TE Vwgh Erkenntnis 1993/8/19 93/06/0099

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Veröffentlicht am 19.08.1993
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Index

20/05 Wohnrecht Mietrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
AVG §68 Abs1;
MRG §27;
MRG §39;
VStG §24;
VStG §25 Abs2;
VStG §51i;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch den bestellten Verfahrenshelfer Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Jänner 1993, Zl. UVS-06/14/00244/92, betreffend Übertretung des § 27 des Mietrechtsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 19. Februar 1992 an das Magistratische Bezirksamt für den 6. und 7. Bezirk/Schlichtungsstelle brachte der dortige Einschreiter W.M. einen gegen den Beschwerdeführer gerichteten Antrag auf Feststellung ein, daß der am 15. Oktober 1991 von W.M. anläßlich der Anmietung der Wohnung in W, D-Gasse 9/8b, dem Beschwerdeführer bezahlte Betrag von S 35.900,-- aufgrund einer gemäß § 27 Abs. 1 MRG ungültigen und verbotenen Vereinbarung geleistet worden und daher dem Antragsteller W.M. zurückzuzahlen sei. Aufgrund dieses Antrages leitete das Magistratische Bezirksamt für den 6. und 7. Bezirk ein Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 27 Abs. 4 MRG gegen den Beschwerdeführer ein und stellte ihm am 4. März 1992 die Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter zu. Da der Beschuldigte weder zur Einvernahme am 20. März 1992 erschien noch eine schriftliche Rechtfertigung einlangte, erging das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, MBA 6/7, vom 21. April 1992, in dem dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurde, er habe am 15. Oktober 1991 in W, D-Gasse 9/8b, entgegen den Vorschriften des § 27 Abs. 1 MRG von W.M. einen Betrag von S 35.900,--, dem keine gleichwertige Gegenleistung gegenübergestanden sei, als verbotene Ablöse für die Wohnung Top Nr. 8b im genannten Hause entgegengenommen. Er habe dadurch § 27 Abs. 4 MRG in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Z. 1 MRG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 36.000,--, (Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Tagen) verhängt. In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er habe zu allen Schreiben des Magistratischen Bezirksamtes Stellung genommen, an die Riemergasse habe er einen Einspruch abgeschickt. Bei der besagten Wohnung handle es sich nur um eine Teilvermietung einer größeren Wohnung, der Beschwerdeführer habe mit W.M. einen Untermietvertrag abgeschlossen, was aus dem beigelegten Mietvertrag hervorgehe. W.M. habe in bezug auf die Wohnung eine Kaution von S 15.000,-- erlegt sowie eine Mietzinsvorauszahlung für drei Monate, was sich aus dem Kassabeleg ergebe, das Mietverhältnis sei laut Mietvertrag vom 15. Oktober 1991 bis 14. April 1992 befristet. W.M. habe aber die Wohnung nicht nach Ende des Untermietverhältnisses zurückgegeben, er habe seine Mietenzahlungen seit Februar 1992 eingestellt, und die Wohnung offensichtlich einer Bekannten überlassen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Jänner 1993 wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 21. April 1992 hinsichtlich des Schuldspruches bestätigt, die verhängte Geldstrafe aber auf S 25.000,-- (Ersatzarrest 125 Stunden) herabgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, auf Antrag des W.M. habe der Magistrat der Stadt Wien eine Entscheidung vom 15. April 1992 erlassen, womit gemäß § 39 MRG festgestellt wurde, daß es sich bei der am 15. Oktober 1991 an den Beschwerdeführer geleisteten Zahlung von S 35.900,-- um eine verbotene Ablöse gemäß § 27 MRG handle. Diese Entscheidung sei in Rechtskraft erwachsen, da der Einspruch des Beschwerdeführers beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien von diesem mit Beschluß vom 12. Juni 1992 zurückgewiesen worden sei. Der Unabhängige Verwaltungssenat sei, da es sich bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer eine Leistung ohne gleichwertige Gegenleistung vom neuen Mieter entgegengenommen habe, um eine präjudizielle Rechtsfrage im Sinne des § 38 AVG handle, an den Spruch der zitierten Entscheidung gebunden. Aus diesem Grunde sei, ohne den Sachverhalt näher einer Prüfung zu unterziehen, die dem Beschwerdeführer angelastete Tat als erwiesen anzusehen gewesen, weshalb der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen gewesen sei. Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat auf die Einbringung einer Gegenschrift verzichtet und mit der Aktenvorlage die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ist der Begründung ihres Bescheides zufolge davon ausgegangen, daß sie an den Spruch der rechtskräftigen Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 15. April 1992, womit gemäß § 39 MRG festgestellt wurde, daß es sich bei der am 15. Oktober 1991 an W.M. geleisteten Zahlung um eine verbotene Ablöse handelte, gebunden sei. Sie war der Ansicht, daß aus diesem Grund die dem Beschwerdeführer angelastete Tat als erwiesen anzusehen sei, weshalb der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen gewesen sei.

Diese Rechtsansicht, wonach der Unabhängige Verwaltungssenat bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschuldigte den strafbaren Tatbestand verwirklicht hat (objektiver Tatbestand) und auch der subjektive Tatbestand vorliegt (Schuld als Voraussetzung der Strafbarkeit) an einen (rechtskräftigen) Administrativbescheid gebunden sei, findet im VStG keine Deckung. Vielmehr ergibt sich schon aus § 25 Abs. 2 VStG daß die Verwaltungsstrafbehörde von Amts wegen sowohl den objektiv gegebenen Tatbestand als auch die subjektive Tatseite von Amts wegen festzustellen hat. Damit ist nicht gesagt, daß die Verwaltungsstrafbehörde grundsätzlich nicht an eine rechtskräftige Vorfragenentscheidung einer zuständigen Behörde gebunden sei. Vielmehr gilt gemäß § 24 VStG § 38 AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. So hat z.B. der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 1971, Zlen. 1669/70 und 187/71 ausgesprochen, daß die Strafbehörde an einen rechtskräftigen Schiedspruch hinsichtlich der Frage des Berechtigungsumfanges einer Gewerbeberechtigung gebunden ist.

Die Bindungswirkung geht aber nicht so weit, daß damit der Strafbehörde keinerlei Kompetenz hinsichtlich des Schuldspruches zukäme, sondern nur mehr hinsichtlich der Strafbemessung. Die Beurteilung, ob ein Beschuldigter einen verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestand verwirklicht hat und ihm auch das erforderliche Verschulden anzulasten ist, kommt allein der Strafbehörde zu.

Der Beschwerdeführer hat schon in seiner Berufung gegen den Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes vom 21. April 1992 darauf hingewiesen, daß hinsichtlich der Wohnung in W, D-Gasse 9/8b ein befristeter Untermietvertrag abgeschlossen wurde, nämlich für die Zeit vom 15. Oktober 1991 bis 14. April 1992, der ohne schriftliche Kündigung mit 14. April 1992 endete. Überdies hat der Beschwerdeführer vorgebracht, daß hinsichtlich dieser Wohnung eine Kaution von S 15.000,-- und eine Mietzinsvorauszahlung geleistet wurde. In seinem Vorbringen hat der Beschwerdeführer auch Beweise angeboten (Mietvertrag, der im vorgelegten Verwaltungsstrafakt einliegt und Kassabelege). Bei dieser Sach- und Rechtslage wäre aber die belangte Behörde gehalten gewesen, selbst zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer eine strafbare Handlung schuldhaft verwirklicht hat oder nicht.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993060099.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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