TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/10 2005/01/0114

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Veröffentlicht am 10.04.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §11;
StbG 1985 §12 Z1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Matt, über die Beschwerde des B S in L, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler, Rechtsanwalt in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. März 2005, Zl. Gem(Stb)-401935/10-2005-Dor, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. Mai 2003 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß "§§ 12 Z 1 lit. b und 10 Abs. 1 StbG 1985 iVm § 11 StbG 1985" ab.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer habe seit 22. September "1986" (richtig: 1984) ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Mit Bescheid des "Bundesministeriums für Inneres" vom 8. November 1985 sei ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer sei am 16. Jänner 1993, am 7. Februar 1995 und am 2. April 1997 vom Bezirksgericht Linz-Land jeweils wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu jeweils bedingten Freiheitsstrafen (rechtskräftig) verurteilt worden. Am 19. November 2002 sei er vom Bezirksgericht Linz-Land wegen des Vergehens der Entziehung von Energie gemäß § 132 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe (rechtskräftig) verurteilt worden. In den Jahren 1999 bis 2004 weise er insgesamt zwölf Verwaltungsübertretungen auf. Seit 1988 habe der Beschwerdeführer "immer wieder monatelang Arbeitslosenunterstützung bzw. Krankengeld" bezogen; seit 27. Jänner 1999 beziehe er "beinahe kontinuierlich Arbeitslosenunterstützung bzw. Krankengeld oder Notstandshilfe. Dieser Bezug wurde nur sporadisch - und jeweils nur für kurze Zeit - von geregelten Arbeitsverhältnissen unterbrochen". Zu seinen Einkommensverhältnissen habe der Beschwerdeführer angegeben, er könne "auf Grund gesundheitlicher Probleme nicht arbeiten"; derzeit sei er bei einer Firma teilzeitbeschäftigt, mehr zu arbeiten lasse sein Gesundheitszustand nicht zu; ihm sei geraten worden, um die Pensionierung anzusuchen, er wolle das aber nicht. Der Beschwerdeführer sei für drei Kinder unterhaltspflichtig; von der Notstandshilfe hätte er die Unterhaltszahlungen nicht leisten können.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer erfülle ungeachtet seines mehr als 15-jährigen Hauptwohnsitzes in Österreich den Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration nicht. Von dieser könne "im Hinblick auf die bereits erwähnten beruflichen Lebensumstände des Bewerbers, sowie der zahlreichen Übertretungen der österreichischen Rechtsordnung" nicht gesprochen werden. Ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 12 Z 1 lit. b StbG komme ihm daher nicht zu.

Eine Verleihung gemäß § 10 StbG 1985 "käme auf Grund der Dauer des Hauptwohnsitzes in Österreich in Frage". Auf Grund seines Gesamtverhaltens und unter Bedachtnahme auf das allgemeine Wohl oder die öffentlichen Interessen könne eine Ermessensübung nach § 11 StbG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers erfolgen. Zur beruflichen Integration führte die belangte Behörde (im Rahmen ihrer Erwägungen zu § 11 StbG) aus, eine solche sei "nicht erkennbar", insbesondere im Hinblick darauf, dass auf Grund der "sehr sporadischen Arbeitsverhältnisse der gesetzliche Unterhalt für die Kinder verkürzt wird". Das Vorliegen regelmäßiger Beschäftigungsverhältnisse stelle aber die Vorrausetzung jeglicher beruflichen Integration dar. In Anbetracht der "zahlreichen Verwaltungsübertretungen, sowie der Verurteilungen" weise der Beschwerdeführer ein "auffälliges Integrationsdefizit" hinsichtlich der Beachtung der österreichischen Rechtsordnung auf.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die belangte Behörde zog die Erfüllung der Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) nicht in Zweifel.

Sie gelangte jedoch zu der Auffassung, sie könne das ihr in § 10 Abs. 1 StbG eingeräumte freie Ermessen unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte des § 11 leg. cit. nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers üben, und es komme ihm - mangels nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration - nach § 12 Z 1 lit. b StbG ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht zu.

Stünde dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zu, erübrigt sich die im angefochtenen Bescheid behandelte Frage der Ermessensübung nach § 11 StbG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0017).

Gemäß § 12 StbG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 ist einem Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er nach Z 1 lit. b seit mindestens 15 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist.

Zur maßgeblichen Rechtslage und zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der nachhaltige persönliche und berufliche Integration ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG vorweg insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0227, zu verweisen (vgl. auch die Folgejudikatur in den hg. Erkenntnissen vom 11. Oktober 2000, Zl. 99/01/0385, vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0228, vom 14. Mai 2002, Zl. 2000/01/0343, vom 24. Juni 2003, Zl. 2002/01/0437, und vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0017).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung weder die beschäftigungsrechtliche Position noch die persönliche Verankerung des Beschwerdeführers einer Überprüfung unterzogen, obwohl beides (neben der fremdenrechtlich gesicherten Position als anerkannter Flüchtling) bei entsprechendem Nachweis durch den Verleihungswerber einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 12 Z 1 lit. b StbG begründen würde. Das Vorliegen eines Rechtsanspruches des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft wurde demnach ohne tragfähige Begründung verneint.

Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid schon insoweit, als sie den Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 12 Z 1 lit. b StbG verneinte, mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 10. April 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005010114.X00

Im RIS seit

02.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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