TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/18 91/03/0238

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §101 Abs1 lita idF 1990/458;
KFG 1967 §101 Abs1 lita;
VStG §1 Abs2;
VStG §19;
VStG §44a litb;
VStG §44a litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 5. Juli 1991, Zl. 11-75 He 22-90, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Ausspruch über die Strafe und den bezüglichen Kostenersatz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen - also hinsichtlich des Schuldspruches - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 21. November 1989 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw mit einem ebenfalls dem Kennzeichen nach bestimmten Anhänger in Betrieb genommen, ohne sich trotz Zumutbarkeit davon zu überzeugen, daß der Lkw und der Anhänger im Hinblick auf die Beladung den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entsprochen hätten, zumal er den Kraftwagenzug am 21. November 1989 um

13.55 Uhr auf der B 76 bei Straßenkilometer 19,2 in A., Gemeindegebiet W., gelenkt habe, obgleich durch die Beladung das höchste zulässige Gesamtgewicht 1. des Lkw von 22.000 kg um

3.790 kg und 2. des Anhängers von 16.000 kg um 2.320 kg überschritten worden sei. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 101 Abs. 1 lit. a iVm § 102 Abs. 1 KFG 1967 begangen. Über ihn wurden Geldstrafen von S 6.000,-- und S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von neun Tagen und sechs Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen "formeller und materieller Rechtswidrigkeit".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, der Spruch des angefochtenen Bescheides entspreche nicht dem § 44a lit. a VStG, weil ihm nicht zu entnehmen sei, inwiefern er gegen die im § 102 Abs. 1 erster Satz KFG genannten Pflichten verstoßen habe.

Nach § 102 Abs. 1 erster Satz KFG darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen. § 101 Abs. 1 lit. a KFG in der Fassung vor der 13. Novelle, BGBl. Nr. 458/1990, bestimmt, daß die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 5 nur zulässig ist, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht, die höchsten zulässigen Achslasten und die größte Breite des Fahrzeuges durch die Beladung nicht überschritten werden.

Im Spruch des erstinstanzliches Straferkenntnisses, den die belangte Behörde durch Abweisung der Berufung zum Inhalt ihrer Entscheidung gemacht hat, wurde dem Beschwerdeführer konkret vorgeworfen, er habe sich deswegen nicht davon überzeugt, ob die Beladung des Lkw und des Anhängers den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entsprochen habe, weil zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort durch die Beladung das höchstzulässige Gesamtgewicht sowohl des Lkw als auch des Anhängers überschritten worden sei.

Daraus geht eindeutig hervor, was dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurde. Ein Widerspruch zu § 44a lit. a VStG liegt nicht vor.

Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde habe das Ermittlungsverfahren betreffend die Funktionstüchtigkeit der Brückenwaage, mit der die Überladung des Fahrzeuges festgestellt worden sei, nicht ordnungsgemäß durchgeführt, so ist ihm zu entgegnen, daß er sich im Verwaltungsstrafverfahren auf die nicht näher ausgeführte Behauptung beschränkt hat, daß mit der Brückenwaage ein unrichtiges Meßergebnis erzielt worden sei, weil nach der erfolgten Nacheichung offensichtlich die Meßeinrichtungen verstellt worden seien. Er war jedoch nicht in der Lage, das Vorliegen konkreter, gegen das Meßergebnis sprechender Tatsachen - etwa das Ergebnis einer Kontrollabwaage - ins Treffen zu führen. Da einem solchen unbestimmt gehaltenen Vorbringen die zur Erweckung begründeter Bedenken gegen die Richtigkeit des Meßergebnisses notwendige Substanz mangelt, hat die belangte Behörde keine Verfahrensvorschriften verletzt, wenn sie die vom Beschwerdeführer beantragten Beweise nicht aufgenommen hat (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1991, Zl. 91/03/0258 u.a.).

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, der Wiegevorgang sei von einem Unbefugten durchgeführt worden, da die Person, die die Abwaage durchgeführt habe, entgegen § 3 des Gesetzes RGBl. Nr. 85/1866 von der Gewerbebehörde nicht offiziell als Wäger bestellt worden sei. Im Verwaltungsstrafverfahren hat er zu diesem Punkt lediglich beantragt, die Meldungsleger über die vom Gesetz vorgesehenen Qualifikationen des Wägers zu befragen. Dies lief auf einen Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Aufnahme die belangte Behörde nicht verpflichtet war (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1991, Zl. 91/03/0258).

Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe als rechtswidrig. Zum Zeitpunkt der Tat (21. November 1989) galt § 101 Abs. 1 lit. a KFG in der Fassung vor der 13. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 458/1990. Im zeitlichen Geltungsbereich dieser Norm wurden durch die Überladung sowohl des Kraftwagens als auch des Anhängers zwei Verwaltungsübertretungen begangen, für die auch zwei getrennte Strafen zu verhängen waren (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1988, Zl. 85/18/0068 u. a.). Am 28. Juli 1990 ist die Bestimmung des Art. I Z. 35 der 13. KFG-Novelle in Kraft getreten. Durch diese Änderung wurden die Grundlagen dafür geschaffen, auch Überladungen von Kraftwagenzügen bzw. Sattelzügen zu bestrafen. Die Überladung sowohl des Kraftwagens als auch des Anhängers stellt danach ein Delikt dar (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 833). Diese Änderung der Rechtslage trat nach der Begehung der Verwaltungsübertretung, aber vor der Fällung des Straferkenntnisses erster Instanz, die durch dessen Zustellung am 2. August 1990 bewirkt wurde (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0319), in Kraft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berühren Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat bei Fehlen einer besonderen gegenteiligen Übergangsregelung die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht und haben, wenn Taten der gleichen Art auch weiterhin strafbar bleiben, gemäß § 1 Abs. 2 VStG nur hinsichtlich der Strafe als Folge, daß ein etwaiges nunmehr dem Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat. Daraus folgt, daß in einem solchen Fall als verletzte Vorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG diejenige anzusehen ist, welche vor der Rechtsänderung in Kraft war, für die Strafe jedoch bei einem zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz für den Täter günstigeren Recht dieses heranzuziehen ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0319).

Nach § 101 Abs. 1 lit. a KFG idF vor der 13. KFG-Novelle hatte der Täter bei einer Überladung sowohl des Kraftwagens als auch des Anhängers zwei Verwaltungsübertretungen zu verantworten, die mit zwei getrennten Strafen sanktioniert wurden. Jede dieser Verwaltungsübertretungen war jeweils mit der Höchststrafe des § 134 Abs. 1 KFG bedroht, sofern die Voraussetzungen für die Verhängung der Höchststrafe im Einzelfall vorlagen. Nach § 101 Abs. 1 lit. a KFG idF der 13. KFG-Novelle stellt eine Überladung von Kraftwagen und Anhänger nur mehr ein einziges Delikt dar, das auch nur einmal mit der Höchststrafe bedroht ist. Das neue Recht ist demnach für den Täter günstiger. Dabei ist es ohne Belang, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Verhängung der Höchststrafe vorgelegen wären oder nicht. Bei dem von § 1 Abs. 2 VStG angeordneten Günstigkeitsvergleich ist zwar von einer Betrachtung des konkreten Falles auszugehen, doch darf diese konkrete Betrachtungsweise nicht zur Vorwegnahme der Entscheidung über die Strafzumessung führen. Die persönlichen Verhältnisse des Täters haben daher keinen Einfluß auf das Ergebnis des Günstigkeitsvergleiches (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Auflage. Rz 12 zu § 61 StGB).

Über den Beschwerdeführer hätte daher für die zwei Delikte nur eine einzige Strafe verhängt werden dürfen.

Da der Schuldspruch frei von Rechtsirrtum ist, war die Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Im Ausspruch über die Strafe und den bezüglichen Kostenersatz war der angefochtene Bescheid jedoch wegen der oben aufgezeigten Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Da der Beschwerdeführer den Aufwandersatz (Pauschalbetrag) nur in der in der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989 vorgesehenen Höhe beantragt hat, obwohl zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde bereits die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 in Geltung stand, war ihm auch nur der beantragte Pauschalbetrag zuzuerkennen. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil lediglich die Vorlage des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung erforderlich war; für weitere Beilagen konnte daher Ersatz der Stempelgebühren nicht zuerkannt werden.

Schlagworte

Persönliche Verhältnisse des Beschuldigten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991030238.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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