TE Vwgh Erkenntnis 2007/11/14 2005/04/0300

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Veröffentlicht am 14.11.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
GewO 1994 §353;
GewO 1994 §367 Z25;
GewO 1994 §74 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs2;
GewO 1994 §81 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schenk, über die Beschwerde der

1. Z GmbH & Co KG sowie 2. Z T Gesellschaft m.b.H., beide in B und vertreten durch Mag. Georg Derntl, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Hauptplatz 11a/Herrenstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. November 2005, Zl. Ge- 442915/8-2005-Z, betreffend Änderung einer gewerblichen Bertriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: 1. M O und 2. E O in B, 3. S P und 4. J P in B, 5. R P und 6. G P in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Spruchpunkte

1. und 3. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. November 2005 wurde im Instanzenzug der Erstbeschwerdeführerin die gewerbebehördliche Genehmigung für die Verlängerung der Betriebszeiten des Baumarktes und für die Abänderung der Betriebsanlage durch die Aufstellung und den Betrieb eines Flüssiggas-Flaschenlagers sowie der Zweitbeschwerdeführerin die gewerbebehördliche Genehmigung für die Abänderung der Betriebsanlage durch den Betrieb eines Transportgewerbes gemäß den "§§ 81 Abs. 1 i.V.m. 74, 75 Abs. 2, 77, 356 und 359 GewO 1994, §§ 92 und 93 ASchG sowie § 66 AVG" unter Vorschreibung näher bezeichneter Auflagen erteilt. Unter anderem wurden im Instanzenzug folgende Auflagen vorgeschrieben:

"1. Die Ausführung des Vorhabens hat projektsgemäß unter Berücksichtigung der im Befund beschriebenen Änderungen und Ergänzungen zu erfolgen.

2. Die Höhe der Lärmschutzwand ist entsprechend dem Einreichplan der S-Baugesellschaft m.b.H. vom 11.2.2002, Plan-Nr. 2002-04/1, auszuführen.

3. Die Lärmschutzwand ist entlang der F-Straße im Kreuzungsbereich auf 3 m Läge komplett durchsichtig und im restlichen Bereich ab 2 m Höhe gemessen vom Straßenniveau durchsichtig auszuführen."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Berufungsverfahren seien zu den Argumenten der Berufungswerber, darunter die Beschwerdeführerinnen, gutachterliche Stellungnahmen eines medizinischen sowie eines anlagentechnischen Amtssachverständigen eingeholt worden.

Im vorliegenden Betriebsanlagenverfahren gehe es um die Genehmigung eines neuen Projektes, mit dem der Umfang der bestehenden Betriebsanlagengenehmigung ausgeweitet werden solle. Daher sei weder § 79 GewO 1994 noch § 356 Abs. 3 GewO 1994 anwendbar und daher weder relevant, ob die Nachbarn erst nach der Genehmigung der ursprünglichen Betriebsanlage zugezogen seien, noch, ob ihre Parteistellung im ursprünglichen Genehmigungsverfahren aufrecht geblieben sei. Ausschließlich maßgeblich für die Beurteilung sei, wie sich die Änderung der Betriebsanlage auf die Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 auswirke. Dabei müsse die Belästigung der Nachbarn durch Immissionen gemäß § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Die Höhe der Lärmschutzwand sei durch den anlagentechnischen Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass die Richtwerte der maßgeblichen Richtlinie des österreichischen Arbeitsringes für Lärmbekämpfung (ÖAL) eingehalten würden. Auf dieser Grundlage habe der medizinische Sachverständige ausgeführt, die vorgeschriebene Höhe sei daher gerade so gewählt, dass unzumutbare Lärmbelästigungen vermieden würden. Bei der von den Beschwerdeführerinnen vorgeschlagenen Reduktion der Lärmschutzwand auf ein Ausmaß, bei dem ein Lärmimmissionspegel von 50 dB (A) nicht überschritten werde, würden diese für die Beurteilung der Zumutbarkeit maßgeblichen Richtwerte nicht mehr eingehalten werden. Im Falle eines gänzlichen Verzichtes auf die Lärmschutzwand könnten zudem eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden.

Bei der Ermittlung der Anzahl der Verkehrsbewegungen pro Stunde, die für die Höhe der betrieblichen Lärmimmissionen verantwortlich seien, seien die betrieblichen Schallquellen über die ungünstigsten aufeinander folgenden Stunden angesetzt worden, was bedeute, dass innerhalb von acht Stunden 16 Lkw und 8 Klein-Lkw zu- und abfahren würden. Dies sei bei einem Kfz-Bestand von 6 Lkw und einem Klein-Lkw als eine adäquate, nicht gerade niedrige Frequenz anzusehen, da das Transportgewerbe nicht nur im Nahverkehr, sondern auch im Fernverkehr betrieben werde.

Um psychische Beeinträchtigungen auszuschließen, werde der Vorschlag des medizinischen Sachverständigen aufgegriffen, die Lärmschutzwand ab Sichthöhe durchsichtig auszuführen. Durch diese Ausführung werde sich nur mehr eine geringe Änderung der derzeitigen Sichtverhältnisse und des gewohnten Ausblickes von den Häusern der Nachbarn ergeben. Die komplett durchsichtige Ausführung im Kreuzungsbereich stelle überdies die Einsehbarkeit der Kreuzung sicher. Die technische Machbarkeit sei mit dem anlagentechnischen Sachverständigen abgeklärt worden, der überdies festgestellt habe, dass eine durchsichtige Lärmschutzwand schalltechnisch keine schlechtere Wirkung habe als eine undurchsichtige.

Dass die Nachbarn keine Lärmschutzwand wünschen würden und einige von ihnen sogar in einer privatrechtlichen Vereinbarung auf eine allfällige Auflage der Errichtung einer Lärmschutzwand nordseitig und westseitig verzichtet haben sollten, sei nicht relevant, da die Gewerbebehörde im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren den Schutz der Nachbarn von Amts wegen wahrzunehmen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die fünft- und sechstmitbeteiligten Parteien erstatteten ebenso eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in Z 1 dieser Gesetzesstelle genannten Gefährdungen oder die in Z 2 bis 5 genannten Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen hervorzurufen.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalls voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

2. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich durch die im angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Auflagen 1., 2. und 3. in ihrem Recht auf Vorschreibung nur erforderlicher und geeigneter Auflagen gemäß § 77 GewO 1994 verletzt.

3. Sie bringen gegen diese Auflagen zunächst vor, die Vorschreibung derselben sei hinsichtlich der Verlängerung der Betriebszeiten für den Baumarkt nicht berechtigt, da die mitbeteiligten Parteien "durch heranrückende Bauweise an die Betriebsanlage der Beschwerdeführer zugezogen" seien.

Zu diesem Vorbringen genügt es darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde zu Recht die Auffassung vertreten hat, die Einschränkung der Auflagenvorschreibung in § 79 Abs. 2 GewO 1994 (betreffend Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 geworden sind) sei nicht anzuwenden, da es sich im Beschwerdefall um keine Vorschreibung nachträglicher Auflagen nach § 79 GewO 1994 handle. Einen vergleichbaren Regelungsinhalt enthalten die hier anzuwendenden §§ 81 Abs. 1 iVm 77 Abs. 1 GewO 1994 nicht.

4. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich weiters gegen die in Auflage 3. vorgeschriebene durchsichtige Ausführung der Lärmschutzwand und bringen hiezu vor, durch die Schaffung einer undurchsichtigen Lärmschutzwand werde jedenfalls das Leben oder die Gesundheit der mitbeteiligten Parteien (Nachbarn) in keiner Weise gefährdet. Auch die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, konkret an der Kreuzung F-Straße/R-Straße werde durch eine undurchsichtige Ausführung der Lärmschutzwand überhaupt nicht beeinträchtigt. Auch die Sicherheit sei nicht beeinträchtigt, weil sich an der R-Straße entlang der Betriebsanlage der Beschwerdeführerinnen ein 1,5 m breiter Gehsteig und daran anschließend eine Grünfläche befinde, sodass Verkehrsteilnehmer durch die undurchsichtige Ausführung keinesfalls beeinträchtigt seien. Die belangte Behörde habe es überdies unterlassen, entsprechende Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich der Örtlichkeit an dieser Kreuzung vorzunehmen. Auch fehle die Stellungnahme des Straßenerhalters. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass eine undurchsichtige Lärmschutzwand die betroffenen Nachbargrundstücke keinesfalls zur Gänze beschatte, sodass ein diesbezüglicher Anspruch der Nachbarn nicht bestehe.

Auflagen sind nach § 77 Abs. 1 GewO 1994 (unter anderem) nur zulässig, wenn sie im Hinblick auf die nach dieser Bestimmung iVm § 74 Abs. 2 zu schützenden Interessen erforderlich sind. Ausgehend von dem im § 77 Abs. 1 GewO 1994 gebrauchten Wort "erforderlichenfalls" hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt, dass dem Betriebsinhaber nicht strengere (ihn stärker belastende) Maßnahmen vorgeschrieben werden dürften, als zur Wahrung der im § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1994 angeführten Schutzzwecke notwendig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2006, Zl. 2005/04/0026, mwN).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die strittige Auflage 3. einerseits (komplett durchsichtige Ausführung im Kreuzungsbereich auf 3 m Länge) auf die Notwendigkeit der Einsehbarkeit einer (nicht näher bezeichneten) Kreuzung und damit auf den Schutzzweck des § 74 Abs. 2 Z 4 GewO 1994 und andererseits (durchsichtige Ausführungen im restlichen Bereich ab 2 m Höhe gemessen vom Straßenniveau) auf einen Vorschlag des medizinischen Sachverständigen, um psychische Beeinträchtigungen auszuschließen, und somit auf den Schutzzweck des § 74 Abs. 2 Z 1 bzw. 2 GewO 1994 gestützt.

Beide von der Behörde solcherart angeführten Argumente für die Notwendigkeit der Vorschreibung der Auflage 3. erweisen sich aber nach der Aktenlage als nicht ausreichend begründet:

So ergibt sich aus der Aktenlage, dass der gewerbetechnische Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. September 2005 (ON 11) zu der "nunmehr aufgetauchten Frage der Verkehrssicherheit" darauf verweist, dass ein Amtssachverständiger für Verkehrstechnik beizuziehen wäre. Nach der Aktenlage wurde ein solcher durch die belangte Behörde jedoch nicht beigezogen. Aus dem im Akt aufliegenden Aktenvermerk vom 18. Oktober 2005 (ON 12) über ein Telefonat des Bearbeiters mit dem anlagentechnischen Amtssachverständigen ergibt sich lediglich, dass letzterer die Verkehrssituation als "unproblematisch" einschätzt und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs gewährleistet sei, was für sich genommen gegen die Notwendigkeit der Auflage 3. spricht.

Zur durchsichtigen Ausführung der Lärmschutzwand zur Vermeidung psychischer Beeinträchtigungen der Nachbarn führt der medizinische Amtssachverständige in seiner gutächtlichen Stellungnahme vom 1. März 2005 (ON 3) aus, die Errichtung einer Lärmschutzwand in der Höhe von 6,5 m würde zweifellos eine nicht unwesentliche Veränderung der örtlichen Verhältnisse darstellen und eine geringere Veränderung der derzeitigen Sichtverhältnisse würde sich dann ergeben, wenn die Wand ab Augenhöhe durchsichtig ausgeführt werde. In seiner ergänzenden gutächtlichen Stellungnahme vom 8. August 2005 (ON 9) führt der medizinische Amtssachverständige lediglich aus, dass bei Gestaltung der Lärmschutzwand - und zwar bei der Materialwahl - der Einfluss auf die psychische Befindlichkeit mit ein Faktor sei, der Auswirkung zeigen könne. So wie die Farbgebung Einfluss auf den psychischen Zustand haben könne, werde sich auswirken, ob der gewohnte Ausblick vom Haus der Nachbarn, wie bei einer durchsichtigen Gestaltung, nicht wesentlich verändert werde oder (ob) der Ausblick vollständig versperrt werde und ein anderer Anblick angeboten werde. Dann fügt der medizinische Amtssachverständige jedoch an, explizite Aussagen darüber seien vom Fachgebiet der Psychologie zu erwarten. Ein dementsprechendes Gutachten findet sich im Akt aber nicht. Im Aktenvermerk vom 18. Oktober 2005 (ON 12) schlägt der anlagentechnische Amtssachverständige Auflage 3. vor und führt begründend aus, seiner Ansicht nach wäre es "psychologisch" besser, wenn man von der Straßenseite nicht sehe, was auf dem Betriebsgrundstück geschehe.

Die belangte Behörde hat somit nicht die von den Amtssachverständigen für notwendig gehaltenen ergänzenden Gutachten eingeholt, sondern die strittige Auflage 3. alleine auf (schon im Hinblick auf seine Fachkenntnisse nicht schlüssig nachvollziehbare) Ausführungen des gewerbetechnischen Sachverständigen gestützt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Aufgaben des gewerbetechnischen und des medizinischen Sachverständigen etwa das hg. Erkenntnis vom 14. September 2005, Zl. 2004/04/0224, mwN).

Da die belangte Behörde die Auflage 3. daher nicht auf entsprechende Sachverständigenausführungen stützen konnte, aus denen ersichtlich gewesen wäre, warum diese Auflage im Sinn der oben angeführten Rechtsprechung zur Wahrung der im § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1994 angeführten Schutzzwecke notwendig sei, hat sie den (gesamten) angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet (vgl. hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom 15. September 2006, Zl. 2005/04/0026, mwN).

5. Die Beschwerdeführerinnen wenden gegen die gegenständlichen Auflagen weiters ein, die Errichtung einer Lärmschutzwand sei hinsichtlich der Genehmigung für die Verlängerung der Betriebszeiten "für sich allein gesehen" (ohne Änderung durch Betrieb eines Transportgewerbes) nicht erforderlich, weil weder eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn noch entsprechende Belästigungen durch die Lärmschutzwand selbst vorlägen. Auflagen, welche die Beschaffenheit der Lärmschutzwand beträfen, seien daher ausschließlich im Rahmen der Änderung der Betriebsanlage durch den Betrieb eines Transportgewerbes richtig, nicht jedoch hinsichtlich der Verlängerung der Betriebszeiten betreffend den Baumarkt.

Unter einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 ff GewO 1994 ist nach ständiger hg. Rechtsprechung die Gesamtheit jener Einrichtungen zu verstehen, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Nicht die einzelnen Maschinen, Geräte oder die beim Betrieb vorkommenden Tätigkeiten bilden den Gegenstand der behördlichen Genehmigung, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt. Einrichtungen, die unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 74 Abs. 2 Einleitungssatz GewO 1994 mit einer gewerblichen Betriebsanlage in einem sachlichen (betrieblichen) und örtlichen Zusammenhang stehen, zählen zu dieser Betriebsanlage. Sie können, weil die GewO 1994 nicht vorsieht, dass für eine Betriebsanlage Genehmigungen mehrfach nebeneinander erteilt werden können, nicht "abgesondert" genehmigt werden. Vielmehr bewirkt die Errichtung und Inbetriebnahme einer mit einer rechtskräftig genehmigten Betriebsanlage in einem solchen Zusammenhang stehenden Einrichtung bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 81 GewO 1994 eine genehmigungspflichtige Änderung der genehmigten Anlage, wobei die Genehmigung auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen hat, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 2005, Zl. 2004/04/0131, mwN).

Wie der Aktenlage zu entnehmen ist (vgl. Aktenvermerk vom 24. August 2001) wurde die gegenständliche Betriebsanlage in Form eines Baumarktes von der Erstbeschwerdeführerin betrieben und in der Folge durch die Zweitbeschwerdeführerin "auch" für den Umschlag von Waren genützt. Nach den Ergebnissen der im genannten Aktenvermerk wiedergegebenen Besprechung beim Betriebsanlagensprechtag stellte die Erstbeschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 27. September 2001 den Antrag auf Änderung der Betriebsanlage durch Verlängerung der Betriebszeiten. Gleichzeitig stellte die Zweitbeschwerdeführerin mit getrenntem Schriftsatz vom 27. September 2001 den Antrag auf Änderung der Betriebsanlage ("Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für mein bestehendes Transportgewerbe").

Auf Grundlage dieser Anträge erteilte die belangte Behörde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 81 GewO 1994 die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der Betriebsanlage durch Verlängerung der Betriebszeiten des Baumarktes und für die Abänderung der Betriebsanlage durch die Aufstellung und den Betrieb eines Flüssiggas-Flaschenlagers (der dementsprechende Antrag wurde durch die Erstbeschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung vor der Erstbehörde am 29. Juni 2004 gestellt) und der Zweitbeschwerdeführerin die gewerbebehördliche Genehmigung für die Abänderung der(selben) Betriebsanlage durch den Betrieb eines Transportgewerbes. Die im Beschwerdefall bekämpften Auflagen 1., 2. und 3. wurden jeweils beiden Beschwerdeführerinnen und somit insgesamt zweifach (doppelt) vorgeschrieben. Nach der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sieht die GewO 1994 jedoch nicht vor, dass für eine Betriebsanlage Genehmigungen mehrfach nebeneinander erteilt werden können. Daher können auch nicht mehrere Änderungen einer Betriebsanlage "abgesondert" genehmigt werden. Die belangte Behörde geht im Beschwerdefall offenbar davon aus, dass es sich bei den von den Beschwerdeführerinnen getrennt beantragten Projekten nicht um zwei, unter Bedachtnahme auf § 81 GewO 1994 in keinem Zusammenhang zu einander stehende Betriebsanlagen (nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre in einem solchen Fall eine weitere Betriebsanlagengenehmigung im selben Standort zulässig: vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. September 1994, Zl. 93/04/0082), sondern um eine einheitliche Betriebsanlage handelt. Konkrete Feststellungen zu den diesbezüglichen Sachverhaltsgrundlagen enthält der angefochtene Bescheid aber nicht.

Zum Antrag auf Genehmigung oder Änderung einer bestehenden Betriebsanlage ist allein deren Inhaber legitimiert (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zl. 2002/04/0207, mwN). Auch im Hinblick auf die beim Betrieb der Anlage einzuhaltenden Auflagen kommt es darauf an, wer die Betriebsanlage betreibt und somit Inhaber der Betriebsanlage ist. So stellt § 367 Z 25 GewO 1994 im Hinblick auf die beim Betrieb der Anlage einzuhaltenden Auflagen auf den "Inhaber" und damit auf den Fall der unmittelbaren Innehabung, das ist im Wesentlichen die Möglichkeit der Bestimmung des in der Betriebsanlage ausgeübten faktischen Geschehens ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0190, mwN).

Die belangte Behörde hat es daher in Verkennung der Rechtslage unterlassen, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob es sich im Beschwerdefall um zwei getrennte Betriebsanlagen handelt und weiters wer nun Inhaber derselben ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (vorrangig aufzugreifender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff (insbesondere § 53 Abs. 1) VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 14. November 2007

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Besondere Rechtsgebiete Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005040300.X00

Im RIS seit

07.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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