TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/9 91/06/0197

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Veröffentlicht am 09.04.1992
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
98/01 Wohnbauförderung;

Norm

AVG §56;
BauRallg;
B-VG Art18 Abs1;
ROG Tir 1984 §12 Abs3 idF 1983/088;
ROG Tir 1984 §31;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
WFG 1968 §2;
WFG 1968 §8;
WFG 1968 idF 1982/320;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der W in B, Niederlande, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 8. März 1991, Zl. Ve-550-1789/1, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Kirchberg i.T., vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Grundstück EZ nn der Katastralgemeinde Kirchberg, GSt. Nr. nn/2, ist nach der Aktenlage im Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde (Verordnung des Gemeinderates der Stadt Kitzbühel vom 16. März 1989, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Juli 1989, betreffend die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Kitzbühel) als "Wohngebiet für förderbare Wohnbauten (§ 12 Abs. 3 TROG)" ausgewiesen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. Oktober 1990 wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin um die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf der genannten Grundparzelle abgewiesen und dieser Bescheid im wesentlichen damit begründet begründet, daß gemäß der Widmung auf dem Baugrundstück nur Wohnbauten errichtet werden dürfen, bei denen die darin vorgesehenen Wohnungen hinsichtlich ihrer Größe und ihres Verwendungszweckes nach den wohnbauförderungsrechtlichen Vorschriften förderbar sind. Aufgrund der Bestimmungen der Wohnbauförderung seien Wohnungen, die nicht einem unmittelbaren Wohnbedarf einer begünstigten Person dienen (z.B. Ferien-, Vorsorgewohnung usw.) von der Förderung ausgeschlossen. Eine Förderung werde nur an Personen gewährt, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder diesen gleichgestellt sind und zum Kreis der begünstigten Personen gehören. Bei der Beschwerdeführerin handle es sich um einen holländischen Staatsbürger, dessen Lebensinteressen ausschließlich in den Niederlanden gelegen seien. Es müsse daher angenommen werden, daß das Wohnhaus als Zweitwohnsitz benützt werden soll. Die Förderbarkeit des beabsichtigten Gebäudes sei daher ausgeschlossen, womit das Bauvorhaben dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde widerspreche. Das Bauvorhaben sei daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 31 Abs. 3 TBO abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Diese Berufung wird im wesentlichen damit begründet, daß die Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde über die Änderung des Flächenwidmungsplanes aus verschiedenen (in der Berufung näher angeführten) Gründen gesetzwidrig bzw. die Rechtsgrundlagen dieser Verordnung dem Tiroler Raumordnungsgesetz verfassungswidrig seien.

Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. Jänner 1991 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der sie im wesentlichen ihr Berufungsvorbringen wiederholt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. März 1991 wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 9. Oktober 1991, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeergänzung macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 (TROG), LGBl. Nr. 4 in der Fassung der vierten Raumordnungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 88/1983, können im Flächenwidmungsplan für Teile des Wohngebietes festgelegt werden, daß auf den in diesem Gebiet liegenden Grundflächen nur Wohnbauten errichtet werden dürfen, bei denen die darin vorgesehenen Wohnungen hinsichtlich ihrer Größe und ihres Verwendungszweckes nach den wohnbauförderungsrechtlichen Vorschriften förderbar sind.

Eine solche Festlegung besteht hinsichtlich der hier strittigen Grundparzelle der Beschwerdeführerin. Soweit die Beschwerdeführerin neuerlich die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes bzw. die Verfassungsmäßigkeit der ihm zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen in Zweifel zieht, vermag der Verwaltungsgerichtshof diese Bedenken aus den Gründen nicht zu teilen, die der Verfassungsgerichtshof anläßlich der Prüfung des hier strittigen Flächenwidmungsplanes in seinem (u.a. auch die Beschwerdeführerin betreffenden) Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, V 164/90 u.a., dargelegt hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den Widmungsbezeichnungen eines Flächenwidmungsplanes stets jener Inhalt zu unterstellen, der ihm nach jenen gesetzlichen Bestimmungen zukam, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des jeweiligen Flächenwidmungsplanes in Geltung gestanden sind (vgl. das zum Tiroler ROG ergangene Erkenntnis vom 23. April 1987, Zl. 86/06/0081, BauSlg. Nr. 911).

Die hier in Betracht kommende gesetzliche Bestimmung, nämlich § 12 Abs. 3 TROG in der Fassung des Art. I Z. 12 der 4. Raumordnungsnovelle, LBGl. Nr. 88/1983, ist am

1. JÄNNER 1984 in Kraft getreten. Soweit die darin enthaltene Wendung "wohnbauförderungsrechtliche Vorschriften" auf Bundesrecht (nämlich auf die Bestimmungen des Wohnbauförderungsgesetzes) verweist (davon gehen übereinstimmend die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, aber auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, V 164/90 u.a. aus und dies war auch - wie sich nicht zuletzt den Gesetzesmaterialien, Blg. zu den stenographischen Berichten des Tiroler Landtages,

IX. Periode, 23. Tagung, 3. Sitzung am 19. und 20. Oktober 1983, Seite 7 der erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, ergibt - die erklärte Absicht des Gesetzgebers), kann diese Verweisung - jedoch nur STATISCH verstanden werden, d.h. auf jene wohnbauförderungsrechtlichen Vorschriften des Bundes bezogen, die am 1. JÄNNER 1984 in Geltung gestanden sind. Die Annahme einer dynamischen (d.h. auf die JEWEILIGEN bundesrechtlichen Vorschriften über die Wohnbauförderung bezogenen) Verweisung verbietet sich schon aus kompetenzrechtlichen Gründen, weil es dem Landesgesetzgeber verwehrt ist, den Inhalt von Landesgesetzen von (künftigen) Gesetzgebungsakten einer anderen Rechtssetzungsautorität (hier: des Bundesgesetzgebers) abhängig zu machen (vgl. dazu WALTER-MAYER, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6, RdZ 253 und KOJA, Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit statischer und dynamischer Verweisungen, ÖJZ 1979, 29 ff, insbesondere 33 f mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Die Förderbarkeit des Bauvorhabens der Beschwerdeführerin ist daher - entgegen der Auffassung der belangten Behörde und des Verfassungsgerichtshofes im bereits erwähnten Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, V 164/90 - keinesfalls nach dem erst am 1. Jänner 1985 in Kraft getretenen Wohnbauförderungsgesetz 1984, BGBl. Nr. 482/1984, zu beurteilen. Ob (daneben) § 12 Abs. 3 TROG auch eine (zulässige) dynamische Verweisung auf Tiroler Landesrecht enthält, kann im Beschwerdefall offen bleiben: Im zweiten hier maßgebenden Zeitpunkt, nämlich dem Inkrafttreten des Flächenwidmungsplans der mitbeteiligten Gemeinde im Jahre 1985 hat weder das WFG 1984 als Landesgesetz gegolten (dies war gemäß Art. II Abs. 1 in Verbindung mit Art. III des Bundesverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1987, BGBl. Nr. 640 - teilweise - seit 1. Jänner 1988 der Fall), noch kommt das Tiroler Wohnbauförderungsgesetz 1991, LGBl. Nr. 55 dafür in Frage, welches gemäß seinem § 44 Abs. 1 erst am 1. Oktober 1991 in Kraft getreten ist.

Die Wendung "wohnbauförderungsrechtliche Vorschriften" im Sinne des § 12 Abs. 3 TROG in der Fassung der 4. Raumordnungsgesetznovelle, LGBl. Nr. 88/1983, bezieht sich daher - soweit sie auf Vorschriften des Bundes verweist - auf das am 1. Jänner 1984 noch in Geltung gestandene Wohnbauförderungsgesetz 1968, BGBl. Nr. 280/1967, in der (bis zu seinem Außerkrafttreten in Geltung gestandenen) Fassung der Novelle BGBl. Nr. 320/1982.

Gemäß § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes haben die Länder für die nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes förderungswürdigen Bevölkerungskreise (§ 8) u.a. die Errichtung von Klein- und Mittelwohnungen (u.a.) durch Neubau von Baulichkeiten zu fördern. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. gilt als Eigenheim eine Baulichkeit mit einer oder zwei Klein- oder Mittelwohnungen, insolange diese ausschließlich vom Eigentümer, den ihm nahestehenden Personen oder seinen Dienstnehmern benützt werden sollen oder benützt werden; als nahestehende Personen sind außer dem Ehegatten, Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder, Verwandte im zweiten Grad der Seitenlinie und Verschwägerte in gerader Linie sowie eine Person, die mit dem Eigentümer durch mindestens fünf Jahre hindurch in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Hausgemeinschaft gelebt hat, anzusehen. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 gilt als Kleinwohnung eine für die dauernde Bewohnung bestimmte, baulich in sich abgeschlossene, normal ausgestattete Wohnung, die mindestens aus Zimmer, Küche (Kochnische), Vorraum, WC und Badegelegenheit (Baderaum oder Badenische) besteht und deren Nutzfläche nicht weniger als 30 m2 und nicht mehr als 90 m2 beträgt. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 gilt als Mittelwohnung eine Wohnung der in der Z. 2 genannten Art, wenn sie 130 m2 (bei näher im Gesetz genannten Voraussetzungen 150 m2) nicht übersteigt. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 8 WFG 1968 in der durch die Novelle BGBl. Nr. 560/1980 bewirkten Fassung gilt als normale Ausstattung eine solche, bei der die Gesamtausstattung, insbesondere die Ausstattung der Räume mit Koch-, Heiz- und Badegelegenheiten zwar den Erfordernissen der Haushaltsführung und Hygiene entspricht, hinsichtlich des Baukostenaufwandes unter Bedachtnahme auf eine einwandfreie Ausführung, insbesondere hinsichtlich des Schall-, Wärme-, Feuchtigkeits- und Abgasschutzes, nach dem jeweiligen Stand der Technik jedoch größte Wirtschaftlichkeit gewährleistet erscheint. Die Ermittlung der (nach § 2 Abs. 1 Z. 2 und 3 maßgebenden) Nutzfläche ist schließlich im § 2 Abs. 1 Z. 9 WFG geregelt.

Der in § 1 Abs. 1, Einleitungssatz WFG 1968 verwiesene PERSONENKREIS des § 8 leg. cit. wird in den Abs. 2 und 3 der verwiesenen Bestimmung ("begünstigte Personen") ausschließlich nach Kriterien des jeweiligen Jahreseinkommens (Familieneinkommens) umschrieben. Da nach § 12 Abs. 3 TROG die dort bezeichneten Flächen Wohnbauten vorbehalten sind, bei denen die darin vorgesehenen Wohnungen hinsichtlich ihrer GRÖSSE und ihres VERWENDUNGSZWECKES nach den wohnbauförderungsrechtlichen Vorschriften förderbar sind und (die Staatsbürgerschaft und) das Einkommen des Förderungswerbers weder Merkmal der Größe noch des Verwendungszweckes einer Wohnung ist, bezieht sich die Verweisung des § 12 Abs. 3 TROG nicht (auch) auf die Definition des begünstigten Personenkreises im Sinne des § 8 WFG 1968, sondern ausschließlich auf die im § 2 WFG 1968 umschriebenen, der Sache nach in Betracht kommenden Voraussetzungen.

Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die Behörden des Verwaltungsverfahrens - ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung - nicht geprüft. Das Erfordernis eines "dringenden Wohnbedürfnisses", wie es die Behörden auf Gemeindeebene für wesentlich erachtet haben, kann diesen Bestimmungen jedenfalls nicht entnommen werden. Die Behörden werden im fortgesetzten Verfahren vielmehr zu prüfen haben, ob die von der Beschwerdeführerin geplante Baulichkeit nach Ausstattung und Größe die in § 2 WFG 1968 gezogenen Grenzen nicht über- bzw. unterschreitet, aber auch, ob sie vom Bauwerber "für die dauernde Bewohnung bestimmt" und dafür auch geeignet ist. Eine Ausstattung, wie sie einem bloßen Sommerhaus eigen ist oder ein (bloßes) Wochenendhaus würde diesen Anforderungen nicht entsprechen (vgl. die bei KRASSNIG-KOHLER, Wohnbauförderungsgesetz 19682, Wien, 1979, Anm. 4 zu § 2 WFG wiedergegebenen erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des WFG 1968).

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z.1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden VwRallg3/2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 wohnbauförderungsrechtliche Vorschriften Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991060197.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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