TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/23 91/06/0239

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Veröffentlicht am 23.01.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;

Norm

BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §4 Abs1;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. G in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Oktober 1991, Zl. Ve-550-1864/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. J in L, 2. M in L, 3. Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Mai 1991 wurde den erst- und zweitmitbeteiligten Bauwerbern die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit insgesamt drei Wohneinheiten sowie einer freistehenden PKW-Doppelgarage auf der Gp. n1, KG L, erteilt. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundparzellen Nr. n2 und n3, KG L, die unmittelbar an das zu bebauende Grundstück angrenzen. Südlich angrenzend an das zu bebauende Grundstück sowie das Grundstück des Beschwerdeführers führt der X-Bach, der den W-See entwässert. Dieser X-Bach bildet beim Grundstück des Beschwerdeführers die südliche und östliche Grenze, sodaß sein Grundstück von zwei Seiten vom X-Bach umschlossen ist. Die Fließrichtung des X-Baches ist so, daß der Beschwerdeführer "Unterlieger" gegenüber den Bauwerbern ist. In der am 3. Juli 1990 durchgeführten Bauverhandlung hatte sich der Beschwerdeführer gegen die Bewilligung des Bauvorhabens ausgesprochen, da durch den Aushub für das beantragte Bauwerk ein nicht unbedeutender Eingriff in die unterirdischen Abläufe des Grundwasserstromes des X-Baches vorgenommen werde, was sich für das Grundstück des Beschwerdeführers nachträglich auswirken würde; auch werde die Gefahr für das Grundstück des Beschwerdeführers im Falle einer Überflutung des X-Baches wesentlich erhöht, da die natürlichen Abläufe des X-Baches nicht mehr gewährleistet seien.

Die gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Mai 1991 eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 29. August 1991 abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 17. Oktober 1991 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Tiroler Bauordnung räume den Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht in bezug auf den Hochwasserschutz ein. Bezüglich der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Beeinträchtigung des Grundwasserstromes wurde auf ein hydrogeologisches Gutachten verwiesen, wonach eine negative Beeinträchtigung des Grundwasserstromes durch das gegenständliche Bauvorhaben ausgeschlossen werde. Durch den geplanten Hausbau sei auch keine Grundwassergefährdung des nicht unterkellerten Wohnobjektes des Beschwerdeführers gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer bringt vor, das zu bebauende Grundstück sei entgegen der Annahme der Baubehörden Hochwasserabflußgebiet. Mit Bescheid der Wasserrechtsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Innsbruck) vom 9. Jänner 1978 sei die Auflage erteilt worden, wonach durch die Bauwerber als Grundeigentümer der Gp. n1 eine Neigung von 1 % abfallend von der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Beschwerdeführers zum Altarm des X-Baches hergestellt werden mußte. Durch das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben werde aber das seinerzeit aufgrund der Vorschreibung der Wasserrechtsbehörde angelegte Gefälle geändert und auch die Hochwasserabflußbedingungen würden geändert und zwar in einer Weise, daß nunmehr das Grundstück des Beschwerdeführers erheblich durch Hochwasser gefährdet sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubwilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Hinsicht beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, uva).

Gemäß § 30 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Dem Grundeigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt.

Gemäß § 30 Abs. 4 TBO hat die Behörde über eine Einwendung des Nachbarn abzusprechen, die die Verletzung eines Rechtes behauptet, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes begründet ist, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendung). Subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Gemäß § 4 Abs. 1 erster und zweiter Satz TBO dürfen bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden, die sich nach ihrer Widmung, Lage, Form, Größe und Bodenbeschaffenheit für die vorgesehene Bebauung eignen und eine dieser Bebauung entsprechende, rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche haben. Im Freiland, mit Ausnahme von Sonderflächen, dürfen bauliche Anlagen nicht auf Grundstücken errichtet werden, die durch Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Erdrutsch, Lawinen oder andere Gefahren bedroht sind, es sei denn, daß Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 7. November 1991, Zl. 91/06/0197, ausgesprochen, daß die für gefährdete Grundstücke geltenden Baubeschränkungen des § 4 Abs. 1 erster und zweiter Satz TBO primär dem Schutz des Bauwerbers und der Personen, welche sich in der Baulichkeit aufhalten werden, allenfalls darüber hinaus auch dem öffentlichen Interesse an einer den Naturgefahren angemessenen Bebauung dienen, nicht jedoch dem Interesse des Nachbarn. Der Beschwerdeführer hat vielmehr unter BAURECHTLICHEN Gesichtspunkten weder ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, daß der Erst- und die Zweitmitbeteiligte die Auswirkungen des Hochwassers auf ihrer Liegenschaft im bisherigen Umfang auch weiterhin hinzunehmen hätten, noch darauf, daß bei baulichen Maßnahmen auf Nachbargrundstücken darauf zu achten wäre, daß die im Katastrophenfall für das Grundstück des Beschwerdeführers zu erwartende Hochwassergefahr keine quantitative Veränderung erfährt. Es ist vielmehr in erster Linie Sache jedes Grundeigentümers (so auch des Beschwerdeführers) sich durch geeignete Schutzvorrichtungen selbst vor den Auswirkungen von Naturgewalten zu schützen.

Wenn der Beschwerdeführer vermeint, durch das Bauvorhaben würden das seinerzeit aufgrund der Vorschreibung der Wasserrechtsbehörde angelegte Gefälle und auch die Hochwasserabflußbedingungen geändert, so übersieht er damit, daß der Hochwasserschutz der benachbarten Grundstücke nicht durch die Baubehörde wahrzunehmen ist, weil ja ganz allgemein der Hochwasserschutz Sache der Wasserrechtsbehörde ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1989, Zl. 86/06/0183, BauSlg. Nr. 751). Eine allfällige Verletzung der den mitbeteiligten Parteien seitens der Wasserrechtsbehörde auferlegten Verpflichtungen durch die Bauführung wäre daher von dieser Behörde wahrzunehmen, hindert jedoch nicht die Bewilligung des unter den hier maßgebenden baurechtlichen Gesichtspunkten - unbedenklichen - Projekts.

Eine sonstige Gefährdung durch die Bauführung oder durch vom Bauvorhaben der Erst- und Zweitmitbeteiligten ausgehende Immissionen wird vom Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde nicht behauptet. Da dem Beschwerdeführer schon auf dem Boden des Beschwerdevorbringens subjektiv-öffentliche Nachbarrechte im Rahmen der von ihm erhobenen Einwendungen nicht zukommen und somit schon die Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Damit ist auch der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen gegenstandslos.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991060239.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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