TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/2 2007/08/0038

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Veröffentlicht am 02.04.2008
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Petr P in D (Tschechische Republik), vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 29. Dezember 2006, Zl. BMSG-323169/0006- II/A/3/2006, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. M GmbH iL z.H. des Masseverwalters Rechtsanwalt Dr. Edmund Kitzler, Stadtplatz 43, 3950 Gmünd; 2. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, Dr. Karl-Renner-Promenade 14-16, 3100 St. Pölten;

3. Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65-67, 1201 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Akt befindet sich folgender "Dienstleistungsvertrag" vom 4. Juli 2001, abgeschlossen zwischen dem Beschwerdeführer und der erstmitbeteiligten Partei:

"Die Firma P (Lenker genannt) betreibt das Gewerbe 'zur Verfügung stellen der einen Arbeitskraft zum Lenken von Kraftfahrzeugen' und stellt der Firma M GmbH Ihre Arbeitskraft zur Verfügung.

Der Lenker wird monatlich eine Abrechnung stellen über die erbrachte Arbeitsleistung bis spätestens 15. des darauffolgenden Kalendermonats. Vereinbart ist ein Betrag von EUR 0,30 / Map-Guide Kilometer (aufgrund der Kleinunternehmerregelung des Umsatzsteuergesetzes wird dabei bis auf weiteres keine Umsatzsteuer verrechnet). Zusätzlich wird für das Wochenende EUR 51,-- in Rechnung gestellt (wenn diese aufgrund der Transportaufträge notwendig ist).

Die Firma M GmbH ihrerseits stellt das dafür notwendige Arbeitsgerät in Form einer Sattelzugmaschine und eines Aufliegers zur Verfügung.

Der Lenker verpflichtet sich, das zur Verfügung gestellte Arbeitsgerät entsprechend zu warten und wird für durch sorglose oder fahrlässige Handhabe entstandene Schäden aufkommen. Die Firma M GmbH sorgt für technische Überprüfungen, der Fahrer hat eventuelle Überprüfungstermine zeitgerecht zu melden.

Der Lenker verpflichtet sich, bei den erteilten Transportaufträgen vorgegebenen Weg zu wählen, ausgenommen wenn verkehrbedingte Umwege nötig sind.

Die Aufwendungen (nötige Mauten, Tunnelgebühren, etc.) werden von der Firma M GmbH ersetzt. Sollte sich der Lenker nicht an die vorgegebenen Fahrtrouten halten, werden dadurch entstandene Mehrkosten nicht ersetzt.

Die Firma M GmbH stellt zusammen mit dem LKW die nötigen Tankkarten zur sorgfältigen Verwendung zur Verfügung. Ebenso wird ein Telefon bereitgestellt, die Kosten werden bis zu einem Betrag von EUR 110,-- (inkl. Grundgebühr) von der Firma M GmbH getragen, der übersteigende Betrag wird dem Lenker in Rechnung gestellt.

Dieser Arbeitsvertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann von beiden Seiten unter Einhaltung einer 2-wöchigen Frist gekündigt werden."

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2004 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer für die erstmitbeteiligte Partei in der Zeit vom 4. Juli 2001 bis 14. März 2002 der Voll- (Kranken- , Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosensversicherungspflicht unterliegt.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch der erstmitbeteiligten Partei und des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. Juni 2006 keine Folge gegeben.

Der Beschwerdeführer erhob, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, gegen diesen Bescheid Berufung. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers (und nach Verbindung der Verfahren auch die Berufungen von sieben weiteren Fahrern) abgewiesen, jene der erstmitbeteiligten Partei als unzulässig zurückgewiesen.

In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

"...

Die Mgesellschaft m.b.H. (kurz: M GmbH) war in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen Inhaberin des Gewerbes 'Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Fernverkehr (Güterfernverkehr)' gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 1.2.2000) mit 25 Kraftfahrzeugen am Standort Zstraße.

...

... In unmittelbaren Zusammenhang mit Abschluss der Verträge erfolgten Gewerbeanmeldungen der Fahrer bei der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya lautend auf 'Zurverfügungstellen der eigenen Arbeitskraft zum Lenken von Kraftfahrzeugen' sowie Anmeldungen von Nebenwohnsitzen in Österreich bei Beibehaltung der bisherigen Hauptwohnsitze in Tschechien bzw. Slowakei. Die (äußere) Form der Tätigkeit mit gleichzeitiger Gewerbeanmeldung und Abschluss der Dienstleistungsverträge wurden den Fahrern durch die M GmbH vorgeschrieben.

...

Die M GmbH stellte die notwendigen Betriebsmittel in Form von Sattelzugmaschinen und Auflieger zur Verfügung (mit dem Logo des Unternehmens darauf) und wurden ausschließlich Lastwagenzüge des Unternehmens benützt. Die Disposition der Fahrten (Übergabe der Frachtpapiere) bzw. Übernahme der LKW erfolgte am Betriebssitz des Unternehmens. Die Fahraufträge erhielten die LKW-Fahrer somit immer von der M GmbH, einzig Herr M erhielt für seine dauernd zu befahrende Route auch Fahraufträge über die Spedition S in G. Die Lenker erhielten des Weiteren (mit Ausnahme von Herrn M, welcher immer die gleiche Strecke fuhr) Mobiltelefone zur Verfügung, die Kosten dafür übernahm (bis zu einem Höchstbetrag von ATS 1.500,-- bzw. i.d.F. EUR 110,--) die M GmbH. Über die Mobiltelefone erhielten die Fahrer laufende Anweisungen bezüglich Fahrtrouten, derzeitigen Aufenthaltsort während der Fahrten, Termine etc. durch den Geschäftsführer G M oder andere leitende Angestellte. Darüber hinaus mussten sich die LKW-Fahrer - abhängig von der von ihnen befahrenen Route - auch selbst bei der M GmbH melden.

...

... Die Lenker verpflichteten sich, das zur Verfügung gestellte Arbeitsgerät entsprechend zu warten und für durch sorglose und fahrlässige Handhabung entstandene Schäden aufzukommen. Für die technische Wartung und die Kostentragung sorgte die M GmbH, die Fahrer führten höchstens geringfügige Reparaturen wie Radwechsel durch. Die Tankkarten wurden vom Unternehmen den Fahrern zur sorgfältigen Verwendung ebenso zur Verfügung gestellt sowie Aufwendungen wie bspw. Mauten bzw. Tunnelgebühren von der M GmbH getragen wurden.

Die LKW-Fahrer verpflichteten sich, den bei den erteilten Transportaufträgen von der M GmbH vorgegebenen Weg zu wählen, ausgenommen bei verkehrbedingten Umwegen. Bei Nichteinhaltung wurden die dadurch entstandenen Mehrkosten nicht ersetzt. Die Fahrer hatten monatlich eine Abrechnung über die erbrachte Arbeitsleistung bis spätestens 15. des darauf folgenden Kalendermonates zu stellen, wobei Umsatzsteuer nicht verrechnet wurde.

Die Fahrer waren zur persönlichen Dienstleistung verpflichtet, eine Vertretung konnte lediglich in Einzelfällen durch andere Kollegen, die in einem Vertragsverhältnis zur M GmbH standen, erfolgen. Urlaube (vor Urlaubsantritt) sowie Krankenstände musste der M GmbH gemeldet werden. Die acht vom Verfahren umschlossenen Personen mussten Arbeitsberichte führen, die vom Geschäftsführer der M GmbH, Herrn G M, überprüft wurden, die nähere Form des Berichtes wurde ihnen freigestellt (etwa Kalender, Fahrtenbuch, Fahrreport und Ähnliches). Alle LKW-Fahrer arbeiteten ausschließlich für die M GmbH, keiner von ihnen verfügte über eine eigene unternehmerische Struktur bzw. akquirierte Kunden selbst. Die LKW-Fahrer fuhren zwischen 10.000 und 18.000 km pro Monat für die M GmbH.

Die Verträge wurden auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und konnten von beiden Seiten unter Einhaltung einer 2-wöchigen Frist gekündigt werden.

...

Die Feststellungen konnten anhand des umfangreichen Ermittlungsverfahrens getroffen werden. Sämtliche LKW-Fahrer wurden mündlich durch Organe der Bundesgendarmerie ausführlich einvernommen und mit diesen (mangelfreie) Niederschriften aufgenommen bzw. mittels Fragebogen durch die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse umfangreich befragt. Die in den wesentlichsten Zügen hinsichtlich von der M GmbH erhaltenen Anweisungen bezüglich Be- und Entladetermine, der vorgegebenen Fahrtrouten, der zu führenden Arbeitsberichte und Entlohnungsart, der verwendeten Betriebsmittel und von der M GmbH getragenen finanziellen Aufwendungen, übereinstimmenden Angaben stellen sich als glaubwürdig und lebensnah dar, weil sie durch die mit den einzelnen Fahrern abgeschlossenen Dienstleistungsverträge bestätigt werden, sich somit deren inhaltlichen Bestimmungen mit der tatsächlichen Handhabung der Verträge decken. Vertraglich war ausdrücklich vereinbart, dass sich die Fahrer zur Einhaltung der von der M GmbH vorgegebenen Fahrtrouten verpflichteten, anderenfalls wurden keine dadurch entstandenen Mehrkosten ersetzt.

...

Die Feststellungen zur persönlichen Arbeitspflicht beruhen auf den abgeschlossenen (identen) Dienstleistungsverträgen, in denen ausdrücklich festgehalten ist, dass der jeweilige LKW-Fahrer seine Arbeitskraft der M GmbH zur Verfügung stellt, weshalb eindeutig kein Vertretungsrecht vereinbart wurde. Dafür spricht ebenfalls der Wortlaut der ausgestellten Gewerbeberechtigungen 'Zurverfügungstellen der eigenen Arbeitskraft zur Lenkung von Kraftfahrzeugen'. Es findet sich auch kein Hinweis auf einen tatsächlichen Vertretungsfall durch externe (nicht in einem Vertragsverhältnis zum Transportunternehmen stehende) Personen, sodass die diesbezüglichen Einwendungen der Berufungswerber ins Leere laufen.

...

Unbestritten ist zunächst, dass den acht vom Verfahren umschlossenen LKW-Fahrern jeweils ein Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze des ASVG ausbezahlt wurde sowie die Zeiträume der Beschäftigung unbestritten blieben.

Die Beschäftigung der LKW-Fahrer erfolgte vom Betriebssitz der M GmbH aus, dieser gilt als Beschäftigungsort im Sinne des § 30 Abs. 2 ASVG.

...

Die acht vom Verfahren umschlossenen Personen waren im vorliegenden Fall nicht zu Werkleistungen, sondern zu (gattungsmäßig umschriebenen) Dienstleistungen als LKW-Fahrer verpflichtet. Sie hatten für die M GmbH Transporte durchzuführen. Worin darin ein zu erbringendes 'Werk' bestehen soll, ist nicht ersichtlich. Es handelt sich dem Inhalt der Tätigkeit vielmehr um geradezu typische Dienstleistungen, um ein dauerhaftes Bemühen (nämlich der regelmäßigen Zustellung von Gütern), welches bei Erreichen des angestrebten 'Ziels' auch nicht sein Ende findet. Es ist daher auch nicht entscheidend, ob ein Vertrag als Werkvertrag (bzw. Dienstleistungsvertrag) oder Dienstvertrag bezeichnet wird.

...

Eine Befugnis der LKW-Fahrer, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte erfüllen zu lassen, ist nicht festgestellt worden. Wenn eine derartige Vertretungsbefugnis nicht vertraglich vereinbart ist und ein Vertretungsfall tatsächlich auch nicht eingetreten ist, ist von persönlicher Arbeitspflicht auszugehen. Die bloße Möglichkeit, sich für den Fall der Verhinderung oder für die Dauer des Urlaubes vertreten zu lassen, stellt keine die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit und damit die Versicherungspflicht ausschließende generelle Vertretungsbefugnis dar.

Bei den von acht LKW-Fahrern für die M GmbH erbrachten Tätigkeiten als Kraftfahrer handelt es sich ihrer Art nach großteils um einfache manuelle Arbeiten. Bei diesen kann an sich das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - bei organisatorischer Einbindung in den Betrieb des Arbeitgebers ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden ..., weil die Erteilung von Weisungen bezüglich des arbeitsbezogenen Verhaltens in der Regel unterbleibt, wenn der Arbeitnehmer von sich aus weiß, wie er sich im Betrieb des Dienstgebers zu verhalten hat. Hier äußert sich das Weisungsrecht in Form von Kontrollrechten bzw. in einer 'stillen Autorität des Arbeitgebers'. ...

...

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die LKW-Fahrer bei der Durchführung ihrer Transportfahrten in die Organisation des Transportunternehmens eingebunden waren, zumal sie die LKW samt Frachtpapiere am Betriebsstandort der M GmbH übernahmen, ihnen Be- und Entladetermine sowie Fahrtrouten vorgegeben wurden, sie Arbeitberichte führen mussten und ihnen Handys zur Verfügung gestellt wurden, über denen sie laufend erreichbar waren und Anweisungen erhielten. ...

...

Sowohl Arbeitszeit als auch der Arbeitsort (die Vorgabe einzuhaltender Fahrtrouten, von Be- oder Entladeterminen) haben sich nach den Bedürfnissen der Berufungswerberin gerichtet und ergeben sich aus den Erfordernissen der Betriebsorganisation. Eine persönliche eigenständige Zeiteinteilung kann daher aufgrund der betrieblichen Zeitvorgaben nur in einem engen Rahmen angenommen werden. ... Es ist daher von einer klaren Bindung an Arbeitszeit und Arbeitsort und nicht von einer freien Zeiteinteilung auszugehen.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Darunter wird überwiegend die Abhängigkeit von fremden Produktionsmitteln verstanden. Das Fehlen eigener (wesentlicher) Produktionsmittel bildet ein wesentliches Indiz für das Vorliegen wirtschaftlicher Abhängigkeit. Im Gegensatz dazu bedarf es zum Vorliegen wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht dem Angewiesensein des Beschäftigten auf das Entgelt zur Bestreitung eines Lebensunterhaltes. Sämtliche erforderliche Betriebsmittel (wie Sattelfahrzeuge, die zu transportierende Ware, Handys, Tankkarten) wurden den LKW-Fahrern von der M GmbH zur Verfügung gestellt. Diese verwendeten keine eigenen Betriebsmittel und hatten diesbezüglich auch keinerlei finanziellen Aufwand zu tragen.

Hinsichtlich der leistungsabhängigen Entlohnung (pro gefahrenem Kilometer) ist auszuführen, dass leistungsabhängige Komponenten auch in (echten) Dienstverhältnissen vereinbart werden können. Der Einwand, wonach eine kilometerabhängige Entlohnung verboten sei, schließt nicht aus, das unselbständige LKW-Fahrer faktisch in rechtswidriger Weise trotzdem auf dieser Basis entlohnt werden. Die Abrechnung der von den LKW-Fahrern für die M GmbH erbrachten Leistungen erfolgte direkt zwischen dem jeweiligen Kunden und der Dienstgeberin, die LKW-Fahrer hatten ebenso keinerlei Einfluss auf die Preisgestaltung noch erfolgte irgendeine Akquisition von Kunden, die acht Fahrer trugen deshalb kein umfassendes unternehmerisches Risiko, als sie nicht die Möglichkeit hatten, im Rahmen ihrer Tätigkeit sowohl die Einnahmenals auch die Ausgabenseite maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den finanziellen Erfolg ihrer Tätigkeit nicht weitgehend selbst gestalten konnten. ...

...

Abschließend ist anzumerken, dass die von den LKW-Fahrern im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gehaltenen Gewerbeberechtigungen nur bedeuten, dass diese das Gewerbe 'Zurverfügungstellen der eigenen Arbeitskraft zur Lenkung von Fahrzeugen' grundsätzlich selbständig ausüben dürfen, nicht jedoch, dass eine Tätigkeit in diesem Bereich jedenfalls selbständig erfolgt. Eine Versicherungspflicht als echter Dienstnehmer bei Vorliegen einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ist jedenfalls gegenüber der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG auf Grund einer Gewerbeberechtigung vorrangig. Zur vorgebrachten Doppelversicherung nach dem ASVG und GSVG ist festzustellen, dass die GSVG-Versicherung aufgrund des Gewerbescheines selbstverständlich von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu stornieren sein wird.

..."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, Kostenersatz für den Vorlageaufwand begehrt und im Übrigen (ebenso wie die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt) von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand genommen. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind u.a. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer vollversichert, wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet. Dienstnehmer ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schon deshalb nicht vor. Besteht die Befugnis, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte vornehmen zu lassen oder Aufträge sanktionslos ablehnen zu können, mangelt es an der persönlichen Arbeitspflicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2006, Zl. 2004/08/0110, mwN).

Es bedarf keiner ausdrücklichen Vereinbarung der persönlichen Arbeitspflicht, wenn diese nach den Umständen der Beschäftigung zu vermuten ist und weder eine generelle Vertretungsbefugnis vereinbart noch nach dem tatsächlichen Beschäftigungsbild praktiziert wurde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2004/08/0066, mwN).

Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A) davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist. Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z. B. einer längeren Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder eines das Arbeitsverfahren betreffenden Weisungsrechtes des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2007, Zl. 2005/08/0162, mwN).

In der Beschwerde wird ausgeführt, der Dienstleistungsvertrag enthalte keine Bestimmung, wonach die Arbeitsleistung vom Beschwerdeführer persönlich zu erbringen gewesen sei oder es diesem verboten gewesen sei, eine dritte Person mit der Leistungserbringung zu beauftragen. Es habe keine vertragliche Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung bestanden und auch kein vertraglicher Anspruch der erstmitbeteiligten Partei auf persönliche Leistungserbringung. Dass der Beschwerdeführer de facto die Arbeitsleistung persönlich erbracht habe, resultiere aus keiner vertraglichen Verpflichtung und aus keiner Weisungsbefugnis, sondern vielmehr aus dem Faktum, dass bei Kleinunternehmen die Erbringung der Arbeitsleistung in der Regel durch den Unternehmer selbst erfolge. Dass im Falle der Verhinderung des Beschwerdeführers Fahrer der erstmitbeteiligten Partei eingesetzt worden seien, liege ebenfalls in der Natur des Transportgewerbes und nicht in einer persönlichen Dienstpflicht begründet. Ein betriebsfremder Dritter könnte die Routen, die Örtlichkeiten der Be- und Entladestellen, die Sonderheiten und Sonderwünsche der Kunden ohne entsprechende Einschulung nicht kennen und daher nicht ohne Schaden für den Transportunternehmer eingesetzt werden. Aus diesen Gründen enthalte der überwiegende Teil der Transportaufträge im Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen das Verbot der Weitergabe des Transportauftrages ohne Zustimmung des Auftraggebers, und zwar auch bei vollkommen eindeutigen Aufträgen an fremde Transportunternehmer.

Der Beschwerdeführer räumt somit selbst ein, dass die Transportleistungen von ihm persönlich erbracht wurden. Nach dem Beschwerdevorbringen ergab sich diese persönliche Leistungserbringung auch aus den Umständen der Beschäftigung und war jedenfalls eine generelle Vertretungsbefugnis nicht gegeben. Die Feststellungen der belangten Behörde, dass eine persönliche Leistungsverpflichtung des Beschwerdeführers bestanden hat, erweisen sich somit jedoch als zutreffend, auch wenn eine solche persönliche Leistungserbringung nicht ausdrücklich im Dienstleistungsvertrag festgelegt worden war.

Der Beschwerdeführer räumt weiters ein, dass eine Bestimmtheit hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort vorgelegen ist, ebenso wie es regelmäßige Informationen über den Verbleib des Fahrzeuges während der Fahrt gegeben hat. Es habe auch eine intensive Kommunikation mit den Fahrern stattgefunden. Entsprechende Dispositionen seien für vergleichbare Vertragstypen im Transportgewerbe typisch, zwingend für das gesamte Transportgeschehen und daher kein Indiz für eine unselbständige Tätigkeit.

Diesem Vorbringen ist die oben zitierte ständige Rechtsprechung entgegen zu halten, wonach dann, wenn eine Bindung hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenen Verhaltens besteht, dies grundsätzlich für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG spricht. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist diesbezüglich nicht nach der Art der jeweiligen Tätigkeit zu differenzieren. Die Argumentation in der Beschwerde würde geradezu sinnwidrig darauf hinaus laufen, dass dann, wenn hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenen Verhaltens eine Weisungsbindung und Kontrollunterworfenheit im Sinne des jeweiligen Betriebes vorliegen, die durch den Gegendstand des Betriebes bedingt sind, nie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegeben sein könnte.

Im Übrigen steht es fest, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers entgeltlich erfolgte. Entgegen der Auffassung in der Beschwerde kommt es bei der Frage, ob eine Pflichtversicherung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm Abs. 2 ASVG vorgelegen ist, nicht darauf an, wie dieses Entgelt berechnet wurde. Festzuhalten ist, dass die Gewährung eines leistungsbezogenen Entgeltes - und auch dann, wenn diese kollektivvertragswidrig erfolgt sein sollte - einer Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG grundsätzlich nicht entgegen steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2007, Zl. 2005/08/0176).

Der Beschwerdeführer bestreitet im Übrigen nicht, dass es Routenvorgaben gegeben hat. Dies entspricht auch dem im Akt befindlichen Dienstleistungsvertrag (der im Übrigen in seinem letzten Satz zutreffend sogar als "Arbeitsvertrag" bezeichnet wird). Die Motive für diese Routenvorgaben, nämlich laut Beschwerde, dass sich der Beschwerdeführer an die Vorgaben des Vertrages halten könne und die erstmitbeteiligte Partei nicht befürchten müsse, dass für Umwegkilometer ein zusätzlicher Honoraranspruch mit der Begründung gestellt würde, sowie ferner, dass dem Beschwerdeführer die Strecke nicht bekannt gewesen sei, sind im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.

Des weiteren ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer in das Unternehmen der erstmitbeteiligten Partei eingegliedert war. Insbesondere wurden auch die wesentlichen Betriebsmittel, nämlich vor allem der LKW, von der erstmitbeteiligten Partei zur Verfügung gestellt. Schon aus diesem Grund besteht daher kein Zweifel am Vorliegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er habe einen Gewerbeschein gehabt und damit die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes "Zur-Verfügung-Stellen der eigenen Arbeitskraft zum Lenken von Kraftfahrzeugen". Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass damit eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG ausgeschlossen wäre, ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall nicht über eine derartige Pflichtversicherung, sondern über eine solche gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG abgesprochen worden ist. Diesbezüglich würde sogar der - nicht festgestellte - Umstand, dass der Beschwerdeführer neben seiner Tätigkeit für die erstmitbeteiligte Partei allenfalls auch selbständig tätig gewesen ist, keine Rolle spielen. Entscheidungsrelevant ist lediglich, ob die gegenständlichen Dienstleistungen des Beschwerdeführers für die erstmitbeteiligte Partei im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG erbracht worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2007, Zl. 2005/08/0084).

Im Hinblick auf den Entscheidungsgegenstand des angefochtenen Bescheides, nämlich eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG, erübrigte es sich auch, auf die Frage einzugehen, ob der Beschwerdeführer für ein- und dieselbe Tätigkeit bei zwei verschiedenen Sozialversicherungsträgern beitragspflichtig sein könnte. Jedenfalls kann der Umstand, dass der Beschwerdeführer Beiträge auch einem anderen Sozialversicherungsträger als der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse geleistet hat, nicht dazu führen, dass es ausgeschlossen wäre, eine Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG festzustellen. Auch der Gewerbeschein des Beschwerdeführers stand einer solchen Feststellung, wie bereits oben dargelegt, nicht entgegen.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. April 2008

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Beschäftigung gegen Entgelt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007080038.X00

Im RIS seit

07.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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