beschluß mit Schriftsatz vom 10. Jänner 2002 Nichtigkeitsbeschwerde (§33 StPO) erhoben hatte, sprach der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 9. April 2002, Z14 Os 8/02 (= JBl 2002, 670 [Anm. Burgstaller]), aus, daß der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11. September 2001 das Gesetz in den Bestimmungen des §33 Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG), BGBl. Nr. 529/1979, und des Art9 Auslieferungsvertrag Österreich-USA verletzt habe, er aus diesem Grund aufgehoben und dem Oberlandesgericht aufgetragen werde, nach dem Gesetz über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden.

"Nach dem gewaltentrennenden Organisationsprinzip des Art94 B-VG müssen alle Aufgaben der Vollziehung vom Gesetzgeber nach objektiven Kriterien entweder der Gerichtsbarkeit oder der Verwaltung übertragen werden (vgl H. Mayer B-VG2 Art94 Anm I). Da der primär anzuwendende - generell transformierte und damit eine unmittelbare Grundlage für innerstaatliche Vollzugsakte bildende (H. Mayer B-VG2 Art50 Anm II.2.) - Auslieferungsvertrag über die innerstaatliche Kompetenzaufteilung bei der Auslieferung aus Österreich nichts anderes bestimmt, sind dazu die Vorschriften des ARHG heranzuziehen (§1 ARHG), welche zwischen dem nach §33 ARHG vom Gerichtshof zweiter Instanz zu fassenden Beschluss über die Zulässigkeit und der dem Bundesminister für Justiz zugewiesenen Entscheidung über Bewilligung oder Ablehnung nach §34 ARHG unterscheiden.

Darnach befindet der Bundesminister für Justiz als Organ der Verwaltung nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen und der Grundsätze des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs und hat dabei auf die Interessen der Republik Österreich (vgl §§2 und 3 Abs1 ARHG), auf völkerrechtliche Verpflichtungen und den Schutz der Menschenwürde Bedacht zu nehmen (§34 Abs1 erster und zweiter Satz ARHG). Nur in jenen Fragen, welche das ARHG im Ersten Abschnitt des II. Hauptstückes als solche der Zulässigkeit der Auslieferung bezeichnet, soll er gemäß §34 Abs1 dritter Satz ARHG an eine verneinende Antwort des Gerichtshofes zweiter Instanz gebunden sein.

Das Oberlandesgericht Wien hatte - auf Grund der Gesetze (Art18 Abs1 B-VG) - folgerichtig nur über die Zulässigkeit der Auslieferung zu befinden, mithin ausschließlich über jene notwendigen Bedingungen für deren Bewilligung, die das Gesetz in Abgrenzung von der nach §34 ARHG zu treffenden Entscheidung des Bundesministers für Justiz (auch) den Strafgerichten zuweist (Art10 Abs1 Z3 B-VG).

Wendet man die Kompetenzregelung des ARHG auf den in Rede stehenden Vertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika an, zählen solcherart jedenfalls Fragen der Auslieferungsfähigkeit von Straftaten (Art2, 4, 24; vgl §§11, 14 f ARHG), der österreichischen Staatsangehörigkeit (Art3; vgl §12 ARHG), der österreichischen Gerichtsbarkeit (Art5; vgl §16 ARHG), des ne bis in idem-Grundsatzes (Art6; vgl §16 Abs3 erster Satz ARHG), der Verjährung (Art7; vgl §18 ARHG), der Todesstrafe (Art8; vgl §20 ARHG), des Spezialitätsgrundsatzes (Art19; vgl §23 ARHG) und der Fairness des Verfahrens im Fall eines Abwesenheitsurteils (Art9; vgl §19 Z1 ARHG) zur Zulässigkeit der Auslieferung.

Zur Frage einer Rechtsmittelgarantie in Strafsachen (Art2 des in Österreich im Verfassungsrang stehenden 7. ZPEMRK) enthält der auf einfachgesetzlicher Stufe transformierte Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika keine den Art1 dieses Vertrages einschränkende Bestimmung (vgl JBl 2001, 331). Fiele sie in die Gerichtskompetenz, hätte das Oberlandesgericht, das über die Zulässigkeit der Auslieferung (funktional) nicht in zweiter Instanz entscheidet, keine Befugnis zu einem Normprüfungsantrag beim VfGH (Art89 Abs2 und 4 B-VG). Indem jedoch der Erste Abschnitt des II. Hauptstückes des ARHG statt eines pauschalen Verweises auf den Katalog der von der EMRK und ihren Zusatzprotokollen garantierten Grundrechte nur jene der Art3 und 6 EMRK ausdrücklich nennt und andere ohne einen solchen Verweis auf einfachgesetzlicher Stufe konkretisiert (vgl §§19 Z1 und 2 sowie 20 und 22 ARHG), das Grundrecht auf ein Rechtsmittel in Strafsachen jedoch nicht berücksichtigt, zeigt ein Umkehrschluss, dass sie nicht zur Entscheidung über die Zulässigkeit, vielmehr zu jener über Bewilligung und Ablehnung der Auslieferung gehört und solcherart (allein) von der Verwaltung zu lösen ist (zur Problematik instruktiv die Anmerkung von Dedeyne-Amann zu JBl 2001, 331). Eine durch das

7. ZPEMRK entstandene nachträgliche Lücke der zur Zulässigkeit der Auslieferung gehörenden Hindernisse ist schon deshalb zu verneinen, weil das StRÄG 1996 just in diesem Bereich (§§11, 22 ARHG) punktuell Änderungen vorgenommen, Art2 des zuvor durch BGBl 1988/628 transformierten 7. ZPEMRK gleichwohl nicht eingefügt hat.

Zählen demnach im ersuchenden Staat gewährte Rechtsmittel in Strafsachen nicht zur Zulässigkeit der Auslieferung, hätte das Oberlandesgericht Wien selbst bei Geltung eines derartigen Auslieferungshindernisses darüber nicht zu entscheiden gehabt.

Dessen vager Hinweis auf die fragliche - und damit offen gelassene (vgl §34 Abs1 letzter Satz ARHG) - Bedeutung des in Art9 des Auslieferungsvertrages genannten Hindernisses hinwiederum ist unter dem Aspekt eines mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochtenen 'Vorganges' (§292 fünfter Satz [zweiter Fall] StPO) als rechtsirrig zu beurteilen.

Indem Art9 des Auslieferungsvertrages dem ersuchten Staat das Recht einräumt ('kann'), die Auslieferung nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen abzulehnen, 'wenn die auszuliefernde Person in ihrer Abwesenheit schuldig erkannt wurde', fällt diese Bestimmung, welche keine innerstaatliche Kompetenzabgrenzung vornimmt, wie aus deren Bezugnahme auf die Wahrung der Verteidigungsrechte zwanglos erhellt, insoweit in den Kompetenzbereich des über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheidenden Strafgerichtes, als solcherart ein Aspekt der von Art6 EMRK garantierten Fairness des zum Schuldspruch führenden Verfahrens in Rede steht (vgl §19 Z1 ARHG). Ob S W trotz zeitweiliger Abwesenheit in einem nach den Kriterien des Art6 EMRK fairen Verfahren schuldig erkannt wurde, die inhaltliche Antwort auf die in den Kompetenzbereich des Strafgerichtes fallende Frage also, hat insofern am - grundrechtskonform interpretierten - österreichischen Strafverfahrensrecht anzuknüpfen, als stets (nicht unbedingt nur) dann, wenn bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhaltes ein in Österreich ergangener Schuldspruch nicht zu beanstanden wäre, dies auch im Verhältnis zum ersuchenden Staat zu gelten hat.

Nun aber ist nach der österreichischen Strafprozessordnung ein Urteil - ungeachtet seiner Bezeichnung als 'Abwesenheitsurteil' - nur dann in Abwesenheit des Angeklagten erlassen worden (vgl §§427, 478 StPO), wenn dieser zwischen Aufruf der Sache (§239 erster Satz StPO, im bezirksgerichtlichen Verfahren: Vortrag der Anklage, §457 erster Satz StPO) und Schluss der - dem Urteil vorangehenden, nicht wiederholten (§276a zweiter Satz StPO) - Verhandlung (sei es auch nur zeitweilig und mit seinem Einverständnis; SSt 54/75) nicht persönlich anwesend war, das Gericht also in seiner Abwesenheit verhandelt hatte (Mayerhofer StPO4 §427 E 23). Auch wenn der Angeklagte erschienen ist, sich aber vor Schluss der Verhandlung wieder entfernt hat, wurde ein solches Urteil erlassen (SSt 54/75; ÖJZ-LSK 1984/36). Dass er durch einen Verteidiger oder einen Machthaber (§455 Abs2 StPO; SSt 2128) vertreten war, ändert ebenso wenig wie seine allfällige Anwesenheit bei der Urteilsverkündung. Umgekehrt findet die Urteilsverkündung nach Schluss der Verhandlung, die Urteilsberatung außerhalb derselben statt. Findet sich der Beschuldigte zur Urteilsverkündung nicht ein, liegt deshalb allein noch kein Abwesenheitsurteil vor (§269 [§447 zweiter Satz] StPO; Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] §281 Rz 243, §478 Rz 1 mwN). Die Abwesenheit des Angeklagten während Urteilsberatung und -verkündung trägt demnach für eine Behauptung, dass er in Abwesenheit 'schuldig erkannt' wurde (vgl §260 Abs1 Z1 und 2 StPO), nach Maßgabe der österreichischen Strafprozessordnung nichts aus.

Ob Art9 des Auslieferungsvertrages gezielt nur den Schuldspruch in Abwesenheit meint, kann angesichts der Tatsache dahin stehen, dass ungeachtet der Abwesenheit des Angeklagten bei der anschließenden Verhandlung über das Strafmaß der zur Straffestsetzung berufene Spruchkörper des erkennenden Gerichtes während der dem Schuldspruch vorangegangenen Verhandlung sich ein hinreichendes Bild vom - nunmehr fluchtbedingt abwesenden - Angeklagten verschaffen konnte und Art6 EMRK demnach auch insoweit nicht verletzt wurde. Einen dem Einspruchsgrund des §427 Abs3 dritter Satz StPO subsumierbaren Sachverhalt hatte S W nicht behauptet.

Die in der Nichtigkeitsbeschwerde und der Äußerung des S W unter dem Gesichtspunkt des Art3 EMRK (§§19 Z1 und 2, 20 Abs3 ARHG) angestellten Überlegungen zum Strafmaß (welches im Ergebnis einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne begründete Hoffnung auf vorzeitige Entlassung gleichkommt) schließlich entziehen sich einer inhaltlichen Erledigung, weil der angefochtene Beschluss weder die Auslieferung aus diesem Grund für unzulässig erklärt hat, noch Erwägungen dazu enthält. Die Argumentation richtet sich solcherart nicht gegen einen Beschluss oder sonstigen Vorgang eines Strafgerichtes (§33 Abs2 StPO). Rechtsgutachten aber können mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht begehrt werden (Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] §292 Rz 1 bis 3, §293 Rz 10). Hat der Oberste Gerichtshof insoweit den Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika nicht 'anzuwenden', scheiden Bedenken im Sinn des Art89 Abs2 und 4 B-VG von vornherein aus.

Ein nach §33 ARHG gefasster Beschluss des Gerichtshofes II. Instanz erklärt die Auslieferung nur insoweit für unzulässig, als dies in Hinsicht auf konkret zu bezeichnende (vgl §260 Abs1 Z1 StPO), dem Ersuchen zugrundeliegende Handlungen des Auszuliefernden aus (jeweils) einem oder mehreren, gleichermaßen bestimmt zu nennenden Gründen geschieht, vergleichbar einem Schuldspruch, bei dem jene als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, einzelnen als strafbare Handlungen bezeichneten rechtlichen Kategorien zugeordnet werden, ohne welchen Ausspruch (§260 Abs1 Z2 StPO) kein Schuldspruch ergeht (vgl Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] §281 Rz 266, 270, 503, 536 f). Soweit daher der Gerichtshof II. Instanz Handlungen oder Auslieferungshindernisse in seinem nach §33 Abs1 ARHG gefassten Beschluss nicht bedenkt, hat er die Auslieferung folgerichtig nicht für unzulässig erklärt (vgl auch Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] §281 Rz 526 sowie §39 ARHG iVm §9 Abs1 ARHG [§358 erster Satz StPO]).

Angesichts des vorstehend erwähnten gewaltentrennenden Organisationsprinzips des Art94 B-VG kann die Entscheidung des Gerichtshofes II. Instanz nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes eine Bindungswirkung für den Bundesminister für Justiz nach §34 Abs1 dritter Satz ARHG zudem nur insoweit entfalten, als diese die dem Gericht zukommende Entscheidungskompetenz nicht überschritten, mithin (wenngleich uU rechtsirrig) einen gesetzlichen Grund für Unzulässigkeit in Anschlag gebracht hat (vgl Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 721, H. Mayer B-VG2 Anm zu §42 VfGG). Der im Ergebnis erfolgreich angefochtene Beschluss war daher nur zur Klarstellung zu beseitigen (vgl Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] §292 Rz 12, 43, 45 f).

Weil aber vorliegend schon angesichts der bloß beiläufig angestellten Erwägungen des Oberlandesgerichtes Wien in Richtung einer offen gelassenen Bedeutung des Art9 des Vertrages als Auslieferungshindernis nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Gerichtshof II. Instanz von einer Prüfung des Ersuchens auf geltende Zulässigkeitskriterien nur infolge rechtsirriger Überschreitung der Gerichtskompetenz Abstand genommen hat, war diesem erneute Beschlussfassung aufzutragen, um den Auszuliefernden aus der - im Ergebnis - unterlassenen Prüfung des Ersuchens keinen Nachteilen auszusetzen.

Das in der Äußerung des S W zur Nichtigkeitsbeschwerde neu erstattete Vorbringen, wonach er während eines - im Verhältnis zur Gesamtdauer der zum Schuldspruch führenden Verhandlung - geringfügigen Zeitraums dieser nicht beigewohnt hatte, wird es dabei nach Maßgabe seiner Deckung durch die Unterlagen (vgl §35 Abs1 erster Satz ARHG) unter dem Aspekt des Art9 des Vertrages zu bewerten haben."

2. Der vorliegende, auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützte Individualantrag - beim Verfassungsgerichtshof am 26. April 2002 eingelangt - enthält das Begehren, der Verfassungsgerichtshof möge in §19 Z1 ARHG den Ausdruck "der Art[.] 3 und 6", im zweiten Satz des §34 Abs1 ARHG die Wortfolge "und auf den Schutz der Menschenwürde" sowie in §33 Abs5 ARHG den zweiten Satz ("Gegen den Beschluß, der zu begründen ist, ist kein Rechtsmittel zulässig.") als verfassungswidrig aufheben und aussprechen, daß die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Darüber hinaus wird gem. Art140a Abs1 (iVm Art140 Abs1) B-VG beantragt, es möge festgestellt werden, daß Art9 Auslieferungsvertrag Österreich-USA verfassungswidrig und daher unanwendbar ist.

Die Zulässigkeit des Antrags wird wie folgt begründet:

Die vom Antragsteller angefochtenen Regelungen legten die Voraussetzungen fest, nach denen über seine Auslieferung zu entscheiden sei. Das Oberlandesgericht Wien habe sowohl Art9 Auslieferungsvertrag Österreich-USA als auch §19 Z1 ARHG anzuwenden. Der Bundesminister für Justiz werde bei seiner Entscheidung auch auf §34 Abs1 zweiter Satz ARHG Bedacht zu nehmen haben. Beide Regelungen seien somit entscheidend dafür, ob der Antragsteller gegen seinen Willen aus dem Hoheitsgebiet Österreichs in die USA und damit aus dem Anwendungsbereich der EMRK verbracht werden dürfe. Durch die (bei Einbringung des vorliegenden Antrags noch) bevorstehenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts Wien sowie des Bundesministers für Justiz werde der Antragsteller somit nicht bloß zum Verlassen des Landes gezwungen, sondern er verliere auch sämtliche ihm durch die EMRK gewährten Rechte.

Der absehbare Eingriff sei auch durch das Gesetz eindeutig bestimmt und keiner weiteren Konkretisierung bedürftig. Falls die Auslieferung vom Oberlandesgericht für zulässig erklärt und vom Bundesminister bewilligt werde, sei der Antragsteller auszuliefern.

Es handle sich überdies um einen aktuellen Eingriff. Da im ARHG eine absolute Haftfrist von einem Jahr normiert (vgl. §29 Abs6 ARHG) und der Antragsteller demnach jedenfalls am 22. Mai 2002 zu enthaften sei, sei nämlich anzunehmen, daß das Oberlandesgericht Wien bis dahin über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheiden werde. In diesem Fall sei mit der unverzüglichen Übergabe des Antragstellers an die zuständigen Behörden der USA zu rechnen.

Es sei dem Antragsteller schließlich auch nicht möglich, den drohenden Eingriff anders als im Wege eines Gesetzesprüfungsantrags zu bekämpfen: Da das Oberlandesgericht Wien nach §33 Abs3 ARHG über die Zulässigkeit der Auslieferung nämlich in erster und letzter Instanz entscheide, könne es keinen Gesetzesprüfungsantrag gem. Art140 Abs1 erster Satz iVm Art89 Abs2 B-VG stellen. Dem Bundesminister für Justiz wieder sei ein derartiges Antragsrecht von vornherein nicht zuerkannt. Die von ihm vorgenommene Anordnung der Übergabe (§34 Abs3 ARHG) werde - zumindest im Schrifttum - nicht als vom Betroffenen bekämpfbarer Bescheid qualifiziert. Nach Ansicht des Antragstellers habe der Bundesminister zwar über das Auslieferungsersuchen mit Bescheid zu entscheiden, auf Grund langjähriger Praxis werde jedoch kein Bescheid erlassen, weshalb dem Betroffenen der Weg versperrt sei, eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu richten.

Abschließend heißt es wörtlich:

"Im Hinblick auf die einhellige - unzutreffende - Lehre und die langjährige und damit etablierte Praxis hat der Antragsteller keine Chance[,] einer Übergabe an die US-Behörden zu entgehen, bevor der Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Regelungen feststellt und diese aufhebt. Dieser Individualantrag ist daher der einzige effektive Rechtsschutz des Antragstellers."

3. Im zweiten Rechtsgang erklärte das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 8. Mai 2002, Z22 Ns 8/02, die Auslieferung des Antragstellers hinsichtlich des Anklagepunktes 93 (Meineid) für unzulässig, im übrigen dagegen für zulässig.

Begründend wird dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt:

"Eine Auslieferung zur Vollstreckung in Abwesenheit ergangener Schuldsprüche und verhängter Strafen kann abgelehnt werden, wenn das Abwesenheitsverfahren nicht grundrechtlichen Mindestanforderungen entsprochen hat oder kein Rechtsbehelf zur Verfügung steht, mit dem die Neudurchführung des Verfahrens ohne weitere Gründe bewirkt werden kann. Diese Mindestanforderungen orientieren sich an den Grundsätzen des fairen Verfahrens nach Art6 EMRK. Konnte daher die auszuliefernde Person ihre Verteidigungsrechte auch in Abwesenheit ausreichend wahren, so ist auch die Auslieferung zur Vollstreckung dieses Urteils möglich (ErläutRV 1083 BlgNR 20. GP 19).

Hinsichtlich des Schuldspruches in Abwesenheit bestehen keine Bedenken an der Einhaltung des fair trial-Gebotes, weil der Auszuliefernde nach den Auslieferungsunterlagen (..., zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangene Note des US Department of Justice vom 26. Juni 2001) während der gesamten, sich über einen Zeitraum von rund acht Monaten erstreckenden Verhandlung anwesend war, zahlreiche Zeugen namhaft machte, umfangreiches Urkundenmaterial vorlegte, mehrere Wochen hindurch persönlich aussagte, die (etwa eine Woche in Anspruch nehmenden) Schlussplädoyers verfolgte und erst vor der Urteilsverkündung flüchtete. Bei dieser Sachlage sieht auch die österreichische Rechtsordnung (§269 StPO) eine Verkündung des Urteils in Abwesenheit des Angeklagten vor, ohne von einem Abwesenheitsurteil iSd §427 StPO auszugehen, zumal die Urteilsverkündung nach Schluss der Verhandlung, die Urteilsberatung außerhalb derselben stattfindet (vgl OGH 9.4.2002, 14 Os 8/02).

Die Behauptung des Auszuliefernden, zwischen dem Schluss der Verhandlung sowie der Urteilsverkündung seien (in seiner Abwesenheit) inhaltliche Erörterungen vorgenommen worden, widerspricht - unsubstantiiert - den (ergänzenden) Auslieferungsunterlagen (S 4 f der zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangenen Note des US-Department of Justice vom 26. Juni 2001) und ist daher unbeachtlich (§35 Abs1 ARHG).

Ein Verfahrensabschnitt, in dem nach vollständiger Durchführung des Beweisverfahrens und abschließender Beurteilung der Schuldfrage (erstinstanzlich) über das Strafausmaß verhandelt wird, ist dem österreichischen Rechtssystem fremd (§256 StPO sieht lediglich die Trennung der Schlussvorträge über die Schuldfrage von denen über die Strafbestimmungen, über die privatrechtlichen Ansprüche und über die Prozesskosten vor). Die EMRK-Konformität des Strafmaßfestsetzungsverfahrens in Abwesenheit des Auszuliefernden kann daher nur anhand der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (im Folgenden EGMR genannt) untersucht werden. Hienach bedingt Art6 Abs1 MRK im Rechtsmittelverfahren - welches als der (die Durchführung des Beweisverfahrens sowie die Klärung der Schuldfrage beinhaltenden) Hauptverhandlung nachgelagerter Verfahrensabschnitt mit dem hier zu prüfenden Prozessteil durchaus vergleichbar ist - nicht immer ein Recht auf persönliche Anwesenheit, sondern ist bei Beurteilung dieser Frage ua auf die Besonderheiten des betroffenen Verfahrens Bedacht zu nehmen. Entscheidend ist hiebei die Frage, ob es zur ordnungsgemäßen Prüfung der Strafsache erforderlich ist, einen persönlichen Eindruck vom Angeklagten zu gewinnen (vgl EGMR 8.2.2000, ÖJZ 2000/15). Dies war bei der gegenständlichen Strafmaßfestsetzung nicht (neuerlich) nötig, weil die Vorsitzende des Verfahrens vor der Jury (...), welche im Rahmen eines rund achtmonatigen Prozesses, insbesonders auch während der mehrwöchigen persönlichen Aussage des Auszuliefernden (...), einen hinreichenden persönlichen Eindruck von diesem erhielt, auch selbst das Strafmaß festsetzte (...).

Der Einwand, der Verteidiger habe im Strafmaßfestsetzungsverfahren mangels Kontaktaufnahme mit dem Auszuliefernden dessen Rechte nicht uneingeschränkt wahrnehmen können, vermag nicht zu überzeugen, zumal der Auszuliefernde bereits während des gesamten Verfahrens vor der Jury durch den selben (gewählten) Verteidiger vertreten war, also hinreichend Gelegenheit hatte, diesem alle für die Wahrung seiner Recht bedeutsamen Umstände zur Kenntnis zu bringen. Es sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber angemerkt, dass die Annahme, dies wäre tatsächlich nicht geschehen, (insbesonders im Hinblick auf Umfang und Gewicht der Strafsache) wenig lebensnah erscheint.

Auch der Hinweis auf den Fall Poitrimol v France ist verfehlt, weil der EGMR bei dieser Entscheidung die Verletzung der Verteidigungsrechte - hier interessierend - darin erblickte, dass die französischen Gerichte die Rechtsansicht vertraten, eine verurteilte Person, die sich einem Haftbefehl entzogen habe, sei nicht berechtigt, einen Verteidiger zu beauftragen, sie zu vertreten (EGMR 23.11.1993 ÖJZ 1994/29). Die Durchführung des Verfahrens - wie hier - in Abwesenheit des Angeklagten, jedoch in Anwesenheit seines (zu Sachvorbringen berechtigten) Verteidigers wäre also nach diesem Judikat gerade die EMRK-konforme Vorgangsweise gewesen. Dies entspricht im Übrigen auch der ratio des §269 StPO, die persönliche Anwesenheit des Angeklagten in einem Verfahrensstadium, in dem diese aus inhaltlichen Gründen nicht (mehr) erforderlich ist, für entbehrlich zu erklären.

Dadurch, dass der Angeklagte im Verfahren vor der Jury persönlich und im Strafmaßfestsetzungsverfahren (selbst gewählten) Verteidiger vertreten war, hatte er somit eine angemessene Möglichkeit, seine Verteidigungsrechte zu wahren, weshalb sich das Eingehen darauf, ob dem Auszuliefernden nach seiner Übergabe angemessene Rechtsmittel oder zusätzliche Verfahren iSd Art9 des Auslieferungsvertrages offen stehen, erübrigt.

Wenngleich der EGMR vereinzelt - und mit massiven Contravoten (vgl EGMR 23.11.1993 ÖJZ 1994/29) - ausgesprochen hat, dass die Verweigerung der inhaltlichen Behandlung eines Rechtsmittels bei bestimmten Fallkonstellationen das fair-trial-Gebot zu verletzen geeignet ist, gewährt das in Art6 Abs1 EMRK normierte Recht auf Zugang zu den Gerichten kein generelles Recht auf einen Instanzenzug oder - wo ein solcher besteht - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen (Mayerhofer Nebenstrafrecht 14, E 10a, 12a zu [Art] 6 EMRK) . Der Umstand, dass die US-amerikanische Rechtsordnung gewisse Rechtsmittelbeschränkungen vorsieht, kann somit nicht grundsätzlich als Verstoß gegen Art6 Abs1 EMRK gewertet werden. Eine detaillierte(re) Prüfung des Rechtssystems des ersuchenden Staates ist im Rahmen des Auslieferungsverfahrens als eines auf internationalen Verträgen (oder dem Grundsatz der Gegenseitigkeit) beruhenden Formalverfahrens nicht zulässig.

Die spekulativen Erwägungen des Auszuliefernden über mögliche Auswirkungen seiner Flucht auf den Schuldspruch der Geschworenen sowie das Strafausmaß sind der Überprüfung im Verfahren nach §33 ARHG nicht zugänglich.

Das Vorbringen zur angeblichen Widersprüchlichkeit des Jury-Urteils (...) übersieht, dass die den Anklagepunkt 1 unterteilenden Racketeering-Handlungen 1 bis 75B (...) nicht ident sind mit den Anklagepunkten 3 bis 93 (...) und erweist sich deshalb als aktenwidrig.

Entsprechendes gilt für die Behauptung, aus der eidesstattlichen Erklärung zur Glaubhaftmachung des Auslieferung (...) sei nicht ersichtlich, ob die vorsitzende Richterin den Auszuliefernden - dem Ausspruch der Jury folgend - aller Anklagepunkte für schuldig erkannte (...).

Ob sich der Schuldspruch der Vorsitzenden 'bei den Akten' findet (bzw ob dieser nach US-amerikanischem Recht überhaupt auszufertigen ist), kann dahingestellt bleiben, zumal nach Art10 Abs4 lita des Auslieferungsvertrages eine - hier vorliegende (...) - Bestätigung einer Justizbehörde, dass der Auszuliefernde schuldig gesprochen worden ist, die Urteilsausfertigung substituiert.

Art 8 Abs1 des Auslieferungsvertrages ermöglicht dem ersuchten Staat - bezogen auf die Höhe der Sanktion - nur im Fall der Androhung bzw Vollstreckung der Todesstrafe, die Auslieferung abzulehnen; der Ausspruch (sogar) einer lebenslangen Freiheitsstrafe stellt daher nach dem Auslieferungsvertrag - wie im Übrigen auch nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen oder vergleichbaren bilateralen Verträgen - kein Auslieferungshindernis dar, was - arg a maiori ad minus - auch für jede zeitliche Freiheitsstrafe zu gelten hat. Mit dem Einwand, die über ihn verhängte Sanktion stünde außer Verhältnis zu den nach österreichischem Recht geltenden Strafdrohungen für vergleichbare Delikte[,] übersieht der Auszuliefernde, dass die Strafrechtsordnung der USA - im Gegensatz zu dem in Österreich vorherrschenden (§28 Abs1 StGB) Absorptionsprinzip - vom Grundsatz der Strafenkumulation ausgeht, weshalb - der Argumentationslinie des Auszuliefernden folgend - eine Auslieferung in die Vereinigten Staaten von Amerika in allen Fällen der Faktenvielzahl wegen Unverhältnismäßigkeit der ausgesprochenen (bzw zu verhängenden) Sanktion für unzulässig zu erklären wäre, welche Intention dem Auslieferungsvertrag nicht ernsthaft unterstellt werden kann.

Ein - losgelöst vom Einzelfall - grundsätzliches Verbot der Verhängung bzw des Vollzuges einer lebenslangen (oder einer dieser de facto entsprechenden zeitlichen) Freiheitsstrafe kann der EMRK nicht entnommen werden; Art2 Abs1 EMRK erachtet vielmehr sogar die Vollstreckung eines Todesurteiles als zulässig. Freiheitsstrafen können nur dann in ein Spannungsverhältnis zu Art3 EMRK treten, wenn sie in keiner Relation zur Schuld des Täters und zum Unrechtsgehalt der Tat stehen (vgl Rosenmayr in Ermacora-Nowak-Tretter, Die Europäische Menschenrechtskonvention 171 f), was aber hier in Anbetracht der umfangreichen, über einen äußerst langen Zeitraum im Rahmen einer professionell organisierten Tätergruppe gesetzten Tathandlungen mit Rücksicht auf die Besonderheiten des US-amerikanischen Rechtssystems nicht der Fall ist.

In seiner Stellungnahme vom 7. Mai 2002 bezieht sich der Auszuliefernde auf mehrere Fälle (Sawoniuk v Großbritannien, Nivette v Frankreich und Einhorn v Frankreich), in denen der EGMR die Ansicht vertreten hat, lebenslange Haft ohne Aussicht auf Freilassung könne 'zu Fragen nach Art3 EMRK führen', räumt aber gleichzeitig ein, dass der EGMR niemals ausgesprochen hat, dass lebenslange Haft ohne Aussicht auf Freilassung tatsächlich eine Verletzung des Art3 EMRK darstellt. Den vom Auszuliefernden angeführten Fällen ist gemein, dass der EGMR die Verletzung des Art3 EMRK durch den Strafausspruch bzw die Strafdrohung mit der wesentlichen Begründung nicht eingehender prüfte, der tatsächliche Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe sei nicht gewiss. Korrespondierendes gilt für die gegenständliche Auslieferungssache. Nach der zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangenen Note des US Department of Justice vom 26. Juni 2001 (S 9f) hat der Auszuliefernde die Möglichkeiten, das Urteil gemäß Titel 28, United States Code, Paragraph 2255 wegen bestimmter Gesetzesverletzungen (nachträglich) anzufechten, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu begehren, einen Antrag auf Rechtsschutz bei der vorsitzenden Richterin zu stellen oder - mit der Begründung, er sei bei der Verurteilung nicht anwesend gewesen - einen Antrag auf Neuverurteilung einzubringen. Darüber hinaus gewährt auch die US-amerikanische Rechtsordnung für den Fall, dass (hier auch tatsächlich erhobene) Rechtsmittel von Mitangeklagten zum Erfolg führen, das Rechtsinstitut des beneficium cohaesionis (vgl §290 Abs1 StPO). Dem Auszuliefernden stehen somit nach wie vor mehrere Möglichkeiten offen, das (an sich rechtskräftige) Urteil anzufechten, weshalb der tatsächliche Vollzug der Freiheitsstrafe bis zum Lebensende des Auszuliefernden nicht gewiss ist und sich iSd oa Judikatur des EGMR eine weitere Prüfung der ausgesprochenen Sanktion im Hinblick auf Art3 EMRK erübrigt. In diesem Zusammenhang sei der Vollständigkeit halber darauf verwiesen, dass nach der zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangenen Note des US Department of Justice vom 6. Juli 2001 (S 3) die US-amerikanischen Behörden zu Gunsten des Auszuliefernden einen Antrag auf Wiedereinstellung der Berufung einbrachten, dem jedoch deshalb nicht Folge gegeben werden konnte, weil sich der Verteidiger inhaltlich gegen den Antrag aussprach (s Beilage der zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangenen Note des US Department of Justice vom 2. Juli 2001).

Wegen des zu erwartenden Vollzuges einer Freiheitsstrafe steht die Auslieferung nur dann in Widerspruch zu Art3 EMRK, wenn ernste Gründe für die Annahme vorliegen, der Auszuliefernde werde im ersuchenden Staat einer Behandlung ausgesetzt, welche die genannte Konventionsbestimmung verbietet (vgl Linke-Epp-Dokoupil-Felsenstein, Internationales Strafrecht S 19 ARHG Erläut 6). Hiebei ist auch maßgeblich, ob im ersuchenden Staat bislang gehäufte Verstöße gegen Art3 EMRK bekannt geworden sind (vgl VfGH 10.10.1994 JBl 1995, 315), was durch die vom Angeklagten vorgelegten Zeitungsartikel aus dem Jahr 1989 bzw 1995 über angebliche vereinzelte Übergriffe in US-Gefängnissen keinesfalls dokumentiert wird. Da somit weder davon ausgegangen werden kann, dass im US-amerikanischen Strafvollzug eine ständige Praxis grober Menschenrechtsverletzungen herrscht, noch der Auszuliefernde Anhaltspunkte für die Annahme vorbrachte, ihm (konkret) würde ein Art3 EMRK widersprechender Strafvollzug drohen, liegt auch das Auslieferungshindernis des §19 Z2 ARHG nicht vor."

4. Die Bundesregierung hat im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand erstattet, worin beantragt wird, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurück-, in eventu als unbegründet abweisen.

5. Auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes hat auch der Oberste Gerichtshof eine Äußerung zum Gegenstand erstattet:

"[...] Zur Kompetenzabgrenzung zwischen Strafgericht und Bundesminister für Justiz ließ sich der Oberste Gerichtshof von der Überlegung leiten, dass das Bestehen eines Auslieferungsvertrages ein erhöhtes Vertrauen gegenüber dem ersuchenden Staat signalisiert, womit zwangsläufig das nur subsidiär anwendbare ARHG den umfassendsten Katalog von Auslieferungshindernissen beinhaltet. Innerhalb der Menge aller Auslieferungshindernisse aber werden nur jene zu der dem Gericht zur Beurteilung zukommenden 'Zulässigkeit der Auslieferung' gerechnet, welche der Erste Abschnitt des II. Hauptstücks dieses Gesetzes nennt (vgl die Abschnittsüberschrift).

[...] Nach §34 Abs1 dritter Satz ARHG ist der Bundesminister für Justiz an den Beschluss des Oberlandesgerichtes über die Zulässigkeit der Auslieferung nur gebunden, soweit sie der Gerichtshof II. Instanz für unzulässig erklärt. Erklärt er sie für 'unzulässig', ohne auch nur einen einzigen gesetzlichen Unzulässigkeitsgrund (eine im erwähnten Abschnitt des ARHG genannte rechtliche Unzulässigkeitskategorie) auf den dem Auslieferungsbegehren zugrunde liegenden Sachverhalt zur Anwendung zu bringen, hat er die Auslieferung nicht für unzulässig erklärt und damit innerhalb der Gerichtskompetenz keine Entscheidung getroffen (vgl EvBl 1997/89).

So hätte ein Strafgericht, das einen Angeklagten 'schuldig' spricht, einen anderen willentlich getötet zu haben (vgl §75 StGB), ohne zugleich eine strafbare Handlung (eine in die Gerichtskompetenz fallende rechtliche Kategorie) 'durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist', als 'begründet' anzusehen (vgl §260 Abs1 Z2 StPO; etwa, indem es die Tat dem ArtIX EGVG subsumiert), keinen Schuldspruch gefällt, vielmehr die Anklage nicht erledigt. Erwüchse das Urteil in Rechtskraft, käme ihm die Wirkung eines Freispruchs zu (SSt 24/1, RZ 1987/28).

Während aber ein derartiger Freispruch anlässlich einer erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht beseitigt werden könnte, weil die Beseitigung zum Nachteil des Angeklagten ausschlüge, wurde S W durch den kein den Gerichten zur Beurteilung zustehendes Auslieferungshindernis zur Anwendung bringenden Beschluss des Oberlandesgerichtes benachteiligt, weil der Bundesminister solcherart nicht nach §34 Abs1 dritter Satz ARHG gebunden wurde, über die Auslieferung demnach autonom hätte entscheiden können.

Gesetzt den Fall, ein Gericht würde einen Antrag auf Enteignung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz verfehlt nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückweisen, sondern meritorisch abweisen, so bedürf[t]e es keiner Entscheidung nach §42 JN, um über denselben Enteignungsanspruch im Verwaltungsweg abzusprechen.

[...] Dadurch, dass der Oberste Gerichtshof den - wie gesagt, den Bundesminister für Justiz bei seiner Entscheidung nicht bindenden, in dieser Richtung also unwirksamen - Beschluss des Oberlandesgerichtes 'zur Klarstellung' beseitigte, hat er nur die prozessuale Voraussetzung dafür geschaffen, dass das Oberlandesgericht nicht durch die für den Bundesminister wirkungslose Entscheidung gehindert war, nun erstmals in Wahrung seiner Zuständigkeit über die Zulässigkeitsfrage Beschluss zu fassen. War nämlich der Beschluss des Oberlandesgerichtes für den Bundesminister deshalb wirkungslos, weil es sich dessen Kompetenz anmaßte, stand einer die Gerichtskompetenz wahrnehmenden neuerlichen Entscheidung des Oberlandesgerichtes die Sperrwirkung des angefochtenen Beschlusses (der selbstverständlich nicht 'absolut nichtig' war) entgegen. Erst durch dessen Beseitigung wurde S W die Chance auf Prüfung wirklicher Zulässigkeitskriterien eröffnet. So gesehen geschah die Beseitigung des - für den Bundesminister ohnehin (auch ohne Beseitigung) wirkungslosen - Beschlusses zum Vorteil des Auszuliefernden. Die klarstellende Beseitigung wirkungsloser Beschlüsse aufgrund von zur Wahrung des Gesetzes ergriffene Nichtigkeitsbeschwerden wurde in der Vergangenheit wiederholt vorgenommen, ohne im Schrifttum auf Widerspruch zu stoßen (vgl zB JBl 1989, 400 = EvBl 1989/64; zuletzt etwa 13 Os 27/00; eingehend:

Jerabek in WK2 §53 Rz 28).

[...] Zusammenfassend musste die aus Sicht des Obersten Gerichtshofes fehlende Bindungswirkung gegenüber dem Verwaltungsorgan nur 'klargestellt' werden, ohne einer Beseitigung zu bedürfen. Diese war jedoch erforderlich, um die vom angefochtenen Beschluss ausgehende Sperrwirkung wegzubringen, welche einer erneuten - nur zugunsten des S W möglichen (§34 Abs1 dritter Satz ARHG e contr) - Prüfung durch das Gericht entgegenstand. Ohne Bejahung eines als Unzulässigkeitsgrund (iS des Ersten Abschnitts des II. Hauptstücks des ARHG) den Gerichten zur Beurteilung zustehenden Auslieferungshindernisses ist nämlich die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichtes - blickt man genau hin - nicht zu Gunsten des S W ergangen.

Nach Maßgabe des ergangenen Erkenntnisses wird der Auszuliefernde demnach durch den Rechtsmittelausschluss des §33 Abs5 ARHG gegenüber staatsanwaltlichen Behörden nicht benachteiligt (zur Rechtsnatur der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes s Pallin, Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, Hundert Jahre österreichische Strafprozeßordnung 1873-1973 [1973]).

Durch eine die Auslieferung für zulässig erklärende Entscheidung wird der Bundesminister nicht gebunden (§34 Abs1 dritter Satz ARHG e contr; vgl den Klammerhinweis ['auch'] in der zweitletzten Zeile der Seite 14 des Erkenntnisses, aber auch §34 Abs3 zweiter Satz ARHG); eine Anfechtung wäre daher ohnehin unnötig.

Die im Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes noch als in Druck befindlichen bezeichneten Literaturstellen sind in der Zwischenzeit übrigens erschienen."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG (bzw. gemäß Art140a Abs1 zweiter Satz iVm Art140 Abs1 letzter Satz B-VG) einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift und diese - im Fall einer Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar durch das Gesetz selbst tatsächlich erfolgt. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die - rechtlich geschützten - Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behauptetermaßen - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (zB VfSlg. 9084/1981, 10.511/1985).

Die Antragslegitimation bestimmt sich insbesondere danach, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die in Anfechtung gezogenen Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfalten. Es kommt im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und im Fall der Verfassungswidrigkeit

verletzt (vgl. zB VfSlg. 10.353/1985, 11.610/1988).

2. Zur Klärung der Frage, ob die bekämpften Bestimmungen in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreifen oder diese nur im Wege eines Verfahrens nach §33 oder §34 ARHG gestalten, ist vorweg zu untersuchen, wie die Zuständigkeiten durch die genannten Bestimmungen verteilt werden, insbesondere ob der Bundesminister in förmlicher Weise über die Bewilligung der Auslieferung abzusprechen hat. Im Zuge der solcherart gebotenen Anwendung der genannten Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof bei Prüfung der Zulässigkeit des vorliegenden Antrags ist aber auch von Amts wegen zu klären, ob das in den §§33 und 34 ARHG vorgesehene Zusammenspiel von Gericht und Verwaltungsbehörde aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig ist.

2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (s. zB VfSlg. 2778/1954, 2902/1955, 3236/1957, 3424/1958, 4455/1963, 5630/1967, 6537/1971, 7273/1974, 7882/1976, 9590/1982, 10.300/1984, 10.452/1985, 11.259/1987), ergibt sich aus dem in Art94 B-VG niedergelegten Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Angelegenheit - zur Gänze - zur Vollziehung entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen. Daraus folgt, daß über ein und dieselbe Frage nicht sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden, sei es im gemeinsamen Zusammenwirken, sei es im instanzenmäßig gegliederten Nacheinander entscheiden dürfen; jede verfahrensrechtliche Verflechtung von Gerichten und Verwaltungsbehörden zu einer organisatorischen Einheit ist als unzulässig anzusehen.

Das Gesetz darf nicht vorsehen, daß ein und dieselbe Sache von Vollziehungsorganen verschiedenen Typs, also zB sowohl von einem Gericht wie auch von einer Verwaltungsbehörde, - nebeneinander oder nacheinander - behandelt werden kann, ohne daß das Gesetz selbst objektiv erfaßbare Voraussetzungen dafür au

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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