TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/10 91/04/0124

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Veröffentlicht am 10.09.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §360 Abs1;
VwGG §42 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der B-GmbH in G, vertreten durch Dr. G und Dr. R, Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. März 1991, Zl. 04-15 Ga 5-1991/1, betreffend Maßnahme gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 29. November 1990 wurde gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973 die Schließung der von der Beschwerdeführerin im Standort R betriebenen Asphaltmischanlage verfügt. Dieser Ausspruch wurde u. a. damit begründet, mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 18. Mai 1990, abgeändert mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 9. November 1990, sei über Ing. F, den gewerberechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, eine Geldstrafe in der Höhe von S 7.000,-- verhängt worden, weil er es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zu verantworten habe, daß diese die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 23. März 1970 gewerberechtlich genehmigte, im Standort R betriebene Asphaltmischanlage gewerberechtlich genehmigungspflichtig abgeändert und nach dieser Änderung am 7. Dezember 1989, am 5., 8., 9., 11. und 12. April 1990 betrieben habe, ohne für die vorgenommene Änderung die gewerberechtliche Genehmigung erlangt zu haben. Wie auf Grund von Erhebungsberichten des Gendarmeriepostenkommandos S festgestellt worden sei, werde die Asphaltmischanlage nach wie vor weiter betrieben. Wenn in einem Strafverfahren das Vorliegen einer gesetzwidrigen Gewerbeausübung rechtskräftig festgestellt worden sei, so habe die Behörde gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973, wenn der der Rechtsordnung entsprechende Zustand nicht ungesäumt hergestellt werde, mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Schließung des Betriebes oder von Teilen des Betriebes oder die Stillegung von Maschinen zu verfügen.

Einer seitens der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Steiermark unter Bestätigung des erstbehördlichen Bescheides keine Folge. Dieser Ausspruch wurde - unter Hinweis auf § 360 Abs. 1 (erster Satz) GewO 1973 - damit begründet, das durchgeführte Strafverfahren sei im ersten Absatz der Begründung des erstbehördlichen Bescheides ausreichend dargestellt. Der Gesetzestext des § 360 Abs. 1 GewO 1973 unterscheide nicht verschiedene Arbeitsweisen einer Gewerbeausübung. Die Frage, ob es sich um Produktions-, Revisions-, saisonbedingte oder sonstige Arbeiten handle, unterliege daher keiner weiteren Prüfung durch die Behörde, sobald sich die Gewerbeausübung als solche als gesetzwidrig darstelle. Es sei daher ausreichend, wenn sich die Behörde erster Instanz auf Gendarmerieerhebungen stütze. Die beantragte Einvernahme von Sachverständigen erübrige sich daher. Daß Arbeiten bis zum 30. November 1990 vorgenommen worden seien, bestreite auch die Beschwerdeführerin nicht. Es könne daher der Erstbehörde auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, am 29. November 1990 den mit Berufung bekämpften Bescheid erlassen zu haben. Sollten die Arbeiten nunmehr tatsächlich eingestellt worden sein, stehe es dem Anlagebetreiber jederzeit frei, einen Antrag auf Widerruf der Schließungsmaßnahme bei der Gewerbebehörde erster Instanz einzubringen. Bemerkt werde, daß die Herbeiführung des in einem erstinstanzlichen Bescheid geforderten Zustandes im Falle einer Berufung nicht die Aufhebung eines solchen Bescheides durch die Berufungsbehörde rechtfertige. Dem Vorbringen, der erstbehördliche Bescheid überschreite den Rahmen des "contrarius actus", und die generelle Schließung verletze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Wahl des gelindesten, noch zum Ziele führenden Mittels, könne deshalb nicht gefolgt werden, weil einerseits die Änderung der Anlage dergestalt sei, daß durch sie andere Emissionen und dadurch auch Immissionen bewirkt würden (früher Bitumendämpfe, jetzt Verbrennungs-, Zersetzungs- und Oxydationsprodukte der Bitumendämpfe), weshalb das Änderungsverfahren die gesamte Anlage berücksichtigen müsse, und andererseits die Aufzählung einzelner Teile der Anlage im Straferkenntnis dem Anlagenbetreiber keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vor- oder Nachteil zu erbringen in der Lage wäre, da darunter jedenfalls die neue Brenneranlage als "Herzstück dieser Anlage" fiele, die eine wesentliche Voraussetzung für die Arbeitsfähigkeit der Asphaltmischanlage darstelle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Unterbleiben der in Rede stehenden, auf § 360 Abs. 1 GewO 1973 gestützten Maßnahme verletzt. Sie rügt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens bzw. einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes die Annahme der belangten Behörde, daß sich unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 360 Abs. 1 GewO 1973 im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid angeführten Sachverhaltsfeststellungen das Erfordernis der Schließung der in Rede stehenden Asphaltmischanlage ergebe.

Die Beschwerde ist im Hinblick auf den vordargestellten Beschwerdepunkt im Ergebnis berechtigt.

Der mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Verfügung der Stillegung der Asphaltmischanlage der Beschwerdeführerin wurde nach den Begründungsdarlegungen unter Anwendung des § 360 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 der im Verwaltungsrechtszug ergangene Strafbescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 9. November 1990 zugrunde gelegt, der mit dem

hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1991, Zl. 90/04/0354, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde.

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt die Rechtssache durch die verwaltungsgerichtliche Aufhebung des Bescheides in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des Bescheides befunden hatte.

Die in dieser Bestimmung normierte "ex tunc"-Wirkung bedeutet, daß der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet auch, daß allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-)Akten, die während der Geltung des vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde.

Der auf das im Instanzenzug ergangene Straferkenntnis vom 9. November 1990 gestützte, nunmehr angefochtene Bescheid verlor somit mit dem aufhebenden hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1991 seine Basis. Die Rechtsgrundlage ist daher so zu beurteilen, als ob der in der Verwaltungsstrafsache erlassene Berufungsbescheid vom 9. November 1990 nicht ergangen wäre (vgl. hiezu die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1991, Zl. 90/04/0228, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).

Der im vorliegenden Fall angefochtene Bescheid leidet aus diesem Grund an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren, hierauf nicht Bezug habenden Beschwerdevorbringens bedurft hätte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Kostenersatzanspruches auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft im Zusammenhang mit erfolgten weiteren Urkundenvorlagen nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040124.X00

Im RIS seit

10.09.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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