TE Vwgh Erkenntnis 1992/8/5 92/13/0103

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Veröffentlicht am 05.08.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
18 Kundmachungswesen;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §20;
BAO §276 Abs1;
BAO §276 Abs2 idF 1989/660;
BAO §289 Abs2;
BGBlG §2 Abs2;
B-VG Art18 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 27. September 1991, GZ 6/3-3271/89-03, betreffend Einkommensteuer 1987 und Einkommensteuervorauszahlungen 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Soweit der angefochtene Bescheid die Einkommensteuer für 1987 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erklärte für das Jahr 1987 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Gewinn aus seiner Tätigkeit als Friedhofssänger in Höhe von S 312.984,15, wobei er unter anderem pauschalierte Betriebsausgaben im Ausmaß von 20 vH seiner Bruttoerlöse in Abzug brachte. Das Finanzamt erließ für 1987 einen (vorläufigen) Einkommensteuerbescheid, worin die pauschalierten Betriebsausgaben in beantragter Höhe berücksichtigt wurden. Des weiteren erging für das Jahr 1989 unbestrittenermaßen ein nicht aktenkundiger Einkommensteuervorauszahlungsbescheid, welchem das Einkommen des Jahres 1987 zugrunde gelegt wurde.

Diese Bescheide wurden in zwei vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr strittigen Punkten mit Berufung angefochten. Nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung wurde innerhalb offener Frist ein Antrag auf "Verlängerung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ..... gegen den vorläufigen Einkommensteuerbescheid 1987 und gegen die Einkommensteuervorauszahlungen für 1989" gestellt. Innerhalb der seitens des Finanzamtes verlängerten Frist wurde mit Schriftsatz vom 17. Juli 1989 ein derartiger Antrag "gegen die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 1989" gestellt. Mit der nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Berufungsentscheidung entschied die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Bescheide "betreffend Einkommensteuer 1987 und Einkommensteuervorauszahlungen 1989", wobei sie diese Bescheide unter anderem insofern abänderte, als pauschalierte Betriebsausgaben nur im Ausmaß von S 20.000,-- anerkannt wurden.

Nach dem Inhalt der zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen und nach Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch diesen mit Beschluß vom 25. Februar 1992, B 1265/91, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Nichtanwendung eines in der Beschwerde zitierten Erlasses des Bundesministers für Finanzen aus dem Jahre 1961 betreffend (Betriebsausgaben-)Pauschalsätze für Friedhofssänger verletzt und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte mit Ausnahme des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides für 1989 die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 260 Abs 1 BAO obliegt der Finanzlandesdirektion als Abgabenbehörde zweiter Instanz die Entscheidung über Berufungen.

Gemäß § 276 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung durch Berufungsvorentscheidung erledigen. Gegen einen solchen Bescheid, der wie eine Entscheidung über die Berufung wirkt, kann innerhalb eines Monates der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt werden.

Eine Berufungsvorentscheidung beendet vollwirksam ein Rechtsmittelverfahren und ist - falls der Berufungswerber es bei dieser Entscheidung beläßt und keinen "Vorlageantrag" stellt - wie jeder andere Bescheid der Rechtskraft fähig (vgl Stoll, BAO, Handbuch, S 662).

Gegenständlich wurde ungeachtet des mit Schriftsatz vom 20. Juni 1989 auf den Einkommensteuerbescheid 1987 und den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 1989 bezogenen Fristverlängerungsantrages zur Einbringung eines Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit Schriftsatz vom 17. Juli 1989 sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Inhalt des Antrages ein solcher nur bezüglich der ("gegen die") Vorauszahlungen an Einkommensteuer 1989 und Folgejahre gestellt. Die Berufungsvorentscheidung betreffend den Einkommensteuerbescheid 1987 erwuchs daher in Rechtskraft.

Entscheidet die Abgabenbehörde zweiter Instanz über eine Berufung, obwohl eine rechtskräftige Berufungsvorentscheidung vorliegt, so tut sie dies außerhalb ihrer Zuständigkeit. Die dadurch gegebene Unzuständigkeit ist vom Verwaltungsgerichtshof auch dann, wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wurde, aufzugreifen (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 590 Abs 2 und 581 Abs 5).

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er über die Einkommensteuer für 1987 abspricht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Soweit sich der angefochtene Bescheid auf die Einkommensteuervorauszahlungen für 1989 bezieht, ist das Beschwerdevorbringen, welches ausschließlich die Nichtanwendung eines Erlasses des Bundesministers für Finanzen durch die belangte Behörde rügt, nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil ein solcher Erlaß mangels gehöriger Kundmachung für den Verwaltungsgerichtshof keine Rechtsquelle darstellt. Die Meinung, daß die Anwendung oder Nichtanwendung eines Erlasses des Bundesministers für Finanzen durch die belangte Behörde als Ermessensentscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit abzuwägen gewesen wäre, findet im Gesetz keine Deckung.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich auf die Einkommensteuervorauszahlung für 1989 bezieht, gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes in beantragter Höhe gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.

Schlagworte

Ermessen VwRallg8Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Erlaß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992130103.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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