TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/17 89/08/0100

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Veröffentlicht am 17.12.1991
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Index

14/02 Gerichtsorganisation;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ASGG §65 Abs1 Z1;
ASGG §74 Abs1;
ASVG §175 Abs1;
ASVG §176 Abs1 Z6;
ASVG §28;
ASVG §354 Z1;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §413 Abs1 Z2;
ASVG §413 Abs4;
AVG §8;
BSVG §148;
BSVG §182;
BSVG §3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 16. Februar 1989, Zl. 125.276/2-7/88, betreffend Versicherungszuständigkeit (mitbeteiligte Parteien: 1.) Allgemeine Unfallversicherungsanstalt

2.) Sozialversicherungsanstalt der Bauern zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde und den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich - auf das Wesentlichste zusammengefaßt - folgende Vorgeschichte des Beschwerdefalles:

Der Beschwerdeführer erlitt am 12. Jänner 1984 bei Reparaturarbeiten an einem Schneeräumgerät seiner Schwiegermutter, die eine kleine Landwirtschaft betreibt, einen Unfall, der zur Erblindung eines Auges führte.

Mit Bescheid vom 3. Oktober 1985 lehnte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern die Gewährung einer Leistung aus der Unfallversicherung für die Folgen dieses Unfalles ab.

In der beim (damaligen) Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol erhobenen Klage brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, seine Schwiegermutter sei auf Grund ihres Alters nicht mehr in der Lage, alle Arbeiten selbst durchzuführen und werde daher vom Beschwerdeführer häufig unterstützt. Um auf dem Hof Schnee räumen zu können, habe der Beschwerdeführer am 12. Jänner 1984 den Schneepflug seiner Schwiegermutter repariert, wobei es zum streitgegenständlichen Unfall gekommen sei. Da sich dieser Unfall bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes ereignet habe, sei der Unfall als Arbeitsunfall nach § 175 Abs. 2 Z. 5 ASVG zu qualifizieren. Der Unfall sei überdies nach § 175 Abs. 3 Z. 4 ASVG als Arbeitsunfall einzustufen, weil der Beschwerdeführer die Schneeräumarbeiten und die Reparatur der dafür notwendigen Geräte im Rahmen der Nachbarschaftshilfe für den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Schwiegermutter ausgeführt habe. Schließlich stützte er sein Begehren auch auf § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG, weil er wie ein sonst nach § 4 ASVG Versicherter, wenn auch nur kurzfristig, im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Schwiegermutter tätig geworden sei.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern bestritt das Klagebegehren, wobei sie darauf hinwies, daß der landwirtschaftliche Betrieb der Schwiegermutter des Beschwerdeführers einen Einheitswert von S 2.000,-- nicht erreiche. Der Unfallversicherungsschutz nach dem BSVG liege somit nicht vor. Da weder der Beschwerdeführer noch seine Schwiegermutter selbst einen versicherungspflichtigen Betrieb führten, komme auch eine Nachbarschaftshilfe nicht in Betracht. Für allfällige Ansprüche nach § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG sei jedoch die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt leistungszuständig.

Mit Beschluß vom 20. Jänner 1986 unterbrach das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol das anhängige Verfahren bis zur Entscheidung über die Frage der allfälligen Leistungszuständigkeit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt durch den Landeshauptmann.

Die vom Beschwerdeführer in der Folge aus dem selben Sachverhalt gegenüber der mitbeteiligten Unfallversicherungsanstalt geltend gemachten Ansprüche wurden auch von dieser mit Bescheid vom 19. Jänner 1987 abgelehnt. Nach der Begründung führe die Schwiegermutter des Beschwerdeführers keinen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Beschwerdeführer habe daher zum Unfallszeitpunkt weder für einen gewerblichen noch für einen landwirtschaftlichen Betrieb gearbeitet, weshalb er nicht wie ein sonst nach § 4 ASVG Versicherter, also wie ein Dienstnehmer, tätig geworden sei. Die Schneeräumung betreffe im übrigen eher den privaten Bereich seiner Schwiegermutter, weil das Erfordernis der Schneeräumung für die Landwirtschaft bei einem derart geringen Viehbestand nicht gegeben sei.

Das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht wies die Klage des Beschwerdeführers (wiederum ausdrücklich gestützt auf die §§ 175 Abs. 2 Z. 5, 175 Abs. 3 Z. 4 und 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG) mit Urteil vom 25. Mai 1987 ab. Nach den Feststellungen des Erstgerichts liege der Einheitswert der Landwirtschaft der Schwiegermutter des Beschwerdeführers unter S 2.000,--; sie sei daher nicht bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern versichert. Ihren Lebensunterhalt bestreite sie hauptsächlich aus der von ihr bezogenen Pension sowie aus der Vermietung von 6 Fremdenbetten. "Die Erträgnisse der kleinen Landwirtschaft dienten darüberhinaus der Abdeckung ihres Eigenbedarfes." Da sie auf Grund ihres Alters nicht in der Lage sei, ihre kleine Landwirtschaft selbst zu betreiben, stünden ihr ihre Famlilienangehörigen, somit auch der Beschwerdeführer, regelmäßig zur Seite. Dieser verrichte insbesondere jene Arbeiten, die maschinell zu erledigen seien. Dazu zähle auch die Schneeräumung mit einem von ihm eigens hiezu adaptierten Kleinfahrzeug. Am Unfallstag habe der Beschwerdeführer das im Hof seines Wohnhauses abgestellte Räumfahrzeug repariert, wobei ihm bei Schweißarbeiten ein Eisensplitter in das linke Auge gedrungen sei, was in der Folge zur Erblindung dieses Auges geführt habe. Der Beschwerdeführer sei im übrigen als Baggerführer beschäftigt und im Rahmen dieser Tätigkeit bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt versichert. Bei seiner Tätigkeit in der Landwirtschaft seiner Schwiegermutter sei er nicht unfallversichert. Was seinen auf § 175 Abs. 2 Z. 5 ASVG gestützten Anspruch anlange, so stelle dieser auf eine unfallversicherte Erwerbstätigkeit ab, die im Beschwerdefall nicht vorliege. Da landwirtschaftliche Zwergbetriebe mit Einheitswerten unter S 2.000,-- grundsätzlich nicht der Versicherungspflicht unterstellt seien, müsse auch ein Arbeitsunfall nach § 175 Abs. 3 Z. 4 ASVG ausgeschlossen werden. Angesichts des minimalen Umfanges der Landwirtschaft der Schwiegermutter sei auch auszuschließen, daß Arbeiten, wie sie der Beschwerdeführer verrichtet habe, üblicherweise gemäß § 4 ASVG von versicherten Dienstnehmern verrichtet würden. Daher komme auch ein Versicherungsschutz nach § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG nicht in Betracht.

Das OLG Innsbruck gab mit Urteil vom 30. September 1987 der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Ein allfälliger Anspruch des Beschwerdeführers könne nur auf die Bestimmung des § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG gestützt werden, weil Ansprüche nach § 175 ASVG das Bestehen eines versicherungspflichtigen Verhältnisses voraussetzten. Dies treffe gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 BSVG nicht zu, da Zwergbetriebe nicht geschützt seien. Aus dieser Bestimmung lasse sich der Schluß ziehen, daß Betriebe mit einem Einheitswert unter S 2.000,--, aus deren Ertrag der Lebensunterhalt des Betriebsführers und seiner Famlilienmitglieder nicht überwiegend bestritten werde, nicht als "Betriebe" im Sinne der Unfallversicherung anzusehen seien. Schon der Größenschluß zwinge dazu, den Begriff der betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG zumindest im Zusammenhang mit dem weiteren Wortlaut "wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt" auf den konkreten Betrieb bezogen und nicht unabhängig davon auszulegen. Eine Betriebsorganisation, deren Ertrag nicht einmal dazu ausreiche, den Lebensunterhalt des Betriebsführers zu decken, schließe die Tätigkeit von Dienstnehmern grundsätzlich aus. Schließlich fehle es bei der vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeit von Schweißarbeiten an der persönlichen Abhängigkeit vom Betriebsführer und dessen Weisungen und Aufsicht, weil solche Arbeiten üblicherweise von Fachleuten durchgeführt würden. Es sei daher eher ein Werkvertrag als eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit anzunehmen.

Auf Grund der Revision des Beschwerdeführers unterbrach der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 8. März 1988, 10 Ob S 22/88, das Verfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Versicherungszuständigkeit und regte gemäß § 413 Abs. 4 ASVG die Einleitung des Verfahrens beim Landeshauptmann für Tirol zur Entscheidung über die Frage der Versicherungszuständigkeit an. Zur Begründung seines Beschlusses führte er im wesentlichen folgendes aus:

"Der Kläger (Beschwerdeführer) hat sein Begehren auf mehrere Anspruchsgründe gestützt. Er führte aus, daß Versicherungsschutz deshalb bestehe, weil sich der Unfall bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden Instandhaltung des Arbeitsgerätes und im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ereignet habe. Zur Durchführung der Unfallversicherung im Rahmen von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ist gemäß § 28 Z. 2 ASVG die Sozialversicherungsanstalt der Bauern sachlich zuständig. Der Kläger stützt sein Vorbringen aber auch auf das Bestehen des Versicherungsschutzes gemäß § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG. Zur Durchführung der Versicherung nach dieser Bestimmung ist aber die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt sachlich zuständig. Aus einem identischen Sachverhalt leitet der Kläger mehrere Anspruchsgründe ab, die ausdrücklich nebeneinander geltend gemacht werden. Die Durchführung der Versicherung nach diesen Anspuchsgründen ist vom Gesetz verschiedenen Versicherungsträgern zugewiesen. Es ist daher die Frage zu prüfen, welcher der beiden Versicherungsträger im vorliegenden Fall zuständig ist. Die Entscheidung dieser Frage ist aber den Gerichten auch im Vorfragenbereich entzogen (§ 413 Abs. 4 ASVG, § 65 Abs. 1 Z. 1 ASGG; vgl. Kuderna, ASGG § 65 Anm. 4 und § 96 Anm. 13 bis 17)."

1.1. Mit Bescheid vom 21. Oktober 1988 stellte der Landeshauptmann von Tirol die Versicherungszuständigkeit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt fest und übertrug dieser gemäß § 413 Abs. 5 ASVG die vorläufige Durchführung der Versicherung des Beschwerdeführers.

Nach der Begründung sei die vom Beschwerdeführer verrichtete Tätigkeit des Schneeräumens durchaus typisch für die in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit stehenden Landarbeiter, die gemäß § 4 ASVG versichert seien. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der Betrieb der Schwiegermutter des Beschwerdeführers auf Grund seines geringen Umfanges nicht dem Versicherungsschutz des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes unterliege. Die unfallkausalen Schweißarbeiten stellten kleine Reparaturarbeiten dar, um das Gerät für die dienstnehmerähnliche Tätigkeit des Schneeräumens instandzusetzen. Damit sei aber ein so enger Konnex zur dienstnehmerähnlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers, nämlich zum Schneeräumen am Hof seiner Schwiegermutter, gegeben, daß die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt gemäß § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG versicherungszuständig sei.

Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt erhob Berufung.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung Folge gegeben, der Antrag des Obersten Gerichtshofes vom 6. Juni 1988 abgewiesen und festgestellt, daß für den Beschwerdeführer anläßlich des Unfallereignisses am 12. Jänner 1984 weder die Sozialversicherungsanstalt der Bauern noch die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt versicherungszuständig sei.

In der Begründung verwies die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgeschehens auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juni 1981, Zl. 08/2868/79, wonach der Landeshauptmann nach § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG nicht berechtigt sei, über die Leistungszuständigkeit in der Unfallversicherung abzusprechen. Im Rahmen der Unfallversicherung komme nur eine Entscheidung bezüglich der Versicherungszugehörigkeit oder Versicherungszuständigkeit in Betracht. Die Versicherungszuständigkeit bzw. -zugehörigkeit stelle auf das Versicherungsverhältnis ab, die Leistungszuständigkeit hingegen auf das Leistungsverhältnis. Beim sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis handle es sich so lange um ein Versicherungsverhältnis, als den Versicherten lediglich Anwartschaften auf Versicherungsleistungen zustünden. Jener Teil des sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnisses, der die mit der Erbringung von Sozialversicherungsleistungen zusammenhängenden Rechte und Pflichten regle, werde demgegenüber als Leistungsverhältnis bezeichnet.

Davon ausgehend sei die Versicherungszuständigkeit der im Spruch genannten Versicherungsträger zu verneinen: Der Beschwerdeführer sei dem Kreis der in § 28 Z. 2 lit. a ASVG angeführten Personen nicht zuzurechnen, da auf Grund des unter S 2.000,-- liegenden Einheitswertes des landwirtschaftlichen Betriebes der Schwiegermutter keine Pflichtversicherung in der Unfallversicherung der Bauern als Familienangehöriger eingetreten sei. Ebensowenig habe ein Pflichtversicherungsverhältnis in der Unfallversicherung nach einer anderen gesetzlichen Bestimmung bestanden. Der auf § 175 Abs. 2 Z. 5 ASVG gestützte Anspruch des Beschwerdeführers würde ein Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG zu seiner Schwiegermutter voraussetzen. Ein solches Verhältnis sei weder behauptet worden noch habe das Verfahren Hinweise auf das Vorliegen eines solchen Verhältnisses ergeben. Auch der Versicherungsschutz des § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG sei im Beschwerdefall nicht gegeben; dieser Schutz komme nur jenen Personen zu, die bei der unfallkausalen Tätigkeit keiner Unfallversicherungspflicht unterlägen. Es sei somit - unabhängig davon, ob dem Beschwerdeführer eine Leistung gemäß § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG zustehe - kein Versicherungsverhältnis entstanden. Allenfalls habe er einen Anspruch auf eine Leistung aus der Unfallversicherung erworben. Mangels Bestandes eines Versicherungsverhältnisses komme daher eine Entscheidung über die Versicherungszuständigkeit in diesem Bereich der Unfallversicherung nicht in Betracht. Über den Bestand eines Leistungsanspruches sei aber ausschließlich im Verfahren in Leistungssachen zu entscheiden.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.4. Die belangte Behörde, die - ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, hat die Verwaltungsakten vorgelegt.

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt hat eine Gegenschrift erstattet.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Im Beschwerdefall ist von folgenden gesetzlichen Bestimmungen auszugehen:

Gemäß § 354 Z. 1 ASVG sind Leistungssachen Angelegenheiten, in denen es sich um die Feststellung des Bestandes, des Umfanges oder des Ruhens eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung einschließlich einer Feststellung nach § 367 Abs. 1 handelt, soweit nicht hiebei die Versicherungszugehörigkeit (§§ 13 bis 15), die Versicherungszuständigkeit (§§ 26 bis 30), die Leistungszugehörigkeit (§ 245) oder die Leistungszuständigkeit (§ 246) in Frage steht.

Nach § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG entscheidet der Landeshauptmann unter Ausschluß eines Bescheidrechtes der beteiligten Versicherungsträger über die Versicherungszugehörigkeit oder Versicherungszuständigkeit, in der Pensionsversicherung auch über die Leistungszugehörigkeit oder Leistungszuständigkeit auf Antrag eines beteiligten Versicherungsträgers, einer anderen Partei oder eines Gerichtes, wenn Zweifel oder Streit darüber bestehen, welcher Versicherung eine Person versicherungs- oder leistungszugehörig ist oder welcher Versicherungsträger für sie versicherungs- oder leistungszuständig ist.

Nach § 413 Abs. 4 ASVG darf im Verfahren über Leistungssachen über die im Abs. 1 Z. 2 bezeichneten Fragen als Vorfrage nicht entschieden werden. Der Versicherungsträger oder das Gericht haben vielmehr die Einleitung des Verfahrens beim Landeshauptmann anzuregen und das eigene Verfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung nach Abs. 1 Z. 2 auszusetzen (zu unterbrechen).

Nach § 182 BSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung dieses Bundesgesetzes die Bestimmungen des 7. Teiles des ASVG mit im Beschwerdefall nicht relevanten Änderungen.

Gemäß § 65 Abs. 1 Z. 1 ASGG sind Sozialrechtssachen Rechtsstreitigkeiten über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruches auf Versicherungsleistungen, soweit hiebei nicht die Versicherungszugehörigkeit, die Versicherungszuständigkeit, die Leistungszugehörigkeit oder die Leistungszuständigkeit in Frage stehen (§ 354 Z. 1 ASVG, § 194 GSVG, § 182 BSVG, § 65 NVG 1972, § 129 B-KUVG).

Ist in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs. 1 Z. 1 oder 6 bis 8 ASGG die Versicherungspflicht, die Versicherungsberechtigung, der Beginn oder das Ende der Versicherung (§ 355 Z. 1 ASVG), die maßgebende Beitragsgrundlage oder die Angehörigeneigenschaft (§ 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG) als Vorfrage strittig, so ist gemäß § 74 Abs. 1 ASGG das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens. Ist im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig, so hat das Gericht die Einleitung des Verfahrens beim Versicherungsträger anzuregen.

Nach § 28 Z. 1 ASVG ist zur Durchführung der Unfallversicherung die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt sachlich zuständig, soweit nicht einer der unter Z. 2 und 3 genannten Versicherungsträger zuständig ist.

Nach § 28 Z. 2 lit. a ASVG ist zur Durchführung der Unfallversicherung die Sozialversicherungsanstalt der Bauern für die gemäß § 3 BSVG in der Unfallversicherung pflichtversicherten selbständigen Erwerbstätigen und ihre teilversicherten Familienangehörigen sachlich zuständig. Gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 BSVG sind in der Unfallversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, die im § 2 Abs. 1 Z. 1 und § 3 Abs. 1 Z. 2 bezeichneten Personen (d.s. Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landesarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird bzw. die nachstehend bezeichneten Familienangehörigen einer in Z. 1 bezeichneten Person, wenn sie in diesem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb tätig sind: der Ehegatte, die Kinder, Enkel, Wahl-, Stief- und Schwiegerkinder und die Eltern, Großeltern, Wahl-, Stief und Schwiegereltern) pflichtversichert, sofern überdies die Voraussetzungen des Abs. 2 gegeben sind.

Handelt es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, dessen Einheitswert den Betrag von S 2.000,-- nicht erreicht, so besteht gemäß § 3 Abs. 2 zweiter Satz die Pflichtversicherung für die in Abs. 1 genannten Personen nur, wenn sie aus dem Ertrag des Betriebes überwiegend ihren Lebensunterhalt bestreiten.

2.2. Wie sich aus § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG in Verbindung mit § 354 Z. 1 leg. cit. ergibt, ist der Landeshauptmann nach der zuerst genannten Gesetzesstelle in der Unfallversicherung nur zu einer Entscheidung über die (die Leistungszuständigkeit einschließende) Versicherungszuständigkeit (§ 28 ASVG), aber - anders als in der Pensionsversicherung (§ 246 ASVG) - nicht auch zu einer (gesonderten) Feststellung der Leistungszuständigkeit berufen (vgl. die Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0159, vom 16. Februar 1972, Zl. 2074/71, VwSlg. Nr. 8169/A, und vom 5. Juni 1981, Zl. 2868/79, VwSlg. 10474/A).

Erschöpft sich die in einem Leistungsstreitverfahren strittige "Vorfrage" ausschließlich darin, ob ein unbestritten nur nach § 3 BSVG Pflichtversicherter einen Unfall erlitten hat, der sich in dem im § 175 Abs. 1 ASVG näher genannten Zusammenhang mit der die Versicherung nach § 3 BSVG begründenden Beschäftigung ereignet hat, und ob daher die Sozialversicherungsanstalt der Bauern nach § 28 Z. 2 lit. a erster Tatbestand ASVG zur Erfüllung allenfalls daraus resultierender Leistungen zuständig ist, oder ob bei Verneinung dieses Zusammenhanges unter der weiteren Voraussetzung des § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt nach § 28 Z. 1 ASVG leistungszuständig ist, so liegt kein STREIT über die Versicherungszuständigkeit, SONDERN NUR ein solcher über die KLÄRUNG EINES TATBESTANDSMERKMALES DES LEISTUNGSANSPRUCHES, nämlich der Zurechnung des Unfalles zu § 175 Abs. 1, § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG oder keinem der beiden Tatbestände vor (vgl. das Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 89/08/0222).

2.3. Der Oberste Gerichtshof hat im Beschwerdefall seinen Antrag gemäß § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG vom 8. März 1980 im wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer behaupte, sein Unfall habe sich bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden Instandhaltung des Arbeitsgerätes im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ereignet. Zur Durchführung der Unfallversicherung im Rahmen von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sei gemäß § 28 Z. 2 ASVG die Sozialversicherungsanstalt der Bauern sachlich zuständig. Der Beschwerdeführer habe ferner seinen Anspruch auch auf § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG gestützt. Zur Durchführung der Versicherung nach dieser Bestimmung sei aber die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt sachlich zuständig. Die Durchführung der Versicherung nach diesen Anspruchsgründen sei vom Gesetz somit verschiedenen Versicherungsträgern zugewiesen.

2.4. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich damit von dem, der dem bereits zitierten Erkenntnis vom 27. November 1990 zugrundelag dadurch, daß nach Auffassung des OGH im Leistungsstreitverfahren strittig ist, ob für den Beschwerdeführer auch Versicherungspflicht nach § 3 BSVG besteht (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 26. November 1991, Zl. 89/08/0347), da nur in diesem Fall eine Zuständigkeit der Sozialversicherungsanstalt der Bauern nach § 28 Abs. 2 ASVG überhaupt in Betracht kommen könnte. Damit ist jedoch in Wahrheit weder die Versicherungszugehörigkeit des Beschwerdeführers noch primär seine Versicherungszuständigkeit, sondern seine VERSICHERUNGSPFLICHT in der Unfallversicherung der Bauern (§ 3 BSVG) umstritten. Eine Entscheidung (oder auch nur eine vorfragenweise Beurteilung) darüber, ob für eine bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt Versicherungspflicht bestanden habe oder bestanden hätte, kommt dem Landeshauptmann auf Grund der Bestimmung des § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG (d.h. als Behörde erster Instanz) nicht zu (vgl. die bereits genannten Erkenntnisse vom 16. Februar 1972 und vom 5. Juni 1981).

Der an den Landeshauptmann gerichtete Antrag des OGH vom 8. März 1980 wäre daher von diesem als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Da die belangte Behörde über die Berufung der mitbeteiligten Unfallversicherungsanstalt jedoch in der Sache (wenn auch negativ) entschieden hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

2.5. Auf Grund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

2.6. Zur Vermeidung von Mißverständnissen verweist der Gerichtshof auch darauf, daß die Klärung der Frage der Versicherungspflicht dem jeweiligen Versicherungsträger obliegt. Gemäß dem in Punkt 2.1. wiedergegebenen § 74 Abs. 1 ASGG wäre daher im Beschwerdefall allenfalls die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern anzuregen, falls nach Auffassung des zuständigen Gerichtes die Klärung der Versicherungspflicht nach BSVG für die Entscheidung des Rechtsstreites unentbehrlich sein sollte. Wegen der rechtlichen Interessen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt am Ausgang dieses Verfahrens wäre der Unfallversicherungsanstalt dabei Parteistellung zu gewähren.

Sollte die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers in der Unfallversicherung der Bauern rechtskräftig verneint werden, käme eine Entscheidung des Landeshauptmannes gemäß § 413 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 4 ASVG schon deshalb nicht mehr in Frage, weil damit gar kein Kompetenzkonflikt zwischen mehreren Versicherungsträgern vorläge (vgl. das Erkenntnis vom 22. März 1972, Zl. 1689/71).

Aber auch im Falle einer rechtskräftigen Bejahung der Versicherungspflicht des Beschwerdeführers in der Unfallversicherung der Bauern, wäre die Versicherungszuständigkeit in der Unfallversicherung keine Vorfrage, über die Verwaltungsbehörden entscheiden dürften, weil auch dann nicht (mehr) strittig wäre, wer von mehreren in Betracht kommenden Versicherungsträgern die Leistung zu erbringen habe, sondern - und in erster Linie -, ob der geltend gemachte Leistungsanspruch überhaupt besteht. Würde man dem Landeshauptmann in einem solchen Fall ein Bescheidrecht einräumen, so hätte der Landeshauptmann darüber zu entscheiden, ob sich der Unfall des Beschwerdeführers im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Unfallversicherung nach § 3 BSVG begründenden Beschäftigung ereignet hat und daher als ein Arbeitsunfall im Sinne des § 175 Abs. 1 ASVG (§ 148 BSVG) zu werten ist, oder ob dies zwar nicht der Fall war, der Unfall sich aber doch bei einer betrieblichen Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht, im Sinne des § 176 Abs. 1 Z. 6 ASVG ereignet hat. Der Landeshauptmann würde damit dem Grunde nach in einer für das Gericht bindenden Weise über Umstände absprechen, welche ihrerseits Tatbestandsvoraussetzungen des jeweiligen Leistungsanspruches sind, sodaß dem Gericht kein darüber hinausgehender Entscheidungsspielraum in der Leistungssache bliebe. Das steht dem Landeshauptmann aber weder nach dem Gesetz zu (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1990, Zl. 89/08/0222, mit Hinweis auf den Kommentar von Schrammel zum Beschluß des OGH vom 8. März 1988, 10 Ob S 22/88, ZAS 1979, Seite 213 f), noch wäre es mit dem Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung i.S. des Art. 94 B-VG in Einklang zu bringen.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die geltend gemachten Bundesstempel konnten im Hinblick auf die auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geltende sachliche Abgabenfreiheit des § 110 ASVG nicht zugesprochen werden. Neben den pauschalierten Schriftsatzaufwand kommt ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht in Frage.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989080100.X00

Im RIS seit

17.12.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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