TE Vfgh Erkenntnis 2006/6/12 B452/05

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Veröffentlicht am 12.06.2006
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
FremdenG 1997 §61 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung einer Schubhaftbeschwerde infolge Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der behaupteten unrichtigen Eintragung im Asylwerberinformationssystem (AIS)

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem bekämpften Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Zwettl, (UVS) vom 8.3.2005 wurde die vom Beschwerdeführer gemäß §72 Fremdengesetz 1997 (im Folgenden: FrG) eingebrachte Schubhaftbeschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, reiste am 23.3.2003 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein. Sein am 24.3.2003 eingebrachter Asylantrag wurde mit Bescheid vom 30.3.2004 gemäß §7 Asylgesetz 1997 (im Folgenden: AsylG) abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien und Montenegro gemäß §8 AsylG für zulässig erklärt. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seinen damaligen Rechtsvertreter Berufung ein.

Ein Schreiben des Beschwerdeführers vom 4.10.2004 wurde vom UBAS gemäß §23 Abs3 letzter Satz AsylG als Zurückziehung seines Asylantrags sowie der Berufung gewertet. Das Bundesasylamt (Außenstelle Eisenstadt) nahm daraufhin eine - unrichtige - Eintragung betreffend den Beschwerdeführer im Asylwerberinformationssystem (AIS) vor, wonach der erstinstanzliche Asylbescheid in Rechtskraft erwachsen sei.

Der UVS ging zum Zeitpunkt der Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides offenbar davon aus, dass das Asylverfahren - entsprechend der Eintragung im AIS - mit Wirkung vom 4.10.2004 rechtskräftig abgeschlossen war. Nach Auffassung des UVS verfügte der Beschwerdeführer demnach über keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG.

Von dieser Annahme ausgehend führte die belangte Behörde aus, dass die Verhängung der Schubhaft notwendig sei, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern (§61 Abs1 FrG), zumal der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, nunmehr seit mehreren Monaten nicht nachgekommen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Begründend führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes aus:

"Wiewohl der BF den rechtserzeugenden Sachverhalt in seiner Beschwerde (...) kurz aber präzise dargetan hat, hat die belangte Behörde diesen rechtserzeugenden Sachverhalt ignoriert.

Die belangte Behörde hat offenbar ausschließlich darauf abgestellt, ob und was im sogenannten AIS-System (...) eingetragen wurde, sie hat aber überhaupt keine Ermittlungen und Überlegungen dazu angestellt, ob diese Eintragungen im vorliegenden Falle richtig waren und sind! Hätte die belangte Behörde derartige Ermittlungen gepflogen und Überlegungen angestellt, wäre hervorgekommen, dass der BF zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sehr wohl in Österreich ein Aufenthaltsrecht, und zwar nach §19 AsylG, besessen hat und nach wie vor besitzt.

Betrachtet man die vom BF mit 04.10.2004 datierte 'Erklärung', gibt der BF nicht mehr und nicht weniger als eine Absicht bekannt, nämlich jene, 'freiwillig zurückzukehren'. (Informativ sei mitgeteilt, dass es sich bei dieser Erklärung um ein Formular handelt, das [...] in Zusammenarbeit mit dem Bundesasylamt entwickelt wurde, um den Vollzug von §31 Abs3 AsylG 1997 zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Diese Bestimmung in der Fassung BGBl I 2003/101 sieht in Absatz 3 vor, dass der Asylantrag Fremder, denen Rückkehrhilfe gewährt wurde, 'mit ihrer Ausreise als gegenstandslos' abgelegt wird). Schon §31 Abs3 AsylG macht die Zulässigkeit des bloßen Ablegens eines Asylantrages aber von einer Tatsache (der Ausreise des Fremden) abhängig, von Deutung einer derartigen Mitteilung als Zurückziehung des Antrages oder einer Berufung ist dort nirgends die Rede.

(...)

Im Ergebnis hat das Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt damit in weiterer Folge im sogenannten AIS-System eine unrichtige Eintragung wiedergegeben, die den rechtlichen Sachverhalt nicht korrekt wiedergegeben hat, indem im AIS festgehalten wurde, hinsichtlich des erstinstanzlichen (abweisenden) Bescheides läge Rechtskraft vor.

Diese Eintragung hat nun die belangte Behörde - trotz substantiierten Vorbringens des BF zu deren Unrichtigkeit - ungeprüft ihrem Bescheid zugrunde gelegt.

(...)

Diese Ausführungen [Anm.: der belangten Behörde] sind nur auf zwei Arten erklärbar:

-

entweder hat die belangte Behörde sich mit dem Akteninhalt (...), konkret mit der Textierung der Erklärung des BF und der Genese der Mitteilung des UBAS an das Bundesasylamt überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern sozusagen 'blind' auf den Inhalt des Asylwerberinformationssystems vertraut. In diesem Fall ist ihr jedoch Willkür vorzuwerfen, weil in der ihr vorliegenden Beschwerde ausdrücklich und unter präziser Nennung von Tatsachen dargetan wurde, dass und warum die Erklärung des BF so nicht gewertet werden durfte.

-

oder aber die belangte Behörde war im Wissen um die entsprechenden Aktenbestandteile, in diesem Fall ist ihr gehäufte Verkennung der Rechtslage vorzuwerfen. Wie oben ausgeführt darf eine Prozesserklärung nicht umgedeutet werden, ist ein Rechtsverzicht besonders streng zu prüfen, des weiteren hat der BF schon nach der klaren Textierung seiner Erklärung nur eine Absicht erklärt und schließlich ist im §31 Abs3 AsylG als Folge einer (tatsächlich erfolgten!) Ausreise etwas anderes geregelt als das, wovon die belangte Behörde ausgegangen ist: §31 Abs3 AsylG (...) sieht vor, dass ein Asylantrag als gegenstandslos abgewiesen [gemeint wohl:

abgelegt] wird, dies kann und darf nicht mit der Zurückziehung eines Antrags und/oder einer Berufung gleich gesetzt werden.

Beide Varianten führen zum selben Ergebnis, nämlich der Annahme von Willkür. Die Frage des Aufenthaltsrechtes des BF war für die hier in Rede stehende Entscheidung der belangten Behörde nämlich mit ausschlaggebend. (...) Sie geht im angefochtenen Bescheid vielmehr - wie oben dargestellt aber unrichtigerweise und aufgrund gehäufter Mängel! - davon aus, dass der BF eben sein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG verloren hätte."

3. Nachdem der UBAS am 24.3.2005 eine Berufungsverhandlung durchgeführt hatte, wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen. Als vorläufiges Ergebnis dieser Berufungsverhandlung wurde u. a. festgehalten, dass die vom Beschwerdeführer am 4.10.2004 unterfertigte "Erklärung" aufgrund der Bezugnahme auf §31 Abs3 AsylG bereits textlich eine Bedingung enthalte, die ihr Wirksamwerden vor einer tatsächlich erfolgten Ausreise verhindere. Der UBAS ging daher davon aus, dass über die seinerzeit erhobene Berufung vom 14.4.2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.3.2004 noch in der Sache zu entscheiden sein werde; die erwähnte Erklärung könne jedenfalls nicht als Zurückziehung der Berufung gewertet werden.

4. Der UVS legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde sowie den Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften wurden in der Beschwerde nicht geltend gemacht. Beim Verfassungsgerichthof sind solche Bedenken angesichts des vorliegenden Beschwerdefalles auch nicht entstanden.

2. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen \bereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet ein Bescheid, wenn er auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn die Behörde dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3. Der angefochtene Bescheid verletzt den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander:

3.1. Der Beschwerdeführer führte in seiner gemäß §72 FrG eingebrachten Beschwerde vom 1.3.2005 u.a. Folgendes aus:

"(...) Mein Verfahren (...) war in 2. Instanz vor dem UBAS anhängig, als ich beabsichtigte, nach Hause zurückzukehren. Deshalb unterfertigte ich am 4.10.2004 eine Erklärung bei der Rückkehrhilfe Wien, dass ich beabsichtige, freiwillig zurückzukehren und im Falle meiner Ausreise, mein Asylantrag als gegenstandslos abzulegen wäre. Diese Erklärung wurde von Seiten der Rückkehrhilfe an den UBAS gefaxt. Tatsächlich war es mir im Anschluss daran nicht möglich, zurückzukehren. Dennoch wurde von Seiten des UBAS, obwohl ich gerade nicht ausgereist bzw. zurückgekehrt war, meine Erklärung fälschlicherweise als Zurückziehung der Berufung ausgelegt. Die Vorgehensweise des UBAS entsprach jedoch nicht meiner Erklärung und kann dieses Fehlverhalten von Seiten des UBAS daher auch nicht zu meinen Ungunsten ausgelegt werden, weshalb davon auszugehen ist, dass ich mich noch immer rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

(...)

(...) Die belangte Behörde geht unzutreffenderweise davon aus, dass ich über keinen Aufenthaltstitel verfüge und mich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Sie übersieht aber, dass ich als Asylwerber gemäß §19 AsylG 1997 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt bin. (...)

(...)

Ich bin im ordentlichen Asylverfahren gem §7 AsylG 1997. Dies ist durch die Aushändigung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gem §19 AsylG 1997 bescheinigt. Während der Dauer des Asylverfahrens dar(f) eine Abschiebung kraft Gesetzes nicht erfolgen. Das Asylverfahren ist - wie oben ausgeführt - nicht abgeschlossen und ist ein rechtskräftiger Abschluss desselben innerhalb eines Zeitraumes von 6 Monaten nach der Erfahrung meines Vertreters (...) gar nicht wahrscheinlich."

3.2. Angesichts dessen ist es nicht nachvollziehbar, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - ohne sich mit dem Beschwerdevorbringen auseinanderzusetzen - von folgendem Sachverhalt ausgegangen ist (Hervorhebungen nicht im Original):

"Der Beschwerdeführer ist laut eigenen Angaben am 23.03.2003 als undokumentierter Fremder von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Ein am 24.03.2003 eingebrachter Asylantrag wurde mit Bescheid vom 30.03.2004 abgewiesen und die Zurück- bzw. Abschiebung nach Serbien und Montenegro für zulässig erklärt. Gegen diesen erstinstanzlichen Asylbescheid hat der Beschwerdeführer durch seinen damaligen Rechtsvertreter eine Berufung eingebracht. Ein Schreiben des Beschwerdeführers vom 04.10.2004 wurde von der Berufungsbehörde im Asylverfahren als Zurückziehung dieser Berufung gewertet und ist daher das Asylverfahren mit Wirkung vom 04.10.2004 rechtskräftig negativ entschieden. Die diesbezüglichen Verfahrensschritte sind in der Asylwerberinformation (...) nachzuvollziehen. Lediglich in der Zeit vom 24.03.2004 bis 04.10.2004 verfügte der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz. (...)"

3.3. Weiters führt die belangte Behörde Folgendes aus:

"Dem Beschwerdevorbringen, welches den Grundtenor aufweist, die Behörde habe im Rahmen der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen unzulässige Vorgriffe auf abschließende Verfahrensergebnisse vorgenommen, welche sodann zur Verhängung und zum Vollzug der Schubhaft geführt hätten, ist entgegenzuhalten, daß im Hinblick auf die in §61 (1) FrG 1997 umschriebenen Schubhaftzwecke im Zeitpunkt der Haftverhängung durch die Behörde nicht abschließend zu beurteilen ist, ob die im Gesetz durch die Haft zu sichernden Maßnahmen wie Aufenthaltsverbot, Ausweisung oder Abschiebung auch tatsächlich erlassen oder verhängt werden. Es genügt vielmehr, wenn die Behörde aufgrund der ihr bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände miteinander logisch verknüpften Sachverhaltselemente berechtigten Grund zur Annahme haben kann, daß die oben angeführten Maßnahmen, Verfahrensschritte oder Vollzugshandlungen möglich sein werden."

3.4. Der Verfassungsgerichtshof teilt grundsätzlich die Auffassung der belangten Behörde, dass die Verhängung der Schubhaft gemäß §61 Abs1 FrG nicht zwingend voraussetzt, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme, zu deren Sicherung die Schubhaft im konkreten Fall angeordnet wurde, bereits erlassen wurde. Auch ist der UVS im Verfahren über die Schubhaftbeschwerde nicht gehalten, die Rechtmäßigkeit des (allenfalls) zugrunde liegenden Aufenthaltsverbotes bzw. der Ausweisung an sich zu überprüfen (s. dazu etwa auch VwGH 23.3.1999, Zl. 98/02/0409 mwH, wonach der UVS nur zu prüfen hat, "ob das für die Festnahme und Anhaltung eines Fremden in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung eine 'mittelbare' Tatbestandswirkung erzeugende durchsetzbare Aufenthaltsverbot nach wie vor aufrecht war").

Wenn nun der Beschwerdeführer - wie bei dem hier zu beurteilenden Fall - im Rahmen einer Schubhaftbeschwerde in substantiierter Weise behauptet, dass die der Schubhaft zugrunde liegende Annahme, er halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, nicht zutrifft, hätte dies bei der Behörde im Zuge ihrer Ermittlungstätigkeit aber zumindest Zweifel an der Eintragung im AIS - auf die sich die Behörde ausschließlich gestützt hat - hervorrufen müssen. Der UVS hat sich mit dieser - für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft wesentlichen und diametral unterschiedlich beurteilten - Frage offenkundig überhaupt nicht auseinandergesetzt.

3.5. Damit hat die Behörde in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit - in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens - unterlassen. Der belangten Behörde ist sohin eine in die Verfassungssphäre reichende Fehlerhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens anzulasten.

4. Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag sind Umsatzsteuer in Höhe von € 360,- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in Höhe von € 180,- enthalten.

2. Dem Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes war schon deshalb nicht zu entsprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (VfSlg. 7315/1974, 9488/1982, 10.003/1984, 11.340/1987, 11.917/1988, 13.012/1992, 13.044/1992, 14.573/1996, 14.925/1997, 15.727/2000, 16.080/2001, 16.338/2001, VfGH 12.6.2004, B772/01 ua., VfGH 23.6.2005, B1297/04).

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Asylrecht, Fremdenrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B452.2005

Dokumentnummer

JFT_09939388_05B00452_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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