RS Vfgh 1999/12/2 G106/99

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Veröffentlicht am 02.12.1999
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §41 Abs4
EStG 1988 §67 Abs8
EStG 1988 §67 Abs9

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung des EStG 1988 betreffend Normierung der Tariflohnsteuer ua für Nachzahlungen und nachträgliche Zahlungen von laufenden Bezügen für abgelaufene Kalenderjahre als fester Steuersatz; keine sachliche Rechtfertigung für die dadurch bewirkte Außerachtlassung solcher Bezüge bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Zuge einer Veranlagung ohne Rücksicht auf Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen

Rechtssatz

Aufhebung der Wortfolge "sowie die Tariflohnsteuer des Abs8" in §67 Abs9 letzter Satz EStG 1988 wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz.

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Zuge einer Veranlagung bleiben nach §41 Abs4 EStG 1988 (unter anderem) Bezüge, die mit dem festen Satz des §67 zu versteuern waren, außer Ansatz. Nachzahlungen und nachträgliche Zahlungen von laufenden und sonstigen Bezügen für abgelaufene Kalenderjahre, die neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber oder in einem Konkursverfahren geleistet werden und nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen, sind nach §67 Abs8 lita (zweiter Gedankenstrich) EStG 1988 mit dem Steuersatz zu versteuern, der tarifmäßig dem Arbeitslohn des letzten vollen Kalenderjahres entspricht (Belastungsprozentsatz). Gemäß §67 Abs9 EStG 1988 gilt auch "die Tariflohnsteuer des Abs8" als "fester Steuersatz".

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs gehen von jenen Fällen aus, in denen sich §67 in Verbindung mit §41 Abs4 zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirkt, und vermissen eine sachliche Rechtfertigung dafür, daß ein Teil des Einkommens des laufenden Kalenderjahres (als Nachzahlung) bei der Veranlagung immer und daher auch dann außer Ansatz bleibt, wenn sich die Anwendung des Belastungsprozentsatzes ungünstiger auswirkt als die Anwendung des Tarifs.

Der Verfassungsgerichtshof kann keine Rechtfertigung (mehr) dafür finden, daß auch an die Stelle einer günstigeren Besteuerung nach dem Tarif nur deshalb, weil §67 anderen Steuerpflichtigen Vorteile bringt, der Nachteil einer Besteuerung nach dem Belastungsprozentsatz unabwendbar sein soll. Ob in die Veranlagung eine Nachzahlung einbezogen wird oder nicht, ist unter dem Blickwinkel der Verwaltungsökonomie gleichgültig. Das Vorjahr muß aufgerollt werden. Die Sachlichkeit der Versteuerung nach dem Belastungsprozentsatz hängt auch nicht etwa davon ab, daß die damit verbundenen Vorteile durch Nachteile in anderen Fällen wieder ausgeglichen werden. Diese Nachteile sind keine notwendige Folge des §67 Abs8, sie ergeben sich vielmehr nur aus der Starrheit der vom Gesetzgeber gewählten Regelung. Sie greift einerseits, was den Anfall der Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen betrifft, rein zufällig und trifft andererseits besonders jene Arbeitnehmer, die im Jahr der Nachzahlung gar kein Einkommen oder nur mehr (steuerfreies) Arbeitslosengeld beziehen, sodaß die Tarifbesteuerung unter Berücksichtigung der Abzugsposten häufig gar keine oder doch nur eine geringere Steuerbelastung ergäbe.

Wird die Wortfolge "sowie die Tariflohnsteuer des Abs8" aufgehoben, bezieht sich §41 Abs4 EStG 1988 nicht mehr auf die in Abs8 geregelten Fälle (sondern nur mehr auf die eigentlichen festen Steuersätze), sodaß die in diesem Verfahren aufgegriffene Verfassungswidrigkeit beseitigt wird.

(Anlaßfall B2604/97, E v 02.12.99, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Einkommensteuer, Veranlagung (Einkommensteuer), Lohnsteuer, Tarif (Einkommensteuer)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:G106.1999

Dokumentnummer

JFR_10008798_99G00106_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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