TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/28 91/04/0256

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Veröffentlicht am 28.01.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §368 Z17;
VwGG §42 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des G in I, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. Juli 1991, Zl. 13/17-9/1991, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 6. März 1991 erhobenen Berufung des Beschwerdeführers erkannte der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol mit Bescheid vom 10. Juli 1991 gemäß §§ 24, 51, 51c und 51e VStG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG wie folgt:

"Die Berufung gegen das angefochtene Straferkenntnis wird im wesentlichen als unbegründet abgewiesen, der Spruch jedoch unter der Annahme eines fortgesetzten Deliktes in der Weise abgeändert, daß er wie folgt zu lauten hat:

Der Beschuldigte hat es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der "X-OHG" mit Sitz in I, S-Straße 14, zu verantworten, daß durch die genannte Unternehmung dem gem. § 198 Abs. 5 GewO vom Magistrat Innsbruck erlassenen Bescheid vom 6. Juni 1989, I-3.419/1989 (bestätigt durch den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom

25. Sep. 1990, MD-6175/1989), in dem der genannten Unternehmung bei Ausübung ihrer Konzession für das Gastgewerbe in der Betriebsart "Cafe-Restaurant" im obgenannten Standort (Konzessionsdekret des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 21. Mai 1986, I-2.003/1986) eine frühere Sperrstunde, und zwar von 24.00 Uhr vorgeschrieben wurde, insofern zuwidergehandelt wurde, als die Sperrstunde am 17. Okt. 1990, am 7. Nov. 1990, am 20. Nov. 1990,

28. Nov. 1990, 4. Dez. 1990, am 6. Dez. 1990, am 7. Dez. 1990 und am 10. Dez. 1990 jedenfalls bis 1.00 Uhr, am 15. Nov. 1990 und am 30. Nov. 1990 jedenfalls bis 0.50 und am 17. November 1990 jedenfalls bis 0.40 überschritten wurde, indem an den oben angeführten Tagen bis zur angegebenen Zeit die Betriebsräume des dortigen Gastlokales offengehalten wurden und den Gästen der Aufenthalt in den dortigen Betriebsräumen gestattet wurde.

Der Beschuldigte hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 368 Ziffer 17 in Verbindung mit § 370 Abs. 2 Gewerbeordnung 1973 sowie in Verbindung mit dem Bescheid des Magistrates Innsbruck vom 6. Juni 1989, I-3.419/1989 (bestätigt durch den Bescheid vom 25. Sep. 1990, MD-6175/1989), begangen.

Gemäß § 368 Einleitungssatz Gewerbeordnung 1973 wird die Geldstrafe mit S 10.000,-- (Ersatzarrest in der Dauer von 12 Tagen) neu festgesetzt."

Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 6. Juni 1989 sei der "X-OHG" bei Ausübung ihrer Konzession für das Gastgewerbe in der Betriebsart "Cafe-Restaurant" im Standort I, S-Straße 14, eine frühere Sperrstunde, und zwar 24.00 Uhr, gemäß § 198 Abs. 5 GewO 1973 vorgeschrieben worden. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 25. September 1990 sei die gegen den vorgenannten Bescheid erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und die erstbehördliche Entscheidung (Vorverlegung der Sperrstunde auf 24.00 Uhr) vollinhaltlich bestätigt worden. Mit Erkenntnis vom 27. Februar 1991, Zl. 90/04/0313-7, habe der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 25. September 1990, betreffend Vorschreibung einer früheren Sperrstunde, Folge gegeben und diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Vor der aufhebenden Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof habe der Beschwerdeführer dem rechtskräftigen Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 6. Juni 1989, mit dem die Sperrstunde auf 24.00 Uhr vorverlegt worden sei, insofern zuwidergehandelt, als er während des Tatzeitraumes vom 17. Oktober bis 10. Dezember 1990 zugegebenermaßen sein Lokal bis 01.00 Uhr geöffnet gehalten habe. Gestützt auf § 198 Abs. 5 GewO 1973 habe der Stadtmagistrat Innsbruck in seinem Bescheid vom 6. Juni 1989 die Sperrstunde auf 24.00 Uhr vorverlegt. Dieser Bescheid sei durch die Abweisung der Berufung seitens des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck mit Bescheid vom 25. September 1990 rechtskräftig geworden. Da der Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck erst mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991 aufgehoben worden sei und entgegen der Meinung des Beschwerdeführers dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht ex tunc sondern ex nunc wirke, habe der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung, nämlich daß er die mit 24.00 Uhr vorgeschriebene Sperrstunde während des Tatzeitraumes vom 17. Oktober bis 10. Dezember 1990 überschritten habe, in objektiver Hinsicht begangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, nach der - in der Beschwerde bezeichneten - Judikatur komme entgegen der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Rechtsmeinung der belangten Behörde einem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ex tunc-Wirkung zu, weshalb zufolge Aufhebung des Bescheides des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 25. September 1990 durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991, Zl. 90/04/0313, die Rechtssache in die Lage zurückgetreten sei, in der sie sich vor Erlassung des von der Aufhebung betroffenen Bescheides befunden habe, woraus folge, daß die Berufung gegen den Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 6. Juni 1989 neuerlich beim Stadtsenat anhängig geworden sei. Mit dem angefochtenen Bescheid sei somit ein Straferkenntnis bestätigt worden, das auf Basis des noch nicht rechtskräftigen Bescheides des Stadtmagistrates Innsbruck vom 6. Juni 1989 erlassen worden sei. Insbesondere sei auch der angefochtene Bescheid erst nach Ergehen des vorangeführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991, Zl. 90/04/0313, ergangen.

Die belangte Behörde führte in ihrer Gegenschrift dazu aus, wie im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht, sei sie von der "ex-nunc-Wirkung" des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshof vom 27. Februar 1991, Zl. 90/04/0313, und somit davon ausgegangen, daß der aufgehobene Bescheid für die Zukunft nicht mehr bestehe, daß aber für die Vergangenheit die rechtlichen Wirkungen unberührt blieben.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu:

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt die Rechtssache durch die verwaltungsgerichtliche Aufhebung des angefochtenen Bescheides in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hatte.

Die in dieser Bestimmung normierte "ex-tunc-Wirkung" bedeutet, daß der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der angefochtene Bescheid vom Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet auch, daß allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-)Akten, die während der Geltung des vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (vgl. zu diesen Ausführungen u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1991, Zl. 91/04/0124, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall stützte die belangte Behörde - ebenso wie auch schon die Verwaltungsbehörde erster Instanz - ihren den Beschwerdeführer belastenden Schuldspruch auf die Bestimmung des § 368 Z. 17 "i.V.m. dem Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 16. Juni 1989, I-3.419/89 (bestätigt durch den Bescheid vom 25. September 1990, MD-6175/1989)", mit dem in Ansehung des hier in Rede stehenden gastgewerblichen Betriebes gemäß § 198 Abs. 5 GewO 1973 eine frühere Sperrstunde, und zwar 24.00 Uhr, vorgeschrieben worden war, wobei der letztangeführte Bescheid mit dem bereits mehrfach erwähnten hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1991, Zl. 90/4/0313 - nach der Aktenlage der belangten Behörde zugestellt am 10. April 1991 -, aufgehoben wurde.

Ausgehend von der dargestellten Rechtslage war daher im Beschwerdefall dem angefochtenen Bescheid - und zwar überdies schon im Zeitpunkt dessen Erlassung - in Ansehung des im Spruch in Verbindung mit § 368 Z. 17 GewO 1973 bezogenen bescheidmäßig normierten Straftatbestandes die Grundlage entzogen. Dies - unabhängig von der Frage der Bezeichnung der damit im Zusammenhang stehenden Strafnorm im angefochtenen Bescheid - jedenfalls schon deshalb, weil sich weder aus den Feststellungen im angefochtenen Bescheid noch aus den Darlegungen in der Gegenschrift ein Anhaltspunkt dahin ergibt, daß etwa der Berufung gegen den im Administrativverfahren ergangenen erstbehördlichen Bescheid über die Sperrstundenvorverlegung vom 6. Juni 1989 die aufschiebende Wirkung aberkannt worden wäre.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich - im Rahmen des geltend gemachten Kostenersatzanspruches - auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991040256.X00

Im RIS seit

28.01.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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