TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/27 92/18/0100

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Veröffentlicht am 27.04.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Melderecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/07 Grenzüberwachung;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §6 Abs1;
FrPolG 1954 §8;
GrKontrG 1969;
MeldeG 1991;
PaßG 1969;
VStG §55 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in I, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 13. März 1992, Zl. Fr-112.015/92/Leh, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg (der belangten Behörde) vom 11. September 1990 war gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein mit 11. September 1993 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen worden.

2. Der vom Beschwerdeführer mit Eingabe an die belangte Behörde vom 13. September 1991 im Hinblick auf seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin am 16. August 1991 gestellte Antrag auf Aufhebung des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes wurde mit Bescheid dieser Behörde vom 13. März 1992 gemäß § 8 des Fremdenpolizeigesetzes abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß dem gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbot eine rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des Paßgesetzes zugrunde gelegen sei. Der Beschwerdeführer sei am 14. September 1990 aus dem Bundesgebiet abgeschoben worden. Am 25. Juni 1991 sei er in Innsbruck festgenommen worden, da er ohne Sichtvermerk und trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes nach Österreich zurückgekehrt sei. Er sei deshalb wegen Übertretung des Grenzkontroll-, des Paß-, des Fremdenpolizei- und des Meldegesetzes rechtskräftig von der Bundespolizeidirektion Innsbruck bestraft worden. Am 11. Juli 1991 sei der Beschwerdeführer auf dem Luftweg in die Türkei abgeschoben worden. Durch die verbotene Rückkehr nach Österreich und die erwähnten Bestrafungen seien neuerlich Gründe zutage getreten, welche wieder die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer rechtfertigen würden, sodaß keine Rede davon sein könne, die Gründe, die seinerzeit zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien weggefallen.

Die vom Beschwerdeführer am 16. August 1991 in der Türkei mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe habe nur den Zweck verfolgt, einen weiteren Aufenthalt in Österreich zu erreichen. Allerdings unterliege der Beschwerdeführer hier einem Rechtsirrtum, da familiäre Bindungen zwar nach § 3 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes bei der Erlassung, nicht aber bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen seien. Zudem stehe einwandfrei fest, daß der Beschwerdeführer die Ehe nach zweimaliger Abschiebung und in Kenntnis des bestehenden Aufenthaltsverbotes geschlossen habe. Es habe ihm daher klar sein müssen, daß er nicht nach Österreich einreisen könne; es liege daher an der Gattin, allenfalls mit dem Beschwerdeführer in der Türkei Aufenthalt zu nehmen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, den bekämpften Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 8 Fremdenpolizeigesetz ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhang mit § 3 Fremdenpolizeigesetz gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die für die Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zu Gunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1991, Zl. 91/19/0087).

2.1. Unter Bezugnahme auf die verfehlte Auffassung der Beschwerde, es sei der "einzige Grund für die seinerzeitige Erlassung des Aufenthaltsverbotes weggefallen", nämlich die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des Paßgesetzes, ist darauf hinzuweisen, daß diese im September 1990 verhängte Strafe im Hinblick auf § 55 Abs. 1 VStG im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (noch) nicht als getilgt gegolten, die Bestrafung also nach wie vor dem Rechtsbestand angehört hat. Folgt schon daraus, daß sich die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen maßgeblichen Umstände seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht zugunsten des Beschwerdeführers geändert haben - abgesehen davon, daß selbst eine allfällige Tilgung einer Verwaltungsstrafe, weil objektiv vorhersehbar, bei der Entscheidung über einen Antrag, ein auf bestimmte Zeit verhängtes Aufenthaltsverbot aufzuheben, nicht zu berücksichtigen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zl. 90/19/0177) -, so übersieht die Beschwerde bei ihrer Argumentation einen weiteren entscheidenden gegen den Beschwerdeführer sprechenden Punkt, und zwar jenen, daß nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen Umstände bei der Entscheidung über die Aufhebung dieser Maßnahme zu berücksichtigen sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. Jänner 1992, Zl. 91/19/0017, und das dort zitierte Vorjudikat).

2.2. In der zuletzt bezeichneten Hinsicht hat die Beschwerde die Feststellung der belangten Behörde im bekämpften Bescheid, daß der Beschwerdeführer ungeachtet des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes in das Bundesgebiet eingereist sei, ausdrücklich bestätigt. Die Mißachtung dieses Verbotes fällt, wie der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst ausgesprochen hat, schwer ins Gewicht, läßt doch gerade dieses Verhalten besonders deutlich die Neigung des Fremden erkennen, sich über die für ihn maßgeblichen fremdenpolizeilichen Normen hinwegzusetzen (siehe das Erkenntnis vom 9. März 1992, Zl. 91/19/0351). Dazu kommt, daß die belangte Behörde - was in der Beschwerde unwidersprochen geblieben ist - die jeweils rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes und des Meldegesetzes nach dessen verbotswidriger Rückkehr in das Bundesgebiet als erwiesen angenommen und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Sie konnte sich damit in rechtlich einwandfreier Weise auf den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall des Fremdenpolizeigesetzes stützen und insoweit vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 leg.cit. und solcherart davon ausgehen, daß die dort umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

2.3. Nach dem unter 2.1. und 2.2. Gesagten entspräche auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - vorbehaltlich einer zuungunsten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz - die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer dem Gesetz.

3.1. Als rechtlich verfehlt erachtet die Beschwerde die Ansicht der belangten Behörde, daß familiäre Bindungen zwar nach § 3 Abs.3 des Fremdenpolizeigesetzes bei der Erlassung, nicht aber bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen seien.

3.2. Die betreffende - für sich gesehen unrichtige - Aussage im angefochtenen Bescheid darf allerdings - was der Beschwerdeführer zu übersehen scheint - nicht isoliert von den weiteren, die Tatsache der Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsangehörigen berührenden Ausführungen in der Bescheidbegründung beurteilt werden. Die Begründungselemente, wonach die Eheschließung nur dem Zweck gedient habe, einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu erreichen, und zudem einwandfrei feststehe, daß die Ehe nach zweimaliger Abschiebung des Beschwerdeführers und in Kenntnis des bestehenden Aufenthaltsverbotes geschlossen worden sei, werden im Gesamtkontext der Begründung des bekämpften Bescheides vom Gerichtshof dahin verstanden, daß die belangte Behörde den besagten, im Grunde des § 3 Abs. 3 Z. 2 leg. cit. für den Beschwerdeführer sprechenden Umstand als nicht von großem Gewicht gewertet hat. Selbst wenn man mit der Beschwerde diese Eheschließung stärker gewichten wollte, als dies offensichtlich die belangte Behörde getan hat, so wäre damit für den Beschwerdeführer nichts wesentliches gewonnen. Denn, wie oben dargetan, kommt den zur Beurteilung der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umständen sehr großes Gewicht zu, und zwar in einem Ausmaß, welches das sich in der Eheschließung manifestierende private (familiäre) Interesse des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes deutlich in den Hintergrund treten läßt.

4. Bei diesem Ergebnis ist der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, die Gattin des Beschwerdeführers zu den Umständen und Gründen der Eheschließung zu vernehmen, der Boden entzogen.

5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - somit auch ohne Mängelbehebungsauftrag hinsichtlich der Vorlage einer dritten Beschwerdeausfertigung - abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180100.X00

Im RIS seit

29.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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