TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/25 91/16/0057

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Veröffentlicht am 25.06.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §17 impl;
BAO §167 Abs2;
BAO §90 Abs2;
GrEStG 1955 §1 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):91/16/0058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerden

1. des AH und 2. der BH, beide in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland je vom 12.3.1991, 1. Zl. GA 11 - 1399/6/90, und

2. Zl. GA 11 - 1399/7/90, je betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden je wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von JE S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich zunächst im wesentlichen Folgendes:

Auf der Liegenschaft EZ. 137 des Grundbuches der KG. O... war ein Wohnhaus mit insgesamt drei Eigentumswohnungen (je eine pro Stockwerk) errichtet worden.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird an dieser Stelle auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. April 1989, Zlen 88/16/0218, 0224, ÖStZB 22/1989, S. 418, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Beschwerden der (in der Folge als Ehepaar oder Ehegatten 3 bezeichneten) Ehegatten, die je zur Hälfte den ihrer Eigentumswohnung Top. Nr. 3 in diesem Wohnhaus entsprechenden Anteil an dieser Liegenschaft erworben hatten, die ihnen gegenüber erlassenen Berufungsentscheidungen je vom 28. September 1988, betreffend Grunderwerbsteuer in bezug auf den über die "Anteile an diesem Mindestanteil" geschlossenen Kaufvertrag, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat.

Mit den nunmehr angefochtenen im wesentlichen gleichlautenden Berufungsentscheidungen derselben belangten Behörde je vom 12. März 1991 wurde gegenüber den (in der Folge als Ehepaar oder Ehegatten 1 bezeichneten) Ehegatten, die je zur Hälfte den ihrer Eigentumswohnung Top. Nr. 1 in diesem Wohnhaus entsprechenden Anteil an dieser Liegenschaft erworben hatten, in teilweiser Stattgebung ihrer Berufungen gegen die betreffenden erstinstanzlichen Bescheide für den über die "Anteile an ihrem Mindestanteil" (ebenfalls am 5. April 1984 von demselben öffentlichen Notar errichteten) Kaufvertrag je Grunderwerbsteuer - ausgehend je von S 1,241.000,-- als Bemessungsgrundlage - mit 8 v.H. festgesetzt. Im übrigen wurden ihre Berufungen als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete diese Berufungsentscheidungen in vielen Teilen wie die oben erwähnten je vom 28. September 1988, jedoch mit folgenden Ergänzungen und Anpassungen:

Mit Kaufvertrag vom 5. April 1984 sei dem Ehepaar 1 je zur Hälfte der betreffende Liegenschaftsanteil vom Baumeister Ing. Erich Sch. und Hans Sch. um einen Kaufpreis von (insgesamt) S 700.000,-- verkauft worden.

Das Ehepaar 3 und das Ehepaar W... habe ebenfalls

Miteigentumsanteile an dieser Liegenschaft zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses erworben. Da das Finanzamt (für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien) die geänderten Pläne der Ermittlung zugrunde gelegt habe, habe es festgestellt, daß nicht nur das zulässige Höchstausmaß der Wohnnutzfläche (130 m2) von allen Miteigentümern überschritten worden, sondern auch die Bauherrneigenschaft nicht vorgelegen sei. Es sei zur Nachversteuerung geschritten und habe mit (gesondert ausgefertigten) Bescheiden (je) vom 27. Dezember 1988 die Grunderwerbsteuer gegenüber den Ehegatten 1 festgesetzt.

In den (in einem Schriftsatz eingebrachten) Berufungen sei eingewendet worden, das Ehepaar 1 habe weder ein Gebäude noch einen Gebäudeteil erwerben wollen. Aus Punkt III. des Kaufvertrages dürfe nicht geschlossen werden, daß damit bereits die Absicht auf eine Bauführung zu einem schon feststehenden Fixpreis erfolgt sei. Die Baukosten von S 2,990.000,-- seien vom Generalunternehmer lediglich "garantiert" worden.

All diese Umstände - wesentliche Änderungen in der Bauausführung, wesentliche Änderungen im Preis - zwängen zu dem Schluß, die Ehegatten 1 hätten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht konkret gewollt, um einen bestimmten Preis ein bestimmtes Bauwerk zu errichten.

Beweis sei erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen Ing. Erich Sch., Ing. Josef H. und Notar Dr. Ernst K.

und es sei festgestellt worden:

Das Ehepaar 3 und Professor ... seien die ersten

Interessenten gewesen. Bereits damals (1979) sei ein 3-Familienhaus geplant gewesen. Das Bauansuchen sei am 5. August 1980 (eingelangt bei der Baubehörde am 7. August 1980) von Ing. Sch. eingebracht worden. Drei Pläne seien vorgelegt worden.

Das Bauansuchen und die Pläne seien mit Bescheid vom 10. Mai 1982 bewilligt worden.

Anläßlich der ersten Bauverhandlung habe sich herausgestellt, 1941 sei im Grundbuch ein Formfehler "passiert", wodurch sich das Bauverfahren bis 1983 verzögert habe.

1983 sei eine neuerliche Planung des Gebäudes erfolgt. 1979 habe an der linken Grundgrenze gebaut werden sollen. 1983 sei es "spiegelverkehrt gedreht" und (auf Grund des Fehlers im Grundbuch) auf der rechten Seite gebaut worden. Die äußeren Maße seien nicht geändert worden; auch die 4 Geschoße (einschließlich Keller) seien beibehalten worden.

Professor ... sei "bis 1983" aus dem Bauvorhaben

ausgeschieden. Ungefähr um diese Zeit sei das Ehepaar 1 zu diesem Vorhaben gestoßen. Es habe durch "Mundpropaganda" (Ing. H. sei Geschäftsfreund eines befreundeten, bereits in derselben Gasse wohnenden Ehepaares gewesen) davon erfahren. Durch Vermittlung Ing. H."s habe das Ehepaar 1 das Ehepaar 3 kennengelernt. Das sei etwa ein halbes Jahr vor Abschluß des Kaufvertrages anläßlich einer Besprechung bei Baumeister Sch. gewesen. Ing. H. habe die Pläne vorgelegt und die Durchführung (Material, was bei Wassereinbruch im Keller geschehe, Neigung der Garagen usw.) erklärt.

Die Baubeginnanzeige stamme vom 28. November 1983.

Am 18. Jänner 1984 habe die Vorbesprechung bei Notar Dr. K. stattgefunden. Es habe ein Mehrfamilienhaus mit drei Wohneinheiten nach den ursprünglichen Plänen von Ing. Sch. errichtet werden sollen.

Wegen der Kosten sei an dem Bau eines 3-Familienhauses festgehalten worden. Ein dritter Interessent sei aber nicht vorhanden gewesen und es habe Gabriele St. (Tochter bzw. Nichte der Verkäufer) die Wohnung Top. Nr. 2 übernommen.

Am 5. April 1984 sei der Kaufvertrag mit den Ehegatten 1 abgeschlossen worden. Unter Punkt III. dieses Vertrages sei u. a. vereinbart worden: "Insbesondere verpflichten sich die Verkäufer, alle künftigen Miteigentümer der Liegenschaft zu einer gemeinsamen Bauführung durch einen Generalunternehmer zu verhalten."

    Am 11. April 1984 sei der Generalunternehmervertrag

unterzeichnet worden. Generalunternehmer sei die

Kommanditgesellschaft Stadtbaumeister Rudolf J... gewesen.

Geschäftsführer der J... Gesellschaft m.b.H. sei u.a.

Ing. Erich Sch. gewesen. Kommaniditist der soeben genannten Kommanditgesellschaft sei u.a. Ing. Erich Sch. gewesen.

Am 12. April 1984 habe die Fundamentbeschau (nach dem Aushub) stattgefunden, am 13. Dezember 1984 die Rohbaubeschau.

1983 habe das Ehepaar 1 eine andere Lüftungsanlage gewünscht und es sei von ihrer Wohnung eine Wendeltreppe in den Garten gebaut worden.

Statt "Durisol" (Firma des Herstellers, habe sich allerdings als Bezeichnung für Holzwollespanziegel eingebürgert) seien Ziegel verwendet worden. Da auch diese die vorgeschriebenen Wärmedurchgangsziffern aufwiesen, sei nachträglich eine geänderte Baubeschreibung eingereicht worden. Eine Wärmedämmfassade sei errichtet und die Fenster auf der Gartenseite seien erheblich vergrößert worden.

1984 sei ein Planwechsel erfolgt. Dieser habe vor allem die Raumeinteilung der Wohnungen betroffen.

Ursprünglich sei für alle drei Wohnungen eine Wohnnutzfläche von 140,57 m2, sowie eine Loggia von zusätzlich 11,25 m2 geplant gewesen.

Im 2. Stock (Top. Nr. 3) sei der Abstellraum aus dem Wohnverband ausgegliedert und das Badezimmer verkleinert worden. Die Raumeinteilung der Wohnung sei geändert worden. Vom Erdgeschoß bis in den 2. Stock sei statt der geplanten Loggia durch Weglassen der Seitenwände ein Balkon errichtet worden.

Die Änderung im Jahre 1985 habe die Einrichtung einer Pumpstation für den Kanal betroffen.

1986 seien weitere Änderungen erfolgt; auf die Errichtung eines Personenaufzuges sei verzichtet worden. Im Erdgeschoß sei eine Schleuse und ein Abstellraum unterteilt worden.

Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes wies die belangte Behörde in bezug darauf, daß nicht das Ehepaar 1, sondern einer der Liegenschaftsveräußerer (Ing. Erich Sch.) gegenüber der Baubehörde als Bauherr aufgetreten sei, auf folgendes hin:

Bauansuchen vom 5. August 1980, Kopf des Einreichplanes vom 5. August 1980, bewilligt am 10. Mai 1982, Baubewilligungsbescheid vom 10. Mai 1982, Bewilligungsbescheid zur Abweichung vom bewilligten Bauvorhaben vom 16. März 1984 und Benützungsbewilligungsbescheid vom 27. Jänner 1986 an Ing. Erich Sch. "als Bauwerber".

Im Zusammenhang mit der Frage der Bauherrneigenschaft führte die belangte Behörde ergänzend folgendes aus:

Die Änderungen hätten im wesentlichen betroffen: Eine andere Lüftungsanlage, Umwandlung von Loggia in Balkon, Vollwärmeschutzfassade, statt Senkgrube Hebeanlage, statt "Durisol" Ziegel. Außerdem sei eine Wendeltreppe vom 1. Stock in den Garten gebaut worden.

Alle diese Änderungen hätten keine Änderung der Statik zur Folge gehabt. Selbst wenn der Durchbruch einer tragenden Wand erfolge, brauche keine geänderte Berechnung angestellt werden. Durch das Weglassen der Seitenwände bei den Loggias seien die Unterzüge zwar verstärkt worden, das Weglassen stelle aber keinen wesentlichen Eingriff in das Bauvorhaben dar. Hätte sich nur einer der Miteigentümer dazu entschlossen, die Seitenwände entgegen der ursprünglichen Planung nicht zu errichten, wäre dazu kein gemeinsamer Baubeschluß notwendig gewesen.

Für die Umdisponierung von Holzwollespanziegel auf Ziegel sei keine Baubewilligung notwendig. Es genüge, wenn eine geänderte Baubeschreibung nachgereicht werde, da es der Baupolizei auf die vorgeschriebenen Wärmedurchgangsziffern und nicht auf den verwendeten Baustoff ankomme.

Die Einrichtung einer Pumpstation für den Kanal habe mit dem Gebäude nichts zu tun.

Somit hätten diese Änderungen auf die übrigen Miteigentümer keinen Einfluß gehabt und nicht ihrer Zustimmung bedurft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse bereits vor Fassung des gemeinsamen Baubeschlusses eine Einigung aller Beteiligten über die Gesamtplanung und über die Höhe der Baukosten erfolgt sein. Bloße inhaltsgleiche Einzelerklärungen von den einzelnen Miteigentümern vermöchten nämlich nicht den erforderlichen gemeinsamen, auf Errichtung des gesamten Bauwerkes gerichteten Beschluß der Eigentümergemeinschaft zu ersetzen. Es könne nur die Gesamtheit aller Miteigentümer rechtlich über das ihnen gemeinsam gehörende Grundstück kraft Willensentschlusses verfügen.

Gemeinsamer Beschluß sei keiner gefaßt worden.

Dazu habe es auch nicht kommen können, da das Ehepaar 1 und die Ehegatten 3 einander erst anläßlich einer Besprechung bei Ing. Sch. kennengelernt hätten. Der dritte (zukünftige) Miteigentümer sei noch gar nicht festgestanden.

Laut Aussagen in den Parallelverfahren sei zwar von "gemeinsamen Beschlüssen" gesprochen worden. Auf nähere Fragen habe sich dann herausgestellt, daß diese "Beschlüsse" keine Willensentschlüsse gewesen seien, über das Grundstück gemeinsam zu verfügen, sondern mehr ein "Zusammenstreiten", das bereits geplante Vorhaben zu verwirklichen.

Zur Frage des einheitlichen Vertragswillens der Parteien auf Erwerb oder Veräußerung eines Grundstückes samt Bauwerk führte die belangte Behörde ergänzend aus, man könne ohne weiteres annehmen, daß der Generalunternehmervertrag von Ing. Sch. initiiert worden sei, auch wenn er durch Ing. H. verfaßt worden sei.

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1983, Zlen 82/16/0143 - 0150, hindere eine Personenverschiedenheit zwischen dem Verkäufer des Grundstücksanteiles und den Bauführern die Einbeziehung der Baukosten in die Bemessungsgrundlage dann nicht, wenn die Abreden über den Kauf des Grundstücksanteiles und über die Betrauung mit der Errichtung eines Wohnhauses - wirtschaftlich gesehen - eine Einheit bildeten und wenn der wohlverstandene einheitliche Vertragswille auch in diesem Fall auf den Erwerb einer fertigen Wohnung samt ideellem Grundstücksanteil gerichtet gewesen sei.

Erstens sei letzteres laut vorliegendem Sachverhalt sehr wohl der Fall gewesen. Zweitens habe Ing. Sch. als Geschäftsführer der J... Gesellschaft m.b.H. & Co. KG die Geschäfte der Gesellschaft beeinflussen können. Wenn nun nach der Rechtsprechung eine Personenverschiedenheit zwischen dem Verkäufer des Grundstücksanteiles und dem Bauführer die Einbeziehung der Baukosten in die Bemessungsgrundlage unter bestimmten Voraussetzungen nicht hindere, dann umsoweniger eine Konstellation, bei der der Verkäufer des Grundstücksanteiles Geschäftsführer des bauausführenden Unternehmens sei.

Das Ehepaar 1 sei durch "Mundpropaganda" zu dem hier in Rede stehenden Projekt gekommen. Ing. H. habe Planskizzen des bereits geplanten 3-Familienhauses vorgelegt.

Da sich abgabenbehördliche Ermittlungen bereits auf dieses Verfahren bezogen hätten, habe festgestellt werden können, daß der Verkäufer (der zweite Verkäufer) auf der Liegenschaft das Wohnhaus errichten solle.

Nach einer Darstellung der Berechnung der nunmehrigen Bemessungsgrundlage führte die belangte Behörde aus, da im Abgabenverfahren der Verfahrensgrundsatz der Unmittelbarkeit NICHT gelte und Beweise zum Gesamtprojekt bereits aufgenommen worden seien (z.B. sei der Mann des Ehepaares 1 in der Sache des Mannes des Ehepaares 3 befragt worden, wie er zu dem hier in Rede stehenden Projekt gekommen sei), habe mit dem Vorhalt der beabsichtigten Entscheidung vorgegangen werden können.

Zu diesem Vorhalt vom 5. Juni 1990 sei am 10. September 1990 Stellung genommen worden. Eingewendet sei die Verletzung des Parteiengehörs geworden, da nur auf das Parallelverfahren verwiesen worden sei, ohne dem Ehepaar 1 "die Möglichkeit zu geben, die dort aufgenommenen Beweise zu studieren".

Dem Ehepaar 1, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, sei am 26. September 1990 dazu Gelegenheit geboten worden. Es seien Ablichtungen der Niederschriften mit Dr. K., Ing. H., Ing. Sch. und dem Mann des Ehepaares 3, alle aus dem Parallelverfahren, übergeben worden. Der Vertreter des Ehepaares 1 sei auch darauf aufmerksam gemacht worden, daß gemäß § 90 Abs. 2 BAO in die Aktenvermerke über die Einsicht in den Bauakt und in den Handelsregisterakt keine Einsicht gewährt werden dürfe.

Ansonsten sei die Stellungnahme nicht geeignet gewesen, eine andere Beurteilung des Sachverhaltes herbeizuführen.

Eine seitens des Vertreters des Ehepaares 1 angekündigte weitere Stellungnahme, für die bis Ende Oktober 1990 eine Frist eingeräumt worden sei, sei bis dato nicht eingelangt.

Gegen diese Berufungsentscheidungen richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen jeweils die Aufhebung des betreffenden Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstatteten Gegenschriften vor. In diesen wird die Abweisung der jeweiligen Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verbindung beider Rechtssachen wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und danach erwogen:

Die nunmehrigen Beschwerdeführer (Ehegatten 1) erachten sich im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG durch die sie betreffende Berufungsentscheidung jeweils in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, daß ihnen gegenüber Grunderwerbsteuer nicht auch von dem (der Höhe nach unbestrittenen anteiligen) Wert des in der Folge auf der Liegenschaft errichteten Bauwerkes, sondern nur von ihrem Kaufpreisanteil (je S 350.000,--) für das (unbebaute) Grundstück festgesetzt werde.

In den vorliegenden gleichlautenden Beschwerden, die zweifellos und zutreffend von dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die besondere Ausnahme von der Besteuerung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 ausgehen, wird im Zusammenhang mit dem Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide nur folgendes vorgebracht:

Infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften sei eine abschließende rechtliche Beurteillung dieser Sachen gar nicht möglich, da der Sachverhalt nicht vollständig ermittelt worden sei. Im übrigen seien die Beschwerdeführer der Ansicht, daß schon auf Grund des bisher vorliegenden Sachverhaltes, insbesondere auf Grund der vorgelegten Urkunden und der festgestellten Änderungen des Bauvorhabens die Sachen insoweit rechtlich dahingehend beurteilt werden könnten, die Festsetzung der Grunderwerbsteuer auch vom Baukostenanteil sei unzulässig gewesen.

Bei dem zweiten Satz dieser Ausführungen scheinen die Beschwerdeführer zu verkennen, daß Rechtswidrigkeit des Inhaltes eines Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG nur dann vorliegt, wenn die Behörde das Gesetz falsch auslegt, das sie auf den von ihr angenommenen Sachverhalt zur Anwendung bringt, nicht aber, wenn der von ihr angenommene Sachverhalt zur Wirklichkeit im Widerspruch steht (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1992, Zl. 90/16/0156, mit weiterem Hinweis).

Ausgehend von dem von der belangten Behörde in den angefochtenen Berufungsentscheidungen festgestellten Sachverhalt - ob diese Feststellungen auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffen wurden oder nicht, wird noch zu prüfen sein - vermag der Verwaltungsgerichtshof entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung schon aus den bereits in seinem eingangs genannten (die Beschwerden der Ehegatten 3 betreffenden) Erkenntnis vom 20. April 1989 angeführten Gründen keine unrichtige Lösung des sogenannten "Bauherrnproblems" (siehe z.B. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, Band II2, Wien 1988, S. 80 Abs. 2) zu erkennen. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang aus der jüngeren Rechtsprechung z.B. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1992, Zlen 90/16/0160, 0161, mit weiterem Hinweis, verwiesen.

Zur behaupteten Rechtswidrigkeit der angefochtenen Berufungsentscheidungen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG, die der Verwaltungsgerichtshof überdies auf Grund des § 41 Abs. 1 VwGG von Amts wegen wahrzunehmen hat, ist folgendes zu bemerken:

Auch zu der hier wesentlichen Tatfrage, ob im Falle der nunmehrigen Beschwerdeführer beim Kauf der Grundstücksanteile zum Zweck der Erlangung der Eigentumswohnung der einheitliche Vertragswille auf die Verschaffung der Eigentumswohnung samt Grundstücksanteil gerichtet war oder OB DIE BESCHWERDEFÜHRER nur den ideellen Miteigentumsanteil an dem gesamten Grundstück erwarben und darauf DAS ERWÄHNTE WOHNHAUS (gemeinsam mit den anderen Mit- bzw. Wohnungseigentümern) ERRICHTETEN, beantragten die Beschwerdeführer in ihrem Berufungsschriftsatz u.a. die Vernehmung der Zeugen Hans Sch., Gabriele St. sowie Mann und Frau des Ehepaares 3 und die Beischaffung des betreffenden Bauaktes.

Abgesehen davon, daß die in den Begründungen der angefochtenen Berufungsentscheidungen und in den Gegenschriften angegebene Ankündigung einer weiteren Stellungnahme des Vertreters der Beschwerdeführer und die dafür eingeräumte Frist bis Ende Oktober 1990 aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht ersichtlich sind, stellten die Beschwerdeführer in den erwähnten Stellungnahmen vom 10. September 1990 zu dem Vorhalt der belangten Behörde vom 5. Juni 1990 den Antrag, die belangte Behörde möge die Akten des oder der "Parallelverfahren(s)" beischaffen und dem Vertreter der Beschwerdeführer Gelegenheit zur Einsichtnahme geben; die in der Berufung angebotenen Beweise durchzuführen und danach dem Vertreter der Beschwerdeführer wiederum Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.

Gewiß hat die Abgabenbehörde nach § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Beweiswürdigung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es hiebei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewißheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen läßt. Nach diesem in dem § 167 Abs. 2 BAO verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung hat sich die Abgabenbehörde - zwar ohne an formale Regeln gebunden zu sein, aber unter Wahrung aller Verfahrensgrundsätze (ordnungsgemäß und vollständig durchgeführtes Ermittlungsverfahren, Parteiengehör) - Klarheit über den maßgebenden Sachverhalt zu verschaffen. Die freie Beweiswürdigung bezieht sich jedoch nur auf die bereits vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und läßt es keineswegs zu, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 1992, Zlen 90/16/0236, 0238, mit weiterem Hinweis).

Auf Grund des § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

Gemäß § 115 Abs. 3 BAO haben die Abgabenbehörden Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.

Nach § 183 Abs. 1 BAO sind Beweise von Amts wegen oder auf Antrag aufzunehmen.

Auf Grund des § 183 Abs. 3 erster Satz BAO sind von den Parteien beantragte Beweise aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 zu entfallen hat.

Gegen diese Verfahrensgrundsätze wurde im vorliegenden Fall von der belangten Behörde schon im Hinblick auf die Unterlassung der Vernehmung der Zeugen Hans Sch., Gabriele St., Mann und Frau des Ehepaares 3 verstoßen, zumal es entgegen der von der belangten Behörde in ihren Gegenschriften unter Berufung auf Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Wien 1966, S. 564 (Abs. 1) vertretenen Auffassung nicht im Wesen der freien Beweiswürdigung liegt, daß weitere Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt werden müßten, wenn sich die Behörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise bereits ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente habe machen können.

Reeger-Stoll belegten a.a.O. ihre Auffassung mit einem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1961, Zl. 1239/61. Ganz abgesehen davon, daß diesem Erkenntnis eine Verwaltungsübertretung nach § 85 Abs. 2 KFG 1955 zugrunde lag und in dem betreffenden Verwaltungsstrafverfahren die die Einholung eines Gutachtens des gerichtsmedizinischen Institutes unterlassende Behörde den amtsärztlichen Gutachten mehr Gewicht beigelegt hatte als dem vom damaligen Beschwerdeführer beigebrachten privatärztlichen Gutachten, wurde diese Auffassung auch von Stoll, Bundesabgabenordnung-Handbuch, Wien 1980, der das zuletzt zitierte Erkenntnis nicht anführt, nicht mehr vertreten. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertritt Stoll, a.a.O., S. 384 Abs. 2, folgende Ansicht:

"... Um sich einerseits der Gefahr einer (unzulässigen)

"vorgreifenden" Beweiswürdigung nicht auszusetzen, anderseits dem (verfahrensökonomisch bedingten) Gebot der Zweckmäßigkeit und der Beschränkung des Beweisverfahrens auf "geeignete" Beweismittel Rechnung zu tragen, wird die Behörde auf vom Beweisthema erfaßte Beweise nur dann verzichten dürfen, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind, weil die Art des Beweismittels oder der Erkenntnisstand eine andere Beurteilung des Verfahrensgegenstandes mit Bestimmtheit ausschließen oder wenn diese nach Art des Beweismittels der Beurteilung der erkennbaren oder von vornherein unzweifelhaften Gegebenheiten zufolge mit Gewißheit zur weiteren Erkenntnis nichts beizutragen vermögen; wenn die Beweise für die Erhebung der Abgaben sohin nicht "wesentlich" sein können."

Gemäß § 90 Abs. 2 BAO sind von der Akteneinsicht ausgenommen Beratungsprotokolle, Amtsvorträge, Erledigungsentwürfe und sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden, Meldungen, Berichte und dergleichen), deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde.

Wenn nun die belangte Behörde in ihren Gegenschriften vorbringt, in die im do. Verwaltungsakt befindlichen Ablichtungen aus dem Bauakt habe Einsicht nicht gewährt werden können, da diese sonstige Schriftstücke im Sinne des § 90 Abs. 2 BAO seien, dann scheint sie folgendes zu übersehen:

Die Ausschließung der in dieser Gesetzesstelle genannten Schriftstücke ist nicht dem Ermessen der Behörde anheim gestellt, wenngleich bei den erstangeführten Schriftstücken die Ausschließung eine unbedingte ist, bei den "sonstigen Schriftstücken" die Ausnahme hingegen als relative zu verstehen, also zu prüfen ist, ob durch die Gewährung der Akteneinsicht berechtigte Interessen dritter Personen verletzt werden könnten (siehe z.B. Stoll, a.a.O., S. 209 Abs. 3).

Nun beantragten die Beschwerdeführer - wie bereits erwähnt - wiederholt die Beischaffung des betreffenden Bauaktes, was zumindest im Ergebnis einem Antrag auf Übersendung von Akten an eine andere Abgabenbehörde gleichkommt, um bei dieser Behörde die Akten (Aktenteile) einsehen zu können. Einem solchen Ersuchen darf entsprochen werden, zumal das Motiv für ein solches Ersuchen vielfach im Streben nach Vermeidung von Fahrtkosten liegt. Diesem Ersuchen sollte in der Praxis im allgemeinen entsprochen werden, außer es wird etwa gestellt, um das laufende Verfahren beträchtlich zu verzögern (siehe z.B. Ritz, Akteneinsicht im Abgabenverfahren, Wien 1990, S. 37 Abs. 3 und 4). Der Verwaltungsgerichtshof findet keinen vernünftigen Grund, den Beschwerdeführern die Einsicht in die von der belangten Behörde hergestellten Ablichtungen dieses Bauaktes zu verweigern.

Entgegen der von der belangten Behörde in ihren Gegenschriften weiters vertretenen Auffassung vermag der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem zwischen den einzelnen Rechtsvorgängen, mit denen Anteile derselben Liegenschaft entweder mit dem darauf zu errichtenden 3-Familienhaus oder zu dessen Errichtung - noch dazu gleichzeitig bei demselben Notar (siehe u.a. Punkt I. letzter Abs. des Kaufvertrages und Übereinkommens vom 5. April 1984) - erworben wurden, zwingend zumindest ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, abgesehen z.B. von Fristerstreckungsanträgen oder Ansuchen um Zahlungserleichterungen und den betreffenden Entscheidungen, keinen Grund für die Verweigerung der erforderlichen Akteneinsicht auch in bezug auf die "Parallelverfahren" zu sehen.

Schon auf Grund der bisherigen Ausführungen sind die angefochtenen Berufungsentscheidungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Zuerkennung der Aufwandersätze gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991160057.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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